Die Männer begannen der Leiche den Brei einzuträufeln. Plötzlich spürte der Geist ein Ziehen. Es war unangenehm, schmerzhaft. Es zog ihn zurück zur Leiche. Er wollte doch weiter weg von dem toten Körper, weg von der Welt. In die Welt des Geistes. Aber der Kampf war vergebens. Er konnte fühlen, wie der Geist die Materie berührte, schwer und dumm wurde. Das Vergessen trat ein und nur das Sehnen blieb.
Plötzlich war es dunkel.
Schmerz.
Dummheit.
Schwere.
Schmerz.
Der erste Atemzug, die Luft floss in die Lungen wie Leim. Die Luft tat ihr weh.
Und mit der ersten Luft, die ihre Lungen wieder ausstießen, begann sie zu schreien. Es war ein langer, verzweifelter Schrei. Sie schrie ihren Verlust heraus, ihre Einsamkeit und vor allem den Schmerz, wieder ein Körper zu sein.
Der Mann, der ihren Kopf hielt, damit sein Gefährte ihr die Flüssigkeit verabreichen konnte, streichelte durch ihr Haar und versuchte sie zu beruhigen.
„Ganz ruhig ... alles ist gut ... wir tun dir nichts.”
Hylei bäumte sich auf. Sie versuchte sich zu befreien. Aus den Armen der Fremden, aus ihrem fremden Körper. Doch die Männer missverstanden sie.
„Es ist gut ... pschsch ... der Schmerz ist gleich vorbei ... du brauchst keine Angst zu haben ... du bist jetzt unter deines Gleichen ...”
Sie hatte keine Angst, dennoch war nichts gut, auch wenn diese Männer so waren wie sie. Kinder aus dem Wald: einsam, verstoßen, verzweifelt.
Alle Völker Sgayefarshs zählten die Jahre auf die Weise, wie sie vor ewigen Zeiten von den Feen erdacht worden war. Für niemand anderen war die Zahl der Jahre so wichtig, wie für sie. Wollten sie doch vermeiden, dass sie durch ihren Fortpflanzungszyklus ihre Umwelt gefährdeten.
Trotzdem waren es die Ra-ula gewesen, die das Gedächtnis der Welt bewahrt hatten, da sie an solchen Dingen interessiert gewesen waren. Sie waren es, die nichts vergaßen, die sich die Mühe machten, das Geschehene in Erfahrung zu bringen, zu sammeln und zu konservieren. Sie hatten die Zeiten, über die sie etwas erfahren konnten, den Zeitaltern zugeteilt, um Ordnung in den Erinnerungen zu schaffen. Viel hatten sie erfahren, noch mehr war ein Opfer des Vergessens geworden. Aber alles, was sie gesammelt hatten, ist inzwischen vernichtet oder verschollen. Ich bin der Letzte, der noch auf Sgayefarsh weilt, der an ihrem Wissen teilhatte, da ich einer der ihren war.
Und manchmal, wenn ich für mich allein bin, wenn die Gläubigen schlafen oder nur wenige an mich denken, dann erscheint es mir so, als wenn ich mich an die guten alten Zeiten zu erinnern vermag. Erinnerungen, die all mein Wissen und mein ganzer Verstand als falsch erkennen. Denn die Zeiten und das, was geschehen ist, waren nie besser. Sie waren anders, doch war das Leid immer da. Es war da, als die Drachen zum ersten Mal herrschten. Es war da, als die Feen für kurze Zeit meinten zu herrschen. Es war auch da, als der Großimperator über die Ra-ula und alle Rassen Sgayefarshs herrschte. Selbst, als nur die Aleneshi diese Welt bewohnten.
Und immer gebar Leid neues Leid, denn kaum ein Bewusstsein kann Leid in sich tragen, ohne es anderen vermitteln zu wollen. So töteten von Anbeginn an die denkenden Wesen Sgayefarshs einander. Das Leid war fast immer der Auslöser. Oft war es Hunger. Oft war es Schmerz. Oft waren es Gefühle, die keiner zu fühlen wagte. Aber manchmal war es auch etwas Niedrigeres.
