Never Too Close

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Never Too Close Page 23

by Moncomble, Morgane


  »Bitte, Loan …«

  »Hände hinter den Rücken und nicht bewegen.«

  Zu wissen, dass alles, was ich mit ihr mache, für sie das erste Mal ist, schmeichelt meinem Ego ganz erheblich, auch wenn das Gegenteil nichts ändern würde. Sie tut, was ich sage, während ich eine Spur feuchter Küsse von ihrem Nacken bis zu ihrem Bauchnabel ziehe, in dem ich schließlich meine Zunge kreisen lasse. Die kleinen erregten Geräusche, die ich ihr damit entlocke, lassen mich noch härter werden. Schließlich lege ich mir ihre Beine über die Schultern und wiederhole das Gleiche noch einmal, ausgehend von ihren Kniekehlen bis hin zu ihrer intimsten Stelle. Als ich sie dort küsse, verkrampft sich ihr ganzer Körper. Ich sage ihr, sie soll sich entspannen, während ich ihre Schenkel streichle. Ich bin sicher, dass sie es lieben wird. Ich hätte so gern, dass sie es liebt.

  »Oh mein Gott …«, haucht sie, als meine Zunge in sie eindringt.

  Ich bemühe mich, sie zu beruhigen, indem ich ganz langsam vorgehe. Himmel, ist das gut. Ich verweile mit meiner Zunge an strategischen Stellen und necke ihre Klitoris, während sie immer lauter stöhnt. Nächstes Mal, nehme ich mir vor, tue ich das mit ihr auf meinem Bett.

  »Loan … oh Gott …«

  Ich beiße sie spielerisch und sie spannt sich noch mehr an. Mit meiner Zunge necke ich sie, bis sie anfängt zu zittern, und hebe gerade rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie sie die Augen verdreht. Als sie kommt, stößt sie nur ein Wort hervor: meinen Namen. Und das ist das Erregendste, das ich je erlebt habe. Ich lasse ihre Beine los und lege die Arme um ihre Taille, um sie näher an mich heranzuziehen. Ihre Brüste schmiegen sich an meine nackte Haut.

  »Das war …«, flüstert sie mit geschlossenen Augen.

  »Ich weiß.«

  Ich küsse sie mit aller Zärtlichkeit, zu der ich fähig bin, und lasse sie den Geschmack entdecken, den sie auf meiner Zunge hinterlassen hat. Plötzlich wird unser Kuss intensiver und sie umschließt meine Pobacken fest mit den Händen.

  Nur widerstrebend lasse ich sie los, um meinen Gürtel zu öffnen. Mit geweiteten Pupillen sieht Violette mir dabei zu.

  Die Geste scheint sie zu erregen. Kaum habe ich meine Jeans aufgeknöpft, als ihre Hände sie bereits über meine Oberschenkel hinunterziehen. Ich kann es kaum noch aushalten, streife sie ab, ohne Violette aus den Augen zu lassen, und überlasse es ihr, mich meiner Boxershorts zu entledigen. Jetzt trennt uns nichts mehr.

  Ich ziehe sie an mich und sie legt mir die Beine um die Taille. Ihre kalten Füße kitzeln meinen nackten Hintern. Wir küssen uns lange Sekunden und genießen den Moment, diesen schicksalhaften Moment, in dem wir beide nackt sind und das Gleiche wollen. Dieser Moment, meine Damen und Herren … in dem die oberste Regel gebrochen wird:

  »Wir machen es nur einmal.«

  »Du hast keine Ahnung, welche Wirkung du auf mich hast, oder?«, flüstere ich ihr ins Ohr.

  Violette ist bei mir, mit nichts am Leib als ihren Sommersprossen, und ich hebe sie hoch wie eine Feder. Auf dem Boden rutschen wir zur Küchenwand. Sie liegt auf mir, schöner als die Sonne und alle Sterne der Milchstraße zusammen, ihre goldenen Locken streicheln die Spitze ihrer Brüste.

  Ich möchte sie unbedingt auf diese Art nehmen und ihr dabei zusehen, wie sie mich selbstbewusst und sinnlich liebt.

  »Komm her.«

  Ich setze sie bequem rittlings auf mich und streichle ihre Wange.

