‘Wahrlich, er dauert mich schon; ihn ängstet ein wenig die Drohung
Mit dem Studienrat, dem er schon lange nicht traut.’–
Er fährt fort:
Als Präzeptor tat ich von je meine Pflicht; ein geschätzter
Gradus neuerlich gibt einiges Zeugnis davon.
Was ich auf materiellem Gebiet, in müßigen Stunden,
Manchem Gewerbe, dem Staat denke zu leisten dereinst,
Ob ich meiner Familie nicht ansehnlichen Vorteil
Sichere noch mit der Zeit, dessen geschweig ich vorerst:
Aber – den will ich sehn, der einem geschundenen Schulmann
Ein Vergnügen wie das, Essig zu machen, verbeut!
Der von Allotrien spricht, von Lächerlichkeiten – er sei nun
Oberinspektor, er sei Rektor und Pädagogarch!
Greife nur einer mich an, ich will ihm dienen! Gewappnet
Findet ihr mich! Dreifach liegt mir das Erz um die Brust!
– Rike, du lachst!… du verbirgst es umsonst! ich fühle die Stöße…
Nun, was wandelt dich an? Närrst du mich, törichtes Weib? –
‘Lieber, närrischer, goldener Mann! wer bliebe hier ernsthaft?
Nein, dies Feuer hätt ich nimmer im Essig gesucht!’–
Gnug mit den Possen! Ich sage dir, mir ist die Sache nicht spaßhaft. –
‘Ruhig! Unseren Streit, Alter, vergleichen wir schon.
Gar nicht fällt es mir ein, dir die einzige Freude zu rauben;
That’s just vile envious chatter! I say that my hobbyhorse is no
Less worthwhile than the Dean’s; wait till I prove it! While he
Passes his time with birdcages and dozens of yellow canaries,
I brew good vinegar; that happens to be what I like.
A pause. He seems pensive. She speaks to herself:
‘Why, it’s a shame, the poor man! He’s already alarmed that I mentioned
That official; he’s not trusted him now for some time.’
He continues:
As Praeceptor I never have failed in my duty: as witness
Lately the mark I achieved, which has been cause for some pride.
As to my leisure pursuits, and the long-term material advantage
They may bring to the State, likewise to many a trade,
And to my family, for whom they promise a prosperous future –
I make no mention of this, not for the moment at least.
But – to debar a poor honest school drudge of his vinegar-making,
Worn to the bone as he is – what sort of spoilsport is that?
Talks of eccentric pastimes, absurdities – I’d like to meet him,
Superintendent or not, Rector and Pedagogarch!
You would attack me, sir? Your servant, then, and in full armour!
I shall be ready for you! Threefold, my breastplate of bronze!
… Rike, you’re laughing at me! You can’t hide it: I feel your ribs shaking!
Well, what’s got into you then? Making a fool of me, what?
‘Darling husband, you poor silly man! How can I help laughing?
Who would have thought that such heat lived in a vinegar-jar!’
Wife, stop this nonsense! I tell you, for me it’s a serious matter.
‘Now, my dear, calm yourself; come, why should we quarrel for this?
Why should I dream of depriving you now of your only great pleasure?
Zuviel hänget daran, und ich verstehe dich ganz.
Siehst du von deinem Katheder im Schulhaus so durch das Fenster
über das Höfchen den Schatz deiner Gefäße dir an,
Alle vom Mittagsstrahl der herrlichen Sonne beschienen,
Die dir den gärenden Wein heimlich zu zeitigen glüht,
Nun, es erquicket dir Herz und Aug in sparsamen Pausen,
Wie das bunteste Brett meiner Levkoin es nicht tat;
Und ein Pfeifchen Tabak in diesem gemütlichen Anblick
Nimmt dir des Amtes Verdruß reiner als alles hinweg;
Ja, seitdem du schon selbst mit eigenem Essig die rote
Tinte dir kochst, die sonst manchen Dreibätzner verschlang,
Ist dir, mein ich, der Wust der Exerzitienhefte
Minder verhaßt; dich labt still der bekannte Geruch.
Dies, wie mißgönnt’ ich es dir? Nur gehst du ein bißchen ins Weite.
