[Ophelia Scale Serie 01] • Die Welt wird brennen

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[Ophelia Scale Serie 01] • Die Welt wird brennen Page 32

by Kiefer, Lena


  »Ich komme eh immer zu spät zu Besprechungen«, murmelte er, längst damit beschäftigt, mich zu küssen. Seine Lippen streiften meinen Hals.

  »Siehst du, Problem gelöst«, stieß ich hervor. Ungeduldig zog ich ihm das Shirt über den Kopf.

  »Welches Problem?«, fragte er atemlos und küsste mich wieder.

  Hinter uns ging das Terminal mit einem leisen Signalton auf Stand-by.

  33

  Eine kleine Traube Menschen lief lachend über die Straße und stieg dann in eine wartende TransUnit. Ich beobachtete sie von dem Dach meines Zimmers aus. Als die Türen zuglitten und die Wagen losfuhren, kletterte ich die Leiter hinunter und betrat den Flur. Mein Ziel war eine Tür am Ende des Gangs.

  Offiziell hätte ich jetzt eine medizinische Untersuchung, um die Nanoheilung meiner Rippen überprüfen zu lassen. Inoffiziell war das überflüssig. Wir wurden jede Woche turnusmäßig durchgecheckt und brauchten keine zusätzlichen Termine. Aber für mich gab es heute Wichtigeres als das Training, und die Ausrede kam mir gelegen.

  Seit einer Woche hatte ich den WrInk Access für alle Zimmer der Anwärter. Seit drei Tagen war mein Plan perfekt. Egal, wie ich es drehte und wendete: Wenn ich nicht selbst wegen Verrats angeklagt, verbannt und für immer von Lucien getrennt werden wollte, musste ich den Verdacht auf jemand anderen lenken. Auf jemanden, den niemand für einen Verräter halten würde, sondern nur für ein armes Opfer, das von Ferro ausgenutzt worden war. Auf jemanden, den sie rauswerfen, aber nicht umbringen oder auf null clearen würden.

  Mein WrInk öffnete die fremde Tür anstandslos. Ich sah über die Schulter, aber es war niemand auf dem Gang. Echo würde die verbliebenen zehn Kandidaten heute mit Gewichten im See schwimmen lassen. Ich hatte jede Menge Zeit.

  Leise betrat ich das Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Keine Spur meiner Anwesenheit würde aufgezeichnet werden. Da niemand wusste, wer der Spitzel war, hatte Dufort jede ermittelnde Person unter Geheimhaltung gestellt. Ich konnte gehen, wohin ich wollte, ohne erwischt zu werden. Das war ziemlich ironisch. Früher hätte ich alles für so einen Freifahrtschein gegeben.

  In dem Zimmer war es so aufgeräumt, wie es bei einem Streber wie Troy zu erwarten war. Keine schmutzigen Socken oder verschwitzten Shirts waren zu sehen, die Badutensilien nach Größe sortiert, Troys Unterlagen geordnet auf dem Schreibtisch ausgebreitet. Daneben stapelte sich ein ganzer Haufen Bücher aus der königlichen Bibliothek. Die Geschichte der Abkehr lag obenauf, darunter Eine Historia der Technologie und schließlich Der Untergang der Menschlichkeit.

  »Meine Güte, Troy«, murmelte ich. »Du bist echt ein Streber.«

  Dass meine Wahl auf ihn gefallen war, erschien mir logisch. Ich mochte niemanden in der Stadt, ach, niemanden auf der Welt weniger als ihn. Troy Rankin war ein unerträglicher Wichtigtuer, Schleimbeutel vom Dienst und Arsch des Jahres. Er schikanierte mich seit Wochen und ließ mich bei jeder Gelegenheit blöd dastehen. Jetzt konnte ich ihn auf elegante Weise loswerden.

  Troy war aber auch wegen seiner Unerträglichkeit der ideale Kandidat für meinen Plan. Er war so königstreu, dass niemand ernsthaft glauben würde, er wäre ein Verräter. Wenn alles klappte, wie ich es mir vorstellte, würde er ein moderates Clearing bekommen und nach Hause geschickt werden. Das konnte ich bei ihm besser als jedem anderen mit meinem Gewissen vereinbaren.

  Ich ging zu Troys Terminal, loggte mich mit einem maskierten Schlüssel unter seinem Namen ein und erstellte einige Nachrichten unterschiedlichen Datums. Es dauerte keine zwei Minuten, dann schlüpfte ich unbemerkt aus dem Zimmer. Es war Zeit für Teil zwei meines Plans.