  »Denk immer daran, dass ich dich anbete, Violette-Veilchenduft.«

  »Immer.«

  Sie beugt sich über mich und küsst mich keusch auf die Lippen, und ich schwöre bei Gott, es ist der beste Kuss, der je ausgetauscht wurde. Ich nehme die Gelegenheit wahr und greife mit einer Hand nach meinem Penis, halte Violette mit der anderen an der Hüfte und führe ihn sehr sanft ein. Während ich spüre, wie ich in sie eindringe, öffnet sie die Lippen.

  Ich unterdrücke einen Seufzer vollkommenen Glücks. Ich glaube nicht, dass Frauen verstehen können, wie es ist, in ihnen zu sein. Ich könnte es auch nicht erklären. Es ist einfach das lustvollste Gefühl der Welt.

  »Oh là là«, seufzt sie. »Es ist … Wahnsinn.«

  Ich stütze ihren Rücken. Sie errötet, bewegt sich aber nicht.

  »Loan, ich … ich weiß nicht, was ich tun soll.«

  Noch nie habe ich etwas so bezauberndes wie dieses Geständnis gehört.

  Ich lächle ihr zu und umfasse ihre Hüften, um ihr Mut zu machen.

  »Tu einfach, was dir in den Sinn kommt … Ich helfe dir.«

  Violette nickt und beugt sich langsam über mich, ohne meinen Blick loszulassen. Ekstatisch schließe ich die Augen. Ich bin tief in ihr und dort geht es mir gut. Das ist der Ort, wo ich hingehöre. Wie in einem Kokon, geschützt und gut verpackt.

  Dann passiert plötzlich etwas Unglaubliches: Sie übernimmt die Kontrolle. Violette legt die Handflächen auf meine Brust, beginnt einen hypnotischen Tanz um meinen Penis und bewegt sich auf und ab. Mein Atem wird schneller, während ich spüre, wie sie über meine Männlichkeit gleitet. Schließlich entscheide ich mich, ihr entgegenzukommen und sie zu begleiten, wobei die Lust immer größer wird. Wir stöhnen gemeinsam in perfekter Symbiose. Unsere Körper und Seelen werden eins, und ich habe das Gefühl, jeden Moment zu kommen. Ich beschleunige den Rhythmus, versuche aber, auf sie zu warten.

  Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Violette ist bei mir, genau wie damals im Fahrstuhl, aber mir ist, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Sie sitzt auf mir und hat mit geschlossenen Augen die Kontrolle übernommen. Fasziniert beobachte ich sie. Und angesichts ihrer geschlossenen Augen und ihrer zu einem O geöffneten Lippen wirkt die Magie.

  Ich verliebe mich unsterblich in diese Frau.

  »Scheiße«, entfährt es mir.

  Was ist das bloß? Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich halte mich nicht mehr zurück, als ich spüre, wie Violette sich um meinen Penis zusammenzieht, und fast panisch bei der Vorstellung, etwas zu verpassen, flehe ich sie an:

  »Bitte, Violette, sieh mich an. Sieh mich an! Sieh mich an!«

  Meine beste Freundin gehorcht mir genau in dem Augenblick, als wir gemeinsam einen überwältigenden Orgasmus erleben, enger verbunden als je zuvor. Ich seufze vor Wohlbehagen und genieße diesen Moment tiefster Zufriedenheit, während Violette ihre Stirn gegen meinen Hals drückt.

  Es war … Sie hat … So etwas habe ich noch nie erlebt. Eine derartige Perfektion von Körper und Geist. Ich könnte mich sogar dazu durchringen, einfach nur das zu nehmen, was sie mir zugesteht, selbst wenn sie sich entscheidet, bei Clément zu bleiben. Denn das hier zu beenden wäre ein Sakrileg.

  Wir verharren noch einige Zeit mit schwitzenden Körpern und schnellem Atem. Meiner beruhigt sich allmählich, während der von Violette sich merkwürdig beschleunigt. Ich streichle ihren Hals, küsse sie hinter dem Ohr und lasse sie zur Besinnung kommen. Je mehr Sekunden allerdings vergehen, desto aufgeregter pocht ihr Herz an meiner Brust.

  »Violette …?«

  Sie reagiert nicht. Ich werde unruhig und zwinge sie, sich aufzurichten. Als sie aus meinen Armen auftaucht, sehe ich eine von Schluchzern geschüttelte Violette. Zunächst glaube ich, dass sie weint und verharre einen Moment fassungslos. Doch ich sehe keine Tränen.

