Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition)

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Silver Crown - Forbidden Royals (German Edition) Page 17

by Johnson, Julie


  »Das hört sich so an, als wäre er ihr vollkommen egal.«

  Chloe wirft Carter einen interessierten Blick zu. »Möchtest du dazu eine Meinung äußern, liebster Bruder?«

  Er trinkt einen weiteren Schluck Bourbon und starrt demonstrativ aus dem Fenster .

  »Also …« Ich runzle die Stirn, während ich versuche, die komplizierten Verhältnisse zu durchschauen. »Dann seid ihr wohl keine Freunde, oder?«

  »Wir sind zusammen aufgewachsen. Wir alle fünf – ich, Carter, Henry, Ava und Alden. Wir hielten zusammen wie Pech und Schwefel.«

  »Und jetzt?«

  »Jetzt sind Ava und ich eher so was wie Feindinnen, die so tun, als seien sie Freundinnen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Zumindest unsere Familien sind miteinander befreundet.«

  »Was bedeutet das?«

  »Hör zu, E., für dich ist das alles noch Neuland, also glaube ich nicht, dass du nachvollziehen kannst, wie klein der Kreis der aristokratischen Familien in Caerleon ist. Selbst wenn man jemanden nicht mag, kommt man praktisch nicht darum herum, ihm relativ oft auf Wohltätigkeitsveranstaltungen, Galas, Bällen oder Krönungszeremonien über den Weg zu laufen …«

  »Oder auf Beerdigungen«, fügt Carter düster hinzu.

  Wir alle verfallen wieder in Schweigen.

  »Ich will damit auf Folgendes hinaus: Wenn ich jedem unsympathischen Adligen in diesem Land aus dem Weg gehen würde, wäre niemand mehr übrig. Einschließlich meiner eigenen Familie«, sagt sie und schaut kurz zu Carter. »Aber wenn ich dir einen Rat geben darf … Sei in ihrer Nähe einfach wachsam, okay? Vor allem wenn sie herausfinden, wer du wirklich bist.«

  »Das werden sie nicht«, beharre ich. »Ich bin inkognito hier. Als eure neue königliche Beraterin, schon vergessen?«

  »Mhm. Aber sei nicht verwundert, wenn sie es irgendwann doch herausfinden. Ava und Alden sind seit ihrer Geburt auf dieses Leben vorbereitet worden. Sie lieben nichts mehr als einen ordentlichen Tratsch, und sie wissen genau, wie sie ihn zu ihrem Vorteil nutzen können.« Chloe schüttelt den Kopf. »Sie beherrschen politische Machenschaften besser als jeder, dem ich je begegnet bin. Vielleicht sogar besser als Octavia. Wie sonst sollte eine Frau einen so attraktiven Kronprinzen wie Henry deiner Meinung nach dazu bringen, sich im reifen Alter von fünfundzwanzig mit ihr zu verloben? «

  Während Chloes Worte in meinem Kopf widerhallen, starre ich durch die getönte Scheibe nach draußen und nippe langsam an meinem Bourbon, um meinen aufgewühlten Magen zu beruhigen. Etwa zwanzig Minuten später halten wir vor einem imposanten Herrenhaus. Es ist etwa halb so groß wie das Lockwood-Anwesen, aber nicht weniger beeindruckend. Zwei Butler mit weißen Handschuhen ziehen die aufwendig geschnitzten Eichentüren auf, während unsere Limousine zum Stehen kommt. Ich beobachte geblendet, wie zwei der attraktivsten Menschen, die ich je gesehen habe, in die Morgensonne hinaustreten.

  Sie sind platinblond, unglaublich groß und wirken über alle Maßen elegant, als sie die Stufen zu der sanft geschwungenen Einfahrt herunterschreiten, in der wir warten. Unser Chauffeur steigt aus, um die Tür der Limousine für sie aufzuhalten. Ich rutsche auf der ledernen Rückbank weiter nach hinten, um Platz zu machen, und stelle fest, dass ich mich plötzlich unangenehm dicht an Carters Seite befinde.

  »Tut mir leid«, murmle ich.

