Die Sterne werden fallen

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Die Sterne werden fallen Page 24

by Kiefer, Lena


  »Geduld, Scale«, murmelte Echo, die Augen wieder an ihrem MultiVision. »Sie wird schon auftauchen.«

  »Dann hoffen wir mal, sie ist gesprächiger als die Leute in der Stadt.« Jye stand auf und lockerte seine langen Gliedmaßen. Ich wusste, was er meinte – obwohl wir alle drei hier oben nicht besonders auffielen, war man uns gegenüber misstrauisch. Sogar Echo, die gebürtige Sveropäerin war, hatte kaum bessere Karten als Jye oder ich.

  »Wenn nicht, bringen wir sie eben dazu«, sagte ich. Es war völlig klar, dass Tilda Svärd nicht allein auf die Idee gekommen war, eine Drohne so zu programmieren, dass sie jeden Eindringling an der Absturzstelle mit K-Wreck angriff. Sie war damit beauftragt worden. Und wenn wir herausfanden, von wem, kamen wir der Wahrheit des Absturzes hoffentlich etwas näher. Wir brauchten dringend einen Erfolg. Und wenn es nur ein kleiner war.

  In den letzten zwei Wochen hatte die OmnI weiteres Propagandamaterial veröffentlicht. Jeder Versuch, sie zu blockieren, war gescheitert, also konnte sie ihre bösartigen Lügen immer weiter verbreiten: über Lucien, dessen Eskapaden als Teenager sie in epischer Breite auswalzte, um ihn als verantwortungslosen Draufgänger zu brandmarken, und dann auf seine Aufträge bei den Schakalen einging, um ihn außerdem skrupellos erscheinen zu lassen. Die Anzahl seiner angeblichen Tötungsmissionen war erfunden, aber eine Gegendarstellung war kaum möglich, ohne zu enthüllen, dass er tatsächlich in Leopolds Namen getötet hatte.

  Und dann waren da noch die Lügen über seine verstorbenen Eltern. In diesen Geschichten erschienen Achill de Marais und seine Frau wie gewissenlose Unmenschen, die für Profit und Ansehen über Leichen gegangen waren. Ich konnte sehen, wie es an Lucien zehrte, diesen Schmutz über seine Eltern zu lesen. Mit den Anfeindungen gegen ihn selbst kam er zurecht, aber nicht mit denen gegen die beiden Menschen, die von einer Vorgängerin der OmnI getötet worden waren und sich deswegen nicht mehr gegen deren Unterstellungen wehren konnten.

  »Ich hoffe, du wirst nicht emotional«, warnte mich Echo und holte mich damit aus dem Abgrund, der randvoll mit Hass für die OmnI und Costard war und in den ich immer wieder abtauchte. »Wenn du dich nicht beherrschen kannst, bleibst du hier und wartest auf uns.«

  Ich schnaubte. »Keine Sorge. Ich werde sie schon nicht umbringen.« Echo war für diese Mission verantwortlich, zumindest offiziell. Aber eigentlich war es meine. Da ich im Kampf gegen die OmnI außer meiner neuronalen Struktur zurzeit nichts beizutragen hatte und der Morbus noch nicht fertig war, bot sich hier die Möglichkeit für mich, etwas zu tun. Was dabei rauskommen würde, wusste ich nicht. Aber ich wollte daran glauben, dass es die Strapazen wert war.

  Bald ging die Sonne unter und hinterließ nichts als Schwärze. Der einzige helle Fleck war nun ein Schneeberg, der von dem Strahler über der Haustür angeleuchtet wurde. Im Gebäude selbst ging kein Licht an. Aber da sich auch schon die letzten Stunden nichts geregt hatte, wunderte uns das nicht.

  Echo und ich machten uns gerade über zwei der Notrationen her, als Jye sich zu uns umdrehte.

  »Da tut sich etwas. Erster Stock.«

  Ich stürzte ans Fenster und nahm ihm das MultiVision aus der Hand. Aber ich brauchte es gar nicht, denn das erleuchtete Viereck im oberen Stockwerk des Hauses war auch so gut zu sehen. War Tilda Svärd die ganze Zeit da gewesen, hatte sich aber nicht bemerkbar gemacht?

  Plötzlich flammten die Lichter im ganzen Haus auf. Im nächsten Moment erklangen Motorgeräusche, wie von einem der Geländefahrzeuge, die ReVerse früher benutzt hatte.

