Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us

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Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us Page 14

by Iosivoni, Bianca


  »Ach, sei still!«, fauchte ich, musste dann jedoch selbst grinsen. Einmal mehr war ich froh darüber, dass unser erstes und einziges Date so enttäuschend verlaufen war und wir stattdessen Freunde geworden waren. Freunde, bei denen alles beim Alten war, selbst wenn sie mal tage- oder wochenlang nicht miteinander gesprochen hatten. »Aber hey, du hast mich angerufen – was gibt’s? Wie läuft es daheim?«

  Es war die altbekannte Frage und Parker antwortete mit derselben altbekannten Antwort: »Gut.«

  Wir wussten beide, dass es nicht stimmte. Was ich allerdings nicht wusste, war, wem er das Gegenteil einzureden versuchte. Mir? Oder sich selbst?

  »Ich brauchte nur mal ein bisschen Ablenkung von allem hier«, gestand er nach einem Moment leise.

  Wärme breitete sich in meiner Brust aus und ich ertappte mich dabei, wie ich lächelte, auch wenn er es nicht sehen konnte. »Gutes Timing. Ich nämlich auch.«

  »Sicher, dass du nicht zurückgehen und alles über dein Blind Date erfahren willst? Er könnte deine große Liebe sein«, spottete er.

  »Und ich dachte immer, du wärst das!«

  »Tut mir leid, dir das Herz brechen zu müssen, Süße, aber ich … ich wollte dir schon lange etwas gestehen.« Er machte eine Kunstpause. »Ich bin schwul.«

  Ich lachte so laut auf, dass mir das Pärchen, das gerade das Diner verließ, einen verwunderten Blick zuwarf. »Bist du nicht, du Idiot! Obwohl dein Musikgeschmack diese Aussage bestätigen würde.«

  »Was soll das heißen?«

  Ich grinste unbekümmert. »Er ist … sagen wir mal … bedenklich.«

  »Ist er gar nicht. Du stehst drauf. Du weißt es nur noch nicht.«

  »Träum weiter.«

  »Ach, wirklich?«

  Wieder legte er eine kleine Pause ein und räusperte sich, was die Alarmglocken in meinem Kopf losschrillen ließ. Oh nein. Das würde er jetzt nicht tun, oder?

  »Hello …«, begann er in einem tiefen Bariton zu singen. »It’s me …«

  »Ich hasse dich!«, rief ich lachend. Er wusste genau, dass er mir damit für den Rest des Abends einen Ohrwurm einpflanzte, den ich nicht mehr loswerden würde. Mistkerl. »Hör mal, könntest du mir einen Gefallen tun?«

  »Ich dachte, den habe ich dir schon getan, indem ich angerufen habe.«

  Hatte er auch, aber das meinte ich nicht. Sein Anruf hatte mich davor bewahrt, weiter über meine Familie und mein Studium reden zu müssen, trotzdem warteten Faye und Thomas da drinnen nur darauf, dass ich zurückkehrte und weiter wohlmeinende Fragen über mich ergehen ließ. Allein beim Gedanken daran sträubte sich alles in mir.

  »Ich warte …«, sagte Parker an meinem Ohr.

  Ich räusperte mich. »Du könntest einen kleinen Notfall vortäuschen, bei dem du für die nächsten Stunden den Rat und Trost deiner besten Freundin brauchst. Wie wäre das?«

  »Und was hätte ich davon?«

  »Eine hochoffizielle Einladung zu meiner Geburtstagsparty in ein paar Wochen. Inklusive Übernachtung. Du hast gesagt, du brauchst ein bisschen Ablenkung von deiner Familie zu Hause. Wie wär’s mit einer kleinen Auszeit? Ich biete dir einen Fluchtweg, wenn du mir einen bietest.«

  Er zögerte so lange, dass ich schon glaubte, er würde ablehnen. Dann hörte ich ihn tief durchatmen. »Deal.«

  Ich gab der Haustür einen Tritt, als ich sie hinter mir zufallen ließ. Erst danach fiel mir ein, dass es hier Leute gab, die wahrscheinlich längst schliefen. Zumindest bis jetzt. Ich zog eine Grimasse. Konnte dieser Abend noch schlimmer werden? Erst die quälenden Gesprächsthemen, dann Fayes Versuch, mich zu einem Blind Date zu überreden, und schließlich war mir Parker auch noch mitten in unserem Telefonat abgesprungen, weil er irgendwohin musste. Was mich allein mit meiner besten Freundin und ihrem Verlobten, dem Inquisitor, zurückließ. Der schien zwar tatsächlich ganz nett zu sein und es bestand kein Zweifel an seinen Gefühlen für Faye. Aber es störte mich, wie er ihr Hobby herunterspielte, als wäre sie noch ein Kind, dessen Begeisterung nicht ernst zu nehmen war.

