ALTERED STATES

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ALTERED STATES Page 1

by Paddy Chayefsky




  Paddy Chayefsky

  ALTERED STATES

  Roman

  Apex-Verlag

  Das Buch

  Edward Jessup, ein junger Psychophysiologe, experimentiert mit verschiedenen Bewusstseinszuständen, besessen von der Sucht nach Wahrheit und Erkenntnis. Er injiziert sich psychedelische Drogen, liegt eingeschlossen in einem Isolationstank und erlebt alle Stadien vormenschlicher Bewusstseinsstufen, bis schließlich schreckliche Veränderungen mit ihm vorgehen: Jessup verwandelt sich auch physisch in ein vormenschliches Wesen. Sein Wissensdurst treibt ihn in immer neue, zunehmend unumkehrbare Verwandlungen hinein. Erst das Entsetzen, als sich sein Körper in reine Energie aufzulösen beginnt, bringt ihn zurück zu menschlichen Bindungen.

  Paddy Chayefsky, einer der bedeutendsten US-amerikanischen Dramatiker, schrieb mit seinem Debüt-Roman einen atemberaubenden, gleichsam philosophischen Schocker. Im Jahr 1980 verfilmte der britische Regisseur Ken Russell den Roman auf der Grundlage des Drehbuches von Paddy Chayefsky – in den Hauptrollen: William Hurt, Blair Brown und Drew Barrymore.

  Der Autor

  Paddy Chayefsky.

  (* 29. Januar 1923, + 01. August 1981).

  Paddy Chayefsky war ein US-amerikanischer Autor von Kino- und TV-Drehbüchern sowie von Romanen und Bühnenstücken.

  Er dramatisierte vor allem das Milieu der sozialschwachen Juden New Yorks, wobei häufig eine besondere Akzentuierung religiöser Themen vornahm. Chayefsky steht in der literarischen Tradition von Clifford Odets und Arthur Miller, seine politische Burleske The Passion of Joseph D. über Josef Stalin weist deutliche Bezüge zum Stile Bertolt Brechts auf.

  Chayefsky gewann einmal den Oscar in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch für Marty (1956) und zweimal den Oscar in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch für Hospital (1972) und Network (1976). Außerdem gewann er zwei Golden Globes und einen BAFTA-Award.

  Sein Roman Altered States (1978, dt. Die Verwandlungen des Edward J.) wurde im Jahre 1980 unter der Regie von Ken Russell verfilmt (in den Hauptrollen: William Hurt und Blair Brown) - das Drehbuch schrieb Paddy Chayefsky.

  Der Apex-Verlag veröffentlicht Altered States in neuer deutscher Übersetzung von Christian Dörge als illustriertes E-Book.

  Frühe Ausgaben von Altered States:

