Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 15

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  »Wo ist Isaac?«

  »Macht mich los!«, brüllte der Vampir und schnappte nach mir.

  »Wo ist Isaac?«, wiederholte ich.

  »Fahrt zur Hölle!«

  Ich stieß ein genervtes Seufzen aus. Warum mussten es einem diese Vampire immer so schwer machen? Er wusste, dass er sterben würde. Ich wusste es. Cain wusste es. Gott, meine im Koma liegende Mutter wusste es. Warum sagte er also nicht gleich die Wahrheit, anstatt unsere Zeit zu verschwenden?

  »Isaac war vor fünf Tagen hier«, mischte sich Cain ein. »Weißt du etwas darüber?«

  »Selbst wenn ich etwas wüsste, würde ich es euch nicht sagen!«

  »Das solltest du aber besser.«

  »Nur über meine Leiche!«

  Meine Mundwinkel zuckten. »Das lässt sich einrichten.« Ich streckte die Hand aus, und Cain reichte mir eines ihrer Khukuri.

  Die Augen des Vampirs weiteten sich panisch. Egal wie monströs, brutal und mächtig die meisten Kreaturen waren, auch sie fürchteten das Ende ihrer Existenz. Denn anders als Menschen kamen Vampire nicht in die Geister- oder Unterwelt. Ihre Seelen waren verdammt und verschwanden im Nirgendwo.

  »Sag uns, was du weißt«, forderte ich den Vampir auf. »Das ist deine letzte Chance.«

  Er schluckte schwer. »Aber ich weiß nichts.«

  »Wirklich? Und warum warst du heute hier?«

  »Ich wollte mich verstecken. Das ist alles. Ich weiß nicht, wo Isaac ist. Ich bin ihm noch nie begegnet.«

  Ich lehnte mich nach vorne. »Bist du dir sicher?«

  »Ja!« Ein Zittern hatte sich in die Stimme des Vampirs geschlichen.

  »Du würdest uns doch nicht anlügen, oder?«

  »Nein. Ich … Ich weiß wirklich nicht, wo er ist.«

  »Schade«, erwiderte ich und rammte dem Vampir das Khukuri geradewegs zwischen die Augen. Seine Bewegungen erstarben, und seine Hände fielen schlaff zu Boden. Ich ließ die Klinge in seinem Schädel stecken und blickte zu Cain auf, die mich aufmerksam beobachtete.

  »Glaubst du, er hat die Wahrheit gesagt?«

  Ich nickte. »Ja, zumindest seine Wahrheit«.

  Das war die Schwierigkeit dabei, Vampire zu befragen. Man konnte sie so viel quälen und foltern, wie man wollte, wenn Isaac ihnen den Befehl gegeben hatte, nicht über ihn zu reden, gab es nichts, was man tun konnte, um diesen Schwur zu brechen. Der einzige Vorteil bestand darin, dass Isaac solche Anweisungen von Angesicht zu Angesicht aussprechen musste und die Wirkung mit der Zeit nachließ. Falls dieser Vampir also unter Isaacs Einfluss gestanden hatte, bedeutete das, dass der König erst kürzlich mit ihm in Kontakt gewesen war.

  »Schere, Stein, Papier?«, fragte Cain.

  Ich hob die Augenbrauen. »Ernsthaft?«

  »Ja, oder meldest du dich freiwillig?«

  Ich richtete mich auf. »Auf drei. Eins. Zwei. Drei …« Ich ließ meine Faust geballt, während Cain mit ihren Fingern eine Schere formte. »Stein besiegt Schere, du durchsuchst ihn.«

  Cain schnaubte. »Warum gewinnst du immer?«

  »Weil du immer Schere nimmst.«

  »Das stimmt nicht!«

  »Willst du eine Revanche?«

  »Ja, wieder auf drei. Eins. Zwei. Drei …«

  Erneut ließ ich meine Faust geballt. Erneut imitierte Cain mit ihren Fingern eine Schere.

  »Arg! Woher wusstest du das?«

  Ich kenne dich eben.

  »Durchsuch den Vampir, ich schau mich im Rest des Schwimmbads um«, sagte ich, auch wenn ich bezweifelte, dass sich hier weitere seiner Artgenossen rumtrieben. Dafür hatten wir zu großen Lärm verursacht. Entweder wären sie geflohen oder sie hätten sich in den Kampf eingemischt.