  Im Wohnzimmer war es genauso dunkel wie im Flur, doch in der Küche brannte noch Licht. War doch noch jemand wach? Oder hatte Holly nur wieder mal vergessen, das Licht auszuschalten? Inzwischen musste es weit nach Mitternacht sein, also rechnete ich nicht damit, tatsächlich jemanden in der Küche anzutreffen. Doch als ich sie betrat, entdeckte ich Stella hinter der Kücheninsel.

  »Willkommen daheim.« Sie warf mir ein warmes Lächeln zu und rührte weiter in der großen Schüssel. Erst jetzt stieg mir der Geruch von Kakao und Kuchenteig in die Nase und ich runzelte die Stirn. Stella backte mitten in der Nacht? Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann sie das zuletzt getan hatte, aber ich vermutete stark, dass sie irgendetwas beschäftigte, wenn sie ihre wenigen Stunden Schlaf freiwillig gegen Backen eintauschte.

  »Danke.« Zögerlich näherte ich mich ihr und blieb auf der gegenüberliegenden Seite der Kücheninsel stehen. Mehlflecken bedeckten die Arbeitsfläche, aufgerissene Beutel Backpulver, eine offene Flasche Milch, eine Packung Kakao und Eierschalen lagen dazwischen verstreut. Ich zog die Brauen in die Höhe, aber Stella ignorierte meine stumme Frage.

  »Wie war dein Abend?«, wollte sie stattdessen wissen, ganz so, als würden wir uns ständig mitten in der Nacht in der Küche treffen und plaudern. »Der Lautstärke nach, mit der du die Haustür zugeschlagen hast, will ich alle Details hören.«

  »Unser Mädelsabend wurde zu einem Dreierding, als Fayes Verlobter dazukam. Der hat rein zufällig einen Cousin in unserem Alter, den ich unbedingt treffen soll.« Ich antwortete auf ihren erstaunten Blick mit einem Schnauben. »Ganz genau. Nicht zu fassen, dass Faye mich zu einem Blind Date überreden will. Oder noch schlimmer: zu einem Doppeldate! Ich brauche keine Hilfe, um Männer kennenzulernen.« Stella schwieg betreten, was mich geradezu dazu aufforderte, meine Aussage zu verstärken. »Ich lerne sehr viele Männer kennen!«

  »Auch welche, die nicht tot sind?«

  Ich warf ihr einen wütenden Blick zu. Zwar hob sie abwehrend die Hände, als hätte sie Angst vor meinem rasenden Zorn, aber die Wirkung der Geste wurde dadurch zunichtegemacht, dass sie in lautes Lachen ausbrach. Es hallte regelrecht von den Wänden wider, und ich konnte ihr nicht böse sein – es war zu deutlich, wie gut es ihr tat. Ein Teil ihrer Anspannung schien von ihr abzufallen. Selbst wenn das Lachen auf meine Kosten ging, war mir das in diesem Fall nur recht.

  »Entschuldige«, japste sie durch ein unterdrücktes Kichern hindurch. »Es ist nur so, dass ich genau weiß, wie viel Zeit das Medizinstudium kostet und wie wenig davon für soziale Kontakte bleibt. Oder für die Liebe.«

  Ich rollte mit den Augen. Sie hatte leicht reden. Schließlich hatte sie meinen Dad im College kennengelernt. Dafür hatte sie den Hörsaal nicht mal verlassen müssen. Mir wurden dagegen Blind Dates angedroht.

  »Er ist bestimmt nett. Faye würde dich nicht mit einem Kerl verkuppeln wollen, der unausstehlich ist«, stellte sie fest und schüttete etwas in die Rührschüssel.

  Ich zuckte mit den Schultern, holte mir ein Tuch aus einem der Schränke und befeuchtete es unter dem Wasserhahn. »Ich schätze schon«, murmelte ich, während ich damit begann, die Arbeitsfläche abzuwischen.