Aus den Schatten
Die Clanburgen der Kariak waren eindrucksvoll. Aber nur, wenn man sie mit den Hütten ihrer Untertanen verglich. Der Mörder, dessen Opfer im Hauptgebäude auf ihn wartete, war in die Festungen der Andosh, weit im Westen eingedrungen, von denen es hieß, sie seien so gut befestigt gewesen wie die Burg der Drachenkönigin selbst, ehe sie von den Drachen zerstört wurden. Hügel, Wall und Palisade waren kein Hindernis für ihn. Auch die Wachen, die trotz all ihrer Treue zum Clanlord ihren Dienst weniger als gut versahen, verzögerten sein Vorankommen nicht. Der Mörder verstand sein Handwerk. Nicht umsonst galt er bei denen, die sich mit so etwas beschäftigten, als einer der besten. Und die, die von ihm wussten, nannten ihn nur den Gach-Ensh, denn das hieß Walddämon in der Sprache des kriegerischen Steppenvolkes der Urats, deren König er einst tötete, ohne dass ihn eine der Wachen zu Gesicht bekommen hätte. Der Mörder betrachtete diesen Namen als eine Auszeichnung, denn so nannten die Urats die Feen selbst. Er machte sich jedoch keine Illusionen, dass er tatsächlich einem Fenn ebenbürtig hätte sein können.
Eines Nachts, bei einer seiner vielen Erkundungen, hatte er plötzlich und ohne Warnung nur wenige Schritte vor sich eine kurzhaarige Gestalt aus einem Baum springen sehen. Er hatte schon ein Wurfmesser in der Hand gehabt, als die Gestalt ihm ihren Kopf zugewendet hatte. Im Mondschein waren für einen kurzen Augenblick die beiden Augen der linken Gesichtshälfte zu sehen gewesen.
Da hatte er gewusst, dass er 1000 Messer hätte werfen können und dennoch keines getroffen hätte. Die Anmut und Kraft, die in diesem Wesen, mit dem er einen kurzen Blick gewechselt hatte, steckte, war so jenseits dessen, was er im Stande zu leisten war, dass er die Feen von da an immer bewundert hatte. Von diesem Augenblick an war er bescheidener gewesen und dankbar, dass er sein können nie mit einem Feen hatte messen müssen.
Dennoch trug er seinen Namen weiterhin mit Stolz, selbst wenn er wusste, dass er ihn zu Unrecht trug. Denn der Name säte Furcht in die Herzen seiner Opfer, und viel wichtiger, in die Herzen seiner Auftraggeber. Und für einen Mörder war Furcht das einzige, was ihm seine Bezahlung sichern konnte. Eine Bezahlung, die in seinem Fall reich und großzügig ausfallen musste, damit er überhaupt einen Plan ersann. Eine Bezahlung, die sein jetziger Auftraggeber zu bezahlen bereit war, obwohl er für diesen Mord auch ein billigeren hätte nehmen können. Aber der Mörder wollte nicht undankbar sein. Leicht verdientes Geld sollte nicht abgelehnt werden. Obwohl er nicht gedachte, das Geld zu behalten.
Inzwischen hatten einige Vorbereitungen für den Rückweg den Mörder vorbei an den Stallungen geführt, wo der Stallknecht in einen tiefen Schlaf gefallen war, aus den ihn niemand zu schnell würde wecken können. Am Haupthaus warf er einen schnellen Blick auf die zwei Wachen, die das große Steingebäude bewachen sollten und dies auch weiter tun sollten. Niemandem war damit gedient, wenn sie nicht mehr an ihrem Platz standen. Es gab andere Wege hinein. Mit etwas Geschick und den richtigen Hilfsmitteln konnte man relativ leicht diese Quadersteine überwinden, um zu einem Fenster oder sogar zum Lasteneingang und seinem Seilzug zu gelangen. Sehr vorsichtig und leise befestigte der Mörder spezielle, mit dickem Filz beklebte Dorne an seinen Schuhen und zog zwei eben solche Dolche aus dem Beutel auf seinem Rücken. Für jene, die des Kletterns nicht so mächtig waren wie dieser Mörder, musste die Geschwindigkeit, mit der er die Strecke zum Lasteneingang überwand, an Zauberei grenzen. Für ihn jedoch, der diesen Auftrag nicht der Herausforderung wegen angenommen hatte, war es nur ein weiteres kleines Hindernis auf seinem Weg zum Ziel. Mehr Mühe kostete es ihn, einhändig ein Seil über die Winde des Lastenkrans zu legen. Durch die Tür würde er nicht so einfach gelangen, denn der Balken, der von innen die Tür versperrte, hätte allen lautlosen Methoden, ihn zu beseitigen, widerstanden. Er kletterte also noch ein Stockwerk höher, dorthin, wo die Fenster weniger stark befestigt waren und das Mordopfer auf ihn wartete. Nach ein paar mehr Griffen in die Wand erreichte er das Zimmer. Mit zwei weiteren Dolchen verschaffte er sich einen sichereren Stand und öffnete mit einigen speziellen Werkzeugen anschließend das Fenster.