  Wie erwartet war der Rest des Gebäudes verlassen, und ich kehrte zehn Minuten später ohne neue Erkenntnisse zu Cain zurück.

  »Und, hast du was gefunden?«

  »Ja, das hier.« Cain reichte mir eine schwarze Visitenkarte mit Gold geprägter Schrift, auf der stand: The Sorcerer – Antiquitäten. Inhaberin: Fallon Emrys. Sie suchen ein Stück Geschichte für Ihre Wohnung? Dann sind Sie bei uns genau richtig! Darunter waren die Öffnungszeiten und die Adresse zu lesen.

  »Das ist in der Nähe des Quartiers«, stellte ich fest.

  »Jup.«

  Ich hatte zwar keine Ahnung, warum ein Vampir die Visitenkarte eines Antiquitätenhandels mit sich herumtrug, aber vermutlich würden wir es bald herausfinden. »Wir sollten diesem Laden mal einen Besuch abstatten.«

  Cain nahm mir die Karte wieder ab. »Auf jeden Fall. Allerdings müssen wir uns zuerst hier drum kümmern.« Sie deutete auf den toten Vampir. »Wir können ihn schlecht liegen lassen; aber wenn wir die Reinigung anrufen, erfahren Grant und die anderen, dass wir auf der Jagd waren.«

  »Wäre das so schlimm? Immerhin haben wir gegen keine Regeln verstoßen und waren brav zu zweit, genau wie Grant es sich wünscht«, bemerkte ich mit abfälligem Unterton. Ich verstand, weshalb die Regel existierte, aber Grant nahm es für meinen Geschmack etwas zu genau damit. Ich schlug mich seit drei Jahren allein, ohne die Hilfe vom Quartier oder sonst jemandem, durch. Und ich war noch am Leben.

  »Wir verstoßen vielleicht nicht gegen diese Regel. Aber was glaubst du, passiert, wenn Xavier, Grant und meine Eltern erfahren, dass wir nach Jules fahnden, obwohl die Suche nach ihm offiziell eingestellt wurde?«, fragte Cain, während sie ihre Waffen an der Kleidung des Vampirs abwischte. »Sie werden uns vorwerfen, Zeit und Ressourcen zu verschwenden, und uns dann entweder suspendieren oder wieder für die offiziellen Patrouillen einteilen, damit uns keine Zeit mehr bleibt, nach Jules zu suchen.«

  »Okay, okay, meine Lippen sind versiegelt.«

  Cain lächelte. »Danke. Und was machen wir jetzt mit unserem einbeinigen Freund hier? Wie entsorgst du deine Leichen? Ich weiß, dass Grant die Reinigungstrupps für dich gesperrt hat.«

  Ich schnaubte. Natürlich hatte sie das mitbekommen. Grant hatte den Trupps befohlen, meine Tatorte nicht mehr zu reinigen in der Hoffnung, mich damit wieder auf tugendhafte Wege zu führen, aber seine Rechnung war nicht aufgegangen.

  Ich zückte mein Handy.

  Cain runzelte die Stirn. »Wen rufst du an?«

  »Wayne.«

  »Aber –«

  Ich unterbrach sie, indem ich den Finger hob, als Wayne abnahm. Im Hintergrund konnte ich Gemurmel hören, offenbar war er noch immer auf Jules’ Trauerfeier. »Hey, ich bräuchte einen Reinigungstrupp im alten Schwimmbad in Portobello. Ich wollte noch mal die Lage checken, und da ist mir ein Vampir ins Messer gelaufen.«

  Wayne schwieg einen Moment. »Okay, aber gib mir ein paar Stunden. Meine Schicht beginnt erst morgen Früh.«

  »Geht klar«, erwiderte ich. Ich wusste, dass ich auf Wayne zählen konnte. Er kümmerte sich um alle Leichen, die ich in und rund um Edinburgh zurückließ. Und auch bei dieser würde er es so aussehen lassen, als wäre ihm der Vampir bei seiner Schicht begegnet. »Ich pack die Leiche in einen Schrank in der Küche, damit sie keiner vor dir findet.«

  Wayne brummte zustimmend und beendete das Telefonat.