  »Du bist dir also nicht sicher, ob du mit ihm ausgehen willst? Auf ein richtiges Date, meine ich. Weil es ja nur Zeitverschwendung sein könnte, wenn er nicht der Richtige für dich ist …«

  Ihre Stimme klang so beiläufig, dass ich aufsah. Da war etwas in ihrem Tonfall und an der Art, wie sie es vermied, mir in die Augen zu schauen, das mich stutzen ließ. Hier ging es doch nicht mehr um diesen Will, oder? Ein Bild flackerte vor meinem inneren Auge auf und ich erinnerte mich zurück an die Spendengala. Damals hatte Stella mit so vielen Gästen geredet, aber einer davon war mir besonders in Erinnerung geblieben. Seine Faszination für meine Stiefmutter war ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben gewesen, dass es mich wunderte, warum wir nichts mehr von ihm gehört hatten. Und plötzlich wurde es mir klar. Unser Gespräch handelte schon längst nicht mehr von der Frage, ob ich mit Tho
mas’ Cousin ausgehen wollte oder nicht.

  Es ging um Stella.

  »Ich finde, du solltest dich darauf einlassen.«

  »Wie bitte?« Ihre Augen wurden riesig, gleichzeitig breitete sich eine ungewohnte Röte in ihren Wangen aus. Erwischt!

  »Wir tun so, als würden wir über mich reden, aber eigentlich reden wir über dich, nicht wahr?« Ich lächelte ihr zu. »Ist es der Mann von der Spendengala?«

  Sie antwortete nicht, senkte jedoch so ertappt den Blick, dass ich mir ein Lachen verbeißen musste. Oh nein, sie zögerte definitiv nicht, mit ihm auszugehen, weil sie kein Interesse hatte. Das Gegenteil war der Fall.

  »Tu es«, sagte ich. »Was hast du schon zu verlieren?«

  Sehr gut, Callie. Den Rat hätte ich mir auch selbst geben können. Weniger nachdenken und planen, mehr Spontaneität und in der Gegenwart leben.

  »Ich …« Stella räusperte sich. »Seit deinem Vater war ich nicht mehr …«

  Ich starrte sie mit offenem Mund an. »Seit Dad hattest du kein Date mehr?«

  Sie presste die Lippen aufeinander und wich meinem Blick aus, nickte aber.

  Wow. Damit hatte ich nicht gerechnet. Meine Kehle zog sich zusammen, dennoch brachte ich die Frage irgendwie hervor. »Warum nicht?«

  »Er war meine große Liebe.« Ihre Augen begannen verdächtig zu glänzen. »Es käme mir wie ein Betrug vor.«

  »Aber wieso?«, flüsterte ich. »Ich bin sicher, Dad würde wollen, dass du wieder ausgehst. Dass du Spaß hast und dich neu verliebst.«

  Es brachte mich um, allein seinen Namen zu sagen, geschweige denn, was er wollen könnte. Mein Vater wollte überhaupt nichts mehr. Er war tot. Viel zu früh aus dem Leben geschieden. Aber Stella zuliebe sprach ich die Worte aus, da ich das Gefühl hatte, dass sie sie hören musste.

  Eine Träne lief ihr über die Wange und sie wischte sie hastig fort. Dann lächelte sie mich an. »Das ist das erste Mal, dass du freiwillig über ihn redest.«

  Ich sah auf meine Hände hinunter. Sie lagen noch immer auf der Kücheninsel, in einer davon der feuchte Lappen.

  »Es ist okay, weißt du?« Stellas leise Stimme drang zu mir durch.

  Jahrelang hatte ich es verdrängt, hatte einfach weitergemacht, als wäre nie etwas gewesen und jedes Gefühl von Wut, Trauer und Verlust tief in mir eingesperrt. Mein Vater war tot und Keith war fort. Es gab niemanden, auf den ich hätte wütend sein können. Niemanden, den ich anschreien und dafür verantwortlich machen konnte. Außerdem musste ich für Holly stark sein. Nachdem sie sich schon kaum an unsere Mutter erinnern konnte, hatte sie im zarten Alter von elf Jahren auch noch ihren Vater verloren. Irgendjemand hatte stark bleiben müssen, als alles andere zusammenbrach.

