Duino Elegies: A Bilingual Edition

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Duino Elegies: A Bilingual Edition Page 6

by Rainer Maria Rilke


  We rearrange it, and fall apart ourselves.

  Who has turned us around like this, so that

  always, no matter what we do, we’re in the stance

  of someone just departing? As he,

  on the last hill that shows him all his valley

  one last time, turns, stops, lingers—,

  we live our lives, forever taking leave.

  DIE NEUNTE ELEGIE

  Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins

  hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles

  andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem

  Blattrand (wie eines Windes Lächeln)—: warum dann

  Menschliches müssen—und, Schicksal vermeidend,

  sich sehnen nach Schicksal?…

  Oh, nicht, weil Glück ist,

  dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts.

  Nicht aus Neugier, oder zur Übung des Herzens,

  das auch im Lorbeer wäre . . . . .

  Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar

  alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das

  seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal

  jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nichtmehr. Und wir auch

  ein Mal. Nie wieder. Aber dieses

  ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal:

  irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.

  Und so drängen wir uns und wollen es leisten,

  wollens enthalten in unsern einfachen Händen,

  im überfüllteren Blick und im sprachlosen Herzen.

  Wollen es werden.—Wem es geben? Am liebsten

  alles behalten für immer … Ach, in den andern Bezug,

  wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier

  langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins.

  Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein,

  also der Liebe lange Erfahrung,—also

  lauter Unsägliches. Aber später,

  unter den Sternen, was soils: die sind besser unsäglich.

  Bringt doch der Wanderer auch vom Hange des Bergrands

  nicht eine Hand voll Erde ins Tal, die Allen unsägliche, sondern

  ein erworbenes Wort, reines, den gelben und blaun

  Enzian. Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus,

  Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster,—

  höchstens: Säule, Turm.… aber zu sagen, verstehs,

  oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals

  innig meinten zu sein. Ist nicht die heimliche List

  dieser verschwiegenen Erde, wenn sie die Liebenden drängt,

  daß sich in ihrem Gefühl jedes und jedes entzückt?

  Schwelle: was ists für zwei

  Liebende, daß sie die eigne ältere Schwelle der Tür

  ein wenig verbrauchen, auch sie, nach den vielen vorher

  und vor den Künftigen.…, leicht.

  Hier ist des Säglichen Zeit, hier seine Heimat.

  Sprich und bekenn. Mehr als je

  fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn,

  was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild.

  Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald

  innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt.

  Zwischen den Hämmern besteht

  unser Herz, wie die Zunge

  zwischen den Zähnen, die doch,

  dennoch, die preisende bleibt.

  Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm

  kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall,

  wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig

  ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet,

  als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick.

  Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest

  bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil.

  Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser,

  wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschließt,

  dient als ein Ding, oder stirbt in ein Ding—, und jenseits

  selig der Geige entgeht.—Und diese, von Hingang

  lebenden Dinge verstehn, daß du sie rühmst; vergänglich,

  traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu.

  Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln

  in—o unendlich—in uns! Wer wir am Ende auch seien.

  Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar

  in uns erstehn?—Ist es dein Traum nicht,

  einmal unsichtbar zu sein?—Erde! unsichtbar!

  Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag?

  Erde, du liebe, ich will. Oh glaub, es bedürfte

  nicht deiner Frühlinge mehr, mich dir zu gewinnen—, einer,

  ach, ein einziger ist schon dem Blute zu viel.

  Namenlos bin ich zu dir entschlossen, von weit her.

  Immer warst du im Recht, und dein heiliger Einfall

  ist der vertrauliche Tod.

  Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft

  werden weniger . . . . . Überzähliges Dasein

  entspringt mir im Herzen.

  THE NINTH ELEGY

  Why, when this span of life might be passed

  as a laurel, slightly darker than everything else

  green, with tiny waves on the edges

  of each leaf (like the wind’s smile)—: why then

  have to be human—and, fleeing destiny,

  long for destiny?…

  Oh, not for some dream of happiness,

  that premature profit of an imminent loss.

