002 - Free like the Wind

Home > Other > 002 - Free like the Wind > Page 6
002 - Free like the Wind Page 6

by Kira Mohn


  «Ich muss dadrin jetzt aufräumen.»

  «Soll ich dir helfen?»

  «Nein.»

  Meine Antwort kommt schnell und ist unmissverständlich, trotzdem sehe ich es in seinen Augen plötzlich glitzern. Herausfordernd verschränkt er die Arme und lehnt sich gegen den Glastresen. «Dann warte ich einfach hier auf dich.»

  «Hör zu …»

  «Rae, schließt du ab, wenn du fertig bist?»

  Philippe kommt die Treppe zum Vorführraum hinunter. Zane, der offensichtlich nicht damit gerechnet hat, es könne noch jemand außer uns beiden hier sein, hat im ersten Moment die Arme sinken lassen und sich aufgerichtet. Erleichtert greife ich nach dem blauen Müllsack. Jetzt wird er wohl endlich gehen. «Klar, mache ich.»

  «In Ordnung, danke. Oben ist alles fertig, ich muss direkt los. Bis Montag dann!»

  Entgeistert sehe ich Philippe hinterher, der winkend die Schwingtür aufstößt und Sekunden später verschwunden ist.

  Na toll. Normalerweise kontrolliert er jeden Abend akribisch, ob für den nächsten Tag alles vorbereitet ist, aber ausgerechnet heute muss er es eilig haben. Zane hat Philippe ebenfalls nachgeschaut, doch jetzt dreht er sich zu mir um. Er wirkt, als müsse er sich das Lachen verkneifen.

  «Du sollst abschließen», sagt er, und ich lasse den Müllbeutel wieder sinken.

  «Das werde ich auch. Wenn alle gegangen sind. Also musst du jetzt nicht mal los?» Auffordernd nicke ich in Richtung Ausgang.

  «Ach komm, warum bist du so zickig?»

  Ich stehe ja auf Typen, die Desinteresse mit Zickigkeit gleichsetzen. Nicht. «Hau endlich ab», sage ich scharf. «Was braucht es eigentlich noch, damit du kapierst, dass du nervst?»

  Zane hebt beide Hände. «Hey, entspann dich wieder. Blöde Kuh.»

  Er dreht sich um und geht, und einen kurzen Moment noch sehe ich ihm durch die Glastür hinterher, bevor ich um den Tresen herumlaufe und mich beeile, die Tür hinter ihm zuzuschließen. Ich will nicht in Gefahr geraten, im Dämmerlicht zwischen den Sitzreihen plötzlich Zane gegenüberzustehen.

  Nachdem ich fertig bin, entsorge ich die Abfalltüte in einer der Tonnen im Hinterhof, verschließe im Anschluss sorgfältig die schwere Metalltür, lösche alle Lichter, drehe den Hauptschalter ab und stopfe endlich den Schlüssel zurück in die Hosentasche, nachdem ich auch den Eingang verschlossen habe. Kurz nach elf – ich werde früh zu Hause sein.

  Die Hände in den Jackentaschen vergraben, trete ich den Heimweg an. Auf den Straßen ist noch einiges los, immer wieder muss ich Leuten ausweichen, während meine Gedanken sich schon wieder davonstehlen, weg von den Autos und all den Leuten, die sich zwischen Hausreihen und Ladenfronten bewegen. In dieser Sekunde könnte ich auch in einem Zelt liegen. Oder davorsitzen. Vielleicht hätte ich mir ein kleines Lagerfeuer gemacht, irgendwo am Fluss. Oder an einem See. Haven hat erzählt, es gäbe wunderschöne Seen im Jasper National Park. Und Wasserfälle. Und sogar Gletscher.

  Wie funktioniert das eigentlich, wenn man eine längere Tour plant – muss man wirklich alles mitschleppen, was man für die gesamte Zeit braucht? Wie läuft es mit der Verpflegung? Ich kann mir ja schlecht ein Reh schießen oder so. Selbst wenn man nur zwei Wochen unterwegs ist, kriegt man doch nie und nimmer alles dafür in einen Rucksack – man braucht ja auch noch einen Kocher und Geschirr und Schlafzeug, das Zelt nicht zu vergessen. Kann man zumindest Wasser aus irgendwelchen Bächen trinken? Oder gibt es auf den Campingplätzen so etwas wie kleine Supermärkte? Sonst käme ich mit dem Zeug, das ich einpacken würde, nicht mal für ein verlängertes Wochenende vom Fleck.

