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ALTERED STATES

Page 6

by Paddy Chayefsky


  Jessup dachte einen Augenblick nach und fragte dann über Echeverria: »Heißt das, du warst bei mir in meinem Traum? Kannst du denn an den Träumen anderer Menschen teilnehmen?«

  Der alte brujo verzog das Gesicht, er schien ein wenig verwirrt. Die Hinchi-Indianer sehen keine scharfe Trennung zwischen Träumen und äußerer Wirklichkeit. »Ich habe gesehen, wie du die Eidechse gegessen hast«, sagte er noch einmal. »Wir alle haben das gesehen.«

  Jessup ließ nicht locker: »Aber ich habe die Eidechse im Traum gegessen und nicht wirklich hier beim Feuer. Wenn du zugeschaut hast, dann musst du mit mir in meinem Traum gewesen sein.«

  Echeverria übersetzte, aber der brujo schien nicht zu verstehen.

  Echeverria drückte es noch einmal in ganz einfachem Spanisch aus. Der Alte sah Jessup mit gerunzelter Stirn an und schlurfte dann auf die Büsche zu, in denen Jessup wieder zu sich gekommen war. Nach einigen Schritten drehte er sich um und gab Jessup ein deutliches Zeichen, ihm zu folgen. Jessup und Echeverria gingen ihm nach. Der brujo bahnte sich einen Weg durch die Büsche, dann blieb er stehen und deutete auf die Erde.

  Was sie dort sahen, waren die blutigen Überreste einer großen Iguana-Eidechse mit gezacktem Rückenkamm; die Gliedmaßen waren gewaltsam aus den Gelenkpfannen gedreht worden.

  Echeverria wurde grün im Gesicht.

  Der brujo ging fort und sprach kein Wort mehr darüber. Er schien sogar beleidigt zu sein. Es dauerte natürlich kaum eine Stunde, bis Jessup zu seiner skeptischen Haltung zurückgefunden und die ganze Sache auf seine Weise erklärt hatte. Erstens gibt es in den Highlands gar keine Iguanas; sie leben in Wüsten und Küstengegenden. Die Indianer hatten ihm einen Streich gespielt, mit dem sie den Gringo lächerlich machen wollten. Sicherlich hatten sie die Eidechse den überall herumlungernden Hunden vorgeworfen. Nun pflegen Hunde allerdings nicht ihren Beutetieren die Gliedmaßen auszudrehen, aber das konnten ja auch die Indianer gemacht haben.

  Er löcherte Echeverria mit Fragen über die Ereignisse der letzten Nacht. Echeverria hatte an der Zeremonie nicht teilgenommen und war sicherlich ein nüchterner Beobachter gewesen, aber seine Antworten brachten auch nicht die erhoffte Gewissheit. Etwa um halb acht, so berichtete er, war Jessup aufgestanden und in die Büsche gegangen, vermutlich, um auszutreten. Er war mindestens zwanzig Minuten weg gewesen, und in dieser Zeit habe man kurz ein tierisches Knurren und Kreischen aus dem Gebüsch gehört; es habe fast wie der Kampf zweier Hunde geklungen. Echeverria und eine der Frauen waren aufgestanden, um nachzusehen, was los war; sie dachten, dass sich vielleicht zwei Hunde auf Jessup gestürzt hätten, oder dass ihm der Pilzrauch nicht bekommen sei. Schließlich war es ja das erste Mal, dass er halluzinogene Drogen genommen hatte, und beim ersten Mal weiß man ja nie. Jedenfalls hatte Echeverria und die Frau gerade den Rand des Dickichts erreicht, als das Knurren und Jaulen aufhörte und der brujo sie zurückrief.

  »Herr im Himmel«, schnappte Jessup, »du hältst es doch nicht etwa für möglich, dass ich da in die Büsche gegangen bin, mir einen riesigen Iguana geschnappt, in Stücke gerissen und aufgefressen habe?!«

  »Natürlich nicht«, sagte Echeverria.

  »Und das auch noch in nur zwanzig Minuten!«, sagte Jessup.