„Herrin der Kariak!”
Sehr leise war die Stimme, die Sheka von den Kariak, Clanherrin der Kariak, aus dem Schlaf rief.
„Herrin der Kariak! Sheka? Wacht auf!”
Sie drehte sich der Stimme zu.
„Sheka!”
Als sie die Augen öffnete, sah sie jemanden auf ihrer Bettkante sitzen. Das Licht, das nur schwach von den Palisadenfeuern in ihr Zimmer fiel, zeigte ihr undeutlich die Umrisse eines Mannes, der ihr bekannt erschien.
„Wir haben nicht viel Zeit.”
Eigentlich hätte sie gleich nach den Wachen rufen sollen, aber der Schlaf in ihrem Geist und vielleicht auch etwas an der Stimme d
es Mannes ließen sie zögern.
„Bitte seid ganz still, ich werde euch alles erklären. Aber bitte seid ganz still.”
Sheka zog ihre Decke bis unter ihr Kinn und tastete anschließend mit ihrer linken Hand wie zufällig hinter ihr Kissen, wo ein kleiner Dolch versteckt war.
„Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Ich bin euer Clansmann. Vor 15 Jahren habt ihr mir bei den Fällen von Ak eure Liebe versichert. Wir waren damals noch jung in Jahren und unerfahren im Herzen, aber der Gedanke an euch hat mich seitdem auf allen meinen Wegen aufrechterhalten.”
Einen Moment hielt sie auf der Suche nach ihrer Waffe inne.
„Enk?”
„Ich bin hier, um dich in Sicherheit zu bringen.”
Damit griff er nach ihrem linken Arm und hielt ihn unter dem Kissen fest. Wie er sie so gut sehen konnte, war Sheka unbegreiflich. Sein Mund näherte sich ihrem Ohr.
„Die Lords der anderen Clans und dein Gatte haben sich verschworen. Sie wollen dich tot sehen. Sie haben einen Mörder gedungen, dich zu töten. Ich kenne die Gründe nicht, aber wenn du nicht mit mir kommst, werden wir beide bald tot sein.”
„Woher wollen sie das wissen. Wenn sie wirklich der sind, der sie vorgeben zu sein, waren sie seit über zehn Jahren nicht mehr in meinem Reich. Außerdem wäre Enk niemals in mein Zimmer eingedrungen.” Der Mut der Verzweiflung ließ sie die Würde einer Herrin zurückgewinnen. Sie wagte es, sich gegen den Eindringling aufzulehnen, wenn schon nicht mit Taten, so doch mit Worten. „Enk wäre durch das Tor zu mir gekommen, wie es jeder Ehrenmann tut, der nichts zu verbergen hat.”
„Nicht so laut.”
Der Mann hielt ihr mit der freien Hand den Mund zu. Sheka versuchte sich dagegen zu wehren, vermochte seinen Griff jedoch nicht zu lockern. Erst als ihr Widerstand erlahmte, sprach er weiter.
„Ich bin Enk. Und ich war öfter in meiner Heimat, als du es dir vorstellen kannst. Ich habe dich beobachtet, wann immer mir meine Geschäfte Zeit dazu ließen. Doch selbst dadurch wüsste ich nichts von dem Komplott. ICH bin der Mörder, den sie gedungen haben. Kommst du jetzt mit?”
Er ließ Shekas Mund los. Sie schwankte zwischen dem Ruf nach den Wachen und einer Antwort. Es machte einfach nichts einen Sinn. Sicher, ihr würden viele Gründe einfallen, warum die anderen Clanherrn sie tot sehen wollten oder warum ihr Gatte, der seit über 10 Jahren auf einen Erben wartete, ihren Tod wünschen könnte. Aber dennoch war ihr jetzt, in diesem Moment, im Angesicht dieses Fremden, der vorgab, ihr geliebter Enk zu sein, alles zu unwirklich.
„‘Ich schwöre, dass ich nicht eher aufhöre, dich zu lieben, als das die Sonne von den Fluten dieser Fälle gelöscht wird, und an diesem Tag soll mein Leben beendet sein, denn die Sonne meiner Leibe wird mich nicht mehr wärmen.‘”
Er stand auf.
„Das hast du vor 15 Jahren, zwei Monaten und 14 Tagen während eines Sonnenuntergangs gesagt. Ich weiß noch, wie der schwache Glanz des Weltenringes von den Tropfen des Wasserfalls reflektiert wurde und sich jedes einzelne Glitzern in deinen Augen spiegelte.”
