Love is Loud – Ich höre nur dich

Home > Other > Love is Loud – Ich höre nur dich > Page 1
Love is Loud – Ich höre nur dich Page 1

by Engel, Kathinka




  Mehr über unsere Autoren und Bücher:

  www.piper.de

  Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, schreiben Sie uns unter Nennung des Titels »Love is Loud – Ich höre nur dich« an [email protected] , und wir empfehlen Ihnen gerne vergleichbare Bücher.

  Von Kathinka Engel liegen im Piper Verlag vor:

  Finde-mich-Reihe:

  Band 1: Finde mich. Jetzt

  Band 2: Halte mich. Hier

  Band 3: Liebe mich. Für immer

  Love-is-Reihe:

  Band 1: Love is Loud – Ich höre nur dich

  Band 2: Love is Bold – Du gibst mir Mut

  Band 3: Love is Wild – Uns gehört die Welt

  © Piper Verlag GmbH, München 2020

  Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

  Redaktion: Anita Hirtreiter

  Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

  Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

  Inhalt

  Cover & Impressum

  1 Franzi

  2 Lincoln

  3 Franzi

  4 Lincoln

  5 Franzi

  6 Lincoln

  7 Franzi

  8 Lincoln

  9 Franzi

  10 Lincoln

  11 Franzi

  12 Lincoln

  13 Franzi

  14 Lincoln

  15 Franzi

  16 Lincoln

  17 Franzi

  18 Lincoln

  19 Franzi

  20 Lincoln

  21 Franzi

  22 Lincoln

  23 Franzi

  24 Lincoln

  25 Franzi

  26 Lincoln

  27 Franzi

  28 Lincoln

  29 Franzi

  30 Lincoln

  31 Franzi

  32 Lincoln

  33 Franzi

  34 Lincoln

  35 Franzi

  36 Lincoln

  37 Franzi

  38 Lincoln

  39 Franzi

  40 Lincoln

  41 Franzi

  42 Lincoln

  43 Franzi

  44 Lincoln

  45 Franzi

  46 Lincoln

  47 Franzi

  48 Lincoln

  49 Franzi

  50 Lincoln

  51 Franzi

  52 Lincoln

  53 Franzi

  Danksagung

  Für all die Lauten. Für all die Leisen.

  Und für Maxi.

  1

  Franzi

  Eins.

  Zwei.

  Drei.

  Vier.

  Fünf.

  Sechs.

  Sieben.

  Acht.

  Neun.

  Zehn.

  Das »Nichts zu verzollen«-Schild am Louis-Armstrong-Flughafen in New Orleans blickt mich an wie eine stille Ermahnung. Wir sehen alles, sagt es. Du wirkst verdächtig. Ich starre zurück und zähle erst einmal langsam im Kopf bis zehn, obwohl ich weiß, dass keiner der Gegenstände in meinem Gepäck verzollt werden muss. Aber so hat es mir meine Mutter beigebracht. Wenn man bei zehn immer noch von seiner Entscheidung überzeugt ist, kann nichts mehr schiefgehen. Denn während dieser Sekunden erlangt man Gewissheit, dass eine Entscheidung rational ist und man sich nicht nur von seinen Gefühlen leiten lässt. Mit meinen vor lauter Nervosität schwitzigen Händen umfasse ich den Griff meines Rollkoffers und mache mich auf den Weg zum Ausgang – und in mein Abenteuer .

  In der letzten Zeit fand ich mich viel zu oft in Situationen wieder, in denen ich im Kopf bis zehn zählen musste. Bevor ich meine Bewerbung an das Programm »Care for a Living« rausschickte, habe ich gezählt. Bevor ich meiner Mutter und meinem Bruder davon erzählte, dass ich angenommen wurde und wirklich ein Jahr in den USA verbringen würde, habe ich gezählt. Bevor ich auf den »Jetzt buchen«-Button der Flugsuche-Webseite klickte, habe ich gezählt.

  Die amerikanischen Zollbeamten, an denen ich vorbeilaufe, unterhalten sich halbwegs angeregt und sind dennoch die ganze Zeit wachsam. Es ist jedes Mal das Gleiche mit mir. Ich weiß zwar, dass ich nichts Verbotenes tue, trotzdem werde ich leicht panisch, wenn ich Leute in Uniform sehe. Die Zollbeamten beäugen mich kritisch, und ich bin mir sicher, dass sie mir meine Nervosität ansehen können. Cool bleiben, weise ich mich selbst an. Tu einfach so, als wäre das hier ganz normal. Sogleich fällt mir auf, dass dies vermutlich genau das Mantra ist, das Schmuggler vor sich hin sagen, und ich fühle mich vollkommen grundlos noch verdächtiger.

