Im Inneren roch es nach Metall und Staub. Nach dem Überfall auf das Haus meiner Eltern hatte Wayne mir geholfen, die Sachen aus der Werkstatt meines Dads herzuschaffen. Glücklicherweise hatten Isaac und seine Lakaien die geheime Werkstatt unter dem Schuppen im Garten nicht entdeckt, anderenfalls hätten sie den Inhalt und somit das Vermächtnis meines Dads vermutlich zerstört.
Zwar war ich nur selten hier, da mich die Suche nach Isaac ganz einnahm, aber ich stellte mir oft vor, wie es sein würde, wenn der König der Vampire erst einmal tot war. Dann müsste ich nicht mehr ständig herumreisen und hätte mehr Zeit, die Ideen meines Vaters zu verwirklichen.
Flackernd erwachte das Licht im Raum zum Leben und gewährte Roxy und Shaw einen ersten Blick auf meine Werkstatt mit dem angrenzenden Lager.
»Sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte Roxy und hob den Deckel eines alten Pizzakartons an, den sie allerdings sofort wieder schloss, als sie die mit grünem Flaum überzogenen Reste darin entdeckte.
»Ignorier die Unordnung«, sagte ich und durchquerte die Werkstatt, um ins Lager zu gelangen, in dem sich Regal an Regal mit Prototypen reihte, von denen viele kurz vor der Fertigstellung standen, darunter auch der Apparat, mit dem ich Roxy helfen wollte.
Bevor mein Dad meine Mum kennengelernt hatte, hatte er Maschinen für die Automobilbranche gebaut; aber nachdem sie ihn in die Welt der Hunter eingeweiht hatte, hatte er gekündigt und es sich zur Aufgabe gemacht, ihr und anderen Jägern das Leben mit seinen Erfindungen zu erleichtern. In den letzten Jahren seines Lebens hatte er vor allem viel Zeit damit verbracht, Dinge zu entwickeln, die das Soul-Hunter-Defizit zumindest ein wenig ausgleichen sollten. Doch leider war er vor der Vollendung der meisten seiner Erfindungen gestorben, und obwohl er mir einiges beigebracht hatte, fehlte es mir an jeder Menge Wissen. Trotzdem hoffte ich, Roxy helfen zu können.
Der Geister-Detektor, den er damals auf meinen Vorschlag hin Ghostvision getauft hatte, stand in einer der hintersten Ecken. Er befand sich noch in seiner rohsten Form ohne Gehäuse und sah dadurch aus wie das Innere eines aufgeschraubten Laptops. Ich brachte ihn in die Werkstatt. Roxy hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, während Shaw, der eine Vorliebe fürs Reparieren von Autos und Motorrädern entwickelt hatte, interessiert mein Werkzeugarsenal musterte.
Ich ging zu einem alten Apothekertisch in einer Ecke der Werkstatt. Meine Mum hatte ihn auf einem Flohmarkt erstanden. Darauf stand ein altes Foto, auf dem ich mit meinen Eltern zu sehen war. Es war im Zoo von Edinburgh aufgenommen worden, zu einer Zeit, als ich noch ein glückliches, sorgloses Kind gewesen war, wie mein breites Grinsen bewies.
Ich holte, was ich brauchte, und setzte mich auf den Hocker gegenüber von Roxy. »Streck deinen Arm aus.«
»Was hast du vor?« Roxy sah skeptisch auf die Kanüle in meiner Hand.
»Ich will dir Blut abnehmen.«
Sie hob die Augenbrauen. »Wieso?«
»Um es auf dem Schwarzmarkt an Vampire zu verkaufen.« Ich verdrehte die Augen und streifte mir ein Paar Latexhandschuhe über. Wäre Roxy eine Blood Huntress gewesen, hätte ich die Hygiene vermutlich vernachlässigt, aber sie war ein gewöhnlicher Mensch, und ich wollte keine Blutvergiftung riskieren. »Ich brauche es, um den Detektor auf dich kalibrieren zu können. Jedes Mal, wenn du eines der Wesen zurückschickst, verschwindet ein Teil der Narbe an deiner Schulter, richtig?«
Roxy nickte.
