Duino Elegies: A Bilingual Edition

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Duino Elegies: A Bilingual Edition Page 4

by Rainer Maria Rilke


  of a beautiful apple? . . . . . . Murderers are

  easily understood. But this: one’s death,

  the whole reach of death, even before one’s life is under way,—

  to hold it gently and not feel anger:

  is indescribable.

  DIE FÜNFTE ELEGIE

  Frau Hertha Koenig zugeeignet

  Wer aber sind sie, sag mir, die Fahrenden, diese ein wenig

  Flüchtigern noch als wir selbst, die dringend von früh an

  wringt ein wem, wem zu Liebe

  niemals zufriedener Wille? Sondern er wringt sie,

  biegt sie, schlingt sie und schwingt sie,

  wirft sie und fängt sie zurück; wie aus geölter,

  glatterer Luft kommen sie nieder

  auf dem verzehrten, von ihrem ewigen

  Aufsprung dünneren Teppich, diesem verlorenen

  Teppich im Weltall.

  Aufgelegt wie ein Pflaster, als hätte der Vorstadt-

  Himmel der Erde dort wehe getan.

  Und kaum dort,

  aufrecht, da und gezeigt: des Dastehns

  großer Anfangsbuchstab…, schon auch, die stärksten

  Männer, rollt sie wieder, zum Scherz, der immer

  kommende Griff, wie August der Starke bei Tisch

  einen zinnenen Teller.

  Ach und um diese

  Mitte, die Rose des Zuschauns:

  blüht und entblättert. Um diesen

  Stampfer, den Stempel, den von dem eignen

  blühenden Staub getroffnen, zur Scheinfrucht

  wieder der Unlust befruchteten, ihrer

  niemals bewußten,—glänzend mit dünnster

  Oberfläche leicht scheinlächelnden Unlust.

  Da: der welke, faltige Stemmer,

  der alte, der nur noch trommelt,

  eingegangen in seiner gewaltigen Haut, als hätte sie früher

  zwei Männer enthalten, und einer

  läge nun schon auf dem Kirchhof, und er überlebte den andern,

  taub und manchmal ein wenig

  wirr, in der verwitweten Haut.

  Aber der junge, der Mann, als wär er der Sohn eines Nackens

  und einer Nonne: prall und strammig erfüllt

  mit Muskeln und Einfalt.

  Oh ihr,

  die ein Leid, das noch klein war,

  einst als Spielzeug bekam, in einer seiner

  langen Genesungen.…

  Du, der mit dem Aufschlag,

  wie nur Früchte ihn kennen, unreif,

  täglich hundertmal abfällt vom Baum der gemeinsam

  erbauten Bewegung (der, rascher als Wasser, in wenig

  Minuten Lenz, Sommer und Herbst hat)—

  abfällt und anprallt ans Grab:

  manchmal, in halber Pause, will dir ein liebes

  Antlitz entstehn hinüber zu deiner selten

  zärtlichen Mutter; doch an deinen Körper verliert sich,

  der es flächig verbraucht, das schüchtern

  kaum versuchte Gesicht … Und wieder

  klatscht der Mann in die Hand zu dem Ansprung, und eh dir

  jemals ein Schmerz deutlicher wird in der Nähe des immer

  trabenden Herzens, kommt das Brennen der Fußsohln

  ihm, seinem Ursprung, zuvor mit ein paar dir

  rasch in die Augen gejagten leiblichen Tränen.

  Und dennoch, blindlings,

  das Lächeln . . . . .

  Engel! o nimms, pflücks, das kleinblütige Heilkraut.

  Schaff eine Vase, verwahrs! Stells unter jene, uns noch nicht

  offenen Freuden; in lieblicher Urne

  rühms mit blumiger schwungiger Aufschrift: ›Subrisio Saltat.‹

  Du dann, Liebliche,

  du, von den reizendsten Freuden

  stumm Übersprungne. Vielleicht sind

  deine Fransen glücklich für dich—,

  oder über den jungen

  prallen Brüsten die grüne metallene Seide

  fühlt sich unendlich verwöhnt und entbehrt nichts.

  Du,

  immerfort anders auf alle des Gleichgewichts schwankende Waagen

  hingelegte Marktfrucht des Gleichmuts,

  öffentlich unter den Schultern.