  Sein Adamsapfel hüpft hektisch. »Schon gut.«

  Die Sterling-Geschwister steigen so anmutig auf den Rücksitz, dass sie mich an Schwäne erinnern, die sich auf eine Wasseroberfläche gleiten lassen. Er ist komplett in Schwarz gekleidet – von seinem Anzug über seine Krawatte und sein Hemd bis hin zu seinem Einstecktuch. Sogar seine Manschettenknöpfe, die aus dem schwärzesten Onyx zu bestehen scheinen, funkeln dunkel. Sie ist in ein exquisites Seidenkleid gehüllt und hat einen kunstvoll verzierten Cocktailhut auf dem Kopf, an dem ein Netzschleier befestigt ist, der die Hälfte ihres umwerfenden Gesichts verdeckt.

  Alden und Carter nicken sich steif zu, während die Frauen Schmeicheleien austauschen.

  »Chloe, Liebes. Es ist so schön, dich zu sehen!«, ruft Ava aus und lehnt sich vor, um Chloe einen Luftkuss auf jede Wange zu hauchen. »Wie geht es dir?«

  »Du kennst mich«, sagt Chloe gedehnt und zündet sich ihren Joint wieder an, sobald die Begrüßung erledigt ist. Sie bläst eine Rauchwolke aus. »Ich habe ein sonniges Gemüt.«

  »Wie reizend.« Ava hustet ganz leicht und wedelt demonstrativ mit einer weiß behandschuhten Hand vor ihrem Gesicht herum. Sie lässt die grünbraunen Augen durchs Innere der Limo wandern und verharrt unangemessen lange bei Carter – oder vielleicht bilde ich mir das auch nur ein –, bevor sie den Blick schließlich auf mich richtet. Sie scheint sich sofort auf die kleine Stelle zu konzentrieren, an der mein nackter Arm seinen Anzug berührt.

  »Und wer ist dieses neue Gesicht?«, fragt Ava verkrampft.

  Für einen Augenblick weiß ich nicht, was ich antworten soll. Ich versuche, mich an meine Undercover-Story zu erinnern, doch ihr durchdringender Blick hat mich ganz unerwartet aus der Fassung gebracht.

  »Sie?« Chloes Augen funkeln wohlwollend, als sie sich einmischt. Diese Verrückte hat tatsächlich Spaß an dieser Sache. »Niemand von Bedeutung. Nur meine neue Assistentin Emilia.«

  »Mir war nicht klar, dass man eine Assistentin benötigt, um den ganzen Tag lang Marihuana zu rauchen.« Auch wenn Avas Tonfall steif und affektiert wirkt, ist die Bissigkeit in ihren Worten nicht zu überhören. Ich bin unfassbar erleichtert, als sie den Blick von mir abwendet.

  Eine niedere Assistentin ist ihrer Aufmerksamkeit nicht würdig.

  Ich leere mein Glas in einem einzigen Zug.

  »Tja, wir können nicht alle so produktiv sein wie du, Ava.« Chloes Grinsen erinnert eher an eine Grimasse. »Wie viele Organisationen betreust du mittlerweile? Vier?«

  »Fünf. Die Gesellschaft zur Verschönerung von Lund, die Stadtgärtnervereinigung, den Fonds für die Veteranenhilfe, den Verein zur Erhaltung der Kunstwerke und natürlich nicht zu vergessen den großartigen Beitrag, den wir geleistet haben, um den Bestand der Fleckenkäuze in der östlichen Gebirgsregion zu bewahren. Wusstest du, dass diese Art vom Aussterben bedroht ist? Es ist so wichtig, dass wir …«

  Ich blende sie umgehend aus und sehe zu, wie Chloe einen weiteren Zug von ihrem Joint nimmt. Ihre Augen sind glasig, aber ich kann nicht beurteilen, ob das an den Drogen oder dem wichtigtuerischen Geplapper liegt. Je mehr Ava über ihre Bemühungen schwafelt, desto befremdlicher finde ich das Ganze. Ihren Verlobten hat sie nicht erwähnt. Kein einziges Mal. Sie tut so, als wären wir auf dem Weg zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung für ihre kostbaren Fleckenkäuze und nicht zur Beerdigung von zwei Menschen, die eines Tages ihre Schwiegereltern hätten sein sollen.

  Ebenso seltsam finde ich die Tatsache, dass ihr Bruder Alden die ganze Fahrt über nichts sagt. Kein einziges Wort. Sein Kiefer ist fest zusammengepresst, während er aus dem Fenster starrt. Sein Blick geht ins Leere, aber ich kann von meinem Platz aus nicht einschätzen, ob der Grund dafür Trauer oder Langeweile ist.

  »… und unser Augenmerk sollte wirklich darauf liegen, die Vegetation wiederherzustellen, die früher üppig in diesen ge fährdeten Gebieten wuchs, weil ich denke, dass wir uns alle einig sind, dass ohne Lebensraum nicht die geringste Chance besteht, dass …«

  Gott, holt sie jemals Luft?