»Das bedeutet, du – deine Haut, dein Blut, dein Körper – bist in irgendeiner Weise mit diesen Kreaturen verbunden. Ich hab keine Ahnung, wie die Magie funktioniert, die Kevin für den Fluch benutzt hat, aber es muss möglich sein, seine Wirkung für uns zu nutzen. Das Gerät meines Dads ist darauf ausgelegt, Geister aufzuspüren; wenn ich es also so modifiziere, dass es gezielt auf Energie reagiert, die mit deinem Fluch in Verbindung steht, sollte es dir möglich sein, deine Geister zu finden.«
Roxy schürzte die Lippen. »Klingt schlüssig.«
»Wieso benutzen die Hunter das Gerät deines Dads nicht?«, fragte Shaw.
»Weil es nie funktioniert hat.«
Shaw wirkte skeptisch. »Und du glaubst, du bringst es dazu, zu funktionieren?«
»Ich werd’s versuchen. Wie gesagt, ich kann nichts versprechen, aber ich gebe mein Bestes. Und jetzt streck den Arm aus.«
Roxy gehorchte, und nachdem ich ihre Haut desinfiziert hatte, führte ich die Kanüle ein, die ich mit einem Pflaster befestigte, um sie nicht mehrfach stechen zu müssen. Kurz hatte ich überlegt, ihr das Blut einfach im Quartier abzunehmen, um nicht bis hier raus fahren zu müssen, aber ich hatte nicht riskieren wollen, erwischt zu werden und mich vor Dr. Kivela erklären zu müssen. Die Sache mit Kevin und der Unterwelt war Roxys Geheimnis, in das weder Grant noch die anderen eingeweiht werden sollten.
»Kann ich dich etwas zu Amelia fragen?«, erkundigte ich mich und schraubte die erste Spritze an der Kanüle fest.
Roxy zuckte gleichgültig mit den Schultern, aber ihre plötzlich steife Körperhaltung verriet mir, dass sie nicht gern über Amelia sprach. Oder sie hatte ein Problem mit Spritzen. So oder so musste sie da jetzt durch. Ich brauchte Blut und Antworten. Auf Fragen, die mir bereits seit einer ganzen Weile auf den Nägeln brannten.
»Kurz vor ihrem Tod hat sie gesagt, dass der Vampirkönig Baldur töten wird«, sagte ich, die Erinnerung an ihre Worte noch lebhaft im Kopf. »Kann man ihr das glauben, oder waren das nur die wahnsinnigen Worte einer sterbenden Frau?«
Roxy zögerte einen Augenblick. »Aus persönlicher Erfahrung würde ich alles, was Amelia gesagt hat, mit Vorsicht genießen. Sie war keine Lügnerin, aber Halbwahrheiten haben zu ihrem Spezialgebiet gezählt.« Vielsagend deutete sie dabei auf ihre Schulter, wo sich die Narbe befand, die Kevin ihr zugefügt hatte, nachdem Roxy auf Amelias Befehl hin ein Tor zur Unterwelt geöffnet hatte, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein.
»Okay. Aber woher konnte sie wissen, was Isaac plant?«
»Amelia hatte den Schicksalsblick. Sie hat es also vermutlich aus einer Zukunftsvision. Allerdings hat sie keine Tatsachen gesehen, nur Möglichkeiten, die oftmals auch Interpretationssache waren.«
»Der Blick funktioniert doch nur durch eine Berührung, oder?« Der Schicksalsblick gehörte zwar zu den häufigsten Blicken, dennoch war er äußerst selten, und abgesehen vom Seelenblick, den auch Wayne besaß, hatte ich von der Magie, die mit den Blicken einherging, nur wenig Ahnung.
Roxy nickte. »Ja, es muss eine Berührung stattfinden.«
»Das bedeutet, Amelia hatte Kontakt mit Baldur oder Isaac?«
»Baldur«, antwortete Roxy mit absoluter Gewissheit, als hätte sie seit unserer Abreise aus Paris schon viel Zeit damit verbracht, über dieses Thema nachzudenken. »Du hast gesehen, wie ihre Magie gewirkt hat. Das … Das war nicht normal. Keine Ahnung, wie oder wann, aber sie und Baldur … Sie müssen zusammengearbeitet haben.«
Ich runzelte die Stirn. »Warum sollte der König der Hexen mit einer Jägerin zusammenarbeiten?«
»Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage«, mischte sich Shaw in das Gespräch ein. »Roxy, Finn und die anderen vermuten, dass Amelia Ripley, Dinah und die anderen Hunter auf Baldurs Befehl hin entführt hat. Wir wissen nur noch nicht, was Baldurs Absichten sind.«
Ich gab ein Brummen von mir und löste die inzwischen volle Spritze von der Kanüle, um die nächste anzuschließen. Eigentlich war es mir ziemlich gleichgültig, warum Amelia und der König der Hexen beste Freunde gewesen waren. Ich interessierte mich nur für einen, und das war Isaac. Allerdings fragte ich mich, ob ich seine mögliche Feindschaft mit Baldur irgendwie für mich nutzen konnte.