  Not out of curiosity, not to give practice to the heart,

  which would also pulse with laurel . . . . .

  But because life here compels us, and because everything here

  seems to need us, all this fleetingness

  that strangely entreats us. Us, the most fleeting …

  Once for each thing, only once. Once and no more. And we, too,

  only once. Never again. But to have been

  once, even though only once:

  this having been earthly seems lasting, beyond repeal.

  And so we press on and try to achieve it,

  try to contain it in our simple hands,

  in our brimming eyes, our voiceless heart.

  Try to become it. Try to give it—to whom? Best of all,

  to hold on to it all forever … Ah, but what can one carry across

  into that other relation? Not the art of seeing,

  learned so slowly here, and no event that transpired here. Not one.

  The pain, then. Above all, the hard labor of living,

  the long experience of love, —all the purely

  unsayable things. But later on,

  among the stars, what then: there the unsayable reigns.

  The traveler doesn’t bring from the mountain slope

  into the valley some handful of sod, around which all stand mute,

  but a word he’s gained, a pure word, the yellow and blue

  gentian. What if we’re here just for saying: house,

  bridge, fountain, gate, jug, fruit tree, window,—

  at most: column, tower … but for saying, understand,

  oh for such saying as the things themselves

  never hoped so intensely to be. Isn’t this the sly purpose

  of the taciturn earth, when it urges lovers on:

  that in their passion each single thing should find ecstasy?

  O Threshold: what must it mean for two lovers

  to have their own older threshold and be wearing down so lightly

  the ancient sill—, they too, after the many before,

  before the many to come . . . . .

  Here is the time for the sayable, here is its home.

  Speak and attest. More than ever

  the things we can live
with are falling away,

  and ousting them, filling their place: a will with no image.

  Will beneath crusts which readily crack

  whenever the act inside swells and seeks new borders.

  Between the hammers our heart

  lives on, as the tongue,

  even between the teeth, remains

  unceasing in praise.

  Praise the world to the Angel, not what’s unsayable.

  You can’t impress him with lofty emotions; in the cosmos

  that shapes his feelings, you’re a mere novice. Therefore show him

  some simple object, formed from generation to generation

  until it’s truly our own, dwelling near our hands and in our eyes.

  Tell him of things. He’ll stand more amazed; as you stood

  beside the ropemaker in Rome or by the potter along the Nile.

  Show him how happy a thing can be, how innocent and ours,

  how even sorrow’s lament resolves upon form,

  serves as a thing or dies into a thing—, and in that blissful beyond

  is unmoved even by the violin. —And these things

  that keep alive on departure know that you praise them; transient,

  they look to us, the most transient, to be their rescue.

  They want us to change them completely, in our invisible hearts,

  into—O endlessly—us! Whoever, finally, we may be.

  Earth, isn’t that what you want: to arise

  in us invisibly? Isn’t it your dream

  to be invisible someday? Earth! Invisible!

  What, if not transformation, is your urgent charge?

  Earth, my darling, I will! Believe me, you need

  no more of your springtimes to win me—, one,

  just a single one, is already too much for my blood.

  Nameless now, I am betrothed to you forever.

  You’ve always been right, and your most sacred tenet

  is Death the intimate Friend.

  Look, I am living. On what? Neither childhood nor future

  lessens . . . . . Superabundant existence

  wells in my heart.

  DIE ZEHNTE ELEGIE

  Daß ich dereinst, an dem Ausgang der grimmigen Einsicht,

  Jubel und Ruhm aufsinge zustimmenden Engeln.

  Daß von den klar geschlagenen Hämmern des Herzens

  keiner versage an weichen, zweifelnden oder

  reißenden Saiten. Daß mich mein strömendes Antlitz

  glänzender mache; daß das unscheinbare Weinen

  blühe. O wie werdet ihr dann, Nächte, mir lieb sein,

  gehärmte. Daß ich euch knieender nicht, untröstliche Schwestern,

  hinnahm, nicht in euer gelöstes

  Haar mich gelöster ergab. Wir, Vergeuder der Schmerzen.