  Ich lasse die Beamten hinter mir und bemühe mich, meine Schritte nicht zu beschleunigen, damit sie mich nicht aus der Menge herausgreifen und wieder zurückrufen. Allerdings bin ich mir in diesem Moment nicht mehr sicher, wie hoch meine Schrittfrequenz war. Ich orientiere mich an der Dame vor mir, versuche jedoch zu vermeiden, in einen Gleichschritt zu verfallen, weil das sicher albern wirken würde. Dies ist eine meiner größten Schwächen, etwas, von dem ich glaube, dass es mich bislang in meinem Leben zurückgehalten hat. Die Tatsache, dass ich mir in den meisten Momenten meines Körpers, meiner selbst viel zu bewusst bin, hemmt mich. Beinahe kommt es mir vor, als würde ich die ganze Zeit neben mir schweben und mir bei meinem eigenen Leben zusehen und darüber urteilen. Es sieht komisch aus, wenn deine Hände so baumeln. Wenn du die Arme verschränkst, weiß doch jeder, dass du unsicher bist. Deine Tanzbewegungen sind viel zu steif. Warum ist es nur so schwer, in der Masse einfach unterzugehen?

  Die Glasschiebetüren öffnen sich, und ich trete hinter der Dame vor mir hindurch. Im Gleichschritt natürlich, aber jetzt ist es ohnehin schon egal. Schnell taste ich in meinem Brustbeutel, den meine Mutter mir aufgeschwatzt hat, obwohl er der beste Beweis dafür ist, dass Funktionalität nicht über Schönheit gehen sollte, nach meinem Pass. Nur zur Sicherheit. Er liegt natürlich an Ort und Stelle, und ich blicke auf. Das hier ist mein erster Moment in New Orleans. Und ich hätte ihn fast verpasst, nur weil ich mal wieder alles richtig machen wollte und viel zu sehr damit beschäftigt war, mich auf mich selbst zu fokussieren.

  Aus den Lautsprechern dringt leise Jazzmusik an mein Ohr, und ich lasse den Anblick der verschiedenen fremden Restaurantketten und Geschäfte kurz auf mich wirken. Es riecht nach Kaffee und Frittiertem. Auf großen Leuchtschildern werden Pretzels in allen möglichen Geschmacksvariationen angeboten. Hallende Durchsagen unterbrechen die Musik, aber ich kann mich nicht auf den Inhalt konzentrieren, dafür bin ich viel zu aufgeregt. Denn das hier ist der Start in mein Abenteuer. Mein eigenes grandioses Abenteuer – ein ganzes Jahr, bevor ich mich wieder auf meine Zukunft konzentriere und in irgendeinem Büro versauere. Ein Abenteuer ohne die großen Hemmungen, die ich zu Hause so oft verspürt habe. Ich schließe kurz die Augen, atme einmal tief ein.

  Als ich sie wieder öffne, wird mein Blick auf die Wartenden gelenkt. Geschäftsmäßig aussehende Männer in Anzügen mit laminierten Schildern, Familien mit winkenden kleinen Kindern, Köpfe, die in die Luft gereckt werden, um besser sehen zu können .

  In der zweiten Reihe erkenne ich sie von dem Foto, das sie mir per Mail geschickt hat: Faye, die Schwiegertochter von Hugo, um den ich mich im kommenden Jahr kümmern werde und dafür Kost, Logis und etwas Taschengeld erhalte.

  »Hi, Franziska«, ruft sie und winkt. Fayes blonde, wellige Haare fallen über ihre linke Schulter und werden von einer Sonnenbrille
gekrönt, die sie auf den Kopf geschoben hat. Sie trägt ein figurbetontes, ärmelloses Kleid, und um die Schultern hat sie einen Cardigan geschlungen. Die schlanken Beine stecken in schwarzen Pumps. Sie ist – man kann es nicht anders sagen – wunderschön. In meinen Leggins und meinem schlabbrigen Pullover fühle ich mich im Vergleich zwar ein bisschen schäbig, aber ihr offenes Lächeln nimmt mir sogleich meine aufkeimende Unsicherheit, und ich merke, wie etwas von meiner Hemmung abbröckelt.