  »Da kommt jemand!«, flüsterte ich angespannt. War es Tilda, die mit illegaler Technologie das Licht in ihrem Haus aus der Distanz bedient hatte, bevor sie ankam? Oder besuchte jemand sie hier draußen? Vielleicht ihr Auftraggeber?

  Echo trat neben mich, wie immer die Ruhe selbst. Sie sah durch ihr eigenes MultiVision, die Ellenbogen auf die Fensterkante gestützt.

  Der Wagen hielt in der Nähe der Haustür, das Licht darüber spiegelte sich in dem schwarz lackierten Gestänge. Ich erkannte eine große, schlanke Person, die elegant ihre Beine über die Seitenwand schwang und im Schnee landete. Als sie sich in unsere Richtung drehte, keuchte ich auf. Neben mir schnappte sogar Echo nach Luft.

  »Das kann nicht wahr sein«, stieß sie hervor.

  »Sie?!« Ich nahm schockiert das MultiVision herunter. »Was macht sie hier?« Ich ahnte die Antwort längst, aber ich wollte sie nicht wahrhaben.

  »Was ist denn da draußen?«, fragte Jye, der sein Fernglas an mich verloren hatte. »Wer ist es?«

  Stumm drehte ich mich zu ihm um, meine Glieder waren nicht nur von der Kälte taub. Ich brachte kaum meine Zähne auseinander, als ich ihm antwortete.

  »Es ist Amelie de Marais.«

  Fassungslos sahen wir zu, wie Luciens und Leopolds Schwester zur Tür des Hauses ging und klopfte. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis Tilda öffnete, eine kleine und zierliche Person mit kurzen blonden Haaren. Amelie schien etwas aus ihrer Tasche zu holen und Tilda zu zeigen, dann ließ diese sie eintreten und die Tür fiel zu. Sofort drehte ich mich um und ging zu meiner Ausrüstung.

  »Scale, was wird das?« Echo sah mich beunruhigt an.

  »Na, was wohl? Wir gehen da doch jetzt rein, oder etwa nicht?« Amelie de Marais hatte etwas mit dem Absturz ihres eigenen Bruders zu tun, und sie hatte ganz offensichtlich Tilda beauftragt, die Drohne zu programmieren, damit niemand weiter nachforschen konnte. »Wir müssen sie zur Rede stellen!«, sagte ich. »Wir müssen herausfinden, was sie weiß und was sie getan hat.«

  Echo schüttelte den Kopf. »Nein, müssen wir nicht.«

  »Hat dir die Kälte das Gehirn eingefroren?«, fuhr ich sie an. »Das ist eine einmalige Chance!« Schließlich wussten wir seit vier Monaten nicht, wo Amelie sich aufhielt, obwohl Lucien nach ihr hatte suchen lassen. Wenn sie das Haus von Tilda verließ und verschwand, würden wir sie nicht wiederfinden.

  »Die Hackerin ist unsere Chance.« Echo sah mich ernst an. »Wir warten, bis Amelie wieder weg ist, dann reden wir mit Tilda. Sie wird uns sagen, was sie über diese Sache weiß.« Die Schakalin musste in meinem Blick erkennen, dass ich anderer Meinung war, denn sie seufzte. »Dein Verlangen, Lucien zu helfen, vernebelt dir den Verstand, Ophelia. Wenn wir Amelie jetzt aufschrecken, dann werden all ihre Kontakte in Windeseile von der Bildfläche verschwinden und wir haben gar nichts – außer einer wütenden Schwester, die von ihrem eigenen Bruder inhaftiert werden muss. Tu Lucien das nicht an. Wenn du schon nicht einsiehst, dass es unklug ist, Amelie aufzuscheuchen, dann halte für ihn die Füße still.«

  Ihre Worte machten meinem Aktionismus einen Strich durch die Rechnung. Ich atmete aus. »Und ich dachte immer, du wärst nur die Sporttante«, murrte ich.

  »Ich bin ein Schakal«, lächelte Echo. »Wir können alles.«

  Um nicht doch in Versuchung zu geraten, Amelie aus dem Haus zu schleifen, überließ ich es Echo und Jye, die Tür zu beobachten und herauszufinden, wann Luciens Schwester wieder ging. Währenddessen checkte ich die neuen Meldungen aus Maraisville auf dem Pad, aber es war nichts Interessantes dabei. Deswegen schweiften meine Gedanken schnell ab.

