Charisma

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Charisma Page 17

by Michael G. Coney


  Doch wie sich herausstellte, blieb mir überhaupt keine Zeit für ein schlechtes Gewissen, weil ich ein Mädchen unter den beiden Bäumen stehen sah.

  Ich lief über das kurze Gras auf sie zu und sprang über die Steintrümmer der Einsiedlerhütte. Sie sah nicht zu mir herüber.

  Sie starrte zum Himmel empor, ihr blondes Haar regennaß. Ich spürte, daß ich ihren Namen rief, ohne etwas so Irdisches wie einen bloßen Namen zu fühlen oder zu denken, doch wir brauchen schließlich irgendeinen Modus der Anrede, sei es ein visuelles Etikett oder ein Laut, mit dem wir eine Vorstellung assoziieren können.

  »Susanna! Susanna!«

  Vielleicht hatte sie mich gehört, denn sie wandte sich ein wenig um und blickte in meine Richtung. Ihre blauen Augen waren weit geöffnet, ihre Lippen ein wenig voneinander gelöst. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, der Überraschung sein mochte.

  Dann war sie verschwunden, und ich trat zu spät in den Kreis, eine Sekunde, nachdem sie zu Welt Nummer soundso zurückgeholt worden war, in der sie lebte. In der sie noch lebte.

  Während ich zurückfuhr, wollte ich an Susanna denken. Den Anblick Strattons konnte ich jetzt nicht ertragen, genausowenig wie sein zynisches Grinsen und die Halb-Fragen, mit denen er meine Berichte immer wieder unterbrach und mich so den Faden verlieren ließ. ›Ja, schön, aber haben Sie…?‹ sagte er oft, und dann, ohne die Frage zu Ende zu bringen: ›Lassen Sie nur.

  Fahren Sie fort…‹

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  Nein, das konnte ich jetzt nicht ertragen. Außerdem waren die letzten Stunden reine Zeitvergeudung gewesen, so weit es die Forschung betraf, und hatten nur dazu beigetragen, die unberechenbaren Unterschiedlichkeiten zwischen Welten zu demonstrieren, anstatt eine geordnete, fast parallele Divergenz von Zeit und Geschehnissen zu belegen. Wir näherten uns sehr rasch dem Punkt, wo die einzige sichere Tatsache die Existenz der anderen Welten war. Die Zeitprogression, obwohl häufig erkennbar, wurde zu einem Faktor von dubioser Verläßlichkeit, wenn wir hofften, sie als Basis für Voraussagen zu verwenden.

  Theoretisch war ich eben in der Vergangenheit gewesen. Doch Stratton war tot in Welt minus 6, und ich war tot. Wo war die Regel? Vielleicht war es ein Fehler gewesen, anzunehmen, daß das individuelle Bewußtsein für die Formung der Geschehnisse von primärer Wichtigkeit sei. Wenn ein Mensch starb, konnte vielleicht ein anderer das tun, was notwendig war, um die Geschichte auf der richtigen Bahn zu halten. Vielleicht war es der Durchschnitt einer Masse von Bewußtsein, der den Ablauf der Dinge bestimmte.

  Vielleicht war es die Masse, an der der Ausgleich durchgeführt wurde, nicht das Individuum.

  Das schloß nicht aus, daß Individuen durch parallele Geschehnisse betroffen wurden. Susanna war auf zwei Welten gestorben

  – oder auf zweitausend Welten –, weil die Zwangsläufigkeit der Geschehnisse in jenen Welten dazu führte, daß sie zu dieser Zeit an diesem Ort war. Doch wurde es zunehmend deutlich, daß es möglich war, im Strom der Geschichte seinen eigenen Rückstau zu schaffen, ohne daß die Harmonie des Fließens davon berührt wurde. Wie in meinem Fall. Und, wie es schien, auch in Strattons.

  Und jetzt auch bei Susanna. Sie lebte irgendwo, irgendwann, und wartete nur darauf, gefunden zu werden.

  Vielleicht hatte ich doch noch die Zeit, sie zu finden. Vielleicht hatte ich ein ganzes Leben dazu Zeit. Und vielleicht auch sie.