  Inhaltsverzeichnis

  Das Buch

  Der Autor

  Frühe Ausgaben von Altered States

  Bethesda, Maryland

  New York, Nairobi, Simla, Boston

  Zapatecus, Mexiko

  Boston: Harvard Medical School

  Peter Bent Brigham Hospital

  Cambridge: Harvard Medical School

  Van Buren Park Zoo

  Cambridge: Harvard Medical School

  Beacon Hill

  Nachwort

  Für meine Frau Susan

  Für meinen Sohn Dan

  Bethesda, Maryland

  1965

  Der Isolationstank selbst war nichts weiter als eine mit Aluminium ausgekleidete, sargartige Badewanne aus Sperrholz, 250 mal 250 mal 300 Zentimeter, zur Hälfte mit einer zehnprozentigen Magnesiumsulfat-Lösung gefüllt, die mehr Auftrieb erzeugt als reines Wasser. Die Flüssigkeit war auf 34°C aufgeheizt - die Temperatur, bei der ein schwimmender Körper die Schwerkraft am wenigsten spürt. Jeden Morgen kam ein anderer Freiwilliger vom Luftwaffenstützpunkt Andrews vorbei, zog sich aus und stand da, während ein Medizinstudent von der Johns Hopkins University ihm Blutproben abnahm und Jessup ihn an die Aufzeichnungsgeräte für Herz- und Gehirnströme anschloss. Herz, Puls, Blutdruck und die galvanische Hautreaktion wurden überprüft. Nach dieser Vorbereitung kletterte der Proband in den Tank und legte sich ins Wasser, das ihn in einem Schwebezustand hielt. Jessup und sein Assistent legten den Deckel auf und gingen in den Überwachungsraum. Im Tank schwamm der Freiwillige in völliger Dunkelheit und absoluter Stille, aller Sinnesreize beraubt, allein, isoliert.

  Anfangs hatte man angenommen, in solch einem schwarzen, lautlosen Apparat eingesargt zu sein, werde Wahnzustände auslösen, zumindest aber Angst. Das war jedoch im Großen und Ganzen nicht der Fall. In den ganzen zwei Jahren zeigten nur fünf von 62 Versuchspersonen Zeichen von Angst und baten darum, aus dem Experiment entlassen zu werden. Die übrigen berichteten von vergnüglichen bis anregenden Erlebnissen. Anscheinend löste der Entzug äußerer Reize einfach eine ganze Reihe neuer innerer Reize aus. Alle Versuchspersonen, auch die vorzeitig ausgeschiedenen, berichteten von anfänglichen Störungen bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Das Gefühl der Beengtheit verschwand rasch, und schon nach einer halben Stunde konnten die Probanden nicht mehr angeben, ob sie erst seit zehn Minuten oder schon seit zwei Stunden im Tank waren. Die meisten erlebten eine intensive sensorische Erregung, vor allem auf dem Gebiet sexueller Phantasie; einige hatten sogar einen Orgasmus. 49 Versuchspersonen erlebten Halluzinationen, und fast alle sprachen von größerer Klarheit der geistigen Prozesse und sogar von neuen Denkstrukturen; ihr für gewöhnlich lineares und logisches Denken wurde ganzheitlich und konfigurativ. Sie sahen die Dinge als Gestalt, nicht mehr nur als Summe von Einzelheiten. Manche konnten auf Anhieb komplizierte algebraische Probleme lösen, die man sonst nur Schritt für Schritt in den Griff bekommt. Die häufigste Reaktion war ein tiefes Gefühl von Ruhe und neuer Spannkraft, das sich deutlich auch in den enzephalographischen Aufzeichnungen niederschlug. Für die erste Phase war ein ganz bestimmtes rhythmisches Wechselmuster kennzeichnend. Minuten nach der Aktivierungszeit traten in allen Gehirnregionen regelmäßige Alphawellen von 40-50 µV mit einer Frequenz von 11-12 Hz auf. Nach fünfzehn Minuten vergrößerte sich die Alpha-Amplitude auf 30-70 µV, und zwar vor allem in den frontalen und zentralen Regionen. Bei der Halbstundenmarkierung traten rhythmische Wellen von 7-8 Hz auf und dann plötzliche rhythmische Theta-Ketten von 70-100 µV und 6-7 Hz. Erstaunlich war die Ähnlichkeit dieses EEG-Musters mit Gehirnstrom-Messungen bei meditierenden Zen-Priestern.

  Schließlich beschloss Jessup am 19. November 1965, einen Selbstversuch mit dem Tank zu wagen. Er hatte seine Versuchsreihe für die NASA abgeschlossen, und jetzt war er dabei, seine Ergebnisse niederzuschreiben. Der Tank wurde zu der Zeit nicht benutzt. Am Vormittag um halb zwölf ging er hinunter in den Versuchsraum, füllte den Tank einen Meter hoch mit Wasser, prüfte die Temperaturanzeige, zog sich aus und schwebte dann rücklings in der schwarzen, engen Stille.

