Wenig später oder auch nach einer Ewigkeit, Kam-ma wusste es nicht zu entscheiden, fanden sie sich in einem der Charhas wieder. Sie wurden sanft in der Mitte zu Boden gedrückt, wo sie sich in einem Kreis mit den vier alten Chuor wiederfanden. Ein weiterer Chuor holte eine Holzflasche aus einem Loch in der Erde und nahm zwei große Stücke Fleisch, die mit Bändern an den Deckenbalken befestigt waren, herunter. Alles wurde vor dem augenscheinlich wichtigsten Chuor niedergelegt, der zuerst die Flasche nahm, den Pfropfen entfernte, einen Schluck nahm und an den Chuor zu seiner linken reichte. Die Flasche wurde bis zu Shaljel weitergereicht, der ebenfalls daraus trank. So ging es weiter. Nachdem die Gäste getrunken hatten, wurde die Flasche wieder geschlossen und verstaut. Anschließend wurde auf die gleiche Weise mit dem Fleisch verfahren. Der alte Chuor riss etwas mit seinen Zähnen heraus und die anderen taten es ihm gleich, mit Ausnahme Shaljels, der das schwere Stück Fleisch mit einem Lächeln und einer hochgezogenen Augenbraue in Richtung des Chuorführers an Estron weiterreichte.
Beide, Kam-ma und Tro-ky, konnten nur mit Mühe ihren Ekel verbergen, während sie sich in dem getrockneten Fleisch stellen suchten, in die noch niemand gebissen hatte. Als das Stück Kam-ma erreichte warf sie ihrem Meister einen Blick zu, der sie mit seinen Augen dringlich aufforderte, kräftig hineinzubeißen. Die beiden Schüler gehorchten.
Was folgte, war eine kurze Unterhaltung bestehend aus Gejapse, Gebelle und Gejaule. Kam-ma und Tro-ky blieben weiterhin ausgeschlossen von dem, was vor sich ging. Nach einem Zeitraum, der den beiden kürzer erschien, als die Zeit, die sie benötigt hatte, das Vertrauen Zechus zu gewinnen, erhoben sich die Chuor. Mit ihnen verließen Estron und Shaljel den Charha. Die beiden Schüler folgten zwangsläufig. Draußen beobachteten sie erneut die seltsame Besiegelung eines Vertrags. Diesmal wurde er jedoch nicht nur zwischen Estron und Zechu geschlossen, sondern zwischen allen vier alten Chuor, dem Keinhäuser und Shaljel, weswegen jemand eine kleine Rinne an die Stelle gegraben hatte, damit niemand in den Urin trat. Als der kleine Aleneshi seinen Hosenlatz wieder schloss, blickte er Estrons Schüler herausfordernd an: „Worauf wartet ihr?“
„Was meint ihr, Meister Githon?“
„Dass ihr mitmachen müsst. Du und deine Schwester, ihr müsst auch pinkeln.“
„Warum? Wir wissen doch nicht einmal, um was es geht?“
„Vier zu vier. So funktionieren die Verträge.“
„Ich stell mich vor dich, Kam-ma.“ Fügte Estron mit einem vertrauten Lächeln hinzu.
Tro-ky nahm sie bei der Hand und gemeinsam stellten sie sich an den Baum, aus dem über viele Jahre immer wieder Stücke herausgeschnitten worden sein mussten.
Nachdem auch sie sich wieder angekleidet hatten, kam der Wortführer der Chuor zum Baum, roch an der nassen stelle, schnitt zwei Stücke heraus und reichte sie herum, so dass jeder der Beteiligten an ihnen riechen konnte, was ausdrücklich erwartet wurde. Nach dem Fleisch und dem Wasserlassen, kostete es die Geschwister kaum noch Überwindung, den Beweis für den Vertrag anzufassen und ihn an ihre Nasen zu führen. Der Geruch war streng und anders als sie erwartet hatten. Natürlich kannten sie den Geruch ihres eigenen Urins. Auch die Hinterlassenschaften von Hunden waren ihnen vertraut. Chuor roch anders.