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  Es regnete wieder, als ich an der Station vorbeifuhr; es war nicht nötig gewesen, diese Route zu nehmen, doch ich fühlte obskur, daß ich mir Gelegenheit geben mußte, meine Meinung zu ändern. Das nasse Zwielicht des Spätnachmittags dunkelte dem Abend entgegen, und die Straßenlampen gingen an. Auch in Strattons Büro brannte Licht; ich sah seine Silhouette im Fenster; zweifellos hielt er nach mir Ausschau. Ich stellte fest, daß ich unbewußt schneller fuhr, um ihm die Identifizierung des Hover-Car zu erschweren; die Düsen schleuderten einen Gischtvorhang empor, als ich an dem Gebäude vorbeiraste.

  Ich fuhr auf den Pier zu, ohne zu wissen, was mich dort erwarten würde; vielleicht ein ausgebranntes Wrack, vielleicht ein Polizei-Cordon – doch was immer der Rest dieses Tages für mich bereithalten mochte, ich bezweifelte, daß er einen ruhigen, ungestörten Drink einschloß. Um die Chancen zu meinen Gunsten zu beeinflussen, bog ich auf den Parkplatz des Waterman’s Arms ein, stieg aus und machte mich unauffällig davon. Durch ein Fenster sah ich Wilfred hinter seiner Bar stehen und alles für das Abendgeschäft vorzubereiten, doch er sah mich nicht. Ich ging rasch die Straße entlang, hielt mich eng an den Wänden und tauchte in jede Türöffnung, um dem schräg niedergehenden Regen zu entkommen. Ich sah niemand

  zwischen Waterman’s Arms und dem Pier, und kurz darauf ging ich vorsichtig durch die Abfälle von der Bootswerft, die der Wind über die alten Steine verstreut hatte; dann tauchte die vertraute Silhouette der Hausyacht aus dem Dunkel.

  Sobald ich in der Kabine war, machte ich Kaffee und warf ein paar Speckscheiben in die Pfanne. Meinem Magen war eingefallen, daß er eine ganze Weile nichts bekommen hatte; es schien ratsam zu sein, eine Unterlage zu schaffen, bevor ich mit dem abendlichen Trinken begann. Trinken wird nur zum Problem, wenn man zu essen aufhört, redete ich mir ein.

  Ich zog die Vorhänge zu und aß. Dann spülte ich ab, stellte ein Glas, eine ungeöffnete Flasche Johnny Walker und mehrere Dosen Dry Ginger auf den Tisch, zusammen mit einem großen

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  Kübel Eis, einem Päckchen mit zwanzig 555-Zigaretten, schaltete das Licht aus und setzte mich in den Sessel, um zu meditieren.

  Der Regen war ein leises, beruhigendes Murmeln auf dem Dach, der Besucher abschreckte und meine Chancen auf Ungestörtheit vergrößerte; die See wurde vom Regen beruhigt.

  Ich zog die Vorhänge wieder auf, damit ich den Pier überblicken und sehen konnte, wenn sich jemand näherte. Trotzdem ich gegessen hatte, war ich nervös, wartete darauf, daß irgend etwas geschah, daß jemand mit der Faust auf das Kabinendach hämmerte und mir von dem letzten Desaster berichtete. Ich goß drei Fingerbreit Scotch in das Glas, füllte den Rest mit Eis und Dry Ginger auf und trank.

  Ich überraschte mich bei dem Gedanken, daß der Geschmack des Scotch so ungefähr das einzige war, worauf ich mich verlassen konnte; dann, nach einer Weile, klang die Unruhe etwas ab und ich konnte denken.

  Vor allem, sagte ich mir, mußte ich mich von dem ständigen Gefühl befreien, daß nichts von allem wirklich geschah und ich gleich aufwachen würde, weil Pablo mich an der Schulter rüttelte und mir sagte, es sei zehn Uhr vorbei, und ob ich mitkommen würde, um ihm bei irgendeiner Diskussion mit Mellors beizuste-hen. Diese Zeit war vorbei, und zurückblickend war es eine gute Zeit gewesen – aber wir hatten auch damals unsere Probleme gehabt, genau wie heute.

  Jetzt war Mellors tot, und Susanna war tot.

  In der Zukunft, in Welt 2, war noch einiges mehr geschehen.

  Nicht nur Mellors und Susanna waren tot, sondern auch ich war tot. Und Stratton war schwer verletzt.

