Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 19

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  »Was ist?« Wie aus dem Nichts war neben mir auf dem Bett eine Frau aufgetaucht. Sie trug einen Bikini und einen großen Hut, als hätte sie eben noch an einem Strand in Bali gelegen.

  Ich hatte keine Ahnung, wie er das machte, aber ich hatte schon lange aufgehört, die Magie des Todesboten verstehen zu wollen. Sie schien sämtlichen Gesetzmäßigkeiten zu trotzen.

  »Hey«, begrüßte ich ihn überrascht. »Ich kann nicht glauben, dass das funktioniert hat.«

  Kevin schnaubte. »Das tut es auch nicht. Ich bin kein verdammter Schoßhund und auch nicht dein persönlicher Djinn. Aber ich war neugierig, was du von mir willst. Also, was gibt’s?«

  »Ich muss dich etwas fragen.«

  Abwartend sah Kevin mich an.

  Ich holte tief Luft. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und meine Hände wurden feucht, so sehr fürchtete ich mich vor Kevins Antwort. »Dominique … Kannst du mir sagen, ob sie in der Geisterwelt ist?«

  »Na endlich, ich habe schon die ganze Zeit drauf gewartet, dass du mich nach ihr fragst«, sagte Kevin und überkreuzte seine langen, gebräunten Beine. »Ja, sie ist in der Geisterwelt.«

  »Und geht es ihr dort gut?«

  Die Geisterwelt war ebenso wie die Unterwelt ein Geheimnis für die Lebenden. Es gab bestimmte Tage im Jahr, an denen der Schleier zwischen den Welten sehr dünn war und ein Übergang möglich, aber es gab gute Gründe dafür, dass die Welten voneinander getrennt waren. Und Marjorie, die Königin der Geisterwelt, mochte es anscheinend nicht sonderlich, Lebende in ihrem Reich willkommen zu heißen.

  »Ich habe nicht nachgesehen, aber ich bin mir sicher, es geht ihr blendend«, sagte Kevin. »Die Geisterwelt ist ein friedlicher Ort, und sie ist dort mit ihrem Bruder vereint, also mach dir keine Sorgen um sie.«

  Ich konnte fühlen, wie sich ein Gewicht von meiner Brust hob, das in den letzten Wochen zu einer solchen Selbstverständlichkeit geworden war, dass ich es kaum noch wahrgenommen hatte. »Danke, Kevin.«

  Er lächelte. »Kann ich sonst noch was für dich tun?«

  Ich schüttelte den Kopf. Das war alles, was ich wissen musste. Ich hatte mich lange vor dieser Frage gedrückt aus Angst davor, Kevins Antwort könnte anders ausfallen. Ich hätte nicht gewusst, wie ich damit umgehen sollte, wäre Dominique in der Unterwelt gelandet. Zwar hatte sie in meinen Augen nie etwas getan, um das zu verdienen, dennoch war da diese Angst gewesen. Eine Angst, die Kevin mir nun genommen hatte. Dominique war bei ihrem Bruder, das … das war schön. Auch wenn es nichts an der Tatsache änderte, dass ihr Leben zu kurz gewesen war und ich sie nicht hatte retten können. Sie hätte auf dieser Welt noch viel Gutes bewirken können.

  Kevin verabschiedete sich mit einem Nicken, und in der nächsten Sekunde war er bereits verschwunden.

  Reglos saß ich auf dem Bett und ließ die Worte des Todesboten in mir nachhallen, als plötzlich mein Handy aufleuchtete. Ich nahm es vom Nachttisch und stellte verblüfft fest, dass Tränen meinen Blick verschleierten. Schnell blinzelte ich sie weg.

  Cain: Gehen wir heute auf die Jagd?

  Warden: Du bist noch verletzt.

  Cain: Es ist schon viel besser.

  Warden: Vergiss es.

  Cain: Ich will nicht noch mehr Zeit verlieren.

  Warden: Du bist Jules keine Hilfe, wenn du dich selbst in Gefahr bringst.

  Cain: Argh, ich hasse es, wenn du recht hast.

  Cain: Aber ich werde verrückt, wenn ich hier noch länger rumsitze.

  Warden: Es sind erst ein paar Tage vergangen.

  Cain: Ja! Tage, in denen ich nur in meinem Zimmer rumsaß. Ich war noch nicht mal trainieren aus Angst, dass jemand vielleicht bemerken könnte, dass ich verletzt bin.