  Als ich sehe, wie sie nach Atem ringt, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Sie hält sich die Hand an die Kehle und schnappt nach Luft. Sofort verstehe ich. Violette hat eine Panikattacke. Meine Reflexe als Feuerwehrmann übernehmen, und ich springe auf die Füße. Sie erhebt sich schwerfällig. In ihren schönen Augen stehen Tränen.

  »Atme ein und aus, Violette. Immer daran denken – bis zehn zählen und ruhig atmen.«

  Hilflos streichle ich ihr Haar und warte, dass sie ruhiger wird. Ich habe erst einmal eine Panikattacke bei ihr erlebt: an dem Tag, als wir uns kennenlernten. Aber diese hier ist viel heftiger als damals im Aufzug. Und sie begann, nachdem ich mit ihr geschlafen hatte.

  Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass das nicht unbedingt angenehm ist.


  »Violette … Was ist los?«

  Sie schüttelt den Kopf und stottert Unverständliches. Ich runzle die Stirn, verstehe aber nichts und hole die Decke vom Sofa, um Violette darin einzuwickeln. Endlich begreife ich, dass sie sich entschuldigt.

  »Nicht traurig sein«, sage ich sanft.

  Sie schweigt und atmet tief, um sich zur Ruhe zu zwingen.

  Noch immer hat sie mir nicht in die Augen gesehen. Also lege ich meinen Daumen unter ihr Kinn und zwinge sie, mich anzuschauen. Ihr beunruhigter Blick bringt mein Herz aus der Fassung. Aber dieses Mal auf die falsche Art.

  »Ich muss es wissen, Violette … Was ist los? Ist es wegen … Clément?«

  Sie schüttelt heftig den Kopf. Ich seufze und ziehe meine Boxershorts an, ehe ich sie auf die Couch trage.

  »Du kannst mir alles sagen.«

  Sie macht sich ganz klein und legt ihr Kinn auf die Knie. Ich ahne, dass sie endlich rückhaltlos mit mir reden wird. Ich setze mich auf den Rand des Wohnzimmertischs und nehme ihre Hände in meine, um sie zu trösten. Ich muss zugeben, dass es sich für mich gleich nach diesem wunderbaren Sex ein wenig wie eine kalte Dusche anfühlt. Aber was soll man machen? Sie ist Violette und eben nicht so wie die anderen.

  »Bitte sprich mit mir.«

  Dieses Mal muss ich sie nicht lange bitten. Sie weiß, dass es zu spät ist und dass ich Dinge gesehen habe, die es ihr nicht mehr gestatten, ihre Geheimnisse vor mir zu verbergen. Sie seufzt und heftet ihren Blick auf unsere verschlungenen Hände, während sie spricht:

  »Ich bin mit meiner Mutter und meinem Vater aufgewachsen. Ich erinnere mich, dass ich eine glückliche Kindheit hatte, auf jeden Fall bis ich sechs war. Meine Eltern liebten sich und wir waren glücklich. Zumindest dachte ich das. Meine Mutter war … eine sehr schöne Frau. Eine Hausfrau, die viel unternahm und viele Freundinnen hatte. Ich habe sie so bewundert!«

  Sie hält inne, und ich präge mir jedes Detail ihres Gesichts ein – ihre zitternden Lippen, ihre dichten Wimpern und die kleine Ader, die an ihrer Schläfe pocht. Ich ahne, dass mir die Fortsetzung der Geschichte nicht gefallen wird.

  »In unserem damaligen Haus lag mein Zimmer gleich neben der Eingangstür. Man musste daran vorbei, um hinauszukommen. Eines nachts weckte mich ein Geräusch. Ich stand auf, um nachzusehen, was los war … Als ich meine Schlafzimmertür öffnete, sah ich, wie meine Mutter einen Mann ins Haus ließ, den ich nicht kannte. Sie sahen mich nicht und küssten sich«, flüstert Violette verzweifelt. Ich senke den Blick. »Ich habe es nicht sofort verstanden, ich wusste nur, dass der Mann nicht mein Vater war. Dann entdeckte meine Mutter mich. Sie sagte ihm, er solle draußen warten und kam zu mir, um mich zurück ins Bett zu tragen.«

  Mit einem bitteren Geschmack im Mund höre ich genau zu. Ich stelle mir ein kleines Mädchen mit rundem Gesicht und dichtem blonden Haar vor, ein hübsches kleines Mädchen, das sieht, wie seine Mutter seinen Vater betrügt, ohne wirklich zu verstehen, was es bedeutet. Es weiß nur, dass das nicht normal ist.