  Die Straße mitsamt Verkehrsgeräuschen bleibt zurück, als ich zwischen zwei hohen Steinsäulen hindurch den Park betrete.

  Es wäre im Jasper National Park vielleicht ein bisschen wie hier. Ein kleines bisschen. Der Geruch nach Gras und Holz, nur vereinzelt wären noch andere Leute unterwegs … ach was, vereinzelt – niemand außer mir wäre unterwegs, und ich würde … vielleicht eine Art Tagebuch führen. Jeden Abend alles aufschreiben, was an Gedanken aus mir herauswill, und am letzten Tag würde ich das Buch um Mitternacht verbrennen und die Asche Leah widmen.

  Leah.

  Angestrengt versuche ich, in die Stimmung zurückzufinden, in der ich war, bevor Leah sich dazwischengedrängt hat. Ich habe mich gut gefühlt, irgendwie in einer Art Aufbruchstimmung, und wenn ich sicher wüsste, dass dieses Gefühl auf mich in Jasper warten würde … vielleicht könnte es mir doch gelingen, meine Mutter davon zu überzeugen, dass ein solcher Trip eine gute Idee wäre. Ich könnte mich jeden Tag bei ihr melden, morgens und abends, meinetwegen. Und gibt es nicht irgendeine App, mit der man jemanden übers Smartphone orten kann? Wenn ich das mit mir herumtragen würde … es muss ja auch nicht gleich für drei Monate sein – vielleicht reichen ja vier Wochen. Oder drei.

  Ich könnte mich auch auf zwei herunterhandeln lassen, und wenn meine Mutter dann selbst merkt, dass es so schlimm gar nicht ist, mich mal für ein paar Tage aus den Augen zu lassen, könnte man das Ganze ja vielleicht verlängern. Vorausgesetzt, ich finde dort überhaupt das, was ich mir davon verspreche. Sollte ich nur ziellos herumwandern, von Mücken zerstochen werden und mich ganz allein von meinen persönlichen Dämonen zerfetzen lassen, breche ich alles einfach ab und werte es als misslungenen Versuch, meine Vergangenheit in den Griff zu kriegen.

  Das hat meine Therapeutin immer gesagt: Finde deinen eigenen Weg, mit den Ereignissen klarzukommen, es gibt dafür kein Rezept. Jeder muss es auf seine Art schaffen. Damals habe ich immer nur geantwortet, mein Weg sei es nun mal, bestimmte Erinnerungen einfach möglichst unangetastet zu lassen, und sie meinte irgendwann, dass ich möglicherweise nicht rechtzeitig bemerken würde, wenn diese Erinnerungen mich so weit ausgehöhlt hätten, dass ich zusammenbreche. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt habe ich die Therapie abgebrochen. Zu deprimierend – ich meine: So etwas will doch keiner hören.

  Das Geräusch von Schritten hinter mir dringt in mein Bewusstsein, weil sie schneller werden, und ich drehe mich um.

  Zane? Aber …?

  Er prallt gegen mich, als habe er mich im Laufen nicht gesehen, nur dass sein Blick direkt auf mich gerichtet ist. Ich stolpere zurück, noch immer überrascht, dann schießt erst Angst in mir hoch, und danach kommt die Wut.

  Es geht ganz schnell.

  Als Zane mir nachsetzt, weiche ich ihm aus, schlage seinen Arm beiseite und verpasse ihm mit der flachen Hand einen so heftigen Stoß von unten gegen die Nase, dass sein Kopf nach hinten fliegt. Krav Maga. Hundertmal durchexerziert, immer beherrscht, immer ruhig, doch es funktioniert auch unter Adrenalin. Noch während er zurücktaumelt, springe ich hinter ihn, packe sein Kinn mit beiden Händen und nutze seinen eigenen Schwung, um ihn zu Fall zu bringen. Eigentlich hätte ich ihn dabei drehen sollen, doch Zane ist zu groß und ich zu klein, oder vielleicht läuft es in der Praxis eben doch nicht exakt so wie im Training, jedenfalls fällt er nur auf die Seite, nicht auf den Bauch. Mit meinem ganzen Gewicht schmettere ich ihm beide Knie ins Kreuz, bringe ihn dadurch zum Kippen, kralle die Hände in seine Haare, reiße ihn ein Stück weit hoch und stoße ihn, so fest ich kann, wieder mit dem Kopf auf die Straße zurück. Das Klatschen von Haut auf Asphalt befriedigt mich zutiefst. Dumpf stöhnt er auf, und ich komme auf die Füße, hole aus zu einem Tritt, der seinen verhassten Schädel hoffentlich zum Bersten bringen wird, und dann wird mir plötzlich klar, was ich da gerade tue, was jetzt gleich passieren wird, wenn ich ihn so an der Schläfe treffe, wie ich es vorhabe, und beinahe stürze ich selbst, als ich mich förmlich im Flug zurückreiße.