  Wie wir sie absehn voraus, in die traurige Dauer,

  ob sie nicht enden vielleicht. Sie aber sind ja

  unser winterwähriges Laub, unser dunkeles Sinngrün,

  eine der Zeiten des heimlichen Jahres—, nicht nur

  Zeit—, sind Stelle, Siedelung, Lager, Boden, Wohnort.

  Freilich, wehe, wie fremd sind die Gassen der Leid-Stadt,

  wo in der falschen, aus Übertönung gemachten

  Stille, stark, aus der Gußform des Leeren der Ausguß

  prahlt: der vergoldete Lärm, das platzende Denkmal.

  O, wie spurlos zerträte ein Engel ihnen den Trostmarkt,

  den die Kirche begrenzt, ihre fertig gekaufte:

  reinlich und zu und enttäuscht wie ein Postamt am Sonntag.

  Draußen aber kräuseln sich immer die Ränder von Jahrmarkt.

  Schaukeln der Freiheit! Taucher und Gaukler des Eifers!

  Und des behübschten Glücks figürliche Schießstatt,

  wo es zappelt von Ziel und sich blechern benimmt,

  wenn ein Geschickterer trifft. Von Beifall zu Zufall

  taumelt er weiter; denn Buden jeglicher Neugier

  werben, trommeln und plärrn. Für Erwachsene aber

  ist noch besonders zu sehn, wie das Geld sich vermehrt, anatomisch,

  nicht zur Belustigung nur: der Geschlechtsteil des Gelds,

  alles, das Ganze, der Vorgang—, das unterrichtet und macht

  fruchtbar . . . . . . . . .

  .… Oh aber gleich darüber hinaus,

  hinter der letzten Planke, beklebt mit Plakaten des ›Todlos‹,

  jenes bitteren Biers, das den Trinkenden süß scheint,

  wenn sie immer dazu frische Zerstreuungen kaun…,

  gleich im Rücken der Planke, gleich dahinter, ists wirklich.

  Kinder spielen, und Liebende halten einander,—abseits,

  ernst, im ärmlichen Gras, und Hunde haben Natur.

  Weiter noch zieht es den Jüngling; vielleicht, daß er eine junge

  Klage liebt . . . . . Hinter ihr her kommt er in Wiesen. Sie sagt:

  —Weit. Wir wohnen dort draußen.…

  Wo? Und der Jüngling

  folgt. Ihn rührt ihre Haltung. Die Schulter, der Hals—, vielleicht

  ist sie von herrlicher Herkunft. Aber er läßt sie, kehrt um,

  wendet sich, winkt … Was soils? Sie ist eine Klage.

  Nur die jungen Toten, im ersten Zustand

  zeitlosen Gleichmuts, dem der Entwöhnung,

  folgen ihr liebend. Mädchen

  wartet sie ab und befreundet sie. Zeigt ihnen leise,

  was sie an sich hat. Perlen des Leids und die feinen

  Schleier der Duldung.—Mit Jünglingen geht sie

  schweigend.

  Aber dort, wo sie wohnen, im Tal, der Älteren eine, der Klagen,

  nimmt sich des Jünglinges an, wenn er fragt:—Wir waren,

  sagt sie, ein Großes Geschlecht, einmal, wir Klagen. Die Väter

  trieben den Bergbau dort in dem großen Gebirg; bei Menschen

  findest du manchmal ein Stück geschliffenes Ur-Leid

  oder, aus altem Vulkan, schlackig versteinerten Zorn.

  Ja, das stammte von dort. Einst waren wir reich.—

  Und sie leitet ihn leicht durch die weite Landschaft der Klagen,

  zeigt ihm die Säulen der Tempel oder die Trümmer

  jener Burgen, von wo Klage-Fürsten das Land

  einstens weise beherrscht. Zeigt ihm die hohen

  Tränenbäume und Felder blühender Wehmut,

  (Lebendige kennen sie nur als sanftes Blattwerk);

  zeigt ihm die Tiere der Trauer, weidend,—und manchmal

  schreckt ein Vogel und zieht, flach ihnen fliegend durchs Aufschaun,

  weithin das schriftliche Bild seines vereinsamten Schreis.—

  Abends führt sie ihn hin zu den Gräbern der Alten

  aus dem Klage-Geschlecht, den Sibyllen und Warn-Herrn.

