»Heh!«, brüllte ich.
Mein Dad … nein, James drehte sich zu mir um. Seine Augen leuchteten rot, sein Kinn und sein ganzer Hals waren blutverschmiert. »Verschwinde!«
»Auf keinen Fall, du bekommst sie nicht.«
»Du kannst mich nicht töten.«
»Und ob ich das kann.« Meine Hände schlossen sich fester um die Griffe meiner Macheten.
»Wirklich? Warum hast du es nicht schon längst getan?«
»Weil ich nicht erkannt habe, was du wirklich bist. Ein Monster!«
Spöttisch verzog James die Lippen zu einem Lächeln, das seine Fänge aufblitzen ließ. »Na gut, wenn du glaubst, du kannst mich ohne deine kleine Freundin besiegen, dann versuch es.«
Es gab kein Zögern. Kein Innehalten. Kein Hinterfragen. Ich stürzte mich auf ihn, die Klingen erhoben, um ihm den Kopf vom Hals zu schlagen. Es musste sein.
James wich meinen Macheten gekonnt aus. Er war verdammt schnell, aber nicht schneller als ich. Ich wirbelte herum, und meine Macheten streiften den Arm, an dessen Ende der Stumpf saß.
Er fletschte die Zähne. »Ist das alles, was du draufhast?« Er ging auf mich los und tackelte mich mit voller Kraft zu Boden, wobei wir einen der herumstehenden Metallwagen mit uns rissen. Pflaster, Bandagen, Kanülen und andere medizinische Utensilien schlitterten über den Boden.
Die Wucht des Aufpralls presste mir den Sauerstoff aus der Lunge, und ein reißender Schmerz lief mir das Rückgrat hinauf. Ich schnappte nach Luft.
»Ich sagte doch, du kannst nicht gewinnen«, zischte James, der nun auf mir saß. Er legte seine Hand um meine Kehle und drückte schonungslos zu, genau wie vor wenigen Tagen im Labor.
Doch dieses Mal war ich vorbereitet. Ich packte seinen Arm mit beiden Händen und zerrte seine Finger von meinem Hals. Seine Klauen rissen Kratzer in meine Haut, doch das war mir egal. Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen seine Stärke und meinen Schmerz an.
James’ Hand löste sich von meiner Kehle. Ich lächelte, schwang mein Bein um seines und hebelte uns herum, wie ich es bereits im Labor getan hatte. Nun saß ich auf ihm und blickte auf ihn hinab. Sein Gesicht war ein Spiegelbild meiner selbst in zwanzig Jahren.
»Es tut mir leid, dass es so enden muss«, sagte ich und zückte einen meiner Dolche.
James grinste. »Mir auch.«
Mit voller Wucht rammte er mir eine Spritze in den Hals. Sie musste aus dem kleinen Mülleimer gefallen sein, den wir mitsamt des Metallwagens umgestoßen hatten.
Ich schrie auf, und für zwei, drei Herzschläge nahm der Schmerz mich vollkommen ein.
James stieß mich von sich und sprang wendig auf die Beine.
Ich zog die Spritze heraus, die zum Glück leer gewesen war, und wollte meinen Dad packen, aber da war es bereits zu spät. Er war mir entkommen und hatte die Vorhänge zurückgezogen. Nun stand er mit meiner Machete in der Hand über meiner Mum, die von all dem Chaos und der Gewalt um sie herum nichts mitbekam.
Ich trat einen Schritt vor.
»Stopp!«, brüllte James.
Ich erstarrte.
»Wenn du näher kommst, stirbt sie.«
Mir drehte sich der Magen herum. »Was willst du?«
»Ich will, dass du verschwindest!«
Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Dr. Kivela. Nur war es nicht die Ärztin, die sich ein paar Meter von mir entfernt auf eines der Krankenbetten setzte, sondern Kevin, der ihre Gestalt kopiert hatte. Das erkannte ich nicht nur, weil die echte Dr. Kivela tot war, sondern auch an dem Funkeln in seinen Augen.
Mir wurde erneut übel, wenn auch auf eine völlig andere Art und Weise. Dass Kevin hier war, konnte nur eines bedeuten. Entweder hatte mein letztes Stündlein geschlagen oder das meiner Mum.
»Verschwinde, Warden«, warnte mich James erneut.