„Meister?“
„Ja Kam-ma?“
„Was wolltet ihr bei den Chuor?“
Estron blickte sie mit einem zärtlichen Lächeln an. „Ich wollte die Charhas sehen. Aber Shaljel hat einen Plan, für den er viel Holz benötigt.“
Kam-ma senkte den Kopf und betrachtete einen Augenblick lang den Weg vor ihren Füßen. Sie hatten die Siedlung der Chuor bald nach dem Vertragsschluss verlassen. Die Verabschiedung hatte fast länger als der gesamte restliche Aufenthalt gedauert. Man hatte sich verbeugt und Geschenke ausgetauscht. Estron und Shaljel hatten nicht viel zu geben, aber der Aleneshi hatte vier silberne Ringe aus seinem Beutel genommen und sie den Sprechern der Chuor gereicht. Die Gegengeschenke waren hölzerne Halzreife so wie sie von einigen der Chuor getragen wurden. Sie hatten feine Scharniere, so dass man sie bequem anlegen konnte. So fein geschnitzt, wie die zwei Hälften jedoch waren, handelte es sich bei diesen Halsreifen nicht um etwas, das man täglich trug. Kam-ma hatte nur einen kurzen Blick auf die Schnitzereien werfen können, aber es schienen überwiegend Tiermotive zu sein.
„Wisst ihr, was das für ein Plan ist, Meister?“
„Ich weiß es, aber wir wollen erst auf der anderen Seite des Flusses darüber sprechen.“
„Und warum sind wir nicht noch über Nacht geblieben. Es wird bereits dunkel.“
„Shaljel war dagegen. Er meint, er will morgen gleich weiter reisen. Aber auch darüber sprechen wir besser in unserem Lager.“
„Meister, warum habt ihr uns nicht vorher gesagt, was wir hier wollen. Warum habt ihr uns nicht gesagt, was uns erwartet?“
„Entschuldige. Ich kann mir vorstellen, wie verwirrend das alles gewesen sein muss. Du und Tro-ky, euch ist nicht entgangen, dass ich mich verändert habe. Ich bin dem Gott der Aleneshi begegnet, so wie Shaljel es gesagt hat, und er hat mir Dinge gezeigt“, Estron schwieg einen Augenblick, „Ich weiß jetzt mehr, als ich jemals wissen wollte. Er hat mir gezeigt, dass es mir nie um das Wissen ging, sondern immer nur um das Lernen. Und mir ist bewusst geworden, dass ich nicht immer euer Meister sein werde. Dann müsst ihr euren eigenen Weg gehen und eure eigenen Entscheidungen treffen. Ich hoffe, ihr werdet dann weiterhin die verschiedensten Völker besuchen, um von ihnen zu lernen. Ihr müsst lernen, dass ihr nicht immer alles wisst, bevor ihr zu einem Volk kommt. Ich weiß, dass ich euch die letzten Tage allein gelassen habe, aber ich hoffe, dass ich bald wieder mehr Zeit für euch haben werde. Aber so wie ihr lernen müsst, eure eigenen Lehren zu ziehen, muss ich noch lernen, euch auf die richtige Weise in die Welt zu entlassen.“
„Aber Meister, wir wollen euch doch nicht verlassen.“
„Ich will euch auch nicht allein lassen. Aber es wird eine Zeit kommen, wenn wir keine andere Wahl haben.“
Er hob die Hand, um Kam-mas Frage abzuwehren: „Wir sind da.“ Er deutete auf die kleine Bucht, in der Zechus Boot lag. „Keine Angst bei der Fahrt. Ich werde euch beschützen.“ Sein vertrautes Estronlächeln, das ihn immer ein wenig hilflos aussehen ließ, beruhigte sie viel zu kurz.