  Wo, o wo ist der Ort—ich trag ihn im Herzen—,

  wo sie noch lange nicht konnten, noch von einander

  abfieln, wie sich bespringende, nicht recht

  paarige Tiere;—

  wo die Gewichte noch schwer sind;

  wo noch von ihren vergeblich

  wirbelnden Stäben die Teller

  torkeln . . . . .

  Und plötzlich in diesem mühsamen Nirgends, plötzlich

  die unsägliche Stelle, wo sich das reine Zuwenig

  unbegreiflich verwandelt—, umspringt

  in jenes leere Zuviel.

  Wo die vielstellige Rechnung

  zahlenlos aufgeht.

  Plätze, o Platz in Paris, unendlicher Schauplatz,

  wo die Modistin, Madame Lamort,

  die ruhlosen Wege der Erde, endlose Bänder,

  schlingt und windet und neue aus ihnen

  Schleifen erfindet, Rüschen, Blumen, Kokarden, künstliche Früchte—, alle

  unwahr gefärbt,—für die billigen

  Winterhüte des Schicksals.

  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  Engel! : Es wäre ein Platz, den wir nicht wissen, und dorten,

  auf unsäglichem Teppich, zeigten die Liebenden, die’s hier

  bis zum Können nie bringen, ihre kühnen

  hohen Figuren des Herzschwungs,

  ihre Türme aus Lust, ihre

  längst, wo Boden nie war, nur an einander

  lehnenden Leitern, bebend,—und könntens,

  vor den Zuschauern rings, unzähligen lautlosen Toten:

  Würfen die dann ihre letzten, immer ersparten,

  immer verborgenen, die wir nicht kennen, ewig

  gültigen Münzen des Glücks vor das endlich

  wahrhaft lächelnde Paar auf gestilltem

  Teppich?

  THE FIFTH ELEGY

  Dedicated to Frau Hertha Koenig

  But tell me, who are they, these wanderers

  (more rootless even than we ourselves) seized early on

  and urgently wrung—for whose possible sake?—

  by some never satisfied will. And still it wrings them,

  bends them, twists them and slings them,

  tosses and catches them; as if through smooth,

  frictionless air they drop down

  onto the threadbare carpet worn ever thinner

  by their eternal leaping, this carpet

  lost in the universe.

  Laid down like a bandage, as if the jagged

  sky of the city’s edges had wounded the earth there.

  And scarcely there,

  erected, held on display: that first capital letter

  from their bodies’ alphabet…, when already the Grip

  returns, rolling them up again, even the strongest

  men, as if in some jest, like August the Strong at his table

  curling pewter plates.

  Ah, and around this

  core, the rose of onlooking—

  blooming and shedding petals. Around this

  pestle, this pistil dusted

  by its own pollen, impregnated once more

  to bear the fake fruit of boredom—

  boredom self-concealed

  beneath the thinnest glaze of fake smiling.

  There: the withered Strongman, his skin all folds,

  the old one, who only drums now,

  shriveled up inside his great physique, as though

  it once held two men, and now one

  lies dead in the churchyard, and he survived that other,

  deaf, and sometimes a bit confused

  in the widowed skin.

  But there the young one, the man in full, who might be the offspring

  of a neck and a nun: strapping and stretched
taut

  with sinews and simpleness.

  Oh and you,

  once given as a plaything

  to a young Grief, something to entertain it

  during one of its long convalescences …

  And you, who with a thud

  that only unripe fruit knows

  fall a hundred times daily from that tree

  of mutually built motion (a tree swifter than water, traversing

  spring, summer, autumn in a few moments):

  fall and knock against the grave:

  sometimes, during a brief pause, a tender look

  edges forward to bridge the chasm

  to your remote mother; but it gets lost on your body,

  whose surface quickly assimilates that shy,

  scarcely attempted face … And again

  the man claps his hands for the leap, but before

  a pain can enter the chambers of your

  ever-racing heart and define itself there,

  the burning in the soles of your feet intercepts it,

  chasing into your eyes a few bodily tears.

  And once again, blindly,

  the smile . . . . .

  Angel! O take it, pluck it, that small-petaled herb of healing!