»Das kann ich nicht.«
»Dann muss ich Emma wohl leider töten …« Er hob meine Machete.
»Nein!« Ich trat einen Schritt vor, erstarrte aber sofort wieder. »Tu das nicht!«
»Dann verschwinde von hier.«
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wenn ich blieb, würde James meine Mum töten, und wenn ich ging, bestand die sehr reale Chance, dass er es dennoch tat. Was sonst sollte er von ihr wollen? Sie lag im Koma und war eine Blood Huntress – sie zu verwandeln, um die Ewigkeit mit ihr zu verbringen, war keine Option.
Verängstigt sah ich zu Kevin, suchte seinen Blick. Ich wusste, dass er als Todesbote zu Neutralität gezwungen war, aber als mein Freund musste es doch etwas geben, das er unternehmen konnte mit all seiner Macht. Meine Kehle war auf einmal ganz trocken.
Kevin sah von mir zu James und wieder zu mir.
»Bitte«, flehte ich tonlos.
Er seufzte. »Na gut, aber nur dieses eine Mal …«
Dr. Kivela löste sich in Luft auf, und keine Sekunde später riss meine Mum ruckartig eine Hand in die Höhe und packte James an der Kehle. Er ließ vor Schreck die Machete fallen und versuchte zurückzuweichen, aber es gelang ihm nicht; meine Mum war ganz offenkundig zu stark für ihn. Mit ihrer freien Hand riss sie sich die Kanülen und Schläuche, die mit ihrem Körper verbunden waren, heraus, dann schwang sie die Beine über die Bettkante.
Fassungslos beobachtete ich das Geschehen, das einen Keil zwischen mein Herz und meinen Verstand trieb. Mit Gewalt musste ich mich daran erinnern, dass es nicht meine Mum war, die diesen Körper steuerte, sondern Kevin, der ihn für eine kurze Zeit übernommen hatte, um mir zu helfen.
Er drängte James gegen die Wand. Mit aller Kraft versuchte dieser, die Hand von seinem Hals zu lösen, aber er schaffte es nicht. Allerdings konnte er auch nicht ersticken, da er als Vampir nur aus Gewohnheit atmete und nicht weil er den Sauerstoff brauchte.
»Warden«, mahnte Kevin, und die Stimme meiner Mum zu hören warf mich für einen Moment fast noch mehr aus der Bahn, als zu sehen, wie sich ihr Körper nach all der Zeit wieder bewegte.
Doch dann schüttelte ich meine Benommenheit ab und setzte mich in Bewegung. Mein Herz schlug mir bis in die Kehle. Ich schnappte mir meine Machete und ging auf James zu. Er wand sich unter Kevins Griff, aber es half nichts, und ich sah, wie mit jedem meiner Schritte die Angst in seinen Augen wuchs.
Er versuchte, den Kopf zu bewegen, ein Schütteln zustande zu bringen. »Warden, nicht! Du musst das nicht tun!«
»Doch, ich muss. Kevin, lass ihn los.«
Er gehorchte.
Im selben Augenblick holte ich mit der Machete aus, zielte auf James’ Hals, und mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, trennte ich den Kopf von seinem Rumpf.
Ein Schlag, und es war vorbei. Sein Körper sackte an der Wand herunter, als meine Machete klirrend zu Boden fiel. Ich kniff die Augen zusammen und atmete tief ein, während ich versuchte, mich davon zu überzeugen, dass ich gerade nicht meinen Dad getötet hatte, sondern nur eine Bestie, die sein Gesicht trug.
»Vielleicht sollte ich Hunter werden«, sagte Kevin mit der Stimme meiner Mum. »Das ist eigentlich ganz lustig.«
Ich schlug die Augen auf und sah ihn ungläubig an. »Das nennst du lustig?«
»Na ja, vielleicht hab ich auch einfach eine andere Definition von lustig als die meisten.«
»Mhm«, brummte ich, und sah meine Mum an.
Ich wusste, dass es Kevin war, der vor mir stand, ganz offensichtlich, dennoch stellte es komische Dinge mit meinem Herz an, sie so lebendig vor mir zu sehen. Und ehe ich michs versah, zog ich sie an mich und umarmte sie fest. Ich vergrub das Gesicht in ihrem Haar und erlaubte mir für einen Moment, mir vorzustellen, dass nicht Kevin in diesem Körper steckte, sondern meine Mum. Genau genommen tat sie das auch, sie war nur stumm und leise, aber ihre Seele war noch da – weil Kevin mir geholfen hatte, sie zu retten.