  »Ich erzähl dir nur, was passiert ist, und sonst gar nichts.«

  »Halluzinationen externalisieren sich nicht«, fuhr Jessup aufgebracht fort. »Du weißt doch so gut wie ich, dass ich meine normale Gestalt behalten und wie die anderen am Feuer gesessen habe. Ich habe mich nicht in eine Masse geschmolzener Nervensubstanz verwandelt. oder?«

  »Nein, nein«, beruhigte Echeverria ihn, »du hast dich äußerlich nicht verändert. Das war reine Halluzination. Du bist zwanzig Minuten fort gewesen, um zu pinkeln, und dann warst du wieder da. Später bist du ein bisschen hier in der Lichtung herum gegangen. Dann hast du dich wieder hier hingesetzt und bist eingeschlafen. Das war so gegen acht.«

  »Na also«, sagte Jessup. »Tut mir leid, dass ich so gereizt war. Was meinst du, ob ich wohl ein bisschen von dem Zeug mit nach Boston nehmen kann?«

  Boston: Harvard Medical School,

  Peter Bent Brigham Hospital,

  Oktober 1975 - Januar 1976

  Mason Millard Parrish, siebenunddreißig Jahre alt, ein Meter achtundachtzig groß, polternd und bärtig, Professor für Endokrinologie an der Harvard Medical School, praktizierender Endokrinologe am Peter Bent Brigham Hospital, Mitherausgeber des American Journal of Endocrinology, Leiter der klinischen Forschung in der New England Endocrinological Society, beteiligte sich erst ab Oktober 1977 an Jessups absonderlichen Experimenten.

  Nicht, dass ihm das Treiben seiner beiden Freunde Rosenberg und Jessup ganz entgangen wäre - er wusste, dass Rosenberg die halluzinogene Mixtur, die Jessup aus Mexiko mitgebracht hatte, mittlerweile synthetisch herstellen konnte, und dass die beiden erste noch ungezielte Versuche mit dem Stoff anstellten. Aber er hatte seine Freunde nicht sehr oft gesehen; er war ein sehr beschäftigter Mann. Er hatte seine eigene Forschungsarbeit. Vor sechs Jahren hatte er den Versuch begonnen, die Funktion von ACTH bei der Fixierung des Kurzzeitgedächtnisses aufzuspüren, und das Projekt, vom National Institute of Health großzügig unterstützt, hatte sich seitdem zu einem stattlichen Unternehmen ausgeweitet. Er verfügte jetzt über ein großes Labor, fünf Käfige mit durcheinander wimmelnden Ratten, zwei Laboranten, zwei graduierte Studenten, einen Endokrinologie-Studenten und eine Ganztagssekretärin. An drei Vormittagen in der Woche behandelte er. Er war Vorsitzender der wöchentlichen Endokrin-Konferenz (dienstags, elf Uhr) und des Journal Clubs (freitags, sechzehn Uhr), und Dienstagnachmittag und Donnerstagvormittag hatte er in der Ambulanz zu tun; außerdem unterrichtete er noch zwei Kurse. Er war Junggeselle und wechselte gern die Bekanntschaften; er jagte auf seiner Honda durch Boston und verliebte sich, sooft es eben ging.

  Am Freitag, dem 17. Oktober, war er nicht verliebt und auch nicht verabredet, und so rief er Rosenberg an, um zu hören, wie es stand. Rosenberg erzählte, dass Jessup sich am Abend wieder mit seiner mexikanischen Droge auf die Reise machen wollte; sie würden gegen sieben Uhr in einem der schallgedämpften Räume der psychophysiologischen Abteilung des Brigham Hospital anzutreffen sein.

  »Da könnte ich doch mal vorbeikommen und ein bisschen Blödsinn machen«, meinte Parrish.

  »Fabelhaft«, meinte Rosenberg.

  Um sieben Uhr durchstöberte Parrish den vierten Stock des Brigham Hospital, lugte in die Bio-Feedback-Räume und suchte nach seinen Freunden. Er fand sie im letzten Raum, in dem sich nichts befand als ein Liegestuhl, auf dem Jessup saß, und ein tragbarer BEG-Apparat. Eine große Glasscheibe trennte das Zimmer vom Überwachungsraum.

  Jessup hielt ein großes Porzellanbecken auf dem Schoß.

  »Wozu ist denn das gut?«, fragte Parrish.

  »Die Geschichte ist immer mit einer ziemlichen Kotzerei verbunden«, gab Jessup Auskunft.

  Rosenberg gab Jessup ein Wasserglas mit einer klaren Flüssigkeit, die Jessup austrank. Dann begann er damit, die BEG-Leitungen an Jessups Schädel zu befestigen.

  »Sagt mal, was treibt ihr hier eigentlich?«, fragte Parrish.