Ich nahm Roxy noch ein paar Röhrchen ihres Blutes ab und fuhr die beiden anschließend wieder ins Quartier, bevor ich in die Werkstatt zurückkehrte, um in aller Ruhe am Ghostvision zu arbeiten.
Cain
Der Pub, in den Ella und Jules mich führten, war gerammelt voll. Laute Musik. Betrunkene Menschen. Stickige Luft. Auf einem Fernseher über der Bar lief ein Fußballspiel, dessen Kommentator nicht zu verstehen war, und
an den Billardtischen war ein Junggesellenabschied in vollem Gang. Es roch nach Schweiß, Bier und billigem Bratfett, aber die meisten Gäste waren schon so angeheitert, dass sie den Gestank offenbar nicht mehr wahrnahmen.
»Sucht ihr einen Platz. Ich besorg uns mal was zu trinken und komm dann nach«, brüllte Jules über den Lärm hinweg. Ich nickte ihm zu, bevor er sich an voll besetzten Tischen vorbei Richtung Bar schlängelte.
Es entging mir nicht, wie sich einige Köpfe verwundert in seine Richtung drehten. Er trug eine kakifarbene Hose und ein weißes Hemd, dessen Ärmel er nach oben gekrempelt hatte. Es war ein beinahe gewöhnliches Outfit, wäre da nicht der lederne Brustgurt gewesen, der um seine Schultern und seine Mitte geschnallt war und aussah, als hätte er ihn in einem Shop für Bondage-Zubehör gekauft. Ich hatte versucht, ihn davon zu überzeugen, dieses Accessoire wegzulassen, aber Jules wäre nicht Jules gewesen, hätte er auf mich gehört. Er liebte Mode und provozierte langweilige Spießer gern mit seinen Outfits. Außerdem sah er damit, wenn ich ehrlich war, verdammt gut aus, auch wenn das extravagante Outfit nicht ganz zu der gemütlich-lockeren Stimmung des Pubs passte.
»Ich glaube, dahinten wird was frei!«, rief Ella, die mich mit ihren eins sechsundsiebzig deutlich überragte und einen weitaus besseren Überblick über die Situation hatte. Sie griff nach meiner Hand, um mich in dem Gedränge nicht zu verlieren.
Wir hatten Glück. Eine Gruppe Studenten, die anscheinend gerade auf Kneipentour waren, räumten ihre Nische im hinteren Teil des Pubs. Eilig setzten wir uns, noch bevor der Tisch abgeräumt werden konnte, und schoben die leeren Gläser und Flaschen an den Rand.
Es dauerte eine Weile, bis ein Mitarbeiter des Pubs auftauchte, der die Sachen abräumte, und noch länger dauerte es, bis Jules mit unseren Getränken kam. Er hatte uns einen Pitcher Bier mit drei Gläsern besorgt. Nachdem er uns eingeschenkt hatte, hob er sein Glas und prostete uns zu. »Auf einen schönen Abend!«
»Ohne Verpflichtungen«, fügte Ella hinzu.
»Und auf uns«, ergänzte ich mit einem Grinsen.
»Auf uns«, echoten Jules und Ella.
Wir stießen an, und ich ließ mich mit einem zufriedenen Seufzer tiefer in das Polster der Sitzbank sinken. »Das habe ich wirklich vermisst.«
»Ich auch.« Ella lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
Es war immer etwas schwierig, unsere Terminkalender aufeinander abzustimmen. Jules und ich waren nachts oft auf Patrouille, Ella reiste mit Owen um die Welt, um Geister zu vernichten, und dazwischen lernten wir für Prüfungen, unterhielten Kinder und jobbten im Café. Abende wie heute waren selten, und selbst jetzt fehlte Owen, der auf dem Geburtstag seiner Mum war.