  Ohne ein Wort greift Carter nach der Karaffe und füllt mein und sein Glas auf. Ich nehme einen stärkenden Schluck und tippe mit meinem Ellbogen gegen seinen.

  Danke.

  Eine Sekunde später lächle ich in meinen Bourbon hinein, als er seine Schulter sanft gegen meine drückt.

  Gern geschehen.

  Wie es ist, durch eine Menge aus einer halben Million Trauernder zu fahren?

  Ich könnte mir vorstellen, dass es sich so ähnlich anfühlt wie die Prozession bei einer königlichen Hochzeit oder der Festumzug nach einer besonders erfolgreichen Fußballmeisterschaft … Nur dass in diesem Fall keine Jubelrufe ertönen, sondern Tränen fließen. Anstelle von Mannschaftsfarben erstreckt sich um uns herum ein Meer aus Schwarz, in dem hin und wieder Blau und Gold aufblitzen �
�� eine caerleonische Flagge, die stolz über geschlossenen Ladentüren und dicht verrammelten Häusern weht.

  Tausende Bürger säumen jede Straßenseite von den Außenbezirken des historischen Stadtteils von Vasgaard bis nach Wyndsor Abbey. Sie rufen, winken, weinen, grüßen ehrerbietig und werfen Blumen auf den Weg der beiden schwarzen Leichenwagen, die unsere Prozession anführen und in denen sich die Särge von König Leopold und Königin Abigail befinden, um ihre letzte Fahrt durch ihre trauernde Hauptstadt zu absolvieren.

  Ein letzter Gruß. Ein endgültiger Abschied .

  Mehrere Limousinen folgen ihnen in einer langen würdevollen Reihe. Unsere befindet sich direkt hinter der, in der Linus und Octavia sitzen. Uns wiederum folgen diejenigen, deren Insassen Chloe als Mitglieder der »anderen Seite des Familienstammbaums« bezeichnen würde – entfernte Verwandte, die das Geburtsrecht der Lancasters kaum verdienen. Da wir uns im Schneckentempo fortbewegen, dauert die Fahrt vom einen Ende der Stadt zum anderen beinahe zwei Stunden. Ich fühle mich seltsam taub, während ich auf die Gesichter hinausstarre, an denen wir vorbeifahren. Ich weiß, dass mich die Leute durch die getönten Scheiben nicht sehen können.

  Vor einer Woche noch hätte ich dort draußen unter ihnen gestanden.

  Ich wäre eine von ihnen gewesen.

  Nun bin ich woanders.

  Jemand anders.

  Als wir die Abtei – ein hoch aufragendes Bauwerk aus Kirchtürmen und Buntglasfenstern – endlich erreichen, entdecke ich die Fotografen, die die Sicherheitsabsperrungen säumen und mit ihren Teleobjektiven endlos Schnappschüsse von Linus und Octavia machen, während die beiden mit erhabenen Schritten die Stufen zu dem Eingangsportal hinaufsteigen. Mein Herz hämmert plötzlich so heftig, dass ich mir sicher bin, dass Carter es hören kann, weil er so dicht neben mir sitzt. Ich bin noch nie dankbarer für meine Anonymität gewesen.

  Innerlich gehe ich immer wieder den Plan durch und hoffe, dass mir das dabei helfen wird, meine Nerven zu beruhigen.

  Stell dich in respektvollem Abstand hinter Simms.

  Starre niemanden an, zappele nicht herum, lenk keine Aufmerksamkeit auf dich.

  Niemand weiß, wer du bist oder warum du hier bist.

  Niemand wird dich überhaupt bemerken .

  Ich atme zitternd aus, als ich spüre, wie die Bremse angezogen wird. Es wird Zeit für uns auszusteigen.

  Ava, Alden und Chloe klettern als Erste aus dem Auto. Als wir allein in der Limo sind, schaut mir Carter ganz kurz in die Augen.

  »Vergiss nicht zu atmen, Schätzchen.«

  Damit steigen wir in die unerbittliche Trübseligkeit des kalten Oktobertags hinaus.

  14. KAPITEL

  Die Zeremonie an sich ist wundervoll.