  »Na, wie ich dir erzählt habe, Mason«, sagte Rosenberg, »was wir da haben, ist wirklich ein Sauzeug. Das hier ist eine Lösung von zehn Milligramm pro Kubikzentimeter. Wir haben es erst in Hundert-Milligramm-Dosen genommen, aber die letzten beiden Male sind wir auf zweihundert gegangen, und ich kann dir bloß sagen, du gehst mordsmäßig auf den Trip damit. Du halluzinierst wie ein Weltmeister. Willst du mal probieren?«

  »Besten Dank, nein. Ich hab' schon im zweiten Studienjahr damit aufgehört, Peyote-buttons zu kauen.«

  »Ha, das ist aber kein Peyote-button. Wir kriegen hier verdammt komische Ergebnisse. Wir haben schon beide Stoffwechselprodukte in der Art von Adrenochrom oder Taraxein in unserem Urin gefunden. Die hat Heath auch bei seiner Arbeit mit Schizophrenen gefunden. Wer weiß, vielleicht können wir Snyder und seine ganze Dopamin-Bande einfach von der Bildfläche fegen.«

  »Mason«, sagte Jessup, »wir stoßen hier auf Sachen, die ganz auf deiner Linie liegen sollten. Wir finden anomal hohe
Pegel von Vanillin-Mandelsäure, Hydroxyindol-Essigsäure und Siebzehn-hydroxy-und-keto-Steroiden.«

  »Heiliger Strohsack«, stöhnte Parrish, »was zum Teufel habt ihr Nebennierentypen eigentlich vor? Seit wann kriegt ihr denn schon solche Werte?«

  »Nur keine Panik, Mason«, sagte Jessup. »Alle grundlegenden Werte und die Nachuntersuchungen sind normal.«

  »Keine verdächtigen Symptome?«

  »Nichts. Alles in Ordnung. Wirklich.« Jessup trank den Rest der Flüssigkeit.

  »Was ist in diesem Mistzeug eigentlich alles drin?«

  »Zweihundert Milligramm davon tun keinem was«, sagte Rosenberg. »Halluzinogene werden in weniger als vierundzwanzig Stunden ausgespült.« Er führte Parrish in den Monitorraum und schloss die Tür. Er schaltete das Mikrophon ein und murmelte »Wie geht's?« hinein.

  »Gut«, kam Jessups Stimme zurück.

  Rosenberg hockte auf seinem Stuhl wie ein Talmudstudent, er faltete die Hände zwischen den Knien, runzelte die Stirn, spitzte den Mund und sagte: »Was jetzt passieren wird, Mason, ist, dass er in ein paar Minuten anfängt zu kotzen und dann nach fünf bis zehn Minuten abhebt.«

  Er blickte durch das Fenster, und wirklich begann Jessup jetzt in das Porzellanbecken zu erbrechen, offenbar krampf- und schmerzlos. »Das Eigenartige an dieser Mischung sind die Halluzinationen«, sagte er. »Sie sind wiederholbar. Mir ist noch keine psychotrope Substanz begegnet, die wiederholbare Halluzinationen erzeugt. Ich habe das Zeug selbst dreimal genommen, und meine Halluzinationen sind nicht nur immer gleich, sondern ähneln auch sehr denen von Eddie. Das ist wirklich ein starkes Stück. Die letzten vier Male haben wir mit zweihundert Milligramm gearbeitet - ich hab' es einmal und Eddie dreimal genommen - und was passiert? Du schießt plötzlich nach oben ins Leere; nichts ist da, ein großes, weißes Nichts. Dann erscheint ein Riss, und aus diesem Riss kommt eine zellartige Struktur. Sie hat eine Zellmembran und etwas Kernartiges in der Mitte, das kocht wie das geschmolzene Erdinnere. Jessup nennt es das inkarnierte Es, der ursprüngliche Kern unseres Selbst, in dem unser Ur-Hunger kocht. Und dieses Es kommt flammend auf dich zu, ein Inferno, brennend wie die Sonne. Wenn ich dir das jetzt erzähle, klingt es vielleicht ein bisschen unheimlich, aber in der Halluzination fühlst du dich phantastisch, einfach selig. Eddie hat alle Bänder von diesen Trips in seinem Büro. Die solltest du dir mal anhören - «

  Irgendjemand öffnete die Tür und streckte den Kopf herein.

  »Wir haben die Erlaubnis, hier zu arbeiten«, sagte Rosenberg, und der Störenfried verschwand wieder.

  »Was ist denn in dem Zeug, das ihr da trinkt?«, fragte Parrish.