»Aww, ich mag dich auch.«
»Mach es nicht kaputt«, nuschelte ich und drückte meine Mum ein letztes Mal fest an mich, da ich nicht wusste, wann und ob ich je wieder die Chance bekommen würde, sie auf diese Weise fest
zuhalten. Anschließend ließ ich sie los.
Kevin sah mich an. »Tut mir leid, dass du deinen Dad töten musstest.«
»Schon in Ordnung. Dieser Vampir … das war nicht mein Dad. Er hätte meiner Mum niemals wehgetan.« Ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich sie um ein Haar verloren hätte. »Ihr Todesboten habt echt was drauf.«
Er grinste. »Danke, aber ich sollte jetzt besser wieder gehen. Wir sehen uns.«
»Bis bald«, erwiderte ich.
In der nächsten Sekunde verschwand der schelmische Ausdruck aus den Augen meiner Mum und ihr Körper wurde schlaff. Gerade noch rechtzeitig fing ich sie auf und ließ uns vorsichtig zu Boden gleiten.
Vom Gang waren Kampfgeräusche zu hören, und ich wusste, ich musste aufstehen und nach Cain und den anderen suchen, aber für einen kurzen Augenblick gab es nur mich und meine Mum auf dieser Welt. Ich strich ihr die Haare hinters Ohr und betete darum, dass sie hoffentlich eines Tages wieder aufwachen würde. Ich vermisste sie unglaublich. Zwar wurde die Sehnsucht mit jedem Tag erträglicher, aber niemals weniger.
»Warden?«
Ich riss den Kopf hoch. Mit angespannten Muskeln sah ich mich um, entdeckte aber niemanden – bis mir plötzlich bewusst wurde, dass die schwache, kratzige Stimme von der Frau in meinen Armen stammte. Das konnte nicht sein! Fassungslos starrte ich sie an. Tatsächlich, ihre Augen waren leicht geöffnet, und sie sah mich mit verständnislosem Blick an. Träumte ich?
»Mum?«, fragte ich vorsichtig.
»Warden …«, krächzte sie und schloss die Augen wieder, als würde es sie zu viel Kraft kosten, sie offen zu halten. Aber ich spürte, dass sie noch bei mir war.
Wie konnte das sein? Mein Herz pochte heftig, und meine Knie waren weich, als ich sie vom Boden aufhob und zu ihrem Bett zurücktrug. Vorsichtig legte ich sie auf die Matratze und griff nach ihrer Hand, die sich noch immer gewohnt kalt anfühlte.
Federleicht erwiderten ihre Finger den Druck.
Tränen traten mir in die Augen. Kevin, dieser verdammte Bastard … Hätte ich vorher gewusst, das er dazu in der Lage war, hätte ich ihn gerade eben noch viel fester umarmt.
Cain
»Julius, töte sie«, befahl Isaac.
Ich wusste, dass Jules keine andere Wahl hatte – als Vampir stand er unter Isaacs Bann –, dennoch versetzte es meinem Herz einen Stich, als er sich so willenlos Isaacs Befehl ergab und mich ohne zu zögern attackierte. Er stürzte sich auf mich, und mir blieb keine andere Wahl, als meine Khukuri gegen ihn zu richten, auch wenn es jeder Faser meines Körpers widerstrebte, ihm wehzutun. Ich blockte seine Schläge ab, so gut es mir noch möglich war. Doch sich bis hierher durchzuschlagen und der Kampf mit Arol forderten ihren Tribut. Meine Bewegungen waren langsamer und meine Angriffe kraftloser, als mir lieb war.
Jules hingegen steckte voller bösartiger Energie. Er setzte einen Hieb nach dem anderen, bemüht, meine Deckung zu durchbrechen, um meinem Leben ein Ende zu bereiten.
Und auf einmal wurde es mir klar. Es gab keine Möglichkeit, dass wir beide diesen Kampf überlebten. Einer von uns musste sterben …
Und dieser jemand würde nicht ich sein.
