Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition)

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Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition) Page 25

by Engel, Kathinka

»Sir«, sagt einer der Kellner, »wenn Sie nicht sofort verschwinden, hole ich den Sicherheitsdienst.«

  »Fick dich!«, sagt Curtis. »Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß.«

  »Curtis, bitte!« Ich stehe auf, versuche seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

  »Was willst du von mir, du Penner?«, sagt Richard. »Nimm deine Finger weg.«

  »Du bist hier der Penner«, kontert Curtis.

  Und dann lacht Richard. Lacht ihn aus. Und ich erstarre, als Curtis seine Faust hebt. Es läuft ab wie in Zeitlupe. Ich schreie, Richards Augen sind weit aufgerissen, dann trifft Curtis’ Rechte auf Richards Kiefer. Sofort ist ein Typ von der Security zur Stelle, biegt Curtis’ Arm auf seinen Rücken. Am liebsten würde ich im Boden versinken.

  Ich eile auf Richard zu. »Bist du okay?«, frage ich.

  Er reibt sich sein Gesicht. »Ja, er hat nicht richtig getroffen.«

  »Ja, sorg du dich nur um deinen Freund.« Curtis klingt verächtlich. Dann dreht der Mann von der Security ihn um. »Die Show ist vorbei, Leute. Genießt euer feines Essen.« Die letzten Worte spuckt er beinahe aus.

  Ich bin wie vom Donner gerührt. Langsam gehen wir an unseren Tisch zurück.

  »Es tut mir so leid«, sage ich an den Kellner gewandt.

  »Ist ja nicht Ihre Schuld, Miss.«

  Ich vergrabe das Gesicht in meinen Händen. »Es tut mir so leid«, sage ich diesmal zu Richard, obwohl ich eigentlich nichts dafürkann, dass mein Mitbewohner ein durchgeknallter Penner ist. Denn damit hat Richard wohl leider recht.

  Richard grinst ein bisschen unbeholfen. »Ehrlich gesagt, habe ich immer geahnt, dass er mich nicht leiden kann.« Das Grinsen wird zu einem unsicheren Lachen.

  Von draußen hört man metallisches Scheppern. Es klingt, als hätte jemand ein paar Mülltonnen umgetreten. Der Schraubstock um mein Herz zieht sich noch enger zusammen.

  »Ich glaube, ich sollte …«

  »Ist das nicht gefährlich?«

  »Nein«, sage ich mit Nachdruck. Schließlich weiß ich, dass Curtis zwar ein ausgemachter Schwachkopf ist, mir aber nie etwas tun würde. Ganz im Gegenteil: Ich mache mir Sorgen, dass er sich selbst ernsthaft wehtun könnte.

  Ich krame nach meinem Geldbeutel, doch