*
Da sie immer noch davon ausgehen mussten, dass sie verfolgt wurden, hatte Hylei einen weiten Bogen geschlagen. Ihr neues Ziel lag leider in der entgegengesetzten Richtung von der, die sie zuerst eingeschlagen hatten.
Das Meer.
Pethen wusste nicht, warum ihm gerade das Meer als Hyleis neues Ziel eingefallen war. Vielleicht, weil es, neben den Bergen, das einzige war, von dessen Existenz er sicher wusste. Natürlich hatte er gelernt, dass es Dörfer, Städte, Flüsse und gewaltige Wälder in allen Himmelsrichtungen gab. Sogar von der Wüste hatte er gehört. Aber das alles waren vage Orte, die entweder so allgemein oder so unvorstellbar waren, dass ihre Existenz für ihn keine Bedeutung hatte und sie deshalb kein Ziel sein konnten. Die Berge und das Meer jedoch konnte er als Orte akzeptieren. Die Berge, weil er sie bereits gesehen hatte, das Meer, weil eine große Wasserfläche, deren Ende man nicht sehen konnte, sich richtig anfühlte. Und von den Bergen wusste man, dass dort Drachen und Hutzler lebten. Beiden wollte er nicht begegnen. Was sie jedoch am Meer erwarten würde, konnte er sich nicht vorstellen. Vielleicht konnten sie sich dort ja verstecken, aber Hylei würde sich irgendwie verkleiden müssen, um nicht aufzufallen. Sie war zu schlank, zu aufrecht, zu wohlgeformt. Gut, sie war unwahrscheinlich drahtig und muskulös, er konnte trotzdem nicht abstreiten, dass sie ausgesprochen hübsch, wenn nicht sogar schön war. Nicht, dass er sie begehrte. Er hatte in der Zuflucht mitbekommen, wie einige Schüler den Schülerinnen hinterhergeschmachtet, und die Ablehnung sie anscheinend in ihrem Schmachten sogar noch bestärkt hatte. Pethen fand das ziemlich unsinnig und erniedrigend. Hylei hatte ihm das Leben gerettet und dafür war er ihr dankbar. Sie hatten sich gegenseitig geholfen und Dinge beigebracht, die wichtig waren, und dafür respektierte er sie, so wie er inzwischen spürte, dass sie ihn respektierte. Er konnte sogar manchmal
ihre Trauer spüren, eine Trauer, die über den Verlust ihrer Meisterin hinausging. Für diese Trauer bemitleidete er sie, obwohl er es nicht gezeigt hätte, denn er fürchtete, dass sie sein Mitleid verabscheuen würde. Vielleicht empfand er inzwischen so etwas wie Freundschaft, denn diese gemeinsame Flucht, das tägliche Leben zusammen und das Verständnis und Vertrauen, dass sie für einander entwickelten in all den anstrengenden und auch gefährlichen Situationen Tag für Tag, kettete sie zusammen.
All das und wahrscheinlich mehr empfand er für sie, aber nicht begehren und schon gar keine Liebe.