  Sie bedeutet mir, um die Absperrung herumzugehen, und läuft mir parallel auf der anderen Seite entgegen. Als wir endlich einander gegenüberstehen, breitet sie ihre Arme aus und zieht mich in eine Umarmung.

  »Schön, dass du da bist! Hattest du einen guten Flug?« Ihr Englisch klingt unerwartet weich. Sie zieht die Vokale in die Länge. Das muss der Südstaatenakzent sein.

  »Ja, danke!«, bringe ich mit klopfendem Herzen hervor. Ich lächle sie an, und sie klatscht in die Hände.

  »Gut. Sind das all deine Sachen? Kann ich dir etwas abnehmen? Wir parken draußen.« Sie macht eine Geste zur nächsten Glastür. Ihre Energie ist beinahe ansteckend, obwohl ich hundemüde bin. Für mich ist es ja eigentlich bereits Mitternacht.

  »Nein, geht schon«, erwidere ich.

  »Hugo?«, ruft sie und sagt leise an mich gewandt: »Er hat schlechte Laune. Vermutlich, weil er keinen Mittagsschlaf gehalten hat. «

  »Ich brauche keinen Mittagsschlaf.« Eine barsche Stimme zu meiner Linken zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein alter Mann erhebt sich von einer Bank und kommt auf uns zu. Er blickt mürrisch drein. »Genauso wenig, wie ich eine Aufpasserin brauche.«

  Den letzten Satz könnte ich auch missverstanden haben, denn er nuschelt ein wenig. Aber ich bin mir relativ sicher, dass ich mich nicht verhört habe, vor allem, weil Faye lacht und sagt: »Keine Sorge, ihr beide werdet euch bestimmt gut verstehen.«

  »Das muss erst noch bewiesen werden«, sagt Hugo und setzt sich einen Strohhut auf den Kopf.

  »Ich bin Franziska«, stelle ich mich vor, doch er ist bereits an uns vorbei Richtung Ausgang marschiert. Etwas perplex sehe ich zu Faye.

  »Tut mir leid, dass er so mies drauf ist«, sagt sie. »Er kommt immer noch nicht so richtig damit klar, dass er nun bei uns wohnen muss, obwohl wir ihn schon vor einem Jahr bei uns aufgenommen haben. Aber anders hätte es nicht funktioniert. Ich bin jedenfalls froh, dass du jetzt da bist. Das wird ihm guttun.«

  Ich nicke und versuche mich an einem weiteren Lächeln, mit dem ich vor allen Dingen mir selbst beweisen will, dass mich nichts aus der Ruhe bringen wird. Doch ich merke, in der Fremde sind Optimismus und Vorfreude ein zerbrechliches Gerüst, das trotz Vernunft leicht zu erschüttern ist. Und auf einmal kommt mir das Jahr, das vor mir liegt, wie eine Ewigkeit vor. Denn was, wenn ich mich mit Hugo nicht verstehe? Warum habe ich mir darüber vorher keine Gedanken gemacht? Wieso wollte ich nicht gleich einen Bürojob antreten? Ich sehe etwas unsicher zu Hugo, der konzentriert Löcher in die Luft starrt und alles daranzusetzen scheint, bloß keine Notiz von mir zu nehmen. Das kann ja heiter werden .

  In dem Moment, da wir aus dem klimatisierten Flughafengebäude hinaustreten, ist es, als würden wir in eine Wand aus Feuchtigkeit und Wärme laufen. Ich komme gerade aus dem regnerischen deutschen März, dessen Temperaturen in den letzten Wochen nie über zehn Grad geklettert sind. Hier hat es, wie mein Handy mir vor dem Abflug gesagt hat, vierundzwanzig Grad, die sich aber aufgrund der Feuchtigkeit anfühlen wie mindestens dreißig und mehrere Zentner schwer. Und die hier fünfundsiebzig Grad Fahrenheit heißen.

  Bei einem schwarzen SUV machen wir halt. Faye drückt auf ihrem Schlüssel herum, der Kofferraum öffnet sich automatisch, und ich wuchte mit ihrer Hilfe mein Gepäck hinein.