Ich mobilisierte meine letzten Kräfte und verpasste Jules einen Kick gegen die Brust, der ihn geradewegs gegen einen der umgeworfenen Tische beförderte. Holz splitterte bei seinem Aufprall, doch Jules wurde davon keine Sekunde ausgebremst. Sofort fand ich mich in einem Sturm aus Hieben und Schlägen wieder, bis ich nicht mehr hätte sagen können, wo ich überall getroffen worden war.
Mein Herz raste, Schweiß trat mir auf die Stirn. Ich wusste nicht, wie lange ich Jules noch standhalten würde. Wie bereits im Labor kamen mir seine Bewegungen und seine Kampftechnik vertraut vor. Doch irgendetwas war anders. Seine Schläge waren härter, seine Hiebe präziser, und ich hatte das Gefühl, dass er nur mit mir spielte und mich mit jedem Angriff aufs Neue verspottete.
»Du musst das nicht tun«, knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, während er mich mit jedem Hieb weiter nach hinten drängte und ich aufpassen musste, nicht über umgekippte Stühle zu fallen. Ich setzte mit meinen Khukuri nach und erwischte Jules am Kinn.
Er stieß ein Zischen aus.
Ich ließ eine meiner Waffen fallen und riss das Pfefferspray von meinem Gürtel. Jules schlug es mir jedoch aus der Hand, bevor ich den Auslöser drücken konnte. Klirrend rollte die Sprühdose über den Boden. Das Geräusch lenkte mich ab, und Jules’ Faust kollidierte mit meinem Kiefer. Der Geschmack von Blut flutete meinen Mund. Ich spuckte aus und ging mit meiner anderen Klinge auf ihn los. Gekonnt wich er meinen Schlägen aus, bis meine Arme müde und meine Kraft erschöpft war und ich glaubte, keine Sekunde länger durchhalten zu können.
Er passte genau diesen Moment ab, um mit seinen Klauen nach mir zu schlagen. Ich machte einen Schritt zurück, doch statt auf ebenen Boden traf mein Fuß auf eine rutschige Oberfläche. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte. Der Aufprall war nicht schlimm, aber er feuerte die Schmerzen in meinem ohnehin schon geschundenen Körper weiter an.
Ich wollte mich aufrichten, aber da war Jules bereits über mir. Er packte meine Kehle, sein Gesicht nur Millimeter von meinem entfernt, und drückte zu.
Seine Krallen schnitten in meine Haut. Ich schrie laut auf, als sie tiefer und tiefer in mein Fleisch eindrangen und ich fühlte, wie mir das Blut heiß aus den Adern quoll. Panik stieg in mir auf. Ich wand mich unter ihm wie ein Wurm, aber er war einfach zu stark. Wie ein Betonklotz saß er auf meiner Brust und starrte mich unentwegt an, als würde er überlegen, sich einen Snack zu gönnen, solange ich noch am Leben war.
Tränen schossen mir in die Augen, die nicht länger nur etwas mit dem Schmerz zu tun hatten. Das Atmen fiel mir zunehmend schwerer, und ich konnte spüren, wie ich langsam das Bewusstsein verlor. Eine Ohnmacht, von der ich wusste, dass ich aus ihr nicht mehr erwachen würde. Schwarze Flecken formten sich vor meinen Augen, sodass ich Jules nur noch durch einen Nebel aus Dunkelheit und Tränen wahrnahm.
»Bitte …«, flehte ich.
Ohne Erbarmen blickte Jules auf mich herab. Sein verschwommenes Gesicht war zu einer Fratze des Grauens geworden.
»Du willst das nicht tun.« Ich wusste nicht, ob er meine Worte überhaupt verstand oder ob sie für ihn nur noch sinnloses Genuschel einer Sterbenden waren. »Wir waren Partner …«
Meine Lider begannen zu flattern. Mit aller Macht kämpfte ich gegen den überwältigenden Drang an, sie zu schließen und mich einfach meinem Schicksal zu ergeben. Vielleicht wäre es so leichter, aber der leichte Weg würde mich nicht zu Warden, meinen Freunden und meinen Eltern zurückbringen.
»Bitte, Jules … Hör … Hör auf … Das bist nicht du«, krächzte ich in einem letzten verzweifelten Versuch, als sich der Griff um meinen Hals plötzlich lockerte und die Krallen sich aus meiner Haut zurückzogen. Ich blinzelte und versuchte durch den Tränenschleier hindurch etwas zu erkennen.