  »Es ist nur so, dass ich …« Meine Augen begannen zu brennen und ich kämpfte verzweifelt um meine Selbstbeherrschung. Vergeblich. Bei den nächsten Worten brach meine Stimme. »Ich vermisse ihn so sehr.«

  »Oh, Liebes.« Stella kam um die Kücheninsel herum und zog mich in ihre Arme. »Ich weiß. Ich vermisse ihn doch auch.«

  Ich merkte nicht einmal, wie ich die Arme um sie schlang, bis ich meine Finger in ihrem Shirt vergrub. Vielleicht war mein Nervenkostüm nach diesem Abend einfach dünn. Vielleicht waren es aber auch Keiths Rückkehr und die letzten Wochen, die mich zermürbt hatten. Nie im Leben wäre ich freiwillig zurück zur Unfallstelle gegangen, dennoch hatten mich meine Füße dorthin getragen. Und jetzt sprach ich zum ersten Mal mit Stella über den Verlust. Was passierte mit mir?

  »Alle behaupten immer, die Zeit würde alle Wunden heilen, aber das ist nicht wahr«, flüsterte ich an ihrer Schulter. »Manche Wunden hören niemals auf zu bluten.«

  »Du hast recht. Es wird immer wehtun.« In einer mütterlichen Geste strich sie mir über das Haar und für einen Moment wünschte ich, wir könnten die Zeit anhalten. Es war so lange her, dass mich jemand länger umarmt hatte als nur kurz zur Begrüßung oder zum Abschied. So lange, seit ich die Maske aus Stärke und Unabhängigkeit hatte fallen lassen. So lange, seit ich mir erlaubt hatte, an Dad zu denken oder über ihn zu sprechen.

  Stella rückte ein Stück von mir ab und wischte mir mit beiden Daumen über die Wangen. Erst als ich die Feuchtigkeit daran sah, bemerkte ich, dass ich weinte. Nicht einmal das bekam ich wie ein ganz normaler Mensch hin. Nach Dads Tod hatte sich Holly wochenlang in den Schlaf geweint. Ich war immer bei ihr gewesen, hatte sie gehalten, ihr über den Rücken gestreichelt und war bei ihr geblieben, bis sie eingeschlafen war. Für Holly da zu sein hatte mich dazu gezwungen, stark zu bleiben und mich zusammenzureißen. Doch jetzt erkannte ich, dass ich mich die ganze Zeit nur selbst belogen hatte. Ich war für meine kleine Schwester da gewesen, ja. Aber ich hatte das auch als Ausrede benutzt, um mich nicht selbst mit den Geschehnissen auseinandersetzen zu müssen.

  »Es wird immer wehtun«, wiederholte Stella leise. Inzwischen waren auch ihre Wangen feucht vor Tränen. »Aber ich verspreche dir, wenn du aufhörst, dich an deine Wut und diesen Hass zu klammern, wird es leichter werden.« Sie strich mir das Haar hinters Ohr. Zögerte. »Denkst du nicht, du hast ihn lange genug bestraft?«

  Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie mit ihren geflüsterten Worten sagen wollte. Wen sie meinte. Mein Magen machte einen Salto und hinterließ ein einziges Wirrwarr aus unterschiedlichsten Gefühlen. Der Unfall war so lange her, gleichzeitig kam es mir noch immer so vor, als wären wir erst gestern in dieses Auto gestiegen. Als hätte sich Keith erst gestern voller Aufregung und Vorfreude hinters Steuer gesetzt.

  Ich schluckte hart, unfähig, Stella eine Antwort darauf zu geben. War es zu viel verlangt? Ich wusste es nicht. Zu früh? Auf jeden Fall.

  »Versuch ein bisschen zu schlafen.« Sie strich mir noch einmal über die Arme, doch in ihr Lächeln hatte sich ein Schmerz gemischt, der neu für mich war. Vielleicht hatte sie ihn aber auch nur all die Jahre zu gut vor mir verborgen.

  9

  »Das ist nicht dein Ernst.« Ich starrte meine Schwester an, als würde ein Alien neben mir sitzen.

  »Natürlich meine ich das ernst.« Holly deutete mit ihrem Schokoriegel auf den großen Flachbildfernseher. »Siehst du etwa einen anderen Kerl, der besser zu ihr passt als Logan?«

  Allein bei dem Namen verzog ich das Gesicht, als hätte ich in eine Zitrone gebissen. Wie konnte man diesen schmierigen, arroganten Kerl nur gut finden? Ich schüttelte vehement den Kopf. »Warte bis zu den neuen Folgen. Das ist das Endgame und da wird dein geliebter Logan verlieren.«

  »Pff. Das sagst du nur, weil du Team Jess bist«, nuschelte Holly mit vollem Mund.