Alles –so heißt dein Spruch – habe sein Maß und sein Ziel.’–
Laß mich! Wenn mein Produkt dich einst zur vermöglichen Frau macht –
‘Bester, das sagtest du just auch bei der Seidenkultur.’–
Kann ich dafür, daß das Futter mißriet, daß die Tiere krepierten? –
‘Seine Gefahr hat auch sicher das neue Geschäft.’–
Namen und Ehre des Manns, die bringst du wohl gar nicht in Anschlag? –
‘Ehre genug blieb uns, ehe wir Essig gebraut.’–
Korrespondierendes Mitglied heiß ich dreier Vereine. –
‘Nähme nur einer im Jahr etliche Krüge dir ab!’–
Dir fehlt jeder Begriff von rationellem Bestreben. –
‘Seit du ihn hast, fehlt dir abends ein guter Salat.’–
Undank! mein Fabrikat durch sämtliche Sorten ist trefflich. –
‘Numero 7 und 9 kenn ich, und – lobe sie nicht.’–
Heut, wie ich merke, gefällst du dir sehr, mir in Versen zu trumpfen. –
It’s too important for you; all this I quite understand.
When you are there in the school house and look from your desk through the window,
Over the courtyard, and see your precious jars in a row,
All agleam in the noonday sun as it pours down its splendour,
Making your wine grow ripe, secretly furthering your plans –
Why, they refresh your heart as you take time off to survey them,
Cheer you as even my best gillyflowers never did me!
And as you light up your pipe and gaze comfortably at these treasures,
They’re a distraction, I’m sure, even from your tedious job.
You’ve even used your own vinegar lately to brew your red ink from;
No need to buy the stuff now, many a sixpence it cost.
That must be some relief, too, in your hateful exercise-marking,
Soothing schoolmasterly rage with an old favourite smell.
Can I begrudge you all this? – But you are just a little excessive:
We must do all things, you say, with some restraint and good sense.’
Wife, let me be! When my product one day makes you famous and wealthy –
‘When you were trying to breed silkworms, you said the same thing.’
Was it my fault that something was wrong with the food, that the brutes died?
‘Your new venture, I’m sure, will have its own dangers too.’
So: my good name, I suppose, and my honour – you count them for nothing?
‘We had honour enough even without vinegar-jars.’
I correspond as a member with three different learned societies!
‘Why doesn’t one of them buy some of your vinegar, then?’
You have no notion of rational aims and creative endeavour.
‘You and your notions! A good salad for supper you need.’
What ingratitude! All my varieties have excellent flavours.
‘Well, numbers seven and nine, they’re not much good, that I know.’
It is your pleasure today, I observe, to cap me with verses.
‘Waren es Verse denn nicht, was du gesprochen bisher?’–
Eine Schwäche des Mannes vom Fach, darfst du sie mißbrauchen? –
‘Unwillkürlich, wie du, red ich elegisches Maß.’–
Mühsam übt ich dirs ein, harmlose Gespräche zu würzen. –
‘Freilich im bitteren Ernst nimmt es sich wunderlich aus.’–
Also verbitt ich es jetzt; sprich, wie dir der Schnabel gewachsen. –
‘Gut; laß sehen, wie sich Prose mit
Distichen mischt.’–
Unsinn! Brechen wir ab. Mit Weibern sich streiten ist fruchtlos. –
‘Fruchtlos nenn ich, im Schlot Essig bereiten, mein Schatz.’–
Daß noch zum Schlusse mir dein Pentameter tritt auf die Ferse! –
‘Dein Hexameter zieht unwiderstehlich ihn nach.’–
Ei, dir scheint es bequem, nur das Wort noch, das letzte zu haben:
Habs! Ich schwöre, von mir hast du das letzte gehört. –
Meinetwegen; so mag ein Hexameter einmal allein stehn.’–
Pause. Der Mann wird unruhig, es peinigt ihn offenbar, das Distichon nicht geschlossen zu hören oder es nicht selber schließen zu dürfen. Nach einiger Zeit kommt ihm die Frau mit Lachen zu Hülfe und sagt:
‘Alter! ich tat dir zu viel; wirklich, dein Essig passiert;
Wenn er dir künftig noch besser gerät, wohlan, so ist einzig
Dein das Verdienst, denn du hast, wahrlich, kein zänkisches Weib!’–
Er gleichfalls herzlich lachend und sie küssend:
Rike! morgenden Tags räum ich dir die vorderen Fenster
Sämtlich! und im Kamin prangen die Schinken allein!