  Create a vase, preserve it! Place it among those joys

  not yet open to us; in a delicate urn

  let an ornate inscription praise it: “Subrisio Saltat.”

  Then you, my sweetest,

  you, whom the most ravishing joys

  leapt over soundlessly.

  Perhaps your fringes feel happy for you—,

  or the green metallic silk

  that covers your firm young breasts

  feels endlessly pampered and wants for nothing.

  You,

  market-fruit of equanimity, forever repositioned

  on the scales of a wavering equipoise,

  a public thing among shoulders.

  Where, where is that place—I carry it in my heart—

  where for so long they still could not, still fell away

  from each other like mismatched animals

  trying to mate;—

  where the weights are still heavy;

  where the plates still topple

  from the sticks that twirl and twirl

  in vain . . . . .

  And then, in this laborious nowhere,

  suddenly the ineffable point where the pure too-little

  mysteriously reverses—, flips round into

  that empty too-much.

  Where the complex equation

  equals zero.

  Squares, O town-square in Paris, infinite showplace

  where the modiste Madame Lamort

  weaves and winds the restless roads of the earth—

  endless ribbons—designing new bows,

  faddish frills, flowers, cockades, artificial fruit,

  all falsely dyed, to adorn

  the cheap winter hats of fate.

  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

  Angel! Suppose there’s a place we don’t know of, and there,

  on an indescribable carpet, lovers announced

  those feats that they never mastered here—the bold, high

  figures of their heartleaps through space,

  their towers of pure pleasure, their two ladders

  that stand leaning only against each other

  with no ground underneath, trembling, —and then performed them,

  before the circle of onlookers, the innumerable silent dead:

  Would not those dead throw their last coins

  of happiness—hoarded through a lifetime,

  kept hidden through a lifetime, unknown to us, eternally

  valid—onto the blissful carpet before a pair

  now truly smiling at last?

  DIE SECHSTE ELEGIE

  Feigenbaum, seit wie lange schon ists mir bedeutend,

  wie du die Blüte beinah ganz überschlägst

  und hinein in die zeitig entschlossene Frucht,

  ungerühmt, drängst dein reines Geheimnis.

  Wie der Fontäne Rohr treibt dein gebognes Gezweig

  abwärts den Saft und hinan: und er springt aus dem Schlaf,

  fast nicht erwachend, ins Glück seiner süßesten Leistung.

  Sieh: wie der Gott in den Schwan.

  . . . . . . Wir aber verweilen,

  ach, uns rühmt es zu blühn, und ins verspätete Innre

  unserer endlichen Frucht gehn wir verraten hinein.

  Wenigen steigt so stark der Andrang des Handelns,

  daß sie schon anstehn und glühn in der Fülle des Herzens,

  wenn die Verführung zum Blühn wie gelinderte Nachtluft

  ihnen die Jugend des Munds, ihnen die Lider berührt:

  Helden vielleicht und den frühe Hinüberbestimmten,

  denen der gärtnernde Tod anders die Adern verbiegt.

  Diese stürzen dahin: dem eigenen Lächeln

  sind sie voran, wie das Rossegespann in den milden

  muldigen Bildern von Karnak dem siegenden König.

  Wunderlich nah ist der Held doch den jugendlich Toten. Dauern

  ficht ihn nicht an. Sein Aufgang ist Dasein; beständig

  nimmt er sich fort und tritt ins veränderte Sternbild

  seiner steten Gefahr. Dort fänden ihn wenige. Aber,

  das uns finster verschweigt, das plötzlich begeisterte Schicksal

  singt ihn hinein in den Sturm seiner aufrauschenden Welt.

  Hör ich doch keinen wie ihn. Auf einmal durchgeht mich

  mit der strömenden Luft sein verdunkelter Ton.

  Dann, wie verbärg ich mich gern vor der Sehnsucht: O wär ich,

  wär ich ein Knabe und dürft es noch werden und säße

  in die künftigen Arme gestützt und läse von Simson,

  wie seine Mutter erst nichts und dann alles gebar.

  War er nicht Held schon in dir, o Mutter, begann nicht

  dort schon, in dir, seine herrische Auswahl?

