Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

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Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 22

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl


  »Seid ihr sicher, dass es das wert ist?«

  Langsam drehte ich mich zu ihr um. »Was meinst du damit?«

  Harper verschränkte die Arme vor der Brust. Die langen schwarzen Haare fielen ihr glatt über die Schultern, das Piercing in ihrem linken Nasenflügel reflektierte das künstliche Licht. »Wie lange ist Jules schon verschwunden? Zwanzig Tage? Mehr? Weniger?«

  Ich hob die Brauen. Mein Herz begann heftig zu pochen. Mit Harper über Jules zu reden, war wie mit einem Stock in einem Wespennest herumzustochern – dumm und schmerzhaft. »Was willst du damit sagen?«

  »Ihr begebt euch für ihn in Lebensgefahr.«

  »Weil wir ihn retten wollen.«

  »Er ist vermutlich tot.«

  Ich ballte die Hände zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken, das dabei war, Besitz von mir zu ergreifen. Wie konnte sie so etwas nur sagen? Mir war klar, dass sie ein Herz aus Eis hatte, aber dass sie so weit gehen würde … »Das würde dir gefallen, oder? Du hast ihn nie gemocht. Vermutlich bist du froh, dass er weg ist!«

  Harpers Augen weiteten sich. Fassungslos starrte sie mich an, als wüsste sie nicht, mit welcher Lüge sie darauf antworten sollte, um alles zu leugnen. Sie hatte Jules aus Gründen, die ich niemals verstehen würde, verachtet und ihm immer und immer wieder das Gefühl gegeben, er wäre unter ihrer Würde.

  »Wir sollten jetzt besser gehen«, sagte Warden. Er packte mich am Ellenbogen und zerrte mich aus dem Zimmer hinaus auf den Flur.

  Ich leistete keinen Widerstand.

  Wir liefen ein paar Schritte, erst dann ließ er mich los. Ratlos sah er mich an. »Was sollte das?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Du würdest es nicht verstehen.«

  Genervt fuhr sich Warden mit einer Hand durch die Haare. Sein Blick zuckte zurück zu Harpers geschlossener Tür und dann wieder zu mir. »Ich kann es nicht verstehen, wenn du es mir nicht erklärst.«

  Ich biss die Zähne aufeinander. Natürlich wusste er nicht, was sich zwischen Harper und Jules abgespielt hatte, dafür hatte er in den letzten drei Jahren zu wenig Zeit im Quartier verbracht.

  »Harper hat Jules sehr verletzt«, antwortete ich im Flüsterton und schlang die Arme um meine Mitte, um mich irgendwie zusammenzuhalten. Ich würde niemals begreifen, was Jules an ihr fand, aber sein Schmerz und seine Enttäuschung von damals wogen in seiner Abwesenheit noch schwerer. Er hätte es verdient gehabt, das glücklichste aller Leben zu führen …

  »Das tut mir leid«, sagte Warden, und es klang aufrichtig. »Aber ich bin mir sicher, dass Harper sich nicht seinen Tod wünscht. Sie hat nur einen klareren Blick auf die Situation.«

  Ich runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«

  »Nichts, nur dass sie vielleicht etwas rationaler an die Sache rangeht.«

  Ich verengte die Augen zu Schlitzen und musterte ihn.

  Warden starrte zurück, wobei sich sein Kopf leicht nach rechts neigte, wie immer, wenn er log.

  Ein Stechen breitete sich in meiner Brust aus, und ich wich vor ihm zurück. »Du glaubst, dass sie recht hat.«

  »Das habe ich nicht gesagt.«

  »Aber du hast es gedacht.«

  »Ja, ich denke, dass zwanzig Tage eine lange Zeit sind.«

  Shit. Mir stiegen Tränen in die Augen, und ich wusste nicht einmal, warum. Warden hatte mir bereits am ersten Tag, als ich ihn um seine Hilfe gebeten hatte, klar und deutlich gesagt, dass er glaubte, dass Jules tot sei. Warum also verletzten mich seine Worte jetzt so sehr?