‘Why not? Have you not been talking in verse all this time?’
It is improper of you to misuse my professional weakness.
‘I quite spontaneously ape your elegiacal speech.’
I took some trouble to teach you this spice for our lighthearted discourse.
‘In bitter earnest it sounds very bizarre, I must say.’
Well, I forbid you it now; just talk the way nature has taught you.
‘Good; let us see how my prose mixed with your distichs will sound.’
Rubbish! Now let us have done! It is fruitless to argue with women.
‘I call it fruitless to keep vinegar jars in the hearth.’
Why, devil take your pentameter treading like this on my coat-tail!
‘Where your hexameter leads, I have to follow behind.’
Wife, what you like is to have the last word. Well, have it by all means!
I’ve spoken mine, that I swear; you’ll hear no more from now on.
‘Very well! Let a hexameter stand all forlorn, just for this once.’
A pause. Her husband grows restless, it is clearly painful to him neither to hear the distich closed nor to be able to close it himself. After a while his wife bursts out laughing and comes to his rescue:
‘Husband, I’ve teased you too much; bless you! Your vinegar’s good!
And when you brew it still better in future, the credit shall all be
Yours; for I’ll not have you say you have a quarrelsome wife!’
He too laughs heartily and kisses her.
Rike! Tomorrow I’ll clear every one of those front windows for you!
And your magnificent hams, they’ll have the hearth to themselves!
Besuch in der Kartause
Epistel an Paul Heyse
Als Junggesell, du weißt ja, lag ich lang einmal
In jenem luftigen Dörflein an der Kindelsteig
Gesundheitshalber müßig auf der Bärenhaut.
Der dicke Förster, stets auf mein Pläsier bedacht,
Wies mir die Gegend kreuz und quer und führte mich
Bei den Kartäusern gleich die ersten Tage ein.
Nun hätt ich dir von Seiner Dignität zunächst,
Dem Prior, manches zu erzählen: wie wir uns
In Scherz und Ernst, trotz meines schwäbischen Ketzertums
Gar bald verstanden; von dem kleinen Gartenhaus
Wo ein bescheidnes Bücherbrett die Lieblinge
Des würdigen Herrn, die edlen alten Schwarten trug,
Aus denen uns bei einem Glase Wein, wie oft!
Pränestes Haine, Tiburs Wasser zugerauscht.
Hievon jedoch ein andermal. Er schläft nun auch
In seiner Ecke dort im Chor. Die Mönche sind,
Ein kleiner Rest der Brüderschaft, in die Welt zerstreut
Im Kreuzgang lärmt der Küfer, aus der Kirche dampft
Das Malz, den Garten aber deckt ein Hopfenwald
Kaum daß das Häuschen in der Mitte frei noch blieb
Von dessen Dach, verwittert und entfärbt, der Storch
Auf einem Beine traurig in die Ranken schaut.
So, als ich jüngst, nach vierzehn Jahren, wiederkam,
Fand ich die ganze Herrlichkeit dahin. Sei’s drum!
Ein jedes Ding währt seine Zeit. Der alte Herr
Sah alles lang so kommen, und ganz andres noch,
Darüber er sich eben nicht zu Tod gegrämt.
Bei dünnem Weißbier und versalzenem Pökelfleisch
Saß ich im Gasthaus der gewesnen Prälatur,
Im gleichen Sälchen, wo ich jenes erstemal
Mit andern Fremden mich am ausgesuchten Tisch
Des Priors freute klösterlicher Gastfreiheit.
A Visit to the Carthusians
Epistle to Paul Heyse
I once, in my unmarried days, as you’ll recall,
Stayed in that breezy village on the Kindelsteig,
Taking an idle rest-cure there for quite some time.
The forester, that good fat man, kept me amused
By showing me the district, and in the first few days
He introduced me to the Carthusian fathers there.
There’s much I have to tell about his Reverence
The Prior: how despite my Swabian heresies
We soon made friends, and found much to be serious
And much to laugh about; the little summerhouse,
Where on a modest bookshelf all the good old man’s
Favourite authors stood, old worthy pigskin tomes.
How often, as we sipped our wine, they’d speak to us
Of Tivoli’s, of Palestrina’s groves and streams!