  Warden: Das ist nicht der einzige Grund, aus dem du noch nicht trainieren solltest.

  Cain: Ach, halt die Klappe.

  19. KAPITEL

  Cain

  Ich starrte auf mein Handy und wartete darauf, dass Warden eine schlagfertige Antwort als Erwiderung auf meine Nachricht schickte, aber es kam nichts. Obwohl er sich von mir noch nie den Mund hatte verbieten lassen, weder im Ernst noch aus Spaß. Ich hatte ihn ärgern wollen so wie … so wie früher.

  Vielleicht lag es daran, dass ich mein Zimmer seit Tagen nicht verlassen hatte. Oder daran, dass er mir gestanden hatte, sich doch an unsere erste Jagd zu erinnern. Vielleicht hatte es auch einen ganz anderen Grund, aber ich wollte wirklich gern mit ihm reden. Er war so lange ein Teil meines Lebens gewesen, und die letzten Tage hatten mich erkennen lassen, dass ich ihn vermisste. Wir waren damals nicht einfach nur Kampfpartner gewesen, sondern beste Freunde. Zwischen uns hatte es keine Geheimnisse gegeben, und egal ob ich einen guten Witz oder eine interessante Geschichte gehört hatte oder ob mir etwas Lustiges passiert war, er war immer die erste Person gewesen, der ich alles hatte erzählen wollen. Noch vor Jules, Ella und meinen Eltern. Eine solch tiefe Verbundenheit verschwand nicht einfach, nur weil man sich eine Weile nicht mehr sah.

  Als Warden damals beschlossen hatte, unsere Partnerschaft zu beenden, hatte es mir das Herz gebrochen. Ich war verletzt und gekränkt gewesen und hatte nicht verstanden, wie er Jahre der Freundschaft so leicht hatte wegwerfen können, zumal ich ihn nur vor sich selbst hatte schützen wollen. Dafür hatte ich ihn lange gehasst. Aber das alles lag inzwischen drei Jahre zurück. Die Wut war noch immer da, allerdings weniger dominant. Auch wenn es zwischen uns nie wieder sein konnte wie früher, war es vielleicht an der Zeit, ihm zu verzeihen und das, was zwischen uns gewesen war, hinter uns zu lassen – sowohl das Gute als auch das Schlechte – und neu anzufangen.

  Cain: Sorry, ich hab es nicht so gemeint.

  Ich konnte sehen, dass die Nachricht zugestellt wurde, allerdings nicht erkennen, ob Warden sie gelesen hatte. Sekunden, die zu Minuten wurden, verstrichen, ohne dass ich eine Antwort bekam. Ich wollte gern glauben, dass er eingeschlafen war oder mit Roxy, Finn und Shaw unterwegs war und mir deswegen nicht schreiben konnte, aber die Wahrheit war, dass er mich vermutlich nur ignorierte.

  Cain: Wie war dein Tag?

  Cain: Hast du schon von dem Streit gehört, den Owen und Ella in den Trainingsräumen hatten?

  Cain: Warden?

  Cain: Rede mit mir. Bitte.

  Okay, jetzt klang ich wirklich verzweifelt. Für Ella wäre es der Himmel auf Erden gewesen, tagelang in ihrem Zimmer herumliegen und Musik hören zu können, für mich hingegen war es die Hölle. Das einzige Mal, dass ich mich abseits der Essenszeiten rausgewagt hatte, war gewesen, um die Kleinen zu unterrichten. Leider hatte diese Woche eine Stunde Kampfpraxis auf dem Plan gestanden. Damit ich ihnen keine neuen Bewegungsabfolgen zeigen musste, die womöglich etwas über meinen gesundheitlichen Zustand verrieten, hatte ich sie die Übungen der Vorstunde wiederholen lassen.

  Ich steckte mein Handy weg, bevor ich noch mehr Nachrichten verschicken konnte, die ich vermutlich bereuen würde, sobald wieder Normalität eingekehrt war. Dann rollte ich mich von meinem Bett, wobei ich ein schmerzhaftes Ziehen im Oberschenkel verspürte. Zwar hatte sich die Wunde bereits geschlossen, aber nicht einmal Wardens Nähkünste konnten dafür sorgen, dass sich Muskeln und Haut innerhalb weniger Tage wieder so zusammenfügten, als hätte es die Verletzung nie gegeben. Vermutlich würde sie noch zwei, drei weitere Tage zum Abheilen benötigen.