Sie hatten ihr Tempo gedrosselt, um abends mehr lernen zu können. Nachdem Pethens Begeisterung für seine Entdeckung abgeklungen war, hatten sie ihre Übungen für den Abend abgebrochen und er war ins Grübeln gekommen. Die Meister in der Zuflucht waren immer davon ausgegangen, dass die Magie aus ihnen heraus kam, dass das Talent für die Magie in ihnen war. Es schien nun, dass das Talent jedoch die Fähigkeit war, die Magie anzuziehen. Die Theorie hatte Pethen nie wirklich interessiert, aber er hatte sie gelernt, vielleicht aus trotz, weil er in all den anderen Dingen nicht vorankam. Einmal hatte er gefragt, woran die Meister einen Magier erkannten, eine Frage, die ihn beständig angetrieben hatte, da er immer an seinem Talent gezweifelt hatte. Aber die Antworten waren immer ausweichend gewesen und waren darauf hinausgelaufen, dass sie nur nach Menschen suchten, die bereits gezaubert hatten, dass sie vor allem die gewirkte Magie erkennen konnten. Manchmal sahen sie zwar den Funken in der Person selbst, wie in Hyleis Fall, aber meist waren ihre Zauber nur indirekt in der Lage, einen Magier zu entdecken. Wenn es jedoch darum ging, Magie zu wirken, sprachen sie immer davon, „Die Magie durch sich fließen zu lassen“, oder „Tief in sich hineinzugreifen“, oder besser noch „Deine Magie aus dir herauszuholen.“ Wenn er während des Laufens darüber nachdachte, musste er immer wieder lachen, dass er mehr über die das Wesen der Magie wusste, als die Meister.
Leider hatte er hingegen kaum eine Ahnung von den Zaubern, die er Hylei beibringen sollte. Er hatte einige simple Sachen ausprobieren müssen und war immer gescheitert, natürlich. Aber er konnte ihr wenigstens diese beibringen. Und vielleicht würde ihr das, was sie zusammen über Magie lernten, dabei helfen, ihre eigenen Zauber zu finden.
Am zweiten Tag nach seiner Entdeckung hatte Hylei es geschafft, für einen kleinen Augenblick, mit ihrer Konzentration Magie um ihre Hand zu sammeln und eine kleine Spitze zu bilden. Eine beachtliche Leistung, da sie nicht sehen konnte, was sie tat. Aber sie hatte etwas gespürt. Intensiver als jemals zuvor. Ein Kribbeln, das sich über ihren ganzen Körper zog, hinauf und hinunter lief und anhielt, solange sie sich konzentrierte. Sobald sie jedoch die Konzentration verlor, spürte sie, wie die Magie wieder wegfloss. Zuerst hatte sie gedacht, dass sie es sich einbildete, weil Pethen ihr beschrieben hatte, was er sah, aber mit der Zeit wurde das Gefühl immer deutlicher und sie meinte es lenken zu können. Auch ihr empfinden wandelte sich. Hatte ihr anfangs das Kribbeln nichts bedeutet, hatte sie es vielleicht sogar abgelehnt, war es inzwischen zu etwas geworden, das sie begrüßte, dass sie spüren konnte, wann immer sie wollte.
Inzwischen fiel es ihr leicht, die Magie an sich zu ziehen und sie hatte begriffen, warum Pethen es für wichtig hielt, dass sie es kontrollieren konnte. Für ihn, der den Fluss tatsächlich sehen konnte, schien es ihr manchmal nur ein Spiel von Licht und Farben zu sein, aber seine Idee, dass die Kontrolle über den Fluss ihre Magie nur stärken konnte, hatte sich als richtig erwiesen. Sie hatten es tatsächlich verglichen, mehrfach. Da sie bisher nur Wasserzauber beherrschte, wenn man von der geringeren Magie absah, die jeder Schüler zu Übungszwecken erlernte, hatte sie eine kleine Mulde mit Wasser gefüllt. Dann hatten sie eine neue Mulde gegraben. Diesmal hatte sie sich auf das Kribbeln konzentriert, das Kribbeln, dass Pethen den Fluss der Magie nannte, anschließend war der Zauber aus ihr herausgeflossen, in die Mulde und in großen, nassen Spritzern wieder heraus. Pethen, der unvorsichtiger Weise daneben gestanden hatte, war nass am ganzen Körper gewesen, aber auch voller Matsch, denn der Strahl hatte die Mulde in eine Kuhle verwandelt. Er hatte mit offenem Mund dort gestanden und nur auf das Wasser gestarrt. Überraschenderweise hatte sich weniger Wasser als in der Mulde gesammelt. Pethen hatte aufgelacht und nicht mehr aufgehört, bis selbst Hylei ein grimmes Lächeln nicht verbergen konnte.