  Anfangs lenkten ihn verschiedene körperliche Faktoren ab. Er hatte Angst unterzugehen und bekam etwas Wasser in die Ohren. Zehen und Finger wurden runzlig. Er tappte mit den Füßen herum, erzeugte kleine Wellen und klammerte sich mit seltsamer Beklemmung an den letzten Rest von äußerer Empfindung. Es fiel ihm schwer, eine bequeme Lage zu finden, und nachdem er verschiedenes versucht hatte, blieb er endlich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen liegen. Er war sich der Kerkerenge zwischen den Wandungen des Tanks bewusst, aber am meisten überraschte ihn die vollkommene Schwärze seiner Umgebung. Selbst im dunkelsten Raum erwartet man ja immer, dass die Augen sich anpassen und irgendeinen Schimmer von Licht entdecken, aber hier gab es absolut kein Licht, nichts, auf das seine Augen sich hätten einstellen können. Es war erbarmungslos schwarz und plötzlich totenstill. Dieser jähe Schauer von Stille war erschreckend, tastbar, lebendig.

  Er bekam Angst.

  Niemand wusste, dass er hier war; was, wenn er den Deckel nicht heben konnte? Das Wasser stand nur einen Meter hoch im Tank, aber auch das erschien ihm gar nicht mehr so sicher. Er hatte das Gefühl, in bodenloser Schwärze zu schweben. Er glaubte zu ersticken. Panik riss sich aus der Tiefe des Selbst los und flutete über seinen weißen, nackten, schwebenden Körper. Dann, ganz plötzlich, war es weg, wie von dem warmen Wasser um ihn her ausgewaschen. Fast bildhaft deutlich sah er seine verflüssigte Angst, grünliche, zähflüssige Angst, die aus seinem Körper ins Wasser sickerte. Und schlagartig
wurde ihm bewusst, dass er jetzt in dieser absoluten Schwärze sehen konnte. Es gab sogar eine ganze Menge Licht, fast ein Strahlen. Die Holzmaserung der schwarzen Wände hinter der Aluminiumverkleidung nahm lebendige Formen an. Plötzlich das Bild einer grünen Veronika, eines dieser mit dem Bildnis Christi bemalten Taschentücher, kalkweiß das Gesicht, mit kleinen roten Flecken auf den Wangen, auf der Stirn die Dornenkrone. Im nächsten Augenblick sah er eine unendlich weit surrealistische Landschaft, lange, blendendweiße Strände, und dort - lag sein Körper, in breiten, schwarzen Tuschestrichen skizziert.

  Mein Gott, dachte er, ich halluziniere.

  Interessant war, dass er trotz dieser halluzinatorischen Erfahrung sein rationales Bewusstsein nicht verlor. Er war Edward Jessup, er lag in einem Isolationstank in Bethesda, Maryland, und halluzinierte. Er fragte sich, was wohl die genauen physiologischen Ursachen einer Halluzination sind. Eine Seite aus einem medizinischen Textbuch erschien unvermittelt vor ihm auf einem Computerbildschirm. Er las: »Visuelle Eindrücke werden durch spontane Erregung von Teilen des Gehirns erzeugt.« Diese Feststellung erschien ihm ausgesprochen bombastisch. Plötzlich war alles rot, die Farbe der Wut. Er fühlte sich schreien: »Was denn für Teile des Gehirns? Wovon zum Teufel redest du eigentlich?«

  Dann sah er das Bild eines Neuronenhaufens, schlafende Neuronen in halb dämmrigem Licht, richtig zusammengerollt wie im Schlaf. Die Bedeutung war klar: Das waren Vorratsneuronen, irgendwo in unserem Gehirncomputer eingelagert, irgendwann im Leben aufgeschnappte und dann aus dem rationalen Bewusstsein ausgefilterte Wahrnehmungen, der Stoff der Träume. Sie warteten darauf, aktiviert, entladen zu werden.