  Was … Herrgott, was mache ich denn?

  Er ist ein verdammter Wichser, aber ich kann doch nicht … ich kann doch nicht …

  Noch immer will ich zutreten, der Hass brennt so hell in mir, dass ich sicherheitshalber ein Stück zurückweiche.

  Mühsam stützt Zane sich auf beide Ellbogen, betastet ungelenk seine Nase, von der aus Blut über sein Kinn zu Boden tropft, schwarze Schlieren im Licht der Parklaternen.

  Er hat darauf geachtet, dass es keine Zeugen gibt, als er mich angegriffen hat, und so beobachte nur ich, wie er sich jetzt schle
ppend aufrichtet, mit dem Unterarm das noch immer herabströmende Blut in seinem Gesicht verteilend.

  Dann entdeckt er mich, und das Monster in mir freut sich darüber, wie seine Augen sich weiten und er ein paar Schritte zurückstolpert, kopfschüttelnd, als könne er nicht glauben, was da gerade geschehen ist, oder vielleicht versucht er auch nur, die Benommenheit loszuwerden. Er dreht sich um, torkelt zurück in die Richtung, aus der er hinter mir hergekommen ist, und ich starre ihm eine Ewigkeit lang nach.

  «Entschuldigung? Ist alles in Ordnung?» Ein Mann ist ein Stück von mir entfernt stehen geblieben und mustert mich. Besorgnis klingt in seiner Stimme mit.

  «Alles okay», krächze ich.

  «Sind Sie sicher? Brauchen Sie Hilfe?»

  Er kommt näher, und jetzt bin ich es, die zurückstolpert. «Nein, alles okay, wirklich, ich … Es geht mir gut!»

  Meine Beine fühlen sich seltsam steif an, als ich loslaufe, schneller werde, bis ich schließlich renne, ohne auf das zu achten, was er mir noch hinterherruft.

  Oh Scheiße. Oh mein Gott. Was bin ich? Was bin ich bloß geworden?

  Cayden

  Jackson gegenüber habe ich über die Geschichte mit Tessa kein Wort verloren. Es ist nicht so, dass ich ihm normalerweise Rechenschaft darüber ablegen würde, wann ich mit wem ins Bett steige, aber im Allgemeinen achte ich auch nicht peinlich genau darauf, die betreffende Frau nicht zu erwähnen.

  Das mit Tessa war allerdings … creepy. Zumindest seit der Sekunde, in der sie ihren Freund Miles erwähnte und mich so unmittelbar, wie sie bei den anderen Dingen auch zur Sache gekommen ist, gefragt hat, ob ich mir einen Dreier vorstellen könne.

  Und nicht nur das: Tessa kannte mich, zumindest meinen Namen. Die Beschreibung, die sie von mir abgeliefert hat, war auch nicht extrem weit hergeholt. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie um das Gerede gekümmert, das über mich die Runde macht, aber der Gedanke gefällt mir nicht, dass irgendjemand Tessa auf mich gebracht hat, jemand, der der Ansicht war, ich könne mich gut für ihre Wunschträume eignen.

  Tja, falsch gedacht.

  Von unten ertönen Geräusche. Jackson ist heute Vormittag nach einem ersten gemeinsamen Kaffee verschwunden. Er hat Sam, Havens Cousin, versprochen, an diesem Samstag am Baumhaus in deren Garten weiterzuarbeiten. Jetzt dreht sich ein Schlüssel im Schloss, und ich werfe einen Blick auf die Uhr. Sie haben echt den ganzen Tag daran herumgeschraubt. Augenblicke später knarzt die Wendeltreppe, und Jax erscheint im Wohnzimmer. «Hi. Hängst du immer noch oder schon wieder auf dem Sofa rum?»

  «Hi, ich freu mich auch, dich zu sehen.»

  Er wirft seine Jacke über die Sofalehne. «Ist irgendwas zu essen da? Sonst bestell ich was. Ich verhungere. Caroline war nicht zu Hause, und Lucy hat gekocht – allerdings nur für ungefähr zwei Personen, und wir waren zu fünft. Das hier lag übrigens im Briefkasten», bemerkt Jackson im Vorübergehen und legt dabei einen Umschlag auf den Tisch.