  Ich steckte das Handy weg und sah zu Cain, die mit skeptischer Miene zugehört hatte. »Mach dir keine Sorgen, auf Wayne ist Verlass.«

  »Ich weiß. Deswegen hätte ich nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er Grants Anweisungen auf diese Weise missachtet«, sagte sie und schüttelte ungläubig den Kopf. Dann rappelte sie sich vom Boden auf und half mir dabei, die Leiche in einem der Schränke zu verstecken.

  15. KAPITEL

  Cain

  »Hier ist es«, sagte ich und deutete auf das Gebäude, über dessen Eingangstür in dunkelblauen Buchstaben The Sorcerer geschrieben stand. Es war ein unscheinbar aussehender Laden mit großen Schaufenstern, in denen jede Menge alter Krempel stand. Das Ganze sah eher nach Wohnungsauflösung aus als nach irgendetwas Magischem.

  »Lass uns reingehen.« Warden zog die Tür auf, die unsere Ankunft mit einem leisen Läuten verkündete.


  Der Laden war vollgestellt mit zahllosen Antiquitäten. Es gab Kommoden, Schränke und Stühle, aber auch Sanduhren, die zwischen Skulpturen und Vasen standen.

  Unweigerlich fragte ich mich, ob Jules den Laden kannte. Er liebte alles, was mit Design und Innenarchitektur zu tun hatte, und ich entdeckte auf Anhieb mindestens ein Dutzend Dinge, die ihm vermutlich ein entzücktes Seufzen entlockt hätten.

  Wir bahnten uns einen Weg durch den Krempel bis zur Kasse, hinter der ein junger Mann mit dunkelbraunem Haar saß.

  »Hey.«

  »Hi«, begrüßte uns der Typ mit einem spitzbübischen Lächeln, als wüsste er mehr, als er verraten wollte. Wardens finsterer Blick schien ihn auf jeden Fall nicht einzuschüchtern.

  »Ist Fallon hier?«, fragte ich, da sie laut der Visitenkarte, die identisch war mit jenen, die hier neben der Kasse in einem Kästchen lagen, die Inhaberin des Sorcerer war.

  »Ja, sie ist hinten im Lager. Ich kann sie holen.«

  »Das wäre nett.«

  Der Typ war schon aufgestanden, als er innehielt und sich noch einmal zu uns umdrehte. Misstrauisch wanderte sein Blick zwischen Warden und mir hin und her. »Und wer seid ihr?«

  »Alte Freunde von Fallon«, log ich. Solange ich nicht wusste, in welcher Verbindung dieser Schuppen mit den Vampiren stand, würde ich meinen Namen auf keinen Fall preisgeben. Es hätte mich nicht einmal gewundert, wenn sich diese Fallon Emrys selbst als Blutsauger entpuppte. Vampire hätten in den Laden gut reingepasst.

  »Irgendwie gruselig hier«, sagte Warden, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er lehnte sich gegen den Tresen und ließ den Blick durch den Raum gleiten, in dem es nach altem Papier und Politur roch.

  »Gruseliger als in dem heruntergekommenen Schwimmbad?«

  »Viel gruseliger! Hast du die Uhr mit dem untoten Kuckuck gesehen?«

  Ich lachte und senkte die Stimme, damit man uns nicht belauschen konnte, obwohl sich außer uns niemand im Verkaufsraum befand. »Hat mit Wayne und der Reinigung alles geklappt?«

  Warden nickte. »Ja, ist alles geklärt.«

  Erleichtert stieß ich den Atem aus. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass Wayne mit Warden unter einer Decke steckte. Ich wusste, dass die beiden gute Freunde waren, aber Wayne war auch Grants rechte Hand und einer der verantwortungsvollsten Menschen, die ich kannte. Niemals hätte ich erwartet, dass ausgerechnet er Warden bei seinen gefährlichen Aktionen unterstützte und damit gegen die Anweisungen von Grant handelte. Ich an seiner Stelle könnte Grant vor lauter schlechtem Gewissen vermutlich nicht mehr in die Augen sehen – weshalb ich heilfroh war, unserem Quartiersleiter seit der Trauerfeier nicht mehr begegnet zu sein.

  »Hey«, durchbrach eine helle Stimme meine Gedanken. Ich sah auf und blickte geradewegs in ein Paar blaugrauer Augen. Sie gehörten zu einer Frau mit langem braunen Haar, die deutlich jünger war als erwartet – und ganz eindeutig kein Vampir. »Kennen wir uns?«

  Ich lächelte. »Nein.«

  »Aber ihr habt gesagt, ihr wärt alte Freunde von Fallon«, warf der Typ neben ihr ein.