  »Hugo, willst du mit deinem schlimmen Bein vorne sitzen?«, fragt sie dann an ihren Schwiegervater gewandt. Er antwortet nicht, blickt nur grimmig drein. »Okay, dann ist es entschieden. Franziska, du sitzt vorne.« Sie lächelt und zwinkert mir zu.

  Ich bin unschlüssig. Schließlich will ich dem alten Mann nicht den bequemsten Platz wegnehmen – zumal, wenn er ein schlimmes Bein hat. Ich blicke zu ihm, um zu eruieren, ob das wirklich in Ordnung ist, doch da klettert er bereits auf die Rückbank. Er ist beweglicher, als man meinen könnte, wenn man sein faltiges Gesicht betrachtet.

  »Die Klimaanlage hat den Wagen gleich runtergekühlt, keine Sorge«, sagt Faye. Dankbar steige ich ins Auto.

  Wir fahren über Highways, die so breit sind wie drei deutsche Autobahnen nebeneinander. Alles scheint auf den ersten Blick größer als in Deutschland, nicht nur die Temperaturskala. Die Autos, die Straßen. Am Horizont erspähe ich hinter einem Dunstschleier ein paar Wolkenkratzer. Mein Bauch macht einen kurzen Satz der Vorfreude. Denn dieses Abenteuer habe ich mir schließlich aus gutem Grund ausgesucht. Ich wollte etwas von der Welt sehen. Etwas, das weiter weg ist als der Gardasee oder holländische Strandbäder. Den Büroalltag werde ich noch früh genug erleben – und jetzt bin ich wirklich hier.

  Faye schaltet das Autoradio ein, und ein Song von James Blunt ertönt. Von hinten dringt ein Schnauben zu uns nach vorne.

  »Was ist es diesmal, Hugo?«, fragt Faye, deren mädchenhafte Stimme ein bisschen von ihrem geduldigen Klang einbüßt.

  »Dein Gedudel«, sagt er.

  »Mein Auto, mein Gedudel«, erwidert Faye und lächelt mir entschuldigend zu.

  »Verlogener Scheiß«, sagt Hugo von hinten.

  »Und was, bitte, ist daran verlogen, wenn man über eine Frau singt, die so schön ist, dass sie aus der Masse heraussticht?«

  »Es geht nicht darum, was er singt.« Hugo wirkt nicht, als hätte er Lust, zu erklären, was er meint, tut es aber trotzdem. »Sondern darum, wie er es singt. Das ganze Arrangement. Es drückt einem die Emotionen geradezu auf. Das ist billig.«

  »Dann hör eben einfach weg«, sagt Faye.

  Ich wage einen kleinen Vorstoß und frage nach hinten gewandt: »Wie sollte Musik denn sein?«

  »Authentisch. Lebendig. Statt einfach nur nicht anzuecken, sollte sie das Leben feiern, in all seinen Facetten. Die traurigen Seiten, die fröhlichen Seiten. Und dabei dem Zuhörer Raum lassen, um zu entscheiden, wie er sich dabei fühlen will. Aber ihr beide habt offensichtlich keine Ahnung davon.« Er macht eine kurze Pause, legt seinen Kopf auf die Lehne und zieht seinen Hut übers Gesicht. »Vielleicht ist es doch an der Zeit für ein Nickerchen.« Aber es klingt nicht, als wäre das wirklich sein Bedürfnis, sondern eher wie ein vernichtendes Urteil über Fayes Musikgeschmack und meine Gesprächskompetenz. Meine Vorfreude wird langsam, aber sicher von etwas zur Seite gedrängt, das sich anfühlt wie Sorge. Sorge ist der Anfang jeder Hemmung. Und genau das wollte ich hinter mir lassen.

  »Keine Angst«, sagt Faye. »Er braucht ein bisschen, bis er sich an neue Umstände gewöhnt.«

  Ich nicke, aber die aufkeimende Euphorie, mit der ich meiner Ankunft in New Orleans eigentlich begegnen wollte, schafft es in diesem Moment nicht an die Oberfläche, und beinahe sehne ich mich nach einem ergonomischen Schreibtischstuhl.