  Tausende brauten im Schooß und wollten er sein,

  aber sieh: er ergriff und ließ aus—, wählte und konnte.

  Und wenn er Säulen zerstieß, so wars, da er ausbrach

  aus der Welt deines Leibs in die engere Welt, wo er weiter

  wählte und konnte. O Mütter der Helden, o Ursprung

  reißender Ströme! Ihr Schluchten, in die sich

  hoch von dem Herzrand, klagend,

  schon die Mädchen gestürzt, künftig die Opfer dem Sohn.

  Denn hinstürmte der Held durch Aufenthalte der Liebe,

  jeder hob ihn hinaus, jeder ihn meinende Herzschlag,

  abgewendet schon, stand er am Ende der Lächeln,

  —anders.

  THE SIXTH ELEGY

  O fig tree, how long I’ve pondered you—

  the way you almost skip flowering completely

  and release, unheralded, your pure secret

  into the sprigs of fruit already poised to ripen.

  Like a fountain’s pipe, your bent boughs drive the sap

  downward and up: and it leaps from sleep, almost

  without waking, into the joy of its sweetest achievement.

  Look: like the god into the swan.

  . . . . . . But we, for our part, linger,

  ah, flowering flatters us; the belated inner place

  that is our culminating fruit we enter spent, betrayed.

  Only a few feel the sap of action rise so strongly

  that they’re stationed and glowing in their heart’s fullness

  by the time the allure of flowering touches their eyelids,

  touches their lips’ youthfulness, like soft nocturnal air—

  heroes perhaps, and those destined to leave early,

  whose veins gardener Death twists in a different fashion.

  These plunge on, in advance of their own smiles,

  the way those teams of chargers precede the conquering

  kings in the gen
tle bas-reliefs at Karnak.

  Oddly, the hero resembles the youthful dead. Permanence

  does not concern him. Ascent is his existence; time and again

  he annuls himself and enters the changed constellation

  of his unchanging danger. Few would find him there. But Fate,

  which wraps us in mute obscurity, grows ecstatic

  and sings him into the storms of his tumultuous world.

  I hear no one like him. But suddenly I’m pierced

  by his darkened music, borne swiftly by the rush of air.

  Then how gladly I would hide from that longing! If only,

  oh if only I were a boy with the unknown yet before me

  as I sat propped on my future’s arms, reading about Samson,

  how his mother bore nothing at first, then—everything.

  Was he not always the hero, O mother, even in you?

  Did it not already begin there in you, his imperious choosing?

  Thousands teemed in the womb, wanting to be him,

  but look: he seized and excluded—, chose and made good.

  If he crushed columns, it was when he burst

  from the world of your body into the narrower world,

  where he continued to choose and make good. O mothers of heroes,

  O source of torrential rivers! You ravines into which,

  high on the heart’s rim, lamenting virgins

  have cast themselves, lives-to-be sacrificed to the son.

  For even as the hero stormed through love’s arbors,

  each heartbeat meant for him bore him upward and on: until

  turned away already, he stood at the end of the smiles,

  —someone new.

  DIE SIEBENTE ELEGIE

  Werbung nicht mehr, nicht Werbung, entwachsene Stimme,

  sei deines Schreies Natur; zwar schrieest du rein wie der Vogel,

  wenn ihn die Jahreszeit aufhebt, die steigende, beinah vergessend,

  daß er ein kümmerndes Tier und nicht nur ein einzelnes Herz sei,

  das sie ins Heitere wirft, in die innigen Himmel. Wie er, so

  würbest du wohl, nicht minder—, daß, noch unsichtbar,

  dich die Freundin erführ, die stille, in der eine Antwort

  langsam erwacht und über dem Hören sich anwärmt,—

  deinem erkühnten Gefühl die erglühte Gefühlin.

  O und der Frühling begriffe—, da ist keine Stelle,

  die nicht trüge den Ton der Verkündigung. Erst jenen kleinen

  fragenden Auflaut, den, mit steigernder Stille,

  weithin umschweigt ein reiner bejahender Tag.

  Dann die Stufen hinan, Ruf-Stufen hinan, zum geträumten

  Tempel der Zukunft—; dann den Triller, Fontäne,

  die zu dem drängenden Strahl schon das Fallen zuvornimmt

 

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