  »Nichts Besonderes. Allerhand Alkaloide, vorwiegend Cryogenin, aber auch Harmin und Harmalin. Das meiste davon ist aus einem Pilz, Amantia muscaria, nämlich Muscimol, ibotanische Säure, Muscason, die Belladonna-Alkaloide, etwas Muscarin, Ndimethyl-5,hydroxytryptomin und Azetylcholin.«

  »Da könntet ihr mit zweihundert Milligramm aber schon dicht am toxischen Quantum sein.«

  »Oh, wir werden natürlich niemals mehr als zweihundert nehmen - was glaubst du denn? Eddie meint, wir sollten das Ganze noch mal in Verbindung mit dem Isolationstank in Bau B ausprobieren. In diesen Biofeedbackräumen gibt es einfach zu viele Störfaktoren. Du siehst immer dein eigenes Spiegelbild im Fenster. Das sind keine sauberen Arbeitsbedingungen, wirklich. Eddie will die zweihundert Milligramm im Isolationstank nehmen, wo äußere Reize völlig ausgeschaltet werden.« Er beugte sich über den EEG-Apparat und betrachtete die Aufzeichnung. »Sieh dir das an, Mason. Er ist mit einem Sprung im Theta. Weniger als eine Minute. Kein Spindling, nichts. Wir haben jedes Mal diese Aufzeichnungen, beide. Eddie schwört darauf, dass diese Mischung direkt ins limbische System geht, und das wäre einigermaßen seltsam, denn ich hab' noch nie eine psychotrope Substanz gesehen, die nicht in Leber oder Niere aufgetaucht ist.«

  »Mann, warum spritzt ihr nicht einfach ein paar Ratten das Zeug und seht nach, wo es ist?«

  »Wir wollten dich heute Abend fragen, ob wir dein Labor benutzen können.«

  »Himmel, klar könnt ihr das. Ich gebe euch welche von meinen Ratten. Wenn ihr wollt, könnt ihr das Zeug auch fraktionieren, ich bring euch dann in Charlie Shimonas Labor. Kennst du den?«

  »Nein.«

  »Er hat da 'ne Menge Möglichkeiten.«

  Plötzlich ertönte Jessups Stimme aus der Gegensprechanlage: »Okay, auf geht's; du kannst das Tonband anwerfen.«

  Rosenberg drückte den Startknopf und murmelte ins Mikrophon: »Freitag, siebzehnter Oktober, neunzehnhundertfünfundsiebzig, neunzehn Uhr sechsundzwanzig.«

  Die Spulen der Kassette drehten sich langsam, und dann war wieder Jessups Stimme zu hören: »So, jetzt geht's nach oben... viele Störfaktoren. Ich nehme Gerüche auf. Ich kann das Krankenhaus riechen... ich sehe Spiegelungen im Fenster. Räumliche Verzerrungen. Mein Spiegelbild scheint hundert Meter weit weg zu sein. Jetzt Übergangsbilder, eine Allee von Menhiren, ein Dolmenkreis, ein daumenförmiger Zapfen, eine Blastula mit zottiger Ei-Haut... Okay, ich bin durch und frei. Ich bin oben. Völlige Leere von Horizont zu Horizont, ein zeitloses Strömen von Weiß. Ich glaube, dass all diese Vorhalluzinationen zeitgebunden sind. Die Bilder sind vorzeitlich, paläolithisch. Uralte Steine, immer uralte Steine. Erinnere mich mal daran, ein bisschen Geologie zu pauken. Ich bin sicher, dass diese frühen Bilder zeitgebunden sind. So, jetzt neue Oberflächenstruktur, dick aufgetragen wie mit dem Pinsel, streifig, blasig, das Übliche...»

  Pause.

  Parrish starrte etwas betreten auf die kritzelnden Finger des Polygraphen.

  Wieder hallte Jessups körperlose Stimme in die drückende Enge des Überwachungsraums. »Der Riss, jetzt bildet sich der Riss - ist dir schon mal aufgefallen, dass der Riss sich durch eine Einfaltung bildet wie das fötale Neuralrohr im ersten Entwicklungsstadium? Jetzt Umkehrung, alles schwarz, endloser schwarzer Raum. Der Riss ist eine geschmolzene Linie, kocht wie ein Vulkan, öffnet sich oben, der übliche Ablauf, Häutung, kochende blaue Zellkernstruktur, die üblichen mini-astronomischen Explosionen, wirbelnde Materie platzt überall los, Geburt eines Sterns - jetzt, was immer das ist, jetzt kommt es, es kommt... »

  »Was kommt?«, wollte Parrish wissen.

  »Die zellartige Struktur ist von einer Explosion aus der Verankerung gerissen worden und segelt auf dich zu «, erklärte Rosenberg.