Seitdem waren sie weiter gelaufen und Pethen hatte sich daran gewöhnt. Er war noch nicht so fit wie Hylei, aber es strengte ihn auch kaum noch an. Deshalb nutzte er die Zeit, die sie gingen und rannten, sich seine Gedanken zu machen, was er seiner Gefährtin beibringen konnte und was der Fluss der Magie tatsächlich bedeutete. Allerdings musste er auch immer wieder daran denken, dass seine eigene Magie eine andere Farbe hatte. Er musste an Meister Zelons Tafel mit der Notiz über zwei Formen der Magie denken. Er konnte sich nicht gut selbst betrachten, so wie er Hylei betrachtete, und er wusste nicht, ob nicht vielleicht jeder anders von der Magie umflossen wurde. Schon dass Hylei ein Feenling war, ließ sie wahrscheinlich anders in seinen Augen aussehen. Er musste seinen eigenen Fluss sehen, wenn er etwas wirkte, um mehr zu erfahren. Aber wie sollte er das hinbekommen. Momentan gab es jedoch dringendere Probleme. Es war Oktober und die Kälte wurde langsam selbst für sie, die es gewöhnt waren, in einfachsten Verhältnissen zu leben, empfindlich. Sie brauchten dringend wärmere Kleidung und Decken. Besser wäre eine Unterkunft gewesen, sie fühlten sich jedoch immer noch Verfolgt. Sie hatten nie darüber gesprochen. Pethen vermutete, Hylei sei daran gewöhnt, sich immer auf der Flucht zu befinden. Er war zwar in einem Dorf aufgewachsen und hatte weit ab von allem in einer Höhle gelernt, aber selbst er kannte die Geschichten, die man über das erzählte, was überall Feenlingen angetan wurde. Nicht in seinem Dorf, nicht in der Zuflucht, aber er vermutete, dass es daran lag, dass sich die Gelegenheit nie ergeben hatte. Wenn er erschöpft war, fügten seine Gedanken ungebeten hinzu, dass Hylei einfach noch nicht lang genug da gewesen war. Was ihn selbst hingegen anging: er spürte etwas. Und so wie er in den letzten Wochen gelernt hatte, seiner neuen Sicht zu vertrauen, vertraute er auch mehr und mehr seinem Gefühl. Er hatte inzwischen Träume, in denen er seine Umgebung spürte, selbst hinter sich. Dann konnte er sogar ihren eigenen Weg, den sie bis zu ihrem Lagerplatz gekommen waren, wie ein langes Band sehen, ein Band, dem man folgen konnte, dass sie mit ihren Verfolgern verband. Wenn er aufwachte, und sich daran erinnerte, musste er an den Magier denken, den die Priester dabei gehabt hatten, und irgendetwas sagte ihm, dass er ihnen folgen konnte, wenn er es wollte.
In dieser Gegend nannte man sie Kaltbrachen. Hylei hatte in der Stadt gehört, wie sie Aastrimmer, Rieken oder Ut-Traniakis Licht genannt wurden. Pethen hingegen sagte Ilgrimmige zu ihnen. Sie fanden sich überall, wo sie nicht um ihr Futter kämpfen mussten. Was nicht bedeutete, dass sie nicht kämpften. Sie stritten beständig untereinander und ihr Geschrei, während sie miteinander kämpften, war so ohrenbetäubend, dass es hieß, man würde zuerst sie hören, bevor man den Lärm der Schlacht hörte, über der sie kreisten.
Wenn es jedoch keine Schlacht gab, sich auch kein kleines Gemetzel finden ließ, dann stürzten sich die dunkelgrauen Vögel auch auf abgeerntete Felder und pickten mit ihren braunen Schnäbeln die Reste auf.