»Wie läuft es im Café?«, fragte ich und drehte den Kopf, um meine beste Freundin ansehen zu können.
Ella zuckte mit den Schultern. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem raffinierten Zopf geflochten, und obwohl sie nur eine Jeans, ein einfaches Top mit V-Ausschnitt und einige goldene Ketten um den Hals trug, hatte sie bereits beim Hereinkommen zahlreiche Blicke auf sich gezogen. Nicht zuletzt wegen ihrer weißgrauen Augen, die viele für Kontaktlinsen hielten. »Wie immer. Die Menschen lieben Kaffee.«
Jules lachte, fast ein wenig verzweifelt. »Das kann man ihnen nicht verdenken. Ich lebe praktisch von dem Zeug. Vier Kaffee am Tag sind zurzeit Minimum.«
»Oh nein, ist es gerade stressig?«
»Normal stressig, aber das reicht schon«, antwortete Jules. »Ich wünschte nur, das Quartier und die Uni könnten sich absprechen. Aktuell bin ich bis sechs Uhr morgens auf der Jagd, um zehn startet meine erste Vorlesung und um sechzehn Uhr meine letzte. Ab neun Uhr abends bin ich dann wieder auf Patrouille. Finde den Fehler.«
»Ich bekomme schon vom Zuhören Schlafmangel«, sagte ich und wünschte mir, Jules’ Uni und das Quartier könnten sich tatsächlich besser organisieren. Aber leider standen die Hunter unter strengster Geheimhaltung, was notwendig, dafür im Alltag allerdings oft unglaublich unpraktisch war.
»Du schaffst das«, sagte Ella aufmunternd und tätschelte Jules die Hand. Sie selbst hatte zwei Semester an der University of Edinburgh studiert, bevor sie ihre akademische Laufbahn aufgegeben hatte. Es gab einfach zu viele Soul-Hunter-Aufträge und zu wenig Jäger, um sie zu erfüllen.
Wir redeten noch eine Weile über Jules’ Studium und unsere Jobs, und ehe wir uns versahen, war der erste Pitcher leer und Jules holte uns einen zweiten. Leider durfte ich auch an diesem Abend nicht über die Stränge schlagen, obwohl ich mich wirklich gern betrunken hätte, um die Gedanken an Warden für ein paar Stunden auszulöschen. Doch mit dem Job, den ich heute an Land gezogen hatte, wäre das eine schlechte Idee gewesen. Ich konnte der Agentur nicht zum zweiten Mal innerhalb einer Woche absagen.
»Wie war es eigentlich die letzten Tage ohne mich auf der Jagd?«, fragte ich. »Wie läuft es mit Floyd?«
Floyd war ein Magic Hunter und ein paar Jahre älter als Jules und ich. Sein Kampfpartner war gerade in den Flitterwochen, weshalb es sich für Floyd und Jules angeboten hatte, sich für diese Woche zusammenzutun.
»Ganz gut«, antwortete Jules mit einem Schulterzucken. »Er ist nett und weiß, was er tut, aber ich vermisse dich trotzdem.«
»Awww, ich vermisse dich auch. Nur noch vier Tage, dann kann ich wieder Dinge mit dir töten!« Ich drückte Jules an mich. Es war eine herzliche, angetrunkene Umarmung, bei der wir beide nicht ganz wussten, wohin mit unseren Gliedmaßen.
»Wie ist es überhaupt mit Warden?«, fragte Ella, das Kinn in eine Hand gestützt, als würde sie auf eine spannende Geschichte warten. »Nach all der Zeit sicherlich komisch, oder?«
Ich schnaubte. Es war nicht komisch, eher nervig und unangenehm. Ungefähr wie ein Besuch beim Zahnarzt, nur schlimmer!
Jules lachte. »Wieso, was hat er angestellt?«
»Er existiert.«
»Früher mochtest du seine Existenz«, nuschelte Ella mit einem Schmunzeln hinter ihrem Glas.
»Das war, bevor er mir die Partnerschaft gekündigt und mich einfach hat sitzen lassen, um die Welt zu bereisen«, erwiderte ich, obwohl es um sehr viel mehr ging als das.