  Ich blinzelte, um ihn meine Tränen nicht sehen zu lassen. »Warum verschwendest du überhaupt deine Zeit mit mir und dieser Suche, wenn du nicht daran glaubst, dass wir Jules finden können?«

  »Ich habe meine Gründe.«

  »Dir geht es nur um Isaac, nicht wahr?«, fragte ich, obwohl ich es nicht ganz begriff. Warden hatte jahrelang allein nach dem Vampirkönig gesucht. Er brauchte mich nicht, und in Anbetracht der jüngsten Ereignisse und meiner Verletzung war ich ihm eher ein Klotz am Bein als eine Hilfe.

  Dennoch schüttelte er jetzt den Kopf. »Das stimmt nicht.«

  »Ach nein? Und warum hilfst du mir dann?«

  »Spielt keine Rolle.«

  »Wenn du es nur aus Mitleid tust …«

  »Das ist es nicht.«

  »Was dann?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Auf einmal fühlte ich mich wahnsinnig hilflos und verletzlich. Vielleicht weil Harper und Warden eine Angst ausgesprochen hatten, die tief in meinem Innersten schlummerte, die ich mir aber nicht erlaubte freizulassen. Denn wenn ich die Hoffnung verlor, verlor ich auch Jules.

  »Das würdest du nicht verstehen.«

  Ich schnaubte. »Ich kann es nicht verstehen, wenn du es mir nicht erklärst«, warf ich ihm seine eigenen Worte an den Kopf.

  Warden stieß ein schweres Seufzen aus, bevor er sich aufmerksam umsah. Aber wir waren allein im Flur. Erwartungsvoll sah ich ihn an, bis sein Blick erneut meinen fand. Kurz starrte er mich an, dann gab er seinen Widerstand auf. »Ich helfe dir, weil ich die Vorstellung hasse, dass du allein auf der Jagd bist.«

  »Weil du mich für eine schlechte Jägerin hältst. Wow, das ist –«

  »Fuck, Cain! Nein.« Erneut fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, wobei er dieses Mal die Strähnen mit der Faust umklammerte, als würde ich ihn so sehr zur Verzweiflung treiben, dass er sie sich ausreißen wollte. »Selbst die besten Jäger können sterben. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren! Denn falls du es nicht bemerkt hast, du bist mir verdammt wichtig.«

  Ich blinzelte. »Ich bin dir …«, wiederholte ich verständnislos, brach aber mitten im Satz ab. Seine Bedeutung war das komplette Gegenteil von allem, woran ich die letzten Monate geglaubt hatte. »Aber du hasst mich.«

  Warden schluckte. »Ich konnte dich nur so sehr hassen, weil du mir verdammt wichtig bist.«

  Er machte einen Schritt auf mich zu, sodass ich den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn ansehen zu können. Auf einmal fühlte sich meine Kehle staubtrocken an. Die Gefühle, die sich in seinen blauen Augen spiegelten, waren eine Reflexion meiner eigenen. Die letzten drei Jahre hatten einen Keil zwischen uns getrieben, aber Warden hatte einen festen Platz in meinem Herzen und daran würde sich niemals etwas ändern. Selbst in der finstersten Zeit, als ich ihn zum Teufel gewünscht hatte, hatte sein Name mich jedes Mal aufhorchen lassen.

  »Das ergibt keinen Sinn«, murmelte ich, wobei ich mir nicht sicher war, ob das eine Antwort auf Wardens Worte oder meine eigenen, wirren Gedanken war. Ich verstand nichts mehr. Dennoch wehrte ich mich nicht gegen diesen Moment und auch nicht gegen seine Nähe, die mich vollkommen einnahm.

  Ein sanftes Lächeln trat auf Wardens Lippen. »Meine Gefühle für dich haben noch nie Sinn ergeben«, wisperte er und hob die Hand. Sachte streichelte er mir über die Wange und schob mir eine Haarsträhne hinters Ohr, ehe seine Finger in meinem Nacken innehielten.

  Ich war wie erstarrt, und mein Herz begann wild zu pochen, als sich Warden langsam zu mir herabbeugte. Sein warmer Atem streifte meine Lippen. Ich hielt die Luft an, während sich ein Kribbeln in mir ausbreitete und sich meine Augen wie von selbst schlossen. Stück für Stück kam Warden mir näher. Mein Magen zog sich zusammen, als seine Lippen meine streiften.

  Oh mein Gott.