  In der Vergangenheit, in Welt minus 6, von der ich gerade zurückgekehrt war, hatten die Ereignisse noch nicht dieses Stadium erreicht. Dort war ich tot, und auch Susanna – doch Mellors lebte. Und Stratton war tot.

  Die Bedeutung dieser Tatsache wurde mir endlich klar. In Welt minus 6 war Stratton tot. Völlig außer der Reihe – obwohl klar

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  ersichtlich war, daß der Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft-Zeitstrom der parallelen Welten nicht unveränderlich war, wenn er auf Individuen angewandt wurde. Doch Stratton war in einer anderen Welt tot, was bedeutete, daß er auch in der unseren sterben würde.

  Und wenn Stratton starb, hier und jetzt, wer würde die Experimente fortführen?

  Die Antwort war einfach. Niemand. Copwright hatte bereits zugegeben, daß nur Stratton das Gefühl für die Matrizen besaß.

  Also würden die derzeit laufenden Experimente eingestellt werden, und wir würden wieder dort stehen, wo wir begonnen hatten, so als ob
es die parallelen Welten niemals gegeben hätte. Und vielleicht – hier begann mein Verstand ein wenig zu taumeln – würden sie auch nicht existieren, wenn Stratton tot war. Vielleicht existierten sie nur, weil es einen Beobachter gab, der sie bestätigte.

  Ich meine – dachte ich durch die dichter werdenden Whisky-schwaden –, würde das Universum existieren, wenn es kein Leben gäbe, um es wahrzunehmen? Doch das alles war

  akademisch. Der einzige wichtige Punkt war: Wenn Stratton starb, würde ich Susanna für immer verlieren.

  Es war gut möglich, daß ich nicht mehr viel Zeit hatte. Ich trank noch etwas, und kurz bevor ich mit dem Kopf auf dem Tisch einschlief, beschloß ich, am nächsten Morgen sofort Stratton aufzusuchen und mich für weitere Experimente zur Verfügung zu stellen.

  Es sollte nicht dazu kommen. Ich wurde von einem Hämmern an der Kabinenwand geweckt, sah Tageslicht und stellte fest, daß ich ausgezogen im Bett lag, ohne mich erinnern zu können, wie ich dahingekommen war. Die Scotch-Flasche stand auf dem Tisch, mit stark vermindertem Inhalt, und im Aschenbecher lag ein Haufen Zigarettenstummel.

  »Was wollen Sie?« rief ich. »Wer sind Sie?«

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  »Inspektor Bascus«, kam die unwillkommene Antwort. »Ich würde gerne mit Ihnen reden, Mr. Maine.«

  »Um diese Zeit?«

  »Es ist nach neun, Sir.«

  Ich blickte auf meine Uhr und stellte fest, daß er recht hatte.

  »Warten Sie eine Minute«, rief ich, als ich aus dem Bett rollte.

  Ich machte mir ein Alka-Selzer, und während die Tablette sich auflöste, wusch ich mich mit kaltem Wasser und trocknete mich kräftig ab. Dann zog ich mir etwas an und schob den Türriegel zurück, um den Polizisten hereinzulasssen.

  Er blickte gewohnheitsmäßig umher, als ob er nach Spuren suchte. »Tut mir leid, Sie zu stören, Sir«, murmelte er, setzte sich und zog sein Notizbuch heraus. Er zog ein paarmal Luft in die Nase. »Finden Sie auch, daß es hier riecht?«

  »Nach was, zum Teufel, soll es denn riechen?«

  »Nach Gas. Haben Sie in letzter Zeit die Rohrverbindungen überprüft?«

  Der Verkäufer in mir rebellierte. »Dies ist ein neues Boot, Inspektor. All das wird sehr sorgfältig kontrolliert, bevor es die Werft verläßt. Außerdem rieche ich nichts.«

  »Vielleicht haben Sie sich daran gewöhnt.«

  Er versuchte, mich zu reizen, in der Annahme, daß ich zu dieser frühen Stunde labil war – ein typischer Bascus-Trick. Ich füllte den Wasserkessel und steckte die Herdflamme an. »Mögen Sie auch eine Tasse Kaffee?«

  »Danke.« Er saß im Sessel und lächelte freundlich. »Es scheint, daß Sie gestern hier eine kleine Party hatten, Sir.« Er deutete auf die Überreste meiner nächtlichen Sitzung. Er war der einzige Mann, den ich kannte, der andere ständig mit ›Sir‹ anredete, und es war eine enervierende Angewohnheit, voller Sarkasmus und kaum verschleierter Drohung. Der Jackenärmel war zurückgeglitten und hatte einen Gipsverband freigelegt.