»Er bereist nicht die Welt, sondern jagt Isaac.«
Mit zusammengekniffenen Augen sah ich meine beste Freundin an. »Auf wessen Seite stehst du?«
»Auf deiner, du Dummkopf. Aber die ganze Geschichte ist drei Jahre her. Vielleicht hat Warden sich geändert.«
»Oh, ja klar hat er das. Er ist jetzt ein Arschloch.«
Jules verdrehte die Augen. »Ich sag’s dir ja nur ungern, Cain, aber das war er schon immer.«
»Zu mir war er immer nett.«
Ella stieß ein trocknes Lachen aus, das ich nicht deuten konnte, doch bevor ich die Chance hatte, sie danach zu fragen, vibrierte ihr Handy auf dem Tisch. Sofort entsperrte sie den Bildschirm, um die eingegangene Nachricht zu lesen. Ein feines Lächeln zuckte in ihren Mundwinkeln, als sie rasch eine Antwort tippte.
Jules nippte an seinem Bier. »Ist das Owen?«
Er hatte uns versprochen, sich zu melden, sollte er früher als gedacht von seiner Familienfeier loskommen.
»Nein, das war nur meine Mum«, sagte Ella und sperrte eilig ihr Handy, als wollte sie sichergehen, dass wir nicht heimlich einen Blick auf das Display warfen.
Misstrauisch sah ich Ella an, als ich aus dem Augenwinkel zwei bekannte Gestalten bemerkte, die gerade den Pub betraten. »Hey, sind das da vorne nicht Roxy und Shaw?«
Die beiden steuerten zielstrebig auf die Bar zu. Roxy mit ihrem hüftlangen blonden Haar und Shaw mit den wirren Locken auf dem Kopf, die praktisch eine Einladung waren, mit den Fingern hindurchzufahren, zogen etliche Blicke auf sich.
»Ja, stimmt«, bestätigte Jules.
»Wer sind die beiden?«, erkundigte sich Ella und versuchte dabei auszumachen, wen genau ich in dem dichten Gedränge meinte.
»Die blonde Frau und der Typ mit den braunen Locken. Das sind die zwei Hunter, die zu Besuch aus London da sind.«
Ella nickte. »Cool, aber was machen s
ie hier?«
Jules zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vermutlich hat Finn ihnen den Laden empfohlen. Er ist Roxys Kampfpartner.«
»Sollen wir sie zu uns holen?«, fragte ich.
»Gern, aber ich will die beiden auch nicht stören«, warf Jules mit einem nachdenklichen Blick ein, bei dem sich eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildete. »Sieht aus, als hätten sie ein Date.«
Ich sah mir die beiden noch einmal genauer an und verstand, wie Jules’ auf den Gedanken kam. Sie standen dicht beieinander an der Bar und lachten über etwas. Dabei ruhte Shaws Hand locker auf Roxys Rücken. Wobei Letzteres in einem Pub, in dem alle dicht gedrängt standen, nicht viel zu bedeuten hatte. Vielleicht wollte er sie nur davor schützen, angerempelt zu werden, oder ihr die dummen Anmachen irgendwelcher Typen ersparen.
»Ich glaube nicht, dass sie zusammen sind.«
»Sicher?«
»Ziemlich sicher.« Zugegeben, so sicher war ich mir nicht, aber während unseres gemeinsamen Mittagessens waren sie mir nicht wie ein Paar erschienen. Zumindest noch nicht.
»Wir könnten sie fragen«, schlug Ella vor. Normalerweise war sie nicht so forsch und direkt, aber der Alkohol lockerte nicht nur ihre Zunge, sondern senkte auch ihre Hemmschwelle.
Da ich selbst neugierig auf die Antwort war, stieg ich über Jules hinweg und schob mich durch die Menschenmasse in Richtung von Roxy und Shaw.
Sie entdeckten mich, als ich nur noch ein paar Schritte von ihnen entfernt war. Shaw begrüßte mich mit einer Umarmung, und Roxy schenkte mir ein kleines Lächeln. Ich lud sie zu uns ein, und eine Minute später erreichten wir die Nische, die Ella, Jules und ich besetzt hatten.
»Hey«, grüßte Roxy. »Wir haben euch in der dunklen Ecke überhaupt nicht gesehen.«
Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 8