  »Und dann?«

  »Dann frisst sie dich.«

  »Wie meinst du das?«

  »Sie geht auf dich los, umschließt dich wie ein Pantoffeltierchen und verdaut dich in ihren kochenden blauen Zellkern hinein.«

  »Mann, das ist ja schauderhaft.«

  »Im Gegenteil, es ist köstlich.«

  Jessups Stimme: »Ich bin im Es, ich bin im Es...«

  Plötzlich war der Raum still, so still, dass man erst einen Augenblick später wieder das Geräusch der sich drehenden Tonbandspulen bemerkte. Rosenberg saß mit geschlossenen Augen und zwischen den Knien zusammengelegten Händen da. Nach einer Weile sagte er: »Das war's.«

  »Was soll das heißen - das war's?«, fragte Parrish. »Was passiert denn, nachdem man ins Es gekommen bist?«

  »Du schläfst ein«, sagte Rosenberg. »Jedes Tonband geht bis dahin. Ich bin dreimal im Es gewesen, und ich habe nicht die Spur einer Erinnerung daran. Alle Bänder sind hier zu Ende, auch Eddies.«

  Einen Augenblick saßen sie schweigend da. Durch das Fenster sahen sie Jessup, der starr und verzückt im Halbdämmer des schalldichten Zimmers in seinem Sessel lag.

  »Und wie lange geht das so?«, brummte Parrish.

  »Zwanzig Minuten, halbe Stunde.«

  »Ziemlicher Tonbandverschleiß.«

  »Na, und erst das Polygraphen-Papier. Davon haben wir hier schon für vierhundert Dollar durchschnurren lassen. Eddie zwackt das Geld von seiner Forschungsbeihilfe ab.«

  »Und das ist alles?«

  »Ja.«

  »Was passiert, wenn er wieder runterkommt?«

  »Nichts. Wir futtern einen Hamburger.«

  »Oh Mann, ihr seid wie zwei Kinder, die im Schlafsaal heimlich Trips einwerfen.«
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br />   »Du solltest das auch mal probieren. Du gehst unheimlich auf den Trip damit.«

  »Nein, danke.«

  Wieder fielen sie in Schweigen. Parrishs Zigarre war ausgegangen; er zündete sie wieder an, paffte, streckte seine langen Beine aus und schloss die Augen. Die Spulen der Kassette drehten sich langsam.

  »Jetzt sieh dir das an«, sagte Rosenberg plötzlich.

  Parrish öffnete die Augen. Rosenberg stand am Fenster und starrte in den schalldichten Raum. Parrish richtete sich halb auf, um zu sehen, was los war. Jessup schien immer noch in bewegungsloser Trance zu liegen, den Kopf auf einem Lederpolster und die Augen geschlossen, aber sein Gesicht war zu einer wilden Grimasse verzerrt, sein Mund war weit aufgesperrt wie unter einem würgenden Griff; es sah aus, als versuchte er verzweifelt, etwas zu sagen, und könnte die Worte nicht herausbringen.

  Dann platzte seine Stimme plötzlich plärrend in den Überwachungsraum: »Zerklüftetes, weißglühendes Krater-Mondgelände«, krächzte er.

  Rosenbergs Finger war sofort auf dem Sprechknopf. »Alles in Ordnung, Eddie?«

  »Alles klar!«, rief Jessup zurück. »Nimm das auf! Das ist was Neues! Zwei Vulkankrater nebeneinander wie Eulenaugen! Weit zurück, Vulkantätigkeit! Phlegethon! Antiker Feuer-Fluss! Vulkanischer Schutt, Auswurfgestein! Großes, flaches, sumpfiges Becken! Senkungstrog. Großer Gott! Es bricht, es bricht, das ganze Ding bricht auseinander! Ungeheure Felsmassen kommen aus Schächten hoch, ohrenbetäubend! Das Getöse ist ohrenbetäubend! Hört ihr mich? Dieses grauenhafte Zermalmen von Gestein! Ein ganzes gottverdammtes Gebirge presst sich, türmt sich aus diesem bodenlosen Loch! Das ist das Unglaublichste, was ich

  je gesehen habe. Riesige Felsen erheben sich aus dem Meer, massive Erdkruste, weißglühende Felsen, sie dampfen, zerbrechen, falten sich übereinander! Ich beobachte den Geburtskampf eines Gebirges! Mein Gott, hört ihr das denn nicht? Die ganze verdammte Scheiße, soweit das Auge sieht, ein einziges endloses krachendes Bersten von Gestein und Erde! Dreißig Meter hoch und riesenhaft und türmt sich immer weiter! Und die Sonne ist schwarz wie ein Sack, der Mond blutrot, und ein großes Gebirge stürzt brennend ins Meer, und eine Bestie steigt aus dem bodenlosen Abgrund und der Engel des bodenlosen Abgrunds, sein hebräischer Name ist Abaddon!«

 

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