Seine Hand erschien vor ihr.
„Kommst du jetzt endlich?”
Sheka ergriff die Hand und zog sich an ihr aus dem Bett. Nichts hielt sie jetzt mehr zurück. Es war verrückt und immer noch unwirklich. Aber jetzt wusste sie, dass sie sich wirklich beeilen musste, um zu überleben.
Als sie außerhalb ihrer Heimatburg angelangt waren, während in der Burg die Wächter und ein müder Stallknecht noch versuchten, die wildgewordenen Ges einzufangen, sagte sie leise zu Enk: „‘Ich schwöre, dass ich nicht eher aufhöre, dich zu lieben, ehe nicht der Mond den Ring verschlungen hat und sein Schatten die Erde verdunkelt, und an jenem Tag soll mein Leben beendet sein, denn das Licht meiner Liebe wird mich in der Dunkelheit verbrennen.‘”
35000 Jahre hindurch hatten die Aleneshi ihre Identität und ihre Sprache bewahrt. 35000 Jahre, in denen sie unter der Erde eingesperrt waren, ihre Augen sich an die Finsternis gewöhnten, ihre Haare ausfielen, ihre Körper sich dem kargen Leben anpassten. Doch sie blieben die Aleneshi, ihr Gott hieß Emaofhia und die Sprache, die die Kinder sprachen, war immer auch die Sprache, die ihre Urgroßeltern schon gesprochen hatten. Sie waren ein Volk, in Glaube, Geist und Körper.
Die Feen waren ein Volk, das keine Einigkeit kannte. Jeder Feen war eigentlich ein Volk für sich. Sie hatten keinen Glauben, doch ihre Sprache verband sie. Und die Feenvölker verband sie ebenfalls, denn sie hatten die Sprache von ihren Vorfahren erlernt, selbst wenn sie sie um ihre eigenen Tierlaute bereicherten.
Die Drachen lebten in ihren Legenden und mit diesen Legenden blieben sie Drachen. Ihre Ehre, ihre Kampfeslust, ihre Macht lagen in ihren Legenden. Drachen blieben Drachen.
Doch die Ra-ula waren immer Suchende gewesen, Forscher, Erfinder. Und wer sucht findet auch und das was er findet verändert ihn. Die Ra-ula waren das Volk auf Sgayefarsh, das sich über die Jahrtausende am weitesten von seinen Wurzeln entfernt hatte. Ihre Kinder, die Menschen, waren ihnen in wenigem ähnlich. In noch weniger übertrafen sie sie. Doch in ihrer Veränderlichkeit waren sie ihren Schöpfern über. In den ersten hundert Jahren nach der Befreiung aus ihrer Sklaverei hatten sie sich bereits in drei Völker geteilt. Jetzt, nach 5000 Jahren gab es mehr menschliche Völker, Sitten und Sprachen, als selbst die Feenvölker hatten hervorbringen können. Aber alle glaubten sie immer noch an den Pantheon, der ich bin. Die Namen waren unterschiedlich, die Riten verschieden. Wenn sich jedoch zwei Priester trafen, akzeptierten sie einander, weil sie beide wussten, dass ihre Götter einander akzeptierten.
Auch die Drachen wussten dies und nutzten es aus. Sie wussten zwar nicht, dass ihre Manipulationen auch die Götter veränderten, aber was machte das schon aus.
Sie ließen mir keine Wahl.
Aus den Dörfern
„... möget ihr wachsen und gedeihen. Die Kraft der Erde durchströme euch und die Lichter des Himmels sollen euch erfüllen und stärken gegen die Unbillen des Lebens. Gehet hin und sündigt nicht mehr.”
Heute waren schon wieder mehr gekommen. Estron, der Keinhäuser, hatte das alles nicht kommen sehen.