  Meine Knie wurden weich, und ich …

  Ein lautes Räuspern erklang hinter uns, das mich wie ein Eimer kaltes Wasser traf und mich daran erinnerte, dass wir noch immer auf einem Gang mitten im Quartier standen.

  Ich zuckte zurück, und Wardens Hand glitt von meinem Nacken. Sein Blick spiegelte meine eigene Verwirrung wider.

  Heilige Scheiße, was taten wir hier eigentlich? Hatten … Hatten wir uns gerade fast geküsst?

  Benommen von dieser Erkenntnis sah ich mich nach der Quelle der Störung um. Ein paar Schritte von uns entfernt entdeckte ich Roxy und Shaw.

  »Und ich dachte, das mit uns wäre etwas Besonderes gewesen«, sagte Shaw, ein breites Grinsen im Gesicht.

 
Roxy hingegen wirkte weniger erfreut. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Hundertsiebenundzwanzig Tage, Warden. Hundertsiebenundzwanzig.«

  »Ich weiß, und ich bin fast fertig.« Wardens Stimme klang belegt, als wäre er unerwartet aus einem Traum gerissen worden.

  »Du bist seit Wochen fast fertig.«

  Ich blinzelte irritiert, da ich der Unterhaltung nicht folgen konnte. »Fertig womit?«

  »Roxy braucht eine der Erfindungen meines Vaters. Ich soll sie für sie modifizieren.«

  »Wofür?«

  »Roxy hat versehentlich ein Tor zur Unterwelt geöffnet und dabei 449 böse Geister befreit, die sie in ebenso vielen Tagen zurückschicken muss, anderenfalls verdammt Kevin ihre Seele in die Unterwelt.«

  »Warden!«, fauchte Roxy. »Das war ein Geheimnis!«

  »Mach dir nicht ins Hemd. Cain wird niemandem davon erzählen, oder?« Warden sah mich fragend an.

  Ich war noch immer leicht verwirrt, dennoch nickte ich. Harper jagte den Mörder ihrer Eltern. Warden suchte nach Isaac. Ich versuchte, Jules zu finden. Warum sollte also nicht auch Roxy gegen die Regeln verstoßen dürfen? Offensichtlich waren die inzwischen ohnehin nicht mehr viel wert.

  Roxy starrte Warden noch immer zornig an.

  Er seufzte. »Gib mir noch zwei Tage, dann ist das Gerät für einen ersten richtigen Probelauf fertig, okay?«

  »Okay«, sagte Roxy, wirkte aber alles andere als zufrieden.

  Ich hatte keine Ahnung, was genau passiert war, aber ich konnte ihre Ungeduld verstehen. Die Aussicht, in der Unterwelt zu landen, war alles andere als reizvoll. Und 449 Geister waren eine ganze Menge. An einer solchen Aufgabe wäre vermutlich der beste Soul Hunter gescheitert.

  »Super, dann gehen wir jetzt mal wieder und lassen euch in Ruhe weitermachen. Viel Spaß«, sagte Shaw und dirigierte Roxy an uns vorbei den Korridor entlang.

  Wir rührten uns nicht, bis die beiden um die nächste Ecke verschwunden waren, und selbst dann wagte ich es nicht, Warden anzusehen. Warden, den ich um ein Haar geküsst hätte. Warden, der seine Hand so zärtlich in meinen Nacken geschoben hatte. Warden, dessen Lippen ich bereits auf meinen gespürt hatte. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?

  Gott, ich hatte gar nicht gedacht, sondern mich von meinen Gefühlen leiten lassen. Was es noch viel schlimmer machte, denn offenbar wollte ein Teil von mir Warden küssen. Oh Mann …

  Warden räusperte sich und deutete unbeholfen den Gang hinunter. Was er wohl gerade dachte? Bereute er unseren Beinahe-Kuss? War es ihm peinlich? »Ich sollte dann wohl besser in die Werkstatt gehen, um … Du weißt schon …«

  »Ja, ich muss auch … Dinge tun.«

  »Genau, Dinge … Wir sehen uns?«

  »Klar«, sagte ich mit einem steifen Lächeln.

  Warden nickte, dann wandte er sich abrupt ab und lief davon.

  Ich sah ihm nach. Mein Herz pochte noch immer heftig, während ich zu begreifen versuchte, was da gerade passiert war.