  Wundervoll, aber lang – Stunden voller Segnungen und Gebete, Bibeltexte und Predigten, Trauerreden und Chorgesänge. Als wir Wyndsor Abbey endlich wieder verlassen, schmerzen meine Füße. Mein Herz ist schwer. Meine Augen sind feucht, weil ich Tränen geweint habe, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie für die Tante und den Onkel vergießen würde, denen ich nie begegnet bin.

  Macht’s gut, Leopold und Abigail. Ich hoffe, ihr habt nun Frieden gefunden.

  Unsere Gruppe hat sich vergrößert und schließt nun auch noch Lord und Lady Sterling ein – Avas und Aldens Eltern –, die ebenso hell und hochgewachsen sind wie ihre Kinder. Sie machen sich nicht die Mühe, sich mir vorzustellen, während wir die Stufen hinuntergehen und durch ein Spalier laufen, das die Mitglieder der Königsgarde in ihren blauen Uniformen für uns bilden.

  Ich bleibe Simms dicht auf den Fersen, halte den Blick gesenkt und lausche dem gedämpften Klicken der Pressekameras, das von allen Seiten ertönt. Es ist das lauteste Geräusch, das man in dieser versammelten Menge aus Tausenden von Menschen hören kann.

  Klick, klick, klick, klick .

  Wir haben fast das untere Ende der Treppe erreicht, wo uns die wartenden Limousinen Zuflucht bieten. Zum ersten Mal an diesem Tag spüre ich, wie meine Nervosität ein klein wenig nachlässt.

  Es ist vorbei.

  Meine Erleichterung ist jedoch nur von kurzer Dauer. Ein Ruf – durchtränkt von Alkohol, aber so unglaublich vertraut – zerreißt die Luft wie ein Donnerschlag in der ansonsten stillen Menge.

  »EMILIA!«

  Ich höre, wie sich die Leute zu der Stimme umdrehen und vollkommen entsetzt über denjenigen sind, der es gewagt hat, eine so feierliche Angelegenheit mit sinnlosem Gebrüll zu stören. Aber ich wage es nicht hinzusehen. Nicht während das gesamte Land zuschaut.

  »EMILIA LANCASTER!«

  Die Menge wird unruhig und fängt an zu tuscheln, erfasst von einer Welle von Neugier, die durch sie hindurchrauscht.

  Hat er Lancaster gesagt?

  Simms wirft mir einen besorgten Blick zu. Carter und Chloe tun es ihm gleich. Mein Herz hämmert, während die Königsgarde in Aktion tritt. Die Männer legen die Hände an die Griffe ihrer Schwerter und geleiten uns die verbliebenen Stufen hinunter, so schnell es ihnen möglich ist, ohne eine Szene auszulösen.

  »SCHAU MICH AN!« Owens Worte klingen undeutlich, sind aber noch verständlich. »EMILIA, DAS KANNST DU NICHT TUN – DU KANNST MICH NICHT EINFACH AUSSCHLIESSEN! BITTE! «

  Als seine Stimme bricht, kann ich mich nicht länger unter Kontrolle halten. Ich hebe den Blick und finde ihn in der Menge – sein blondes Haar fällt ihm in die Stirn, seine braunen Augen sind blutunterlaufen. Unsere Blicke treffen sich für einen Moment, und ich schüttle den Kopf, als wollte ich sagen: Bitte, Owen, sei einfach still.

  Bitte lass es gut sein.

  Lass mich gehen.

  Seine Miene zerfällt, und Hoffnung verwandelt sich in bittere Feindseligkeit. Und noch bevor er den Mund öffnet, weiß ich, dass die nächsten Worte, die über seine Lippen kommen, vernichtend sein werden.

  »ICH SCHÄTZE, ZWANZIG JAHRE FREUNDSCHAFT BEDEUTEN NICHTS, NUN, DA DU ADLIG BIST! DU ZIEHST EINEN VATER, DER SICH WEIGERTE, DICH ANZUERKENNEN, DEINEM BESTEN FREUND VOR? IST DAS SO, EMS? ODER SOLLTE ICH DICH JETZT PRINZESSIN EMILIA NENNEN?«

  Das Wort »Prinzessin« löst eine Explosion aus, wie sie die Welt nie zuvor erlebt hat. Die Presse rastet vollkommen aus, und Empörung und Spekulationen verbreiten sich in der Menge wie eine giftige Wolke, deren Folgen nicht absehbar sind.

  Und Owen steht im Zentrum von alldem.