  Eines war unmittelbar erschlagend deutlich: Von der Strandhalluzination abgesehen, war seine innere Bilderwelt physiologischer Natur. Offenbar trägt man die bestimmenden Denkmuster des normalen Lebens in die Halluzination hinein. Er war Physiologe, also nahmen seine Halluzinationen physiologische Formen an. Er blickte jetzt auf sein eigenes Gehirn, drang in die graue Masse donnernder Neuronen ein, die im Augenblick mit einem seltsamen Widerspruch beschäftigt waren. Wenn sowohl die Halluzinationen als auch das Bewusstsein dieser Halluzinationen Produkte seines eigenen Gehirns waren, wie konnte dann eins das andere distanziert betrachten, vor allem, wo sein Selbstbewusstsein jetzt die Gestalt einer geschwollenen, offenbar erregten Vagina annahm, in die sich eben sein ganzer Körper vor Erwartung zitternd hineinstürzte? Die Vagina verwandelte sich in das lebensnahe, überaus plastische Bild einer gesichtslosen und doch irgendwie schönen jungen Frau, die sich auf dem ewig weißen Strand von vorhin in sexueller Ekstase krümmte, und auch er war dort und wälzte sich mit ihr, drängte sich an sie, in sie hinein mit nie gekannter Hemmungslosigkeit, wild, frei, unbekümmert und heftig.

  Ihm fiel auf, dass ihr Gesicht dem Antlitz Christi auf der Veronika glich, nur war es jetzt unter der Dornenkrone von Lust verzerrt. Dann Jessups berstender Orgasmus in einem roten Strahlenblitz und plötzlich war er wieder in dem schwarzen, lautlosen Tank, mühelos schwebend, unbeschwert, voll innerer Ruhe. Es hatte ihn gepackt.

  Er stand in dem hüfthohen Wasser auf und drückte den Deckel hoch. Er ließ sich mühelos öffnen. Tropfnass kletterte er aus dem Tank in den schallgedämpften Raum. Seine Kleider und das Handtuch fand er in der Ecke, wo er sie hingelegt hatte. Er trocknete sich ausgiebig ab. Nach einer Weile fühlte er sich bereit, das gedämpfte Licht einzuschalten und wieder zur äußeren Wirklichkeit zurückzukehren.

  Er war überaus zufrieden mit sich, fühlte eine nie gekannte Sinnlichkeit.

  Er genoss es, sich gründlich zu frottieren.

  Als er seine Armbanduhr aus der Jackentasche zog und die Zeit abzulesen versuchte, glaubte er 17.42 Uhr zu erkennen. Das konnte doch nicht sein!

  Er schloss die Tür auf und ging, nackt wie er war, auf den hell erleuchteten Korridor und schaute noch einmal auf die Uhr: Es war siebzehn Minuten vor sechs. Er war also über sechs Stunden im Tank gewesen.

  Es war unfassbar.

  New York, Nairobi, Simla, Boston

  1967 - 1975

  Emily Jessup sah ihren Mann zum ersten Mal auf einer Party bei Arthur Rosenberg. Das war im Herbst 1967. Rosenberg, jung verheiratet, lebte in einer Dreizimmerwohnung Ecke 97. Straße und West End Avenue, und der Kreis, der sich dort zusammengefunden hatte, war eine typische Versammlung junger Intellektueller: Aus den Boxen tönte leise die Stimme von Janis Joplin, und dazu machten Joints die Runde. Anwesend waren zwei Biochemiker, ein Genetiker, eine schwangere Malerin (Mrs. Rosenberg), ein Bildhauer, ein Pharmakologe (Rosenberg), eine Anthropologin und ein Psychophysiologe. Die Anthropologin war Emily; seit ihrer Graduierung arbeitete sie bei Holloway in Columbia. Sie hatte gerade ihre Dissertation eingereicht und wartete nun fiebernd auf die Beurteilung. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und sehr hübsch, kurzgeschnittenes blondes Haar, attraktive Beine in engen Jeans - eine selbstbewusste junge Frau.