  Was konnte Amelie mit dem Absturz zu tun haben? Hatte sie selbst dafür gesorgt, dass Leopold starb? Machte sie jetzt gemeinsame Sache mit Costard, nachdem ihr alter Kontakt Ferro nicht mehr lebte? Ob so viel Hass auf ihren älteren Bruder in der beherrschten Amelie stecken konnte, wusste ich nicht. Ich war ihr nur einmal begegnet und hatte kaum mehr als zwei Sätze mit ihr gesprochen. Aber sie hatte Leopold mit Stella Viklund verkuppeln wollen, die zu einer Familie von Rassisten hier oben im Norden gehörte. Vielleicht hatte sie schon die ganze Zeit mit ihnen zusammengearbeitet, um der OmnI den Weg zu ebnen. Wie konnte man die eigene Familie nur so sehr verabscheuen? Mein Bruder und ich waren auch nicht immer einer Meinung gewesen, als wir noch zusammengelebt hatten, aber ich liebte Eneas mehr als mich selbst. Niemals hätte ich ihm etwas antun können.

  Eine Stunde verging, dann eine zweite. Bald mussten wir die Heating-Module in unseren Jacken einschalten, die uns für Wärmebildüberwachung
sichtbar machten, aber auch vor dem Kältetod bewahren würden. Jye lief immer wieder hin und her, um sich ein bisschen aufzuwärmen, aber Echo verharrte am Fenster wie eine Statue, den Blick unbeirrt auf das Haus gerichtet. Nur ab und zu gab sie uns eine Info weiter, was sie durch die Fenster erkennen konnte, aber ihr Körper blieb reglos. Ich hatte keine Ahnung, wie sie das machte.

  »Amelie geht«, meldete sie eine weitere halbe Stunde später, und wir hörten, wie das Aggregat des Wagens startete. »Wir sollten los.« Sie stand auf, ohne auch nur einen Hauch Steifheit zu zeigen, schnappte ihre Waffe und den Rucksack. Mit wenigen Handgriffen warfen wir unsere Sachen in die entsprechenden Taschen und verließen die Hütte.

  Echo ging zum Ufer des Sees und schickte einen prüfenden Blick zur anderen Seite. Dann kletterte sie die Böschung hinunter.

  »Du willst direkt über den vereisten See?« Jyes Stimme klang unsicher.

  »Klar. Es ist der schnellste Weg.« Sie sah ihn an. »Keine Sorge, Großer. Bis auf ein paar Meter am Boden ist der See komplett durchgefroren. Da bricht man nicht ein.« Ermutigt durch diese Worte kletterte Jye ihr nach und setzte einen Fuß auf das Eis, da schob Echo noch hinterher: »Zumindest ist die Chance gering.«

  Ich grinste, als ich Jyes Gesicht sah, aber wir wurden schnell wieder ernst. Schweigend liefen wir über das Eis, dessen Oberfläche von etwas Schnee bedeckt war, sodass wir nicht stürzten. Am anderen Ende sprang Echo auf einen Steg und ging zum Haus. Wir folgten ihr.

  Kaum an der Tür, hob sie die Faust und schlug gegen das Holz. Einfach zu klopfen stand nicht gerade im Schakal-Handbuch für geheime Missionen, aber da Amelie erst seit zehn Minuten weg war, würde Tilda nur denken, dass diese noch einmal zurückgekommen war.

  »Na, was verg-«, war dann auch das Erste, was wir hörten, als die Tür wieder aufging. Das Erste, was wir sahen, war eine Frau um die vierzig, die aus der Nähe älter wirkte als durch das Fernglas. Das Erste, was sie sah, waren die Läufe von drei TLP-X, die auf sie gerichtet waren. Kurz entgleiste ihre Mine, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Kommt doch rein«, sagte sie gespielt entspannt. »Offenbar ist hier ja heute Tag der offenen Tür.«

  Echo ging voran, Jye blieb im Eingangsbereich, ich folgte den beiden Frauen ins Wohnzimmer. Es war ein schönes Haus, typisch für die Gegend, mit Holzwänden, einem Kamin und Möbeln in Pastellfarben. Alles wirkte neu, so als hätte man es erst vor Kurzem eingerichtet.