  Ich sehe, wie die Wachen sich ihm mit finsteren Mienen nähern, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Gleichzeitig beobachte ich, wie ihn mindestens zwei Dutzend Reporter umzingeln und ihm Fragen entgegenschleudern, weil sie unbedingt seine Geschichte hören wollen. Leider starrt der Rest von ihnen – mindestens drei- oder vierhundert Personen, die alle mit einsatzbereiten Aufnahmegeräten ausgerüstet sind – mich an.

  Ich korrigiere: Die Menge aus Reportern schreit mich an.

  »Das ist sie!«

  »Emilia, schauen Sie hierher! «

  »Stimmt es, dass Sie die Prinzessin sind?«

  »Können Sie einen Kommentar zu Ihrer Verbindung zur Lancaster-Familie abgeben?«

  Ich reiße die Augen auf und schaue mich hektisch um, während mich ein Bombardement aus Kamerablitzlichtern blendet. Ich fühle mich wie ein Käfer, der unter einer Lupe gefangen ist und langsam bei lebendigem Leib verbrannt wird.

  »König Linus! Ist es wahr? Können Sie bestätigen, dass sie Ihre Tochter ist?«

  »Ist sie eine rechtmäßige Erbin?«

  »Hat Caerleon eine heimliche Prinzessin?«

  Reifen quietschen, als die Limousine, die direkt vor den Stufen der Abtei gewartet hat, davonrast und Linus, Octavia, Simms und die Sterling-Eltern vom Ort des Geschehens wegbringt. Der Rest der Gruppe eilt auf das zweite Fahrzeug zu, aber irgendwie gelingt es mir nicht, mich schnell genug zu bewegen, um Schritt zu halten. Meine Füße haben sich auf den Stufen der Abtei in Blei verwandelt.

  »Emilia! Schauen Sie hierher! Prinzessin Emilia!«

  Emilia!

  Emilia!

  Emilia!

  Plötzlich legt sich eine warme Hand auf mein Kreuz, und ein hoch aufragender männlicher Körper schirmt mich von der Menge ab. Ich weiß, dass es Carte
r ist, ohne zu ihm aufzuschauen. Selbst jetzt, während alles in mir nach Erlösung schreit und meine Augen voller Tränen sind, erkennt mein Körper den seinen.

  Irgendwie schaffen wir es in die Limousine. Die Tür schließt sich mit einem Knall hinter uns und schneidet uns von dem schlimmsten Geschrei ab. Aber der donnernden Menge, die uns auf allen Seiten umgibt, können wir nicht entkommen. Die Leute sind so wild darauf, ihre Fotos zu bekommen, dass sie sogar versuchen, durch die getönten Scheiben zu fotografieren.

  Ich drücke die Handballen gegen meine Augen, als würde das irgendwie dafür sorgen, dass die Leute verschwinden. Ich öffne die Augen erst wieder, als wir mehrere Blocks entfernt sind und die Stadt mit beinahe der doppelten Geschwindigkeit verlassen, die erlaubt ist.

  Chloe, Carter, Ava und Alden starren mich alle an. Auf ihren Gesichtern liegt eine Mischung aus Schock und Besorgnis. Zu meiner großen Überraschung ist Alden – der ruhige, gefasste Alden – derjenige, er schließlich das Schweigen bricht. Seine kultivierte Stimme trieft nur so vor Ungläubigkeit.

  »Wäre irgendjemand so freundlich, uns zu erklären, was zum Teufel hier gerade passiert ist?«

  Es ist eine Frage, die in den nächsten paar Stunden – mit einem unterschiedlichen Grad an Ruchlosigkeit – immer und immer wieder von jedem Nachrichtensender auf dem Planeten wiederholt werden wird. Weil sich von Caerleon bis China, von Amerika bis Argentinien, von Marokko bis Malaysia … jeder das Gleiche fragt.

  Wer ist die heimliche Prinzessin?

  In Zeiten sozialer Medien und unablässig ausgestrahlter Nachrichtensendungen dauert es nicht lange, bis sich der Rest der Welt einen Reim auf die Geschichte von Emilia Victoria Lancaster gemacht hat. Oder zumindest auf die schillernde Märchenversion dieser Geschichte.

  Eine gewöhnliche Frau wird über Nacht zur Adligen!

  Chloe, Carter und ich lungern im Konferenzraum des Lockwood-Anwesens herum, haben die Augen auf die Fernsehbildschirme gerichtet und beobachten, wie meine Anonymität langsam dahinschwindet – ein Nachrichtenbeitrag nach dem anderen nimmt jeden Aspekt der Frau, die ich mal war, auseinander.

 

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