But that tale’s for another time. Now he too sleeps
There in his corner of the choir. The other monks,
A remnant of the brotherhood, are all dispersed;
The cloister’s now the cooper’s workshop, from the church
The smell of malt drifts, the whole garden’s thick with hops,
No room in the middle even for that little house
With the discoloured weathered roof, on which a stork
Stares sadly at this jungle, standing on one leg.
And that was all I found of it, revisiting
Its splendours after fourteen years the other day.
Well, past is past, and all things have their time. The old man
Saw it all coming, and foresaw much else as well;
But he was simply not prepared to die of grief.
So I sat now with my pale beer and salted pork
In what were once the Prior’s quarters, now an inn,
And in the very room where first, so long ago,
I shared with other strangers the delights of his
Monastic hospitality. They served an eel
Ein großer Aal ward aufgetragen, Laberdan,
Und Artischocken aus dem Treibhaus; ‘fleischiger’,
So schwur, die Lippen häufig wischend, ein Kaplan,
‘Sieht sie Fürst Taxis selber auf der Tafel nicht!’
Des höchsten Preises würdig aber deuchte mir
Ein gelber, weihrauchblumiger Vierunddreißiger,
Den sich das Kloster auf der sonnigsten Halde zog.
Nach dem Kaffee schloß unser wohlgelaunter Wirt
Sein Raritätenkästchen auf, Bildschnitzereien
Enthaltend, alte Münzen, Gemmen und so fort,
Geweihtes und Profanes ohne Unterschied;
Ein heiliger Sebastian in Elfenbein,
Desgleichen Sankt Laurentius mit seinem Rost,
Verschmähten nicht als Nachbarin Andromeda,
Nackt an den Fels geschmiedet, trefflich schön in Buchs.
Nächst alledem zog eine altertümliche
Stutzuhr, die oben auf dem Schranke ging, mich an;
Das Zifferblatt vo
n grauem Zinn, vor welchem sich
Das Pendelchen nur in allzu peinlicher Eile schwang,
Und bei den Ziffern, groß genug, in schwarzer Schrift
Las man das Wort: Una ex illis ultima.
‘Derselben eine ist die letzt’– verdeutschte flugs
Der Pater Schaffner, der bei Tisch mich unterhielt
Und gern von seinem Schulsack einen Zipfel wies;
Ein Mann wie Stahl und Eisen; die Gelehrsamkeit
Schien ihn nicht schwer zu drücken und der Küraß stand
Ihm ohne Zweifel besser als die Kutte an.
Dem dacht ich nun so nach für mich, da streift mein Aug
Von ungefähr die Wand entlang und stutzt mit eins:
Denn dort, was seh ich? Wäre das die alte Uhr?
Wahrhaftig ja, sie war es! – Und vergnügt wie sonst,
Laufst nicht, so gilts nicht, schwang ihr Scheibchen sich auf und ab.
Betrachtend stand ich eine Weile still vor ihr
Und seufzte wohl dazwischen leichthin einmal auf.
Darüber plötzlich wandte sich ein stummer Gast,
Der einzige, der außer mir im Zimmer war,
Of massive size, salt cod, fresh artichokes straight from
The hothouse, ‘fatter and more succulent’ (or so,
Wiping his lips repeatedly, a chaplain swore)
‘Than any that Prince Thurn and Taxis gets to eat!’
But worthy of the highest praise of all, I thought,
Fragrant as incense, was the golden ’ 34
Grown by the monastery on its own sunniest slope.
When we had drunk our coffee, our good-humoured host
Would open up his box of curiosities,
Full of carved figures, old coins, cameos and the like,
Objects both sacred and profane all jumbled up;
An ivory St Sebastian I recall, likewise
St Laurence roasting on his grill, and neither had
The least objection to being cheek by jowl beside
An exquisitely carved boxwood Andromeda
Chained naked to her rock. What took my fancy most
Was a small antique standing clock, that ticked away
There on the cupboard: to and fro its pendulum
Wagged with disturbing haste before the pewter dial
On which, inscribed beside the figures, black and clear,
We read the words: Una ex illis ultima.
‘One of these’, Father Steward, my companion at
The table, had at once translated for me, ‘one
Of these will be your last.’ (He liked to show he knew
Mozart's Journey to Prague and a Selection of Poems Page 22