  Einigermaßen perplex starre ich das Ding an. Das Kuvert ist dunkelrot und aus dickem Papier, und ich ahne irgendwie, von wem es kommt. Tessa weiß also auch, wo ich wohne. Klar. Sie ist wirklich creepy.

  Jackson ist am eingeschalteten Fernseher vorbei zur Küche gelaufen, und ich höre ihn den Kühlschrank öffnen. «Es ist gar keine Briefmarke drauf», ruft er.

  In den letzten Stunden bin ich überwiegend zwischen dem Trainingsraum und Netflix hin- und hergependelt. Eigentlich wollte ich Jackson fragen, ob er Lust hat, noch irgendwo was trinken zu gehen, doch jetzt drehe ich nur den Umschlag hin und her. Es ist nicht nur keine Briefmarke drauf, sondern auch weder Adresse noch Absender. In schwungvoller Schrift steht lediglich Cayden auf der Vorderseite zu lesen.

  «Ich bestelle Sushi, willst du auch was?» Eine geöffnete Wasserflasche in der einen, sein Smartphone in der anderen Hand, kehrt Jackson zurück und lässt sich aufs Sofa fallen. «Von wem ist der denn?»

  «Von Tessa», erwidere ich.

  «Wer ist Tessa?»

  «Keine Ahnung.»

  «Du kriegst Briefe von einer unbekannten Tessa? Woher weißt du, dass der von ihr ist?»

  «Nur so eine Vermutung.»

  «Weißt du auch, was drinsteht?»

  Ich werfe den Brief auf den Tisch zurück. «Ist mir egal.»

  «Willst du ihn nicht lesen?»

  «Nein.»

  Fürs Erste hat Jackson das Sushi offenbar vergessen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, lehnt er sich vor. «Klingt nach einer interessanten Geschichte.»

  «Ist es aber nicht.»

  «Nein?»

  «Nein.»

  Die Sekunden verstreichen. «Soll ich ihn aufmachen?» Jackson nickt zum Brief hin.

  Fast muss ich grinsen. Den Verfechter von Moral und Anstand in diesem Haus mal schlichtweg neugierig zu erleben ist auch eine Erfahrung. «Tu, was du nicht lassen kannst.» Ich wende mich wieder dem Fernseher zu.

  «Okay …» Es raschelt. «Ähm.» Jackson schiebt zurück, was auch immer er halb herausgeholt hat, und wedelt mit dem Umschlag in meine Richtung, bevor er ihn fallen lässt. «Sind Nacktfotos drin.»

  «Von mir?»

  «Von dir?», fragt Jackson entgeistert zurück.

  «Wenn es keine Bilder von mir sind, kannst du sie entsorgen.»

  «Warum sollten denn da bitte Nacktfotos von dir drin sein?»

  Ich zucke mit den Schultern, doch wie zu erwarten, gibt sich Jackson damit nicht zufrieden. «Erzähl endlich, oder soll ich raten?»

  «Jax …»

  «Erpresst dich jemand mit Nacktbildern von dir?»

  «Glaubst du echt, ich würde mich mit so etwas erpressen lassen?»

  «Also, was läuft dann?»

  Aufseufzend schalte ich den Fernseher aus. «Ich habe auf Chase’ Party mit Tessa gevögelt. In meinem Wagen. Danach hat sie mich gefragt, wie ich über Dreier denke und ob ich mir nicht vorstellen könne, mal in der Mitte zu sein – mit Tessa unter mir und ihrem Freund über mir.»

  «Echt jetzt?»

  «Ich hab nein gesagt.»

  Jackson lässt sich in die Polster zurückfallen und starrt mich an. «Warum gibst du ihr dann deine Adresse?»

  «Hab ich nicht.»

  «Aber …»

  «Ich weiß es nicht, okay? Irgendwer muss ihr von mir erzählt haben.» Ich stehe auf, greife nach meinem leeren Glas und steuere nun meinerseits die Küche an. «Erklärt auch, warum sie so verflucht zielgerichtet war.»

  «Offenbar giltst du als heißer Tipp, wenn man auf ein kleines Abenteuer aus ist», ruft Jackson mir nach.