  Ich humpelte ins Badezimmer, um mich aus Langeweile zu schminken. Nebenbei ließ ich den Podcast eines Hunters aus Tokio laufen, der nur über eine passwortgeschützte Webseite zugänglich war. Er erzählte darin über seine eigenen Erfahrungen als Jäger, gab Geschichten zum Besten, die er gehört hatte, und manchmal waren auch andere Hunter bei ihm zu Gast. Letztere waren die interessantesten Folgen.

  Ich war mit meinem Lidschatten fertig und wollte gerade den Eyeliner-Strich ziehen, als es klopfte. Verwundert legte ich den Stift zur Seite, um aufzumachen, und war ziemlich überrascht, Warden vor meiner Tür stehen zu sehen. Ich blinzelte, als könnte er nur eine Einbildung sein. Er trug seine Brille, eine schlichte graue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt
.

  »Hey«, begrüßte ich ihn leicht verwirrt. Was machte er hier? Wollte er mich persönlich für die ganzen Nachrichten anschnauzen, mit denen ich ihn zugespamt hatte? »Was gibt’s?«

  »Ich bin hier, um dich abzuholen.«

  »Gehen wir jagen?«

  »Nein.«

  »Brauch ich Schuhe?«

  Warden blickte an sich herab. Er trug ebenfalls nur Socken.

  »Okay, dann wohl nicht«, schlussfolgerte ich und trat ohne weitere Fragen in den Flur hinaus.

  Mir war es eigentlich egal, wohin wir gingen oder was wir vorhatten, solange ich aus meinem Zimmer kam. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass wir zwei Korridore weiter bereits angekommen waren. Vor der Tür seines Zimmers. Er tippte seinen Sicherheitscode ein und bedeutete mir einzutreten.

  Ich sah mich in dem Raum um, in dem noch immer Chaos herrschte, vielleicht sogar noch mehr als bei meinem letzten Besuch. »Was machen wir hier?«

  Warden schnappte sich zwei PlayStation-Controller von seinem Bett, die ich dort in der Unordnung überhaupt nicht bemerkt hatte. Einen davon reichte er mir. »Deine Langeweile bekämpfen.«

  War das sein Ernst? Offensichtlich. Denn er setzte sich auf sein Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, und schaltete den Fernseher ein, der über seinem Schreibtisch hing. Verdutzt stand ich einfach nur da und versuchte zu begreifen, was gerade vor sich ging. War Warden von einem Geist besessen?

  »Setz dich«, sagte er, ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen. »Oder willst du den Rest des Abends da rumstehen und mich anstarren?«

  Ich schüttelte den Kopf und kletterte zu ihm aufs Bett. Um einen guten Blick auf den Fernseher zu haben, musste ich mich direkt neben ihn setzen. Unsere Knie waren nur Millimeter voneinander entfernt. »Ich wusste nicht, dass du eine PlayStation hast.«

  »Hab ich auch nicht. Die ist aus den Gemeinschaftsräumen.«

  »Du hast sie geklaut?«

  »Ausgeliehen«, korrigierte mich Warden.

  Er hatte sich in der Zwischenzeit mit seinem Profil eingeloggt und ein Spiel für uns ausgewählt. Es folgte ziemlich einfachen Regeln. Jeder von uns wählte einen Charakter, und anschließend kämpften wir in einem Duell gegeneinander, bei dem jeder Charakter über zwei Leben und besondere Fähigkeiten und Attacken verfügte, die eine Animationssequenz starteten und beim Gegner besonders viel Schaden verursachten.

  Wild hämmerte ich auf den Controller ein, ohne zu wissen, welcher Knopf welchen Angriff auslöste. »Komm schon, komm schon, komm schon …«, flehte ich und umklammerte den Controller fester, als ich versuchte, Warden auszuweichen, der mit einer Sonderattacke auf mich losging. Mein Energiebalken befand sich bereits auf einem lebensbedrohlichen Tiefstand. Doch ich entkam ihm nicht, und am Ende der Simulation vollführte sein Charakter einen Freudentanz über seinen Sieg.

  Warden grinste selbstgefällig.