  

  »Ich muss mit Caspar Dufort sprechen. Es ist dringend.«

  Die Gardistin am Eingang der Festung musterte mich streng. »Kennung?«

  »Ophelia Scale. OS-88625-XX.«

  Sie schaute auf das Terminal neben sich, dann nickte sie. »Folge mir bitte.«

  Wir gingen durch zwei Schleusen in das Gebäude hinein und blieben an der nächsten verriegelten Tür stehen. »Du findest den Weg? Es ist Raum 34-YV.« Ich hatte mittlerweile eine höhere Sicherheitsstufe und konnte mich innerhalb der Festung frei bewegen. Noch mehr Ironie. Die hatte das Schicksal zurzeit im Sonderangebot.

  »Natürlich. Danke.« Ich lächelte, sie nickte mir zu und ließ mich allein.

  Duforts Büro war am Ende eines der unendlichen Gänge; ich kannte den Weg auswendig. Ich lief eilig, holte schneller Luft, als ich musste. Als ich an die Tür klopfte, war ich angemessen außer Puste.

  »Ophelia? Was ist los?« Er stand in einem der üblichen Lilienpullover an seinem erhöhten Schreibtisch. Vor ihm lagen acht Pads, fein säuberlich aufgereiht. Wahrscheinlich verglich er Aussagen.

  »Ich habe heute einen Kontrollgang gemacht«, sagte ich. »Dabei habe ich das hier gefunden.« Ich holte etwas aus meiner Jackentasche und legte es auf den Tisch. Duforts Augen weiteten sich.

  »Wo war das?«, fragte er drängend.

  »Im Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss. Es war hinter einer Abdeckplatte versteckt.«

  »Warst du danach in den Zimmern?«

  »Nein. Ich bin direkt hergekommen.«

  Er sah mich an, aufmerksam wie immer. Ich hoffte, dass er meine Lüge nicht entdeckte.

  »Das war die richtige Entscheidung.« Er nickte und drehte sich zum Terminal um. »Eden?«, sprach er die künstliche Intelligenz der Festung an. »Auftrag: Treffen einberufen.«

  »Zeitpunkt?«

  »Sofort.«

  »Teilnehmer?«

  »18-984 und 22-205.« Das waren interne Schakalkennungen. »Und Haslock.«

  »Ort?«

  »Raum 17-YW.«

  »Sicherheitsfreigabe erforderlich.«

  »Leitender Schakal Caspar Dufort. Kennung CD-88762-XX.«

  Es gab eine kurze Pause.

  »Sicherheitsfreigabe erteilt. Raum 17-YW ist bereit.«

  Dufort wandte sich zu mir um und griff nach dem Gegenstand, den ich mitgebracht hatte.

  »Komm mit. Raum 17-YW ist oben im Juwel.«

  Ich ging neben ihm her, während er eilig sein Büro verließ und den nächsten Aufzug ansteuerte. »Wer sind die anderen Teilnehmer?«, fragte ich und versuchte, Schritt zu halten.

  »Fiore und Lucien. Ich denke, sie sollten dabei sein.«

  Wie immer sorgte die Erwähnung von Luciens Namen für ein Kribbeln in meinem Magen. Ausnahmsweise ignorierte ich es.

  »Weißt du, was ich nicht verstehe?«, fragte ich. »Wenn der Verräter ein Anwärter ist, wie hat er es in das Programm geschafft? Eure Auswahl war doch sehr gründlich.«

  »Das war sie.« Duforts Gesicht war angespannt. »Wir haben niemanden zugelassen, der auch nur im Entferntesten verdächtig war. Mit der Abschlussprüfung wurde jedes Risiko ausgeschlossen. Ich verstehe das nicht.«

  »Kann jemand durchgekommen sein, ohne dass er dort geprüft wurde?« Ich trat nach ihm in den Aufzug und drehte mich zur Tür um. Ich war ruhig, beinahe gelassen. Wieso auch nicht? Mein Plan war perfekt.

  »Das wäre wahrscheinlicher als ein Betrug. Bei dieser Abschlussprüfung konnte man nicht lügen.«

  Doch, das kann man. Ich habe es getan, nach allen Regeln der Kunst. Aber natürlich widersprach ich nicht.

  »Ist das der Grund, warum wir uns alle nicht daran erinnern?« Es erschien mir angebracht, das zu fragen.

  »Unter anderem.« Dufort nickte, sagte aber nichts weiter dazu.