  »War gelogen«, sagte Warden. »Sorry.«

  Fallon verschränkte die Arme vor der Brust. »Okay … Und wer genau seid ihr?«

  »Ich bin Cain, und das ist Warden. Wir sind auf der Suche nach jemandem, den du vielleicht kennen könntest. Ein junger Mann, blond, braune Augen. Etwas schlaksig. Auf seine Schulter ist eine Schlange mit Apfel tätowiert«, beschrieb ich ihr den Vampir, den wir getötet hatten. »Kennst du ihn?«

  »Ja …« Misstrauisch wanderte Fallons Blick von mir zu Warden und wieder zu mir zurück. Sie war vielleicht kein Vampir, aber sie hatte eindeutig irgendetwas zu verbergen. Hielt sie uns für Cops? »Steckt er in Schwierigkeiten?«

  »Nein.« Nicht mehr. »Es gibt da nur etwas, bei dem wir seine Hilfe brauchen.«

  Fallon zögerte kurz, bevor sie mit einem Seufzen einknickte. »Der Kerl, den du suchst, heißt Travis Lee. Er war Auktionator, unter anderem für Haushaltsauflösungen, daher kennen wir uns. Ich habe bei ihm öfter Sachen für den Laden gekauft, aber wir haben uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesprochen.«

  »Hast du eine Ahnung, wo wir ihn finden können? Am besten persönlich, nicht nur übers Telefon.« Natürlich würden wir ihn nirgendwo mehr finden, denn sein Körper war nur noch ein Häufchen Asche in der Verbrennungsanlage der Hunter. Aber womöglich lieferte uns Fallons Antwort einen Anhaltspunkt, wie er mit Isaac und den Vampiren in Berührung gekommen war, und womöglich konnten wir diese Spur zurückverfolgen.

  »Nicht wirklich. Hmm … Oder warte, er hat mir öfter diesen einen Pub empfohlen, Tolbooth Tavern. Es klang, als wäre er dort Stammgast.«

  Warden brummte. »Ist das alles?«

  »Ich fürchte ja«, antwortete Fallon.

  Wir bedankten uns und verließen den Laden.

  Es war Warden anzusehen, dass er sich ebenso wie ich mehr von der Antiquitätenspur erhofft hatte, aber da wir keinen anderen Hinweis hatten, durften wir nicht wählerisch sein.

  »Auf zur Tolbooth Tavern?«, fragte Warden.

  Ich knöpfte meinen Mantel zu und vergrub die Hände tief in den Taschen, denn es war ziemlich frisch geworden. Die Sonne, die am Morgen noch geschienen hatte, war von tristen Regenwolken ersetzt worden. »Ich treffe mich gleich mit Ella.«

  Sie war heute Morgen aus Helsinki zurückgekommen und hatte mich gefragt, ob wir uns in unserem Lieblingscafé, dem Zebra Coffee, treffen wollten. Ich hatte mich nicht zweimal bitten lassen, denn ich liebte die Brownies dort und außerdem hatte ich Ella in den letzten Tagen und auf Jules’ Trauerfeier vermisst.

  »Dann heute Abend?«

  Ich nickte, froh darüber, noch ein paar Stunden Abstand von Warden zu gewinnen. Es gefiel mir nicht, wie sehr es mir gefallen hatte, wieder gemeinsam mit ihm auf die Jagd zu gehen. Seit wir in Portobello gewesen waren, musste ich ständig daran denken. Zumindest wenn ich mir nicht gerade Sorgen um Jules machte. Warden und ich waren dort draußen ein perfekt eingespieltes Team gewesen. Anfangs hatte es sich etwas merkwürdig angefühlt, und dass er sich nicht an unsere erste Jagd erinnerte, hatte mir einen seltsamen Stich versetzt, aber diesen Vampir mit ihm zu erledigen hatte Spaß gemacht. Und es war offensichtlich, dass wir zusammen einfach funktionierten. Wardens Kampftechnik hatte sich verändert, trotzdem hatte ich zu jedem Zeitpunkt genau gewusst, was er plante, ganz ohne darüber nachdenken zu müssen. Genau wie er noch immer jeden meiner Schritte voraussagen zu können schien.