  Er grinst mich an, als ich mit einem neuen Wodka Lemon zurück ins Wohnzimmer komme, und mir ist kurz danach, ihm den Drink in den Kragen zu kippen. Wäre allerdings eine gottverdammte Verschwendung.

  «Stört dich das etwa?», fragt Jackson nach einem Blick in mein Gesicht.

  «Wenn du wissen willst, ob mich stört, dass Tessa nur auf Sex aus war, dann nein, das stört mich nicht.»

  «Schon klar. Aber?»

  «Was aber?»

  «Komm schon, Cay, irgendwas nervt dich doch. Was ist es?»

  «Keine Ahnung.»

  «Stört es dich, dass du ausgesucht wurdest und nicht ausgesucht hast?»

  «Nein.»

  «Sicher?»

  Eigentlich wollte ich mich wieder zu Jackson aufs Sofa setzen, doch jetzt überlege ich es mir anders. «Pass auf, ich habe ihr klargemacht, dass ich nichts mit einer Frau anfange, die mit jemandem zusammen ist. Das hat sie schon nicht sehr ernst genommen. Und jetzt wirft sie Briefe hier ein, obwohl sie weiß, dass ich kein Interesse an ihren Spielchen habe. Wie tickt die denn? Kommt mir vor wie in einem Psychofilm. Und ich kann ihr nicht mal sagen, dass sie damit aufhören soll, weil ich nicht mehr als ihren Vornamen kenne – ein bisschen wenig im Gegensatz zu dem, was sie über mich zu wissen scheint.» Ich drehe mich um und steuere mein Zimmer an.

  «In dem Umschlag ist auch eine Telefonnummer», ruft Jackson mir hinterher.

  Mit dem letzten Wort fällt meine Zimmertür ins Schloss, doch es dauert nur Sekunden, bis sie wieder geöffnet wird. «Sorry.» Jackson klopft gegen den Türrahmen. «Wollte
st du jetzt eigentlich auch Sushi?»

  «Ja, bestell mir was mit. Ganz egal, was.»

  Er zögert. «Bist du okay?»

  Gerade bin ich zum Fenster getreten, um den Vorhang zuzuziehen, jetzt drehe ich mich überrascht zu Jackson um. «Klar.»

  «Man könnte bestimmt irgendwie rausfinden, wer mit dieser Tessa über dich geredet hat.»

  «Wieso sollte ich mir die Mühe machen?»

  «Keine Ahnung – weil es dich beschäftigt?»

  «So sehr nun auch wieder nicht.»

  Jacksons prüfendem Blick halte ich stand, weil ich meine, was ich sage. Nach einigen Sekunden zuckt er mit den Schultern. «Wahrscheinlich hast du recht – einfach nicht beachten. Wenn’s klingelt, sind das die Sushi.»

  Nachdem er gegangen ist, schließe ich mit einem letzten Ruck endgültig den Vorhang, bevor ich mich in meinem Zimmer umsehe. Ich fühle mich rastlos, habe aber keine Ahnung, wieso. Schade, dass ich jetzt nicht bei Vic anrufen kann. Und wäre mir auf Chase’ Party nicht Tessa über den Weg gelaufen, hätte ich vielleicht eine andere Frau kennengelernt, bei der ich es jetzt versuchen könnte. Dieser Gedanke führt zu dem Entschluss, tatsächlich noch einmal auf einen Sprung ins Knox zu gehen, meiner bevorzugten Bar, wenn ich nicht darauf aus bin, bekannte Gesichter zu treffen. Im Knox finden sich im Allgemeinen Leute nach der Arbeit zusammen, um noch ein Bier zu trinken. Schon unter der Woche ist es dort deshalb recht voll, samstags allerdings pulsiert der Laden – gute Voraussetzungen.

  Bis das Sushi geliefert wird, habe ich mich umgezogen. Sportklamotten aus, dunkles Hemd und dunkle Hosen an. In meinem Badezimmer streiche ich mir noch die Haare mit etwas Gel zurück und werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Okay.

  Jackson hat in der Küche zwei riesige Edelstahlschüsseln mit Chips und Popcorn gefüllt und ist gerade dabei, das Sushi auf einem Teller zu arrangieren, als ich den Kopf durch die Tür stecke. «Sieht ja nach einem gehaltvollen Abendessen aus.»

  «Haven und Rae kommen gleich vorbei, wir wollen uns einen Film ansehen. Was ist mit dir? Doch kein Sushi?»

  «Nein, ich hab’s mir anders überlegt. Ich hau noch mal ab. Was schaut ihr euch an?»

 

‹ Prev