Als er das Haus seiner Eltern verlassen hatte, war niemand wirklich enttäuscht oder gar traurig gewesen, ihn gehen zu sehen. Er war der fünfte und jüngste Sohn, nicht einmal mehr der Ersatz des Ersatzerbens, Knecht seines ältesten Bruders, auf einem Hof, der höchstens einen Knecht benötigt hätte. Nein, in seinem Heimatdorf hatte es nichts gegeben, was ihn hätte halten können. Aber der Drang zu gehen war dennoch ein eigener, stiller Zwang gewesen, der nichts mit seiner Stellung zu tun gehabt hatte. Er hatte gehen wollen, nicht weil er dort nichts verloren hatte, sondern weil ihn sein Sehnen und Fühlen in die Natur hinauszogen. Er hatte von frühster Kindheit an mehr Freude an den Pflanzen und Tieren gehabt als an seinen Geschwistern oder auch seinen Eltern. Seine Familie pflanzte und erntete das Korn, er pflegte es. Sie sahen Schädlinge, er sah erstaunliche Lebewesen. Sie klagten über das morsche Holz ihrer Hütten, er bewunderte die unterschiedlichen Eigenschaften dieses Materials. Auch er fühlte die Leiden seiner Familie, aber es wurde alles durch sein Verständnis der natürlichen Abläufe in einen größeren Zusammenhang eingefügt und war für ihn daher schon bei weitem nicht mehr so schlimm wie für sie. Und über diese Verhältnisse, Kreisläufe, Notwendigkeiten und Zwänge hatte er mehr wissen wollen. Es war also kein Fortgehen damals, sondern der Beginn einer Suche.
Es wurde eine lange Suche. Ursprünglich meinte er, er sei auf der Suche nach den Feen, denn er hoffte von ihnen viel lernen zu können. Er fand sie jedoch nie.
Stattdessen fand er die Obalte, deren immer fortwährende Müdigkeit jede Verständigung zu einer Tortur werden ließ. Bis auf ihre Lebensgewohnheiten und Bruchstücke ihrer Sprache konnte er nichts von ihnen lernen. So schien es ihm als er wieder aufbrach, um seine Suche fortzusetzen. Doch hatte er bei ihnen Geduld gelernt.
Als nächstes traf er auf die !ich^m, deren Sprache die Kehle zu zerreißen drohte. Bei ihnen kannte die sexuelle Freizügigkeit keine Grenzen, obwohl jeder von ihnen so sehr Stank, als hätte er in Dickbeerensaft gebadet.
Von ihnen ler
nte er Toleranz.
Jedes Volk, das er fand, lehrte ihn etwas anderes. Manches schien ihm unnütz. Anderes konnte er gleich verstehen und umsetzen. Aber immer brachten ihn die Lehren näher an sein Ziel, die Natur wirklich zu verstehen. Immer mehr freute er sich auf die Begegnungen mit Fennvölkern, die er noch nicht kannte, oder auch mit fremden Menschenvölkern, auch wenn diese Begegnungen nicht immer Friedfertig oder auch nur freundlich verliefen.
Bevor er seine Suche begann, hatte er geglaubt, dass ihn das, was er finden würde, zu einem besseren Menschen machen würde. Inzwischen wusste er, dass die Suche ihn nicht besser gemacht hatte, nicht einmal klüger, sondern nur wissender. Er hatte sich verändert, aber ob er dabei besser geworden war, wusste er nicht, konnte es nicht beurteilen. Wenn ihn überhaupt etwas gebessert hatte, dann waren es die Lebewesen gewesen, mit denen er gesprochen, gefeilscht, gelebt, gekämpft und sogar geliebt hatte. Und nun erwarteten andere, dass er sie lehrte. Er wollte lehren. Er wollte sein Wissen vermitteln und anderen die Möglichkeit geben von seiner Wanderschaft und Suche zu profitieren, aber er wollte nicht der Meister von Akolythen werden. Er wollte kein Priester sein. Aber seine Zuhörer hielten das, was er zu sagen hatte, für eine neue Religion. Wie konnte es aber eine Religion sein, wenn es doch nur um das Zusammenleben zwischen allen denkenden Wesen und der Natur ging. Wie konnte es eine Religion sein, wenn es doch nur schlichte kleine Wahrheiten über die materielle Welt waren. Wie konnte es eine Religion sein, wenn er es lehrte. Er wollte kein Priester sein. Er wollte nur in Frieden und Freiheit leben, soweit es in der Natur Frieden oder Freiheit geben konnte.
Dennoch würde er das Mädchen und den Jungen, die gestern nach seinem Vortrag zu ihm gekommen waren, um seine Schüler zu werden, in alles einweihen, was er wusste. Nicht, dass er es als tatsächliche Weihe empfand, jemandem Wissen zu vermitteln. Er freute sich dennoch darauf, denn ihre Augen würden anderes sehen als seine, ihre Ohren anderes hören, ihre Münder anders schmecken und ihre Hände anderes fühlen. Es war für ihn genauso eine Möglichkeit zu lernen, wie zu lehren. Deswegen, und nur aus diesem Grund, wollte er die beiden lehren.
Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 4