Die Sonne war bereits im Begriff, unterzugehen, als sie an den Rand des Feldes kamen. Es war lange gerodet. Aastrimmer und auch kleinere Vögel pickten die harte Erde. Pethen musste lächeln, weil sie selbst die letzten Tage nichts anderes gemacht hatten. Es wurde schwierig, etwas zu essen zu finden, wenn man sich hauptsächlich von Wurzeln und Pilzen ernähren musste und der Boden zufror. Es war nur Hyleis Erfahrung zu verdanken, dass sie überhaupt noch etwas zu essen bekamen. Ein paar wilde Früchte, gelegentlich ein Fisch, wenn sie ein Gewässer fanden, das essbare Fische führte. Allerdings war roher Fisch etwas, an das sich Pethen nicht gewöhnen können würde, selbst wenn Hylei ihn, wenn schon nicht mit Genuss, so doch ohne Vorbehalte aß. Wenn dieser Herbst jedoch so verlief wie in den letzten Jahren, dann würden sie spätestens in zwei Wochen den ersten ernstzunehmenden Frost haben und es wäre vorbei mit dem bisschen, das sie dem Land entrei�
�en konnten. Vermutlich lief es dann darauf hinaus, dass sie zu stehlen begannen, so wie sie es jetzt auch vorhatten. Pethen versuchte sich keine Gedanken darüber zu machen, dass sie jemandem etwas wegnehmen würden. Es war schließlich nicht so, als wenn sie sich diese Flucht ausgesucht hätten. Es gab ausreichend andere Dinge, über die er sich Gedanken machen konnte.
Sie gingen am Rand des Feldes entlang. Sie machten sich kaum die Mühe, sich zu verbergen. Der Hof war noch ein gutes Stück entfernt hinter Bäumen und es waren keine Stimmen mehr zu hören. Erst als sie das Feld schon fast zur Hälfte umrundet hatten, begann Hylei weiter in die Büsche zu verschwinden und sich zu ducken. Pethen tat es ihr gleich, wenn auch weniger geschickt. Als sie dem Haus näher kamen hockten sie sich hinter ein Gebüsch und beobachteten das Haus. Ein einzelnes Gebäude, das als Wohnhaus, Scheune und Stall diente. Ein ordentlicher Bau, der jedoch ein wenig heruntergekommen wirkte. Sie konnten ein paar Tiergeräusche hören, nichts Lautes und nicht viel, aber die Bauern hatten wenigstens Onren und wohl auch Ziegen. Aber Pethen glaubte nicht, dass es viele Tiere waren. Sie würden dort einbrechen müssen, um irgendetwas stehlen zu können. Wie sie das tun sollten, ohne sich erwischen zu lassen oder gesehen zu werden, konnte er sich nicht vorstellen.
Hylei schlich zum Tor, das noch zusätzlich eine kleinere Tür enthielt. Es gab noch eine weitere Tür an der Rückwand, aber die würde näher an den Schlafkammern liegen. Neben dem Rauchabzug waren dies die einzigen Eingänge. Das dicke Strohdach reichte bis knapp über den Boden und ließ keine Fenster zu. Mit guten Messern konnte man sich durch das Dach hindurch schneiden, Hylei hatte aber nichts davon hören wollen, denn es kostete Zeit, weckte die Schläfer und hinterließ zu viele Spuren. Der Feenling betrachtete sich lange die Tür. Sie winkte Pethen zu sich heran und deutete auf die Ritzen, den Rahmen, den kleinen Schatten, wo man, wenn man ganz dicht heran ging, den Riegel sehen konnte. Die Ritze war recht schmal. Vermutlich konnten sie sie vorsichtig mit dem Messer vergrößern und schließlich den Riegel anheben. Hylei zog das Messer, dass sei Pethen nach dem Übungen immer wieder abnahm und verglich es mit der Ritze. Pethen winkte ihr. Als sie aufsah, merkte sie, dass sie ihm zurück in den Wald folgen sollte.
Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm Page 32