  Wir verlassen den Highway über einen labyrinthartigen Knotenpunkt. Wie Faye sich hier zurechtfindet, ist mir ein Rätsel, und ich beobachte sie heimlich aus dem Augenwinkel. Sie ist absolut ruhig und cool, während sie Spuren wechselt, als gäbe es kein Morgen. Ich bin schon in Deutschland nur dann Auto gefahren, wenn es unbedingt sein musste. Mir scheint der Verkehr unberechenbar, so als könnte jeden Moment jemand durchdrehen und kamikazemäßig andere Verkehrsteilnehmer ausschalten. Ein Grund, warum ich auf der Autobahn nie schneller als hundertzehn Kilometer pro Stunde fahre und warum mein Bruder mich für den größten Angsthasen der Welt hält.

  Wir fahren unter einer Brücke durch und biegen an der darauffolgenden Kreuzung rechts ab.

  »Wir kommen jetzt in den Garden District«, sagt Faye. »Das Viertel, in dem wir wohnen. Und wenn du mich fragst, die schönste Gegend in New Orleans.« Sie lächelt.

  »Wenn man sie sich leisten kann«, grunzt Hugo von hinten, ohne den Strohhut von seinem Gesicht zu nehmen, sodass ich seine Mimik nicht lesen kann .

  »Und, Hugo?«, fragt sie. »Musst du denn M
iete zahlen?«

  Ich verstehe, dass sie genervt ist. Schließlich teilt sie ihr Zuhause mit ihrem Schwiegervater, der ganz offensichtlich alles andere als dankbar dafür ist. Oder höflich. Oder nette Gesellschaft.

  »Und, Faye?«, kontert Hugo. »Musst du denn Miete zahlen?«

  Faye seufzt theatralisch, sagt aber nichts dazu. Wäre ich an ihrer Stelle, ich würde dem alten Griesgram solche Unverschämtheiten nicht durchgehen lassen.

  »Da drüben ist ein sehr nettes Café. Vielleicht könntet ihr zwei dort in den nächsten Tagen mal frühstücken gehen.« Fayes Tonfall bleibt bewundernswerterweise die ganze Zeit über freundlich. »Die Boutiquen hier haben zwar keine so große Auswahl wie die im French Quarter, aber wenn du willst, können wir beide am Wochenende mal eine kleine Shoppingtour machen.«

  »Sehr gerne«, sage ich. Immerhin könnte es mit Faye wirklich nett werden.

  »Du musst dir keine Sorgen machen, Franziska«, sagt Hugo bissig. »Wenn du dich an Faye hältst, besteht überhaupt keine Gefahr, dass du mit zu viel Geld wieder nach Hause fährst.«

  Faye lacht, doch es klingt etwas gezwungen. Anscheinend ist bei ihr auch irgendwann eine Grenze erreicht.

  Ich blicke aus dem Fenster und konzentriere mich auf den Anblick der neuen Umgebung. Faye hat recht, das hier ist ein schönes Viertel. Und je weiter wir der Straße folgen, desto pittoresker wird es. Unter Arkaden reihen sich kleine, gemütliche Cafés, Bars und Restaurants dicht an dicht. Pflanzenkübel und gusseisernes Mobiliar, Kleiderstangen vor Vintageläden und bunt gestrichene Holzbänke verleihen der lebendig-urbanen Umgebung einen Zuckerguss-Charme .

  Wir lassen die belebte Straße hinter uns und biegen in ein Wohngebiet ab. Knorrige Bäume säumen die Fußwege zu beiden Seiten und dahinter –

  »Wow!«, entfährt es mir, und für einen kurzen Augenblick ist mein Ärger über Hugo und meine Sorge, wie ich ihn ein ganzes Jahr lang aushalten soll, vergessen.

  »Schön, oder?« In Fayes Stimme schwingt ein Lächeln mit.

  Ich bin beinahe sprachlos. Hinter hohen Hecken und glänzenden Eisenzäunen stehen die pompösesten Stadthäuser – ach, was sage ich, Villen! –, die ich je gesehen habe. Es kommt mir geradezu lachhaft vor, dass ich in diesem Moment an unseren Vorort mit den Doppelhaushälften und kleinen Gärten denken muss, denn er hält keinem Vergleich stand. Zweistöckige weiße Prachtbauten mit Veranda und aufwendig verzierten Balkons stehen mächtig in großen Gärten. Fusselige Flechten hängen von den Ästen exotisch aussehender Bäume herab. Genauso hatte ich mir die Südstaaten vorgestellt.

 

‹ Prev