  Der Aufzug hielt, wir befanden uns nun im ersten oberirdischen Stockwerk. Raum 17-YW war ein helles Besprechungszimmer, das besser gesichert war als alles in der Festung unter uns. Als wir eintraten, spürte ich das Surren eines Bio-Scanners. Er hielt mich ungewöhnlich lange fest, bevor er mich freigab.

  »Was hast du so Wichtiges, Dufort?«, fragte Haslock ungeduldig. Wie Fiore war er bereits da. »Ich habe gerade eine Unregelmäßigkeit in den Aussagen der Gardisten gefunden. Einer von ih–«

  »Das spielt jetzt keine Rolle mehr«, schnitt ihm Dufort das Wort ab. In dem Moment hetzte Lucien ins Zimmer. Auch ihn hielt der Bio-Scanner auf.

  »Brrr. Wie ich die Dinger hasse.« Er schüttelte sich und schob
die Hände in die Taschen. »Was gibt es denn?« Als die anderen nicht hinsahen, lächelte er mich an. Mir wurde warm, trotz der ernsten Situation. Am liebsten hätte ich ihn geküsst.

  »Ophelia hat im Gemeinschaftsraum der Anwärter etwas gefunden.« Dufort legte den Gegenstand auf den Tisch. Fiore und Haslock atmeten scharf ein.

  Lucien wurde deutlicher. »Verdammte Scheiße, im Ernst?«

  Dufort gab Eden einige Anweisungen, dann tauchte eine Holoprojektion über dem Tisch auf. Es war eine vergrößerte Abbildung der Kommunikationsmatrix, die ich gefunden hatte. Wobei »finden« das falsche Wort war. Vielmehr hatte ich dieses Gerät zur drahtlosen Kommunikation gestohlen und modifiziert, dann im Gemeinschaftsraum platziert, zwei Tage dort gelassen und heute wieder entfernt. Aber wer nahm das schon so genau.

  »Es ist eine CJ-847, nur für Distanzen von etwa einem Kilometer ausgelegt. Aber es sind Änderungen vorgenommen worden.« Dufort vergrößerte den zusätzlichen Connecter und den winzigen Verstärker an der Seite.

  »Wie weit kommt man jetzt damit?«, fragte ich.

  Er hob die Schultern. »Nicht allzu weit, aber auf jeden Fall kann man sich über die Stadtgrenzen hinaus mit jemandem in Verbindung setzen. Vielleicht auf eine Distanz von fünf Kilometern.«

  »Es ist nicht gut gemacht. Das war kein Profi.« Da hatte Fiore recht. Ich hatte schlampig gearbeitet, viel schlechter, als ich gekonnt hätte. Aber Troy war kein Experte für solche Modifikationen, ebenso wie die anderen Anwärter. Wenn der Verdacht nicht auf mich fallen sollte, durfte es nicht nach mir aussehen.

  »Also war es einer von euch«, sagte Haslock triumphierend. Ich konnte es ihm kaum verübeln. Mit dieser Neuigkeit war die Garde aus dem Schneider.

  »Ja, einer der Neuen scheint Informationen weitergegeben zu haben«, wiederholte Dufort genervt. »Es ist nur die Frage, wer von ihnen.«

  »Die History der Matrix müsste doch etwas anzeigen.« Lucien holte in der Projektion ein Fenster heran und startete eine Abfrage. Verschiedene Daten tauchten auf, Zahlenkolonnen und IDs, die in Namen umgewandelt wurden. »Na toll«, kommentierte er das Ergebnis.

  »Alle Anwärter waren in der Nähe des Gerätes? Wie kann das sein?« Fiore runzelte die Stirn.

  »Es ist aus dem Bestand im Trainingszentrum«, sagte Lucien und zeigte auf die Kennung der Matrix. »Ziemlich clever, es von dort zu nehmen. Wer immer es war, wusste, dass die History im Zweifel keinen Beweis erbringen würde, weil alle Anwärter gespeichert werden. Und danach wurde die Matrix nur noch im gesicherten Modus aktiviert, sodass sie nicht aufzeichnen konnte, wer sie benutzt hat.«

  Ich nickte, als würde ich so etwas zum ersten Mal hören.

  »Vielleicht bringt die Rekonstruktion der Daten was.« Fiore startete den Diagnosemodus. Während er lief, wechselte Dufort die Ansicht und rief zehn Bilder auf. Es waren Aufnahmen von allen Anwärtern, die noch im Rennen waren. Meins wischte er direkt aus dem sichtbaren Bereich.