  »Ich fragte sie, wer der Mann war. Sie lächelte mich an, strich mir über die Haare … und flüsterte: ›Das bleibt unser kleines Geheimnis‹.«

  Bei diesen Worten zittere ich heftig und balle unwillkürlich die Fäuste. Violette fährt mit ihrer Erzählung fort, ohne die Tränen abzuwischen, die ihr über die Wangen rinnen.

  »So hat es angefangen. Sie hat meinen Vater zehn Jahre lang betrogen, Loan. Zehn Jahre lang hörte ich mitten in der Nacht ihre Schritte im Flur. Und ich habe sie die ganze Zeit gedeckt, ohne ein Wort zu meinem Vater zu sagen, der sie liebte und respektierte. Wie hätte ich es auch tun können?«, lacht sie freudlos auf und schnieft in die Decke. »In den ersten Jahren kam sie jedes Mal in mein Zimmer, bevor sie wegging. Sie wusste, dass ich nicht schlief, und sprach immer wieder von ›unserem kleinen Geheimnis‹. Mag sein, dass sie es so sah. Aber für mich war es ein enorm großes Geheimnis, das Geheimnis meines Lebens. Und es hat mich von innen zerfressen.«

  Ich kann kaum glauben, dass es wirklich so grausame Menschen gibt. Und zwar nicht nur gegenüber ihren Partnern (was an sich schon schrecklich ist – offenbar ist Untreue weit verbreitet), sondern sogar gegenüber den eigenen Kindern. Wie kann jemand das Gehirn seiner Tochter missbrauchen, um die eigenen Fehler zu decken? Da hört für mich jede Toleranz auf.

  »Es tut mir so leid …«

  »Als ich älter wurde, wollte ich meinem Vater alles beichten. Ich konnte es einfach nicht mehr für mich behalten. Aber meine Mutter hat es mir ausgeredet. Sie sagte, wenn ich es ihm verriete, wüsste er sofort, dass auch ich ihn jahrelang angelogen hätte. Ich wollte nicht, dass er mich hasst.«

  Ich streichele Violettes Gesicht, um die feuchten Spuren ihrer Vergangenheit zu vertreiben.

  »Und was geschah dann?«

  »Als ich sechzehn war, teilte sie uns plötzlich mit, dass sie uns verlassen würde. Die Wahrheit war viel brutaler, als ich vermutet hatte. Sie hatte nicht nur meinen Vater zehn Jahre lang betrogen, sondern sie hatte bereits eine andere Familie. Wenn sie fortging, war es immer, um bei ihnen zu sein. Und nun entschied sie sich für sie, nicht für uns. Für meinen Vater war es ein ungeheurer Schock, als er die Wahrheit erfuhr. Ich fühlte mich so elend … und so verraten von dieser Mutter, der ich zehn Jahre lang blindes Schweigen geschenkt hatte.«

  Plötzlich verstehe ich alles. Ihre Angst vor dem Alleinsein, ihre Panikattacken, ihre innige Beziehung zu ihrem Vater und natürlich ihren Wunsch, normal zu sein. Ich schaue Violette an und mir ist, als sähe ich das kleine Mädchen in ihr. Ihre Mutter hat ihr eine andere Familie vorgezogen, vielleicht sogar eine andere Tochter. Und sie glaubt, dass es an ihr liegt, weil sie ein bisschen anders ist …

  »Hat dein Vater erfahren, dass du Bescheid wusstest?«

  »Ja … Ich glaube, es war schwierig für ihn«, fährt sie fort und runzelt die Stirn, versunken in Erinnerungen, aus denen ich naturgemäß ausgeschlossen bin. »Aber er ließ sich mir gegenüber nichts anmerken. Ich bin sicher, er tat es, weil er nicht wollte, dass ich mich noch schuldiger fühle.«

  »Es war nicht deine Schuld, Violette. Es ging um Erwachsenengeschichten – Geschichten, in die du hineingezogen wurdest, obwohl du nichts damit zu tun hattest. Mach dir deswegen keine Vorwürfe.«

  Ich ziehe sanft an ihren Händen, um sie näher heranzuholen. Sie lässt es zu und setzt sich auf meinen Schoß, einen Arm um meinen Hals. Die Wärme ihres Körpers umgibt mich und lässt mich nicht mehr los.