Jules starrte mich an. Seine Augen waren noch immer blutrot, aber sein Blick wirkte klarer, als hätte er nicht nur meine Worte verstanden, sondern würde endlich erkennen, wer ich war. Hoffnung stieg in mir auf, dass er vielleicht noch nicht ganz an Isaac verloren war. Er war schon immer stark gewesen, als Mensch und als Grim Hunter, warum also nicht auch als Vampir. Vielleicht konnte er gegen seine Instinkte ankämpfen, zumindest so lange, bis mir jemand zu Hilfe kam.
Ich schluckte schwer. »Jules, ich bin es … Cain. Deine Kampfpartnerin.«
Er neigte den Kopf. »Cain …?«
Seine Stimme klang dunkel und rau, anders als früher. Meinen Namen von seinen Lippen zu hören, löste ein bittersüßes Gefühl in mir aus.
»Ja, Cain. Deine Cousine. Wir sind zusammen aufgewachsen.«
»Worauf wartest du?«, erklang Isaacs Stimme. »Töte sie!«
Bangend wartete ich darauf, dass Jules wieder auf mich losging, doch dieses Mal gehorchte er Isaacs Befehl nicht. Nachdenklich betrachtete er mich, und als er blinzelte, nahmen seine Augen für einen kurzen Augenblick eine blaue Färbung an. Mir stockte der Atem
.
»Töte sie!«, verlangte Isaac, und ich war mir sicher, es war keine Einbildung, dass er weitaus weniger gelangweilt klang als noch vor einer Minute.
Jules hörte auch diesmal nicht auf ihn, was mich mutiger werden ließ. »Er hat das aus dir gemacht, Jules. Du warst einer von uns. Ein Grim Hunter. Du hast hier gelebt, in diesem Quartier. Wir haben gemeinsam trainiert, und du … du hast diese Cafeteria gestaltet. Deine Eltern leben hier. Genau wie Harper, das Mädchen, in das du seit Monaten verknallt bist. Erinnerst du dich?« Jules’ Augenbrauen zuckten, was ich als ein gutes Zeichen wertete, also redete ich weiter, auch wenn jeder Ton, der meinen Mund verließ, in meinem Hals schmerzte. »Deine Eltern sind Hunter. Deine Mum ist eine Blood Huntress wie meine und dein Dad ein Grim Hunter. Genau wie du! Du wolltest nie ein Vampir sein. Isaac hat dich entführt und festgehalten, um dich zu verwandeln.«
Jules blickte an sich herab, und ich glaubte zu sehen, dass er den Kopf schüttelte, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Mein Blick war noch immer verschwommen, und mir war schwindelig vom Blutverlust, während mein ganzer Körper kribbelte in dem Versuch, meine zahllosen Verletzungen zu heilen.
»Jules, töte sie!« Isaacs Stimme war zu einem ungeduldigen Grollen mutiert.
»Nein.«
»Was hast du gesagt?«
»Nein!« Jules’ Gewicht löste sich von meinem Körper. Fassungslos beobachtete ich, wie er sich aufrichtete und Isaac zuwandte.
»Du wagst es, dich gegen mich zu wenden?«
Jules starrte Isaac an, dessen glatte Gesichtszüge sich nun auch verwandelten, bis er aussah wie das Monster, das er in Wirklichkeit war. Die schwarzen Adern schienen unter seiner Haut zu pulsieren.
Ich wusste nicht, was genau Jules aufgerüttelt hatte oder ob es eine Kombination aus allem war – meinen Worten, meiner Angst und unserer Vergangenheit –, ich war nur froh, dass es funktioniert hatte.
Zwei, drei Herzschläge geschah nichts. Es war, als würde Isaac Jules diese Sekunden lassen, um es sich anders zu überlegen, aber der rührte sich nicht vom Fleck, und damit fiel Isaacs Entscheidung. Er stürzte sich auf Jules, als würde ihm dessen Leben nichts bedeuten. Als hätte er gerade nicht Dutzende von Menschen ausgelöscht, um ihn wiederzubekommen, aber anscheinend ließen seine Ehre und seine Gier nach Macht alles andere verblassen.
Midnight Chronicles 02 - Blutmagie Page 34