  Naht aber Nacht, so wandeln sie leiser, und bald

  mondets empor, das über Alles

  wachende Grab-Mal. Brüderlich jenem am Nil,

  der erhabene Sphinx—: der verschwiegenen Kammer

  Antlitz.

  Und sie staunen dem krönlichen Haupt, das für immer,

  schweigend, der Menschen Gesicht

  auf die Waage der Sterne gelegt.

  Nicht erfaßt es sein Blick, im Frühtod

  schwindelnd. Aber ihr Schaun,

  hinter dem Pschent-Rand hervor, scheucht es die Eule. Und sie,

  streifend im langsamen Abstrich die Wange entlang,

  jene der reifesten Rundung,

  zeichnet weich in das neue

  Totengehör, über ein doppelt

  aufgeschlagenes Blatt, den unbeschreiblichen Umriß.

  Und höher, die Sterne. Neue. Die Sterne des Leidlands.

  Langsam nennt sie die Klage:—Hier,

  siehe: den Reiter, den Stab, und das vollere Sternbild

  nennen sie: Fruchtkranz. Dann, weiter, dem Pol zu:

  Wiege; Weg; Das Brennende Buch; Puppe; Fenster.

  Aber im südlichen Himmel, rein wie im Innern

  einer gesegneten Hand, da
s klar erglänzende ›M‹,

  das die Mütter bedeutet . . . . . . —

  Doch der Tote muß fort, und schweigend bringt ihn die ältere

  Klage bis an die Talschlucht,

  wo es schimmert im Mondschein:

  die Quelle der Freude. In Ehrfurcht

  nennt sie sie, sagt:—Bei den Menschen

  ist sie ein tragender Strom.—

  Stehn am Fuß des Gebirgs,

  Und da umarmt sie ihn, weinend.

  Einsam steigt er dahin, in die Berge des Ur-Leids.

  Und nicht einmal sein Schritt klingt aus dem tonlosen Los.

  Aber erweckten sie uns, die unendlich Toten, ein Gleichnis,

  siehe, sie zeigten vielleicht auf die Kätzchen der leeren

  Hasel, die hängenden, oder

  meinten den Regen, der fällt auf dunkles Erdreich im Frühjahr.—

  Und wir, die an steigendes Glück

  denken, empfänden die Rührung,

  die uns beinah bestürzt,

  wenn ein Glückliches fällt.

  THE TENTH ELEGY

  Someday, at the end of the nightmare of knowing,

  may I emerge singing praise and jubilation to assenting angels.

  May I strike my heart’s keys clearly, and may none fail

  because of slack, uncertain, or fraying strings.

  May the tears that stream down my face

  make me more radiant: may my hidden weeping

  bloom. How I will cherish you then, you grief-torn nights!

  Had I only received you, inconsolable sisters,

  on more abject knees, only buried myself with more abandon

  in your loosened hair. How we waste our afflictions!

  We study them, stare out beyond them into bleak continuance,

  hoping to glimpse some end. Whereas they’re really

  our wintering foliage, our dark greens of meaning, one

  of the seasons of the clandestine year—; not only

  a season—: they’re site, settlement, shelter, soil, abode.

  Ah, but the City of Pain: how strange its streets are:

  the false silence of sound drowning sound,

  and there—proud, brazen, effluence from the mold of emptiness—

  the gilded hubbub, the bursting monument.

  How an Angel would stamp out their market of solaces,

  set up alongside their church bought to order:

  clean and closed and woeful as a post office on Sunday.

  Outside, though, there’s always the billowing edge of the fair.

  Swings of Freedom! High-divers and Jugglers of Zeal!

  And the shooting gallery with its figures of idiot Happiness

 

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