  »Wie geht es Ihrem Arm?« fragte ich boshaft.

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  Er akzeptierte die Frage, ohne mit der Wimper zu zucken.

  »Gut, danke. Es ist nur ein kleiner Sprung im Knochen, kaum der Mühe wert, einen Gips anzulegen. Aber Sie kennen ja die Bürokratie. Ohne den Gips wollte man mich nicht arbeiten lassen.« Er lächelte wieder und verband so uns beide in gemeinsamer Verachtung der Bürokratie.

  »Jetzt wissen Sie, warum ich die Luke immer verschlossen halte«, sagte ich. »Wenn ein Kind sich in dem Schacht verletzt hätte, wäre das Hotel dafür haftbar gewesen.« Es erschien mir die beste Möglichkeit, Bascus aus dem Takt zu bringen, indem ich von dem Aufzug sprach. Ich lächelte ihn breit an und erinnerte mich an seinen Gesichtsausdruck, als das Seil riß. »Mit solchen Aufzügen kann man nicht vorsichtig genug sein. Aus irgendeinem Grund stellen sie für Kinder eine große Versuchung dar.«

  »Interessant«, sagte er, als ich den Kaffee einschenkte.

  »Seltsam, daß Sie auf diesen Aufzug zu sprechen kommen.

  Seinetwegen bin ich hier.«

  »Oh, wirklich?«

  »Da ist etwas, das ich Ihnen zeigen möchte. Etwas, das Sie als Manager des Hotels wissen sollten. Sie sind doch wieder Leiter des Hotels, wie ich hörte. Mrs. Mellors sagte mir, daß sie Sie, ah, wieder eingesetzt hätte.«

  »Ich bin niemals gefeuert worden, und das wissen Sie sehr genau, Bascus.«

  »Richtig…« Er leerte seine Tasse und stellte sie auf die Untertasse zurück, mit einem lauten Klirren, das Endgültigkeit ausdrückte. »Wollen wir dann gehen?«

  Zehn Minuten später betraten wir das Falcombe Hotel. Die Rezeptionistin sah mich gleichgültig an, und ich fragte mich, ob Dorinda dem Personal mitgeteilt hatte, daß ich nach wie vor den Laden leitete. Ich stellte mir vor, daß die Leute in dieser Hinsicht ein wenig verwirrt waren, besonders, da ich mich gestern nicht hatte blicken lassen. Durch die offene Tür des Speisesaals sah

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  ich einige Gäste an den Tischen sitzen und hörte gedämpfte Stimmen. Das Hotel schien auch ohne mich recht gut zu laufen.

  »Wollen wir durch die Küche gehen?« schlug Bascus vor.

  Der Frühstückskoch blickte schuldbewußt auf, als wir eintraten; auf der Kochplatte brutzelte eine große Menge Speck – viel mehr, als für die wenigen Gäste, die jetzt noch zum Frühstück kamen, benötigt wurde. Ich blickte ihn säuerlich an und beließ es dabei. Wenn ich ihn gefragt hätte, warum er so viel Speck briet, hätte er etwas von Mißverständnis bei der Gästezahl gemurmelt

  – doch wir wußten beide, daß der überschüssige Speck für das Küchenpersonal bestimmt war. »Schließlich wäre es schade, ihn wegzuwerfen, nicht wahr?« würde er sagen.

  Im Hintergrund der Küche stand ein uniformierter Polizist reglos und unbeteiligt, während die Eigentümer des Hotels vor seiner Nase ausgeplündert wurden. Er bewachte das quadratische Loch in der Wand, hinter dem die Trümmer des Aufzugs lagen. Ich lächelte Bascus an und dachte daran, wie wir ihn stöhnend aus der kleinen Öffnung gezogen hatten, der Chefkoch und ich, wie Hebammen bei einer schwierigen Geburt.

  Doch Bascus’ Gesichtsausdruck war ernst geworden.

  Er griff in die Öffnung, zog das Seil heraus und hielt es mir vor die Augen.