  Tilda sah Echo an und sagte etwas auf Schwedisch, was diese jedoch nicht beantwortete. Stattdessen schnappte sie sich einen der mintfarbenen Holzstühle und fesselte routiniert Tildas Handgelenke und Füße daran, während ich einen schnellen Blick in die anderen Zimmer und das Obergeschoss warf, um sicherzustellen, dass niemand sonst hier war. Als ich wieder nach unten kam, stand Echo Tilda gegenüber. Aber unsere Gefangene sah nicht sie an, sondern mich.

  »Ophelia Scale. Habe ich doch richtig gesehen.« Ihr Blick wurde abfällig. »In meinen Kreisen bist du eine kleine Berühmtheit. Jenes Mädchen, das sich von der vielversprechendsten Hoffnung der Freiheitsbewegung zum Schoßhündchen des Königs entwickelt hat. Findest du das nicht sogar selbst erbärmlich?«

  Ich funkelte sie an. »Erbärmlich daran ist nur, dass ich überhaupt jemals die Hoffnung des Widerstandes war«, gab ich zurück.

  »Nun, die einen sagen so, die anderen so.« Tilda lächelte kühl. »Ich kann nur hoffen, dass dieses Bett, in das du dich da verkrochen hast, warm ist. Warm genug, um den eisigen Wind abzuhalten, der euch bald treffen wird.«

  Echo verdrehte die Augen. »Ihr Leute vom Widerstand verschwendet immer so unglaublich viele Worte. Hat euch nie jemand gesagt, dass es Zeit spart, wenn man die Dinge einfach auf den Punkt bringt?«

  »Na, dann bring doch die Dinge mal für mich auf den Punkt, svikare.« Tilda sagte das in einem Ton, der klarmachte, dass sie Echo gerade beleidigt hatte. »Ihr seid ganz offensichtlich drei treue Anhänger des Königs, die sich hier raus in diese Einöde gewagt haben, um mich zu besuchen. Darunter sogar die Verräterin des Jahrhunderts. Was könnte das wohl für einen Grund haben?«

  »Wir wollen nur ein bisschen mit dir plaudern«, sagte Echo. »Zum Beispiel darüber, warum Amelie de Marais dich hier draußen aufsucht, vollkommen allein.«

  Tilda hob die Schultern. »Wir sind alte Freunde.«

  Ich verschränkte die Arme. »Eine Drohne zu programmieren, die in der schwarzen Zone Patrouille fliegt, fällt also in die Kategorie Freundschaftsdienst?«

  »Oho.« Tilda pfiff durch die Zähne. »Das ist tatsächlich auf den Punkt. Und die Antwort lautet Ja. Es war ein Freundschaftsdienst.«

  »Warum hat sie dich darum gebeten?«, fragte ich weiter.

  »Hast du Freunde, Ophelia? Dann weißt du sicher, dass man deren Geheimnisse nicht ausplaudert.«

  Ich wechselte einen Blick mit Echo. Keiner von uns nahm Tilda diese Süffisant-und-unbeeindruckt-Nummer ab.

  »Hat Amelie etwas mit Leopolds Tod zu tun?«

  »Das fragst du mich ernsthaft?« Tilda hob eine Augenbraue. »Warum sollte sie damit etwas zu tun haben? Was hätte sie denn davon, schließlich ist sie nicht Königin, oder? Lucien ist es. Man munkelt sogar, er habe es selbst erledigt. Er als Schakal hat ohnehin zig Menschen getötet. Da war’s sicher ganz easy für ihn. Einmal über den Flur und fertig.«

  Ich schnellte nach vorne, griff mir das Messer aus der Tasche an meinem Oberschenkel und stieß Tildas Stuhl nach hinten. Aber kurz bevor sie stürzte, packte ich sie am Kragen und drückte ihr das Messer an den Hals. »Sag das noch mal.«

  Ich sah Angst in ihren Augen aufflackern und spürte Zufriedenheit deswegen. Tilda konnte noch so tough tun, sie war Hackerin, keine Soldatin. Und sie hing an ihrem Leben, das war deutlich zu sehen.

  »Ophelia«, mahnte Echo in meinem Rücken. Tilda bewegte sich und die Messerspitze bohrte sich in die Haut an ihrem Hals. Etwas in mir wollte aus diesem dünnen Rinnsal Blut einen ganzen Strom machen – und plötzlich war mir klar, wie nah ich daran war, zu kippen. Wie nah ich daran war, jemand zu werden, für den der Zweck alle Mittel heiligte. Wieder einmal. Als mir das klar wurde, nahm ich das Messer weg und ließ Tildas Stuhl wieder nach vorne kippen. Er schlug dumpf auf den Boden.