  »Danach bauten wir unser Familienleben als zweiköpfige Familie wieder auf, und alles lief perfekt. Manchmal muss ich an meine Mutter denken, aber ich glaube, das wird mein Leben lang so bleiben.«

  »Hast du sie nie wiedergesehen?«

  »Nur einmal, sechs Monate später. Sie erklärte uns, dass sie mit ihrer neuen Familie nach Paris ziehen würde und behauptete, sie würde mich vermissen – so ein Quatsch. Hätte sie mich wirklich vermisst, wäre sie doch geblieben! Seitdem herrscht Funkstille. Aber ich weiß, wo sie wohnt.«

  »Warte, verstehe ich gerade richtig, dass deine Mutter, die du seit vier Jahren nicht gesehen hast, hier in Paris wohnt und dass du nie wieder versucht hast, Kontakt mit ihr aufzunehmen?«

  »Genau«, antwortet Violette wie selbstverständlich. »Als sie ging, habe ich mir geschworen, nie wieder irgendjemandes Liebe nachzulaufen.«

  Ich nicke. Sie hat natürlich recht, trotzdem bin ich der Meinung, sie müsste einige Dinge klären. Wenn sie keinen Seelenfrieden findet, wird es sie irgendwann innerlich auffressen.

  »Im Grund stimme ich dir zu, Violette, aber vielleicht wäre es sinnvoll, sie doch einmal zu besuchen. Nicht, um wieder zusammenzukommen – es sei denn, du willst es –, sondern um dir selbst zu helfen, mit der Geschichte abzuschließen. Du musst diesen Teil deines Lebens hinter dir lassen … findest du nicht?«

  Sie denkt nach und streichelt dabei meine Finger. Ich habe ihr den Vorschlag gemacht, ohne wirklich zu wissen, ob es eine gute Lösung wäre. Eigentlich will ich nur, dass sie ihren Frieden findet. Sie hat das Recht, auf ihre Mutter wüt
end zu sein. Das will ich ihr auch nicht ausreden, denn sie wurde ebenso betrogen wie ihr Vater.

  »Kann schon sein. Ich weiß es nicht und ich habe keine Lust, darüber nachzudenken.«

  »Okay, reden wir nicht mehr darüber.«

  Ich drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie sieht in meinen Armen sehr klein und zerbrechlich aus. Ich bin unendlich gerührt, dass sie sich mir anvertraut hat, und habe das Gefühl, in unserer Beziehung ein Stück weitergekommen zu sein. Noch nie haben wir uns so nahegestanden, und das nicht nur körperlich. Ich meine … Sie ist Violette. Ich liebe sie so, wie sie ist, seit dem ersten Abend. Aber weiter ist es nie gegangen.

  Weil da Lucie war.

  Jetzt ist Lucie weg, dafür ist Clément aufgetaucht, und Violette hat die weichste Haut, die ich je berührt habe. Als sie auf mir gesessen und mich geritten hat, habe ich wirklich so etwas wie einen Auslöser in mir gespürt. Als wäre das Gefühl schon seit ewigen Zeiten da, hätte mich aber erst jetzt getroffen. Ich liebe Violette. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich das Recht habe, sie zu bitten, sich für mich zu entscheiden. Ich weiß auch nicht, ob ich die Hoffnung auf Lucie aufgeben soll, denn ich habe Angst vor dem, was passieren könnte, wenn ich es tue.

  Ich weiß nicht warum, aber ich wünsche mir plötzlich, dass Violette mich besser kennenlernt. Deshalb wage ich mich vor:

  »Weißt du, ich habe auch eine komplizierte Geschichte mit meiner Mutter … deshalb verstehe ich dich nur zu gut.«

  »Du redest nie darüber«, wundert sie sich.

  »Aus dem gleichen Grund wie du. Es ist schwierig, darüber zu sprechen.«

  Sie fragt mich, ob ich meine Eltern noch besuche oder ob wir den Kontakt abgebrochen haben, und ich gestehe ihr, dass ich ab und zu hinfahre. Sie ist überrascht, dass sie es nie bemerkt hat, und fragt mich, ob sie das nächste Mal mitkommen darf. Ich runzle die Stirn.

 

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