  »Sehen Sie sich das an, Mr. Maine.«

  Die Rißstelle war nicht ausgefranst. Das Seil war zu fast drei Vierteln seiner Stärke durchgeschnitten worden. Ein kleines Büschel stand aus den glatt zertrennten Fasern hervor, der Rest dessen, was übrig gelassen worden war, um die Aufzugsplatt-form zu tragen. »Was haben Sie dazu zu sagen?« fragte Bascus.

  »Weshalb soll ich etwas darüber wissen? Vielleicht hat es ein Kind getan.«

  »Sie haben gesagt, daß die Luken immer verschlossen sind.«

  »Ja, aber Sie wissen doch, wie das ist. Es könnte vor Monaten passiert sein, vielleicht sogar vor meiner Ankunft hier.«

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  »Ich würde sagen, daß es erst kürzlich getan wurde, Mr. Maine.

  Hören Sie mir zu und sagen Sie mir dann, was Sie davon halten.

  Ich will es mir schenken, meine Theorie bezüglich des Aufzugs zu wiederholen; Sie haben sie schließlich gehört. Ich habe jedoch das Gefühl, daß wir dem Bild jetzt Details hinzufügen konnten und jetzt wissen, wie der Mord begangen wurde.

  Nachdem der Mörder sich mit dem Aufzug wieder herabgelassen hatte, fiel ihm ein, daß die Polizei sofort vermuten würde, daß er für das Verbrechen benutzt worden war. Da nur drei Menschen Schlüssel dazu hatten, würde die Zahl der Verdächtigen sehr stark eingeengt werden, sobald die Polizei von der Existenz des Aufzugs wußte… Können Sie mir folgen?«

  »Reden Sie weiter.«

  »Er wußte, daß die Polizei den Aufzug überprüfen würde, um festzustellen, ob er das Gewicht eines Mannes trug. Um sie zu überzeugen, daß dem nicht so sei, schnitt der Mörder das Seil an. Er ging davon aus, daß die Polizei nach einer anderen Zugangsmöglichkeit
zu Mr. Mellors’ Zimmer suchen würde, wenn der Aufzug bei dieser Erprobung zerstört worden war. Denn der Aufzug ist ein gefährliches Indiz, Mr. Maine. Nur ein einziger Mensch war in der Lage, ihn zum Zeitpunkt des Mordes auf zuschließen.«

  Damit meinte er natürlich mich, auch wenn er es nicht ausdrücklich sagte – nicht, wenn das Küchenpersonal jedes Wort mithörte.

  »Quatsch, Bascus«, sagte ich knapp. »Wie ich Ihnen schon sagte, ist das Seil vielleicht schon vor Monaten angeschnitten worden. Können Sie beweisen, daß es nicht so war?«

  Jetzt lächelte er wieder, und der Anblick ließ einen Schauder über meinen Rücken laufen. Er erinnerte mich an ein großes Raubtier, dem der Speichel aus dem Maul trieft. Das Küchenpersonal, das eine dramatische Wende erwartete, stellte seine Scheinarbeit ein.

  »Zeigen Sie es ihm, Constable«, sagte er leise.

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  Der uniformierte Mann wandte sich der Luke zu und griff hinein. Die Luke befindet sich in Brusthöhe; wenn der Aufzug weiter oben steht, gibt er eine quadratische Grube frei, die bis zum Küchenboden reicht. In dieser Grube findet man – bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen sie gesäubert wird – ein Durcheinander von Besteckteilen und alten Essensresten, die von der Plattform gefallen sind oder auch vom Personal hineingeworfen wurden, weil der Aufzugsschacht näher ist, als der Abfallkübel. Der Polizist hing mit Kopf und Oberkörper über die Kante und tastete im Dunkel umher.

  »Es ist schwierig, etwas dort herauszuholen«, kommentierte Bascus. »Unser Mörder hat etwas fallen gelassen und nicht die Zeit gehabt, es wieder herauszufischen…«

  Er war sehr selbstsicher, und mir war ein wenig übel vor Anspannung. Der Constable zwängte sich wieder heraus, mit gerötetem Gesicht und wirren Haaren.

  »Ich habe es wieder dorthin gelegt, damit wir das Auffinden für Sie nachspielen können, Mr. Maine. Doch ich kann Ihnen versichern, daß wir es dort entdeckt haben.«

 

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