  »Ist das nicht etwas voreilig?«, fragte Haslock und sah mich an. Ich versteifte mich. »Sie könnte es genauso sein wie alle anderen.« Er schnaubte abfällig. »Wenn ihr immer so schlampig arbeitet, wundert es mich nicht, dass einer von euren Leuten der Verräter ist.«

  Dufort sah aus, als würde er ihm gleich eine verpassen. »Ophelia genießt mein volles Vertrauen«, presste er hervor.

  »Unser aller Vertrauen«, fügte Fiore hinzu.

  »Seid ihr wirklich so dumm?«, ätzte Haslock. »Es ist der älteste Trick der Welt, sich vermeintlich nützlich zu machen. Eine kleine hilfreiche Aktion hier, das Vortäuschen von Kooperation da, und schon ist man gegen jeden Verdacht immun und kann in aller Ruhe seinen nächsten Schachzug planen.« Er kam der Wahrheit gefährlich nahe. Plötzlich war ich nicht mehr so gelassen.

  Da legte jemand eine Hand an meinen Rücken. »Halt den Mund, Nahor.« Lucien funkelte Haslock an. »Ophelia hat bewiesen, dass sie auf unserer Seite ist. Warum hätte sie Leopold sonst retten sollen? Sie hätte auch einfach nichts tun können – so wie deine Leute.« Er hob herausfordernd das Kinn.

  »Ich habe zwei Männer bei diesem Attentat verloren!«, polterte Haslock. »Ich lasse mir nicht von einem dahergelaufenen Möchtegern–«

  »Vorsicht, Nahor«, unterbrach Lucien ihn mit kalter Stimme. »Du vergisst, mit wem du hier redest.« Sein Blick hatte noch nie so tödlich ausgesehen.

  Haslock schloss den Mund. Er hätte Lucien gern die Meinung gegeigt, das war sicher. Aber damit hätte er seinen Posten gefährdet. Dufort zu verhöhnen war eine Sache. Es bei einem Mitglied der königlichen Familie zu tun, eine ganz andere.

  »Na, dann werde ich ja nicht mehr gebraucht«, sagte er. »Ich habe ohnehin noch Wichtigeres zu tun. Viel Erfolg bei eurer Suche.« Als er ging, knallte die Tür hinter ihm zu.

  Wir anderen vier atmeten auf. Ich ganz besonders.

  »Entschuldige sein Verhalten«, sagte Dufort zu mir. »Wir sind zurzeit alle etwas angespannt.«

  Ich nickte. »Ist schon okay. Ich dachte nur nicht, dass man ausgerechnet mich –«

  »Das tut auch niemand«, sagte Fiore schnell. »Mach dir keine Gedanken.«

  Ich erwiderte sein Lächeln und spürte, dass Lucien leicht über meinen Rücken strich. Dankbar sah ich ihn an und unsere Blicke verhakten sich ineinander. Kurz zuckte sein Mund, dann nahm er die Hand wieder weg.

  »Zurück zum Thema. Wer kommt infrage?« Er zeigte auf die neun Bilder meiner Kollegen.

  Dufort machte ein Geräusch, das verdächtig nach einem Seufzer klang. »Wir sind das schon letzte Woche durchgegangen. Keiner von ihnen zeigt irgendwelche Auffälligkeiten.«

  »Ich habe bisher auch nichts bemerkt«, sagte ich. Es war noch nicht an der Zeit, einen Verdacht zu äußern.

  Lucien legte den Kopf schief. »Okay, dann erzählt mir etwas über sie. Ihr kennt sie gut, aber vielleicht zu gut.«

  »In Ordnung.« Fiore zog eines der Bilder größer. »Fangen wir mit Gaia Prideaux an. Sie ist die Jüngste im Feld, erst kurz vor dem Aufruf 18 geworden. Kommt aus dem ehemaligen Spanien, hat zuletzt aber in der Nähe von Berlin in einer Wohngemeinschaft gelebt.«

  »Familie?« Lucien zog die Augenbrauen zusammen, und ich erkannte den analytischen Blick des Agenten, der er war. Es schien so, als bekäme ich heute mehrere neue Seiten an ihm zu sehen. Aber jede einzelne davon verstärkte das warme Gefühl in mir nur.