  Der Psychophysiologe war Edward Jessup, achtundzwanzig Jahre, mittelgroß und schlank; er hatte flachsblondes Haar, und sein blasses Gesicht trug feine, ausdrucksvolle Züge. Seine goldgeränderte Brille, hinter der sein Gesicht wie eingeklemmt wirkte, gab seinem Aussehen etwas von calvinistischer Strenge. Emily fand, dass er auf eine mönchische Art sehr anziehend war. Er hatte gerade promoviert und lehrte am Cornell Medical College Physiologie. Zusammen mit Rosenberg und einem klinischen Psychiater namens Hobart arbeitete er an der Payne-Whitney-Klinik mit Schizophrenen. Er und Rosenberg beschäftigten sich nebenbei außerdem auf eigene Faust mit Deprivations- und Isolationsexperimenten. Emily beobachtete ihn schon eine Weile. Er hatte sich gegen neun Uhr in eine Ecke der Wohnzimmercouch zurückgezogen und sagte den ganzen Abend fast nichts. Sie zwängte sich neben ihn auf die Couch und sagte: »Arthur meint, dass Sie sehr schüchtern sind; ich soll Sie ein bisschen auftauen.«

  »Auftauen? Das klingt aber gar nicht nach Arthur.«

  »Na ja«, gab sie zu, »eigentlich hat er gesagt, dass Sie ein arroganter, anmaßender, ehrgeiziger Typ sind, ein bisschen verrückt, aber ungeheuer fähig. Er sagt, dass ihr beide euch mit Sinnesdeprivation und Isolationstanks befasst, dass ihr wahrscheinlich die einzigen seid, die auf dem Gebiet ernstzunehmende Arbeit leisten und dass ihr bereits Anfangsgründe einer quantifizierbaren Methodologie erarbeitet habt, mit der man die innere Erfahrung untersuchen kann. Er sagt, dass Sie unter den Physiologen hier in der Stadt wahrscheinlich der führende Kopf sind, dass Sie Angebote von Harvard, Michigan und Stanford haben, und dass ich Sie faszinierend finden würde, wenn ich Sie zum Reden bringen könnte.«

  Jessup nickte. »Ja, das könnte von Arthur sein.« Und damit schien der Gegenstand auch schon erschöpft. Er faltete seine Hände im Schoß und starrte sie an. Sie fragte, was er und Rosenberg denn in der Payne-Whitney-Klinik machten.

  »Toxische Stoffwechselprodukte«, sagte er. »Wir wiederholen mehr oder weniger Heaths und Friedhoffs Verfahren und versuchen, Maverick-Stoffe zu finden, die für Schizophrenie spezifisch sind. Aber ich glaube, wir drehen uns im Kreis, solange wir nach einem einzigen ätiologischen Wirkstoff suchen, der von einem einzigen pathogenen Mechanismus erzeugt wird.« Er hatte das alles erzählt, als setzte er voraus, sie wüsste, wovon die Rede war.

  Sie sagte ihm, dass sie kein Wort verstanden hatte.

  Seufzend und sichtbar widerwillig fuhr er fort: »Also. Wir versuchen nachzuweisen, dass Schizophrenie eine vom Normalen abweichende Physiologie hat. Für mich besteht daran kein Zweifel. Es gibt wahrhaftig zentnerweise Beweise dafür. Ich glaube nur eben nicht, dass Transmethylierung der Prozess ist, der uns weiterbringt, und ich glaube auch nicht, dass man die Schizophrenie auf einen einzigen Wirkstoff zurückführen kann. Aber hören Sie, Sie sind daran doch gar nicht wirklich interessiert, und ich bin es weiß Gott auch nicht. Als Arthur sagte, Sie würden mich interessant finden, da hat er sicherlich unsere Arbeit über Sinnesdeprivation und Isolationstanks gemeint. Soll ich Ihnen davon was erzählen?«

  »Ja«, sagte sie.