  22. KAPITEL

  Warden

  »Lass uns da langgehen«, sagte ich zu Cain und deutete nach rechts in Richtung der Promenade.

  Es war die vierte Nacht in Folge, die wir durch Leith streiften, einen Stadtteil von Edinburgh, in dem es immer etwas nach Salz, Algen und gegrilltem Fisch roch, um nach Tarquin und anderen Hexen Ausschau zu halten. Und es war auch die vierte Nacht in Folge, in der Cain und ich nicht über das redeten, was um ein Haar auf dem Flur vor Harpers Zimmer passiert wäre.

  »Da waren wir schon«, sagte Cain.

  »Ich weiß, aber lass uns noch mal nachsehen.«

  Bisher hatte es in diesem Viertel keine Anzeichen magischer Aktivitäten gegeben. Vorgestern hatten wir eine Aswang erledigt, ein Blutwesen, das entfernt mit den Vampiren verwandt war, da es ihn nach dem Blut ungeborener Kinder verlangte. Allerdings standen diese Kreaturen bedauerlicherweise in keinerlei Verbindung zu Isaac und waren daher absolut nutzlos für uns.

  Cain und ich folgten dem Weg, der am Ufer des Water of Leith entlangführte, und näherten uns langsam dem Hafen. Die vertäuten Schiffe wogten im Takt des Meeres, das sanft gegen die Kaimauer schlug.

  Ich beobachtete einen Mann, der allein die Hafenpromenade entlangspazierte. »Schau dir mal den Kerl auf zehn Uhr an.«

  Ohne den Kopf zu drehen, schielte Cain in die angegebene Richtung. »Der mit der roten Jacke?«

  »Ja.«

  »Sieht unauffällig aus.«

  »Die sehen alle unauffällig aus.«

  »Schon. Aber würde sich ein Hexer, der dabei ist, in Baldurs Auftrag Vampire zu töten, wirklich gemütlich auf eine Bank setzen, um sich das Meer anzuschauen?«, fragte Cain, denn genau das tat der Mann gerade.

  Ich hasste es, dass ich Hexer nicht riechen konnte wie Vampire. Jeder, der uns begegnete, hätte einer von Baldurs Leuten sein können. Uns blieb nichts anderes übrig, als zu spekulieren. Die einzigen Hexer, die wir mit Gewissheit würden entlarven können, waren die Frau und die beiden Männer auf dem Foto, das Harper uns gezeigt hatte.

  »Wir werden sie schon noch finden«, sagte Cain optimistisch und zog ihren grünen Mantel, den sie von Wayne zurückbekommen hatte, enger um die Schultern. Hier, in der Nähe des Meeres, wehte der Wind gleich deutlich kühler.

  Ich musste das Verlangen unterdrücken, einen Arm um sie zu legen, um sie zu wärmen. Dafür war ich mir zu unsicher, wo wir nach unserem Beinahe-Kuss standen. Er war wie ein Geist der Phase 1. Er existierte, aber wir nahmen ihn nicht wahr, und das ließ mich ziemlich planlos zurück. Ich hatte noch nie ein Problem damit gehabt, zu erkennen, was Frauen oder Männer von mir wollten. Eigentlich war ich ziemlich gut darin, ihre Körpersprache zu lesen, aber Cain war wie ein auf Latein verfasstes Buch für mich. Ich konnte ein paar Wörter entziffern, denn sie war mir eindeutig zugeneigt, aber ich verstand den Kontext nicht. Wollte sie, dass ich sie küsste, oder rührte ihre Zuneigung nur von unserer wiedergefundenen Freundschaft her? Waren wir überhaupt wieder Freunde? Es fühlte sich so an und gleichzeitig auch nicht.

  »Ist Kevin wieder da?«, fragte Cain.

  Ich sah sie an. »Nein, wie kommst du darauf?«

  »Du hast so konzentriert ausgesehen.«

  »Das ist mein normales Gesicht. Ich bin immer konzentriert.«

  »Natürlich«, erwiderte sie amüsiert, wobei ein Lächeln in ihren Mundwinkeln zuckte. Und auch meine Lippen verzogen sich, ohne dass ich es hätte verhindern können.