  Ich schnaubte. »Du hattest den besseren Charakter.«

  »Nein, du bist einfach schlecht.«

  »Ich will eine Revanche.«

  Dieses Mal wählte ich den Charakter, mit dem Warden zuvor gespielt hatte, während er sich für einen anderen entschied. Hektisch, als würde mein Leben davon abhängen, hämmerte ich auf den Controller ein. Für einen kurzen Moment übernahm ich die Führung, ehe Warden mich erneut plattmachte, dieses Mal ganz ohne Sonderattacke. Ich gab ein frustriertes Grummeln von mir, da meinem zwanghaften Ehrgeiz nicht gefiel, Warden so haushoch gewinnen zu sehen; aber es machte trotzdem Spaß, mit ihm zu zocken, und außerdem war es eine willkommene Abwechslung.

  In der dritten Runde wählte ich denselben Charakter wie Warden, und dieses Mal sah das Ergebnis schon ganz anders aus. Mein Energiebalken war noch fast vollständig gefüllt, während der von Warden bereits eine gefährlich rote Färbung angenommen hatte. Ich verpasste ihm einen heftigen Tritt, und sein Charakter ging zu Boden.

  »Ja, so hab ich mir das vorgestellt!«

  Warden neben mir war auf einmal ganz ruhig. Ich schielte zu ihm hinüber, aber er war völlig auf den Fernseher konzentriert, wo sein Charakter mit nur noch einem Leben wieder aufstand, während ich noch fast völlig gesund war. Zuversichtlich, diese Runde endlich gewinnen zu können, ging ich auf Wardens Avatar los – und bekam heftig den Arsch versohlt. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da wurde aus meinem grünen Energiebalken ein orangener, dann ein roter und schließlich wieder ein grüner, als sich mein zweites Leben aktivierte. Von dem ein paar Sekunden später nur noch ein gelbes Leuchten übrig war.

  Was zum Teufel?

  Mit aller Kraft versuchte ich, den Kampf zu gewinnen, aber die Chance auf einen Sieg verpuffte vor meinen Augen, als Warden seine Spezialattacke auf mich losließ. Bye bye, schöne Welt. Mein Charakter ging zu Boden, und erneut ergötzte sich der Avatar von Warden an meinem Tod.

  Ich sah zu Warden hinüber. Seine Miene war noch immer ausdruckslos, aber das Funkeln in seinen Augen verriet mir, dass ich nie eine Chance gehabt hatte zu gewinnen. Er hatte mich in falscher Sicherheit gewogen, um mich anschließend noch brutaler als die Male zuvor zu zerstören, dieser Mistkerl!

  »Du hast mich verarscht«, stellte ich fest.

  Wardens Mundwinkel zuckten, aber immerhin besaß er den Anstand, sein Grinsen zurückzuhalten. »Vielleicht.«

  »Wie oft spielst du das mit Wayne?«

  Nun lachte er doch. Es war ein fröhliches Lachen, das ausnahmsweise nicht von Verachtung und Bitterkeit durchzogen war, so wie ich es zuletzt von ihm gewöhnt gewesen war. Es zu hören, war es schon beinahe wert, verloren zu haben.

  »Was? Kann ich nicht einfach so besser sein als du?«

  »Warte ab, bis ich mich warmgespielt habe«, knurrte ich.

  Aber meine Drohung stellte sich eher als milder Sommerregen denn als bedrohliches Gewitter heraus. Warden besiegte mich in zehn von zehn Runden, die gefühlt alle innerhalb eines Wimpernschlags vorbei waren. Ich hasste es, wie viel besser er war als ich. Gleichzeitig genoss ich es zu sehen, wie sehr er sich über seine Siege freute. Denn auch wenn er es vor mir zu verstecken versuchte, blieb mir sein kleines Lächeln nicht verborgen.

  »Ich hab Hunger«, verkündete Warden nach einer weiteren Niederlage meinerseits. Er ließ seinen Controller in meinen Schoß fallen und rutschte vom Bett. »Soll ich dir was aus der Cafeteria mitbringen?«

  »Ich kann mitkommen.«

  »Nein, schon gut. Üb lieber noch ein bisschen«, sagte er mit einem Grinsen, dann war er verschwunden und ich allein in seinem Zimmer.