  »Natürlich bin ich das! Wie kann man bitte nicht Team Jess sein?«

  »Er ist ein unverantwortlicher Arsch.«

  Okay. Jetzt war es offiziell. Sie war adoptiert. Es war einfach nicht möglich, dass sie Logan für den richtigen Partner für Rory Gilmore hielt, wenn alle Welt für Jess war. Und mit alle Welt meinte ich mich. Und das Internet.

  Holly und ich hatten es uns an diesem Freitag im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Seite an Seite saßen wir auf dem Sofa, die Füße auf den Tisch gelegt, vor uns aufgetürmt ein Wochenendvorrat an Süßkram und Getränken. Neben einer riesigen Schale Popcorn waren da noch Skittles, ein paar Reese’s-Schokoriegel, Snickers, Chips in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen und dazu zwei Dips. An Getränken hatten wir alles angeschleppt, was die Küche hergegeben hatte: Wasser, Limo, Cola und jede Menge Dr Pepper. Wenn Stella uns so sah, würde sie wahrscheinlich einen Lachanfall bekommen, dicht gefolgt von einem Vortrag über die Risiken all dieser Nahrungsmittel für den menschlichen Körper. Diabetes war ihr Lieblingsargument, wann immer Holly oder ich uns mit Schokolade vollstopften. Aber wir waren Mädchen, wir brauchten das.

  »Also ich war ja schon immer für Dean.« Als hätten meine Gedanken sie heraufbeschworen, stand Stella plötzlich hinter uns.

  »Team Dean?«, riefen Holly und ich im Chor. Das Entsetzen in unseren Stimmen war so deutlich, dass Stella auflachte.

  »Schon gut, schon gut.« Abwehrend hob sie die Hände.
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br />   Erst jetzt bemerkte ich ihre Aufmachung. Statt einer gemütlichen Jeans trug sie heute Abend ein schwarzes Kleid. Es war ärmellos, und den Hals bis zum Dekolleté bedeckte ein durchsichtiger Stoff, der gerade rechtzeitig blickdicht wurde. Hier und da funkelten Glitzerapplikationen im Licht. Das Kleid schmiegte sich an ihren Körper und endete knapp über ihren Knien. Ihr Haar fiel ihr in einer welligen Mähne bis über die Schultern, ihre Augen waren dunkel geschminkt und strahlten mindestens genauso sehr wie Stella selbst.

  »Wow.« Ich setzte mich auf und reckte den Hals, um einen Blick auf ihre Schuhe zu erhaschen. Schwarze High Heels mit Pfennigabsatz, in denen ich nicht mal laufen könnte, wenn mein Leben davon abhängen würde. »Du siehst fantastisch aus.«

  Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich. »Danke, Liebes.«

  »Triffst du dich mit dem Typen von der Spendengala?«

  Hollys Kopf ruckte hoch. »Welcher Typ?«

  Einen Atemzug lang wirkte Stella, als sei sie kurz davor, zu kneifen und die ganze Sache abzublasen. Ich betete innerlich, dass sie es nicht tat. Sie hatte ein bisschen Spaß verdient. Mehr noch. Sie hatte einen Mann an ihrer Seite verdient, der genauso gut zu ihr war, wie unser Vater es gewesen war.

  »Ja.« Sie schenkte mir ein nervöses Lächeln, während ihre Finger ihre schmale Handtasche kneteten. »David arbeitet mit mir im Krankenhaus«, fügte sie an Holly gewandt hinzu.

  Ich warf meiner Schwester einen warnenden Blick zu. Es hatte Stella so viel Überwindung gekostet, die Einladung überhaupt anzunehmen, also sollte Holly es jetzt nicht versauen. Aber sie lächelte nur und nickte unserer Stiefmutter zu.

  »Du siehst toll aus. Viel Spaß!«

  Stellas Miene hellte sich auf und ich wagte es, den angehaltenen Atem wieder auszustoßen. »Danke.« Sie strahlte uns an und ignorierte dabei sogar die ganzen diabetesfördernden Lebensmittel auf dem Couchtisch. »Euch auch. Und Dean wird das Rennen machen. Es ist immer die erste große Liebe, die man nie vergisst.«

 

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