  »Ich fühle mich auf Partys nicht wohl«, sagte er. »Hätten Sie was dagegen, irgendwohin zu gehen und einen Kaffee zu trinken?«

  Sie gingen in
ein Café Ecke 86. und Broadway. Jessup erzählte ihr, wie er zur Isolationsforschung gekommen war, die er immer für ziemlich verstiegen gehalten hatte und immer noch hielt. Wie er selbst zugab, war er so normal wie nur möglich, ganz Establishment, ganz Labor-orientierter Wissenschaftler. Ursprünglich hatte er auf dem Gebiet der Hemisphären-Dominanz arbeiten wollen und gehofft, er könne sich Sperry und seiner Gruppe an der University of California anschließen. Dann hatte er plötzlich die Möglichkeit, unter Gregory Hayworth zu promovieren, dem Leiter des Behavioral Services-Department für die NASA. Hayworth arbeitete an einer Reihe von Studien über Stress unter Isolationsbedingungen. Das Raumfahrtprogramm interessierte sich natürlich für die psychischen Zustände, denen seine Astronauten ausgesetzt sein würden, wenn sie für längere Zeiträume auf kleinstem Raum leben mussten, und gewährte Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet großzügige Zuschüsse. Man bekommt nicht oft die Chance, mit jemandem wie Hayworth zusammenzuarbeiten, und der Forschungszuschuss war verlockend - Jessup brauchte nicht lange zu überlegen. Im Nu war er unten in Bethesda und arbeitete in einem Nebengebäude der National Institutes of Health mit einem Isolationstank.

  In Bethesda traf er Arthur Rosenberg, der im National Institute of Mental Health auf der anderen Straßenseite die Wirkung von LSD auf Schizophrene untersuchte. Das war 1964, als LSD noch als vielversprechende therapeutische Droge galt und für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt wurde. Jessup staunte über die Ähnlichkeit zwischen dem Bewusstseinszustand im Tank und der psychotomimetischen Erfahrung unter dem Einfluss von LSD und anderen bewusstseinsverändernden Drogen. Er sah sich nach Literatur zu diesem Gegenstand um. Über Isolation und Sinnesdeprivation gab es nicht viel, meist Arbeiten über Gehirnwäsche, die die Army im Laufe des Koreakrieges in Auftrag gegeben hatte; über LSD fand sich dagegen eine chaotische Flut von etwa fünfzehnhundert Publikationen. Für die Erfahrungen unter LSD-Einfluss, so erzählte er Emily, lassen sich keinerlei Regeln angeben. Manche Versuchspersonen sehen alles strahlend erleuchtet, für andere ist alles in düstere Schatten getaucht. Manche Leute fühlen sich angeregt und heiter, andere haben Wahnvorstellungen. Einige erinnern sich an Dinge, die sie aus dem Bewusstsein verloren hatten, andere sehen Projektionen der Zukunft. Und manche fühlen überhaupt nichts. Das große Problem bei der Erforschung der inneren Erfahrung und der veränderten Bewusstseinszustände, soviel war ihm klargeworden, bestand in der totalen Subjektivität dieser Erfahrung und in der Tatsache, dass die Kommunikation zwischen der Versuchsperson und dem Beobachter sich während des Experiments häufig verschlechterte. Unter den Bedingungen des Tanks oder unter dem Einfluss von pharmakologischen Wirkstoffen, Hypnose oder selbstinduzierter Trance verändert sich das normale Bewusstsein des Menschen, und die Erfahrungen, die er dabei macht, sind ganz und gar persönlich oder sogar überpersönlich. Visionen, Halluzinationen, Verzerrungen und Entstellungen der Wahrnehmung betreffen nur ihn, und oft ist er nicht in der Lage, sie zu vermitteln; und wenn er ihnen doch Ausdruck zu geben versucht, so bleiben seine Äußerungen dem Beobachter oft unverständlich. Auch kann man niemals wissen, ob das, was eine Versuchsperson in solch einem Zustand sagt, die Erlebnisse wirklich angemessen beschreibt, denn diese Erlebnisse lassen sich nicht wiederholen, also auch nicht überprüfen.

 

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