  Langsam ließ ich den Blick schweifen, und erst in diesem Moment, ohne das ständige Keuchen meines sterbenden Charakters im Hintergrund, wurde mir wirklich bewusst, wo ich mich befand und mit wem ich Zeit verbrachte. Hätte mir jemand vor drei Wochen gesagt, dass ich mit Warden in seinem Zimmer abhängen und Videospiele spielen würde, hätte ich ihn ausgelacht. Trotzdem kam mir die Situation, die sich eigentlich fremd anfühlen sollte, merkwürdig vertraut vor. Wir hatten vor unserem Streit oft auf seinem Bett gesessen, Karten gespielt und einfach nur geredet. Damals war ich noch fest davon überzeugt gewesen, dass es nichts gab, was uns je würde auseinanderbringen können. Wie sehr ich mich geirrt hatte.

  Ich startete einen Trainingskampf, stellte aber schnell fest, dass es – obwohl ich gewann – nicht einmal halb so viel Spaß machte, gegen den Computer zu kämpfen wie gegen Warden. Es war einfach nicht dasselbe. Ich legte den Controller zur Seite und schnappte mir stattdessen das Buch, das auf dem Nachttisch lag.

  Es war ein Buch über Geister der Phase 4, das sich allerdings nicht nur mit den Arten verstorbener Seelen auseinandersetzte, sondern auch mit der Physik, Chemie und Biologie hinter den Erscheinungen. Es ging um Theorien zu elektromagnetischen Feldern und jede Menge anderen wissenschaftlichen Kram, den ich nicht ganz verstand. Dass Warden es las, überraschte mich allerdings nicht. Er hatte sich schon immer für die Wissenschaft hinter den Kreaturen interessiert, genau wie sein Vater. Früher hatten sie oft gemeinsam an Erfindungen für die Hunter herumgeschraubt. Immer wenn ich bei Famili
e Prinslo zum Abendessen gewesen war, hatte mir James erzählt, woran er gerade arbeitete. Doch durch seinen frühen Tod waren viele seiner Ideen lediglich Theorien geblieben. Wie das Gerät, mit dem man Hexern ihre Magie entziehen konnte, ein Kompass zum Aufspüren von Geistern und ein Impfstoff, der die Verwandlung in einen Vampir nicht nur verhindern, sondern auch umkehren sollte. Aber das wäre vermutlich eh alles zu schön gewesen, um wahr zu sein.

  Ich blätterte noch immer durch das Buch, als Warden mit einem Stapel Sandwiches auf einem Teller und zwei Cola-Flaschen in der Hand zurückkam. Es war das einzige zuckerhaltige Getränk, das Wayne nicht geschafft hatte, aus den Automaten im Quartier zu verbannen. Grant war süchtig nach dem Zeug.

  »Ich sehe, du hast dich dafür entschieden herumzuschnüffeln, anstatt zu üben«, bemerkte Warden, wirkte aber nicht verärgert. Er setzte sich wieder zu mir aufs Bett und reichte mir eine der Flaschen. Den Teller stellte er zwischen uns.

  »Ich hab nicht herumgeschnüffelt, nur das Buch angeschaut.« Ich legte es zurück und schnappte mir eines der Sandwiches. »Nicht gerade das, was man als leichte Bettlektüre bezeichnen würde.«

  Er hob die Schultern, als sei es für ihn vollkommen mühelos, dieses Zeug zu lesen.

  »Warum interessierst du dich überhaupt für Geister der Phase 4?«, fragte ich und biss von dem Toast ab.

  »Tu ich nicht. Ich helfe nur einem Freund.«

  »Wayne?«

  »Mhh, er ist da gerade an einer Sache dran.«

  Das ließ mich aufhorchen. »Und warum fragt er dich und keinen Soul Hunter? Ella oder Louis würden ihm sicherlich helfen, wenn er Probleme hat.«

  Warden trank einen Schluck von seiner Cola und zuckte ein weiteres Mal mit den Schultern. Er hatte ein Bein an seinen Körper gezogen, das andere lag zu meiner linken Seite ausgestreckt, sodass ich es leicht hätte berühren können.

  »Wo du gerade Ella erwähnst«, setzte Warden an und schnappte sich das nächste Sandwich. »Was ist zwischen Owen und ihr passiert?«

  Oh, ich hatte schon fast vergessen, dass ich Warden den Köder hingeworfen hatte, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Andererseits war der Streit der beiden kein wirkliches Geheimnis. »Ich war nicht dabei, aber ich habe gehört, dass sie sich im Trainingsraum ziemlich gezofft haben.«

 

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