  Cain und ich blieben eine Weile direkt am Hafen, um die zahlreichen Restaurants im Auge zu behalten. Doch es gab keinerlei Auffälligkeiten, weshalb wir uns schließlich wieder in Bewegung setzten. Wir schlenderten über den Platz des Farmers Market, der um diese Zeit leer und verlassen war, und steuerten eine Bar an, die sich Teuchters Landing nannte und an der Mündung lag, an der das Water of Leith zum Meer wurde. Die Bar bestand lediglich aus einem kleinen Häuschen, die Sitzplätze für die Gäste befanden sich draußen auf einer Art Steg, der über dem Wasser lag.

  Wir gingen im Schatten eines Baumes in Deckung, um die Gäste möglichst unbemerkt in Augenschein zu nehmen. Sie lachten, aßen und tranken, doch niemand wirkte einen Zauber. Was wirklich ätzend war, denn allmählich befürchtete ich, dass dieser Abend ein weiterer Reinfall werden würde.

  »Funktioniert der Ghostvision inzwischen?«, erkundigte sich Cain mit gesenkter Stimme und trat etwas dichter an mich heran. Auf diese Weise wirkten wir nicht bedrohlich, sondern erweckten den Anschein eines Pärchens, das kurz davor stand, wild herumzumachen.

  Ich war mir allerdings nicht sicher, ob das wirklich die beste Vorgehensweise war – Cains blumiger Duft lenkte mich ziemlich ab. Während ein Teil von mir zurückweichen wollte, hätte der andere sie am liebsten gepackt und an mich gezogen, um aus der gespielten Täuschung Wirklichkeit werden zu lassen. Seit der Sache vor Harpers Tür war kein Tag, falsch, keine Stunde vergangen, in der ich nicht an ihre Lippen und den Kuss zurückdachte, der leider keiner gewesen war.

  Ich schluckte trocken. »Ich hoffe es. Roxy und Fi
nn testen ihn heute Abend noch mal. Wenn es wieder nicht funktioniert, werd ich das Teil wohl gegen die Wand schmeißen müssen.«

  »Das würdest du bereuen.«

  »Jup. Spätestens dann, wenn Roxy vor Enttäuschung auf mich losgeht.«

  Cain lachte leise. Ihr Atem kitzelte meinen Hals. »Ich bin mir sicher, du bekommst das Ding noch zum Laufen.«

  »Es läuft, das ist nicht das Problem. Es tut nur nicht das, was es sollte.« Die Sensoren des Geräts waren unglaublich sensibel. Manchmal funktionierten sie astrein, dann wieder schienen sie grundlos auszuschlagen. Es war dasselbe Problem, mit dem mein Dad damals bereits zu kämpfen gehabt hatte. Andererseits, wäre es einfach, hätte man inzwischen bereits Hunderte der Geräte gebaut, um die Soul Hunter zu entlasten.

  »Warden …« Cain klang auf einmal alarmiert.

  Ich sah auf. »Was ist?«

  »Dort drüben, am Eingang!«

  Ich folgte ihrem Blick und musste lächeln. Wir hatten Tarquin tatsächlich gefunden! In diesem Moment verließ er die winzige Bar, mit derselben Hexe, die wir schon mit ihm zusammen bei den Vampiren gesehen hatten, bevor die beiden durch das Portal verschwunden waren. Inzwischen waren sie vor dem Eingang des Häuschens stehen geblieben, um etwas zu bereden. Angespannt beobachtete ich die beiden und fühlte mich dabei wie ein Raubtier auf der Jagd.

  »Sieht irgendwie aus, als hätten die zwei heute noch was vor«, raunte Cain. »Verstehst du, was sie sagen?«

  Bedauernd schüttelte ich den Kopf. Und obwohl es mich nach vier Tagen, die mehr oder weniger nur aus Observierung bestanden hatten, in den Fingern juckte, endlich wieder aktiv zu werden, geduldete ich mich.

  Plötzlich trat die Hexe einen Schritt zurück. Sie nickte Tarquin zu, bevor sie sich umdrehte und in Cains und meine Richtung spazierte.

  Fuck!

  Ich riss Cain herum und drängte sie gegen den Baum, in dessen Schatten wir uns versteckt hatten. Angespannt hielt ich den Atem an und lauschte auf die Schritte der Hexe, die in der Ferne verklangen – als etwas an meinem Shirt zupfte.

 

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