  »Vater Reparateur, Mutter Textilverarbeiterin. Sie haben ihre Tochter dennoch früh gefördert.«

  »Wie kommt sie in der Ausbildung klar?«

  »Bei Majore ist sie die Beste, aber bei Echo hat sie Probleme«, sagte Dufort. »Ich bin zufrieden, auch wenn sie sich mehr konzentrieren sollte.«

  Lucien überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Sie ist es wahrscheinlich nicht. Der Nächste?«

  Fiore skippte weiter. »Emile Bayarri, 20. Seine Eltern haben die Umsetzung des Technologieverbots organisiert, außerdem hat die Mutter die Aufspürgeräte zum Entdecken illegaler Technologie mitentwickelt.«

  »Das muss nichts heißen«, sagte Lucien.

  »Er ist in Ordnung.« Ich hatte mich zurückhalten wollen, aber bei Emile ging das nicht. Wenn ich wollte, dass jemand nicht in Verdacht geriet, dann er. »Emile ist zwar ein bisschen verrückt, aber auch loyal und ein absoluter Teamplayer.«

  Meine Worte halfen: Mein Freund wurde schnell ad acta gelegt. Es folgten weitere Anwärter, einer unauffälliger als der nächste. Ich konnte froh sein, dass sie mich vorher ausgeschlossen hatten. Mit meiner Vorgeschichte hätte ich keine Chance gehabt.

  »Gut, nun bleibt nur noch Troy Rankin.« Fiore rief ihn auf.

  Jetzt wurde es interessant.

  »21 Jahre alt. Er ist aus dem alten Königreich, Nordengland. War zwischen 2128 und 2131 mit dem älteren Bruder in Spanien, weil der dort gearbeitet hat. Seine Eltern sind tot, aber die Geschwister sind sehr königstreu.«

  »Zusatzinfo: Caspar mag ihn nicht«, stellte Lucien grinsend fest.

  Dufort verzog das Gesicht. »Er ist zu blind in seinem Ehrgeiz, zu verkopft und zu ambitioniert. In meinen Augen fehlt ihm jene Art Persönlichkeit, die man als Schakal braucht. Aber das macht ihn nicht
verdächtig.« Er hob die Schultern. »Ophelia, was denkst du?«

  Ich tat so, als müsste ich überlegen.

  »Es ist kein Geheimnis, dass wir uns nicht mögen«, sagte ich. »Troy ist ein Schleimer und ein Streber, er geht über Leichen für seinen eigenen Erfolg und kennt keine Rücksicht auf Verluste. Sein einziges Ziel scheint es zu sein, dem König zu dienen.« Das musste ich sagen, wenn ich nicht riskieren wollte, dass man Troy umbrachte. »Ich weiß nicht viel über ihn und auch keiner sonst. Im Gegensatz zu den anderen erzählt er nie etwas Persönliches, öffnet sich kein bisschen. Er vertraut niemandem.«

  »Was der Grund sein dürfte, warum er noch dabei ist. Phoenix steht auf Einzelkämpfer.« Lucien betrachtete Troys Bild fast so feindselig wie ich. »Ich würde ihn liebend gern als Verräter festnageln, aber dafür reicht Antipathie nicht. Warum sollte jemand wie er gemeinsame Sache mit irgendwelchen Attentätern machen?«

  »Vielleicht tut er das gar nicht«, spielte Fiore meinem Plan in die Hände, bevor ich selbst etwas sagen konnte.

  Ich pflichtete ihm bei. »Troy ist blind vor Ehrgeiz und nutzt jede Chance, sich zu profilieren. Er wäre ein leichtes Ziel für jemanden, der sich als Angehöriger des Hofes ausgibt und an Informationen herankommen will.«

  »Ja, vielleicht.« Lucien nickte unzufrieden. »Wir müssten ihn uns genauer ansehen.«

  Dufort schüttelte den Kopf. »Dazu haben wir keine Zeit.«

  Fiore schaltete zurück zur Datenanalyse. Früher wäre sie nach wenigen Millisekunden abgeschlossen gewesen, aber heute galten andere Regeln. Als er die Daten aufrief, lief die Überprüfung immer noch. Dufort holte sich verschiedene Ausschnitte heran und zoomte wieder heraus.

  »Da!«, rief ich, weil ich etwas entdeckt hatte.

  Es waren einzelne Wörter, unverständliches Kauderwelsch, das im Laufe des Prozesses mehr Sinn annahm. Aber ich wusste ohnehin, was da stand. Ich hatte es selbst eingegeben und dann verschlüsselt.

  »Das ist die letzte Nachricht von gestern«, sagte Dufort. »Wer immer es war, hat versucht, sie unter möglichst viel Müll zu begraben. Treffen morgen, 20-00.«

 

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