  Wir verabredeten uns für später, und ich machte mich auf den Weg zum Zebra Coffee.

  Das Café war erfüllt vom süßen Geruch nach Schokolade und mit nur einer Handvoll Tischen und Stühlen so winzig, dass ich Ella sofort entdeckte.

  »Hey!« Sie sprang von ihrem Platz auf, um mich fest zu umarmen. Seit Jules’ Verschwinden hatten wir uns nicht mehr gesehen, und dies war ihre Art, mir auch ohne Worte mitzuteilen, wie sehr sie mit mir litt. Wir hatten seither zwar fast täglich miteinander telefoniert und geschrieben, aber das war einfach nicht dasselbe.

  »Wie geht es dir?«, fragte sie und lockerte ihre Umarmung, ließ ihre Hände allerdings auf meinen Schultern liegen, während sie mich durchdringend aus ihren weißgrauen Augen ansah.

  »Manchmal ist es kurz okay … und dann wieder nicht«, antwortete ich mit einem Schulterzucken.

  Was ich allerdings nicht zugab, war, dass mir alles erträglicher schien, nachdem ich mit Warden auf die Jagd gegangen war. Ich wusste nicht, ob es an Warden selbst lag oder daran, dass ich aktiv etwas unternahm, um Jules zu suchen. So oder so fühlte ich mich ein kleines bisschen besser, und das würde ich vorerst einfach mal stehen lassen. Ich wollte nicht näher erörtern, was es damit auf sich hatte, obwohl ich Ella am Telefon bereits von meiner wiederbelebten Partnerschaft mit Warden erzählt hatte. Ich hatte mit irgendjemandem darüber reden müssen, anderenfalls wäre ich womöglich explodiert.

  Ich löste mich von Ella, um mich zu setzen, als ich Roxy entdeckte, die aus Richtung der Toiletten kam und gerade dabei war, sich ih
re Ringe wieder an die Finger zu stecken.

  »Hey«, begrüßte ich sie, überrascht sie zu sehen.

  Sie nickte mir zu. »Hey.«

  »Ich hoffe, es ist okay, dass ich Roxy mitgebracht habe«, sagte Ella. »Sie kommt gerade von der Jagd und war im Quartier verzweifelt auf der Suche nach etwas zu essen, das kein Sellerie ist.«

  Ich lachte. »Klar ist das okay.«

  Gemeinsam gingen wir zur Theke und bestellten Kaffee und Brownies.

  »Oh. Mein. Gott«, stöhnte Roxy, nachdem sie den ersten Bissen probiert hatte, und kaute mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. »Wie kann es sein, dass ich schon seit fast zwei Wochen hier bin und mir noch niemand von diesem Laden erzählt hat?«

  Ella schmunzelte. »Du verbringst zu viel Zeit mit diesen ganzen Trainingsfanatikern.«

  »Heh!«, protestierte ich.

  »Ich sag nur die Wahrheit. Wann warst du das letzte Mal nicht trainieren?«

  Ich presste die Lippen aufeinander, da ich die Antwort nicht kannte. Das tägliche Aufsuchen der Kampf- und Trainingsräume war ein Ritual für mich. Ein fester Bestandteil meines Tagesablaufs. Immerhin hing auf der Jagd mein Leben davon ab, dass mir nicht nach fünf Minuten die Puste ausging.

  »Du magst Sport auch nicht?«, fragte Roxy Ella überrascht.

  »Ich hasse ihn.«

  Roxy lächelte, als hätte sie gerade eine wichtige Verbündete gefunden. »Ich auch!«

  »Yeah, Anti-Sportfreunde-High-Five.« Ella streckte ihr über den Tisch die Hand entgegen, und Roxy schlug ein.

  Ich verdrehte die Augen und machte mir eine mentale Notiz, die beiden besser nicht zu fragen, ob sie mit mir trainieren wollten. Seit Jules weg war, fehlte mir nicht nur ein Partner im Kampf, sondern auch beim Training. Allein auf dem Laufband zu stehen oder auf der Rudermaschine zu sitzen war kein Problem, aber mir fehlte das One-on-One-Training. Mit Warden zusammen auf die Jagd zu gehen war eine Sache. Nur so konnte ich Jules und er Isaac finden. Gemeinsam zu trainieren hingegen war keine Notwendigkeit, deswegen würde ich ihn niemals darum bitten.

 

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