  »Rede«, knurrte ich sie an. »Oder ich mache weiter.«

  Tildas Hand zuckte, aber ihre Fesseln hinderten sie daran, die Wunde am Hals zu berühren. Das Blut lief herunter und erreichte den Kragen ihres Pullovers.

  »Ich habe die Drohne für Amelie programmiert, weil sie mich darum gebeten hat.« Plötzlich war ihre Selbstgefälligkeit verschwunden. Ich fragte mich, wie furchterregend mein Auftritt auf sie gewirkt hatte. »Aber was genau sie damit wollte, weiß ich nicht.«

  Ich musterte Tildas Gesicht und wusste nicht, ob sie die Wahrheit sagte. Also gab ich Echo einen Wink und wir gingen ein paar Schritte weg.

  »Glaubst du, sie lügt?« Ich drehte der Hackerin den Rücken zu.

  »Schwer zu sagen.« Echo verzog das Gesicht. »Sie hat keine Motivation, mit uns zu kooperieren. Aber Gewalt scheint sie zu beeindrucken, wir könnten es also auf die harte Art versuchen.«

  Ich schüttelte den Kopf. Obwohl ich damit angefangen hatte, schreckte ich jetzt davor zurück. Nicht wegen Tilda. Sondern meinetwegen.

  Stattdessen griff ich in die Tasche und zog meine Dose mit den Kapseln heraus. »Oder wir versuchen es hiermit.«

  »Willst du das wirklich machen?«, fragte Echo zweifelnd.

  Ich nickte. Wenn ich eine meiner Kapseln nahm, war ich fast so ein guter Lügendetektor wie die OmnI. Es bedeutete zwar auch, dass ich im Falle eines Kampfes in den nächsten paar Stunden nicht einsatzfähig sein würde, weil mein Hirn selbst mit HeadLock Zeit brauchte, um sich zu erholen. Aber das war es wert.

  »Gut«, nickte sie. »Dann los.«

  24

  »Wann war das?«

  »Im September.«

  »Wie lange hat sie dir Zeit gegeben?«

  »Eine Woche.«

  Es war ein Zucken zu viel in ihrem Gesicht.

  »Das
ist gelogen«, sagte ich.

  »Na gut. Vier Wochen.«

  »Vier Wochen?« Meine Augenbraue rutschte eine Etage nach oben. »Das ist eine Menge Zeit, um eine Drohne zu programmieren.«

  »Es war nicht irgendeine Drohne. Sondern eine, die Umgebungsscans stört und im Fall von Eindringlingen eigenständig reagiert.« Tilda wirkte beleidigt. »Die Programmierung ist ziemlich ausgefeilt. Oder war es etwa einfach, mich dahinter zu entdecken?«

  »Na, immerhin haben wir dich entdeckt.« Ich lächelte dünn. »Was wollte Amelie damit bezwecken?«

  »Das weiß ich nicht.«

  »Schon wieder eine Lüge.« Die ich erkannte, noch bevor Tilda sie aussprach. Ohne HeadLock in meinem Nervensystem war die Hackerin nicht einfach nur ein offenes Buch: Ihre Lügen und Ausflüchte drängten sich mir geradezu auf.

  Sie stöhnte. »Was immer du da machst, es nervt kolossal.«

  »Gut. Das soll es auch. Also? Was hat Amelie dir über ihre Gründe gesagt?«

  »Nicht viel.« Immerhin das schien wahr zu sein, auch wenn ich es gerne anders gehabt hätte. »Sie meinte nur, etwas wäre geplant, der Absturz einer FlightUnit in der schwarzen Zone. Es wäre wichtig, dass spätere Untersuchungen verhindert würden.«

  »Warum?«, fragte Echo. Sie lehnte an der Seitenwand, ein Auge auf den Vorplatz des Hauses vor dem Fenster gerichtet. Jye war hereingekommen und stand nun in der Küche. Auch sein Gesicht konnte ich sehr gut lesen – diese Sache war ihm nicht geheuer.

  »Ich weiß es nicht!«, fuhr Tilda uns an. »Ich bin Dienstleisterin, okay? Ich erledige den Job, werde mit technischen Komponenten bezahlt und frage nicht nach Gründen, sonst hätte ich bald keine Auftraggeber mehr.«

  Dann also anders. »Aber ihr seid doch Freunde, oder nicht? Sie wird dir gesagt haben, was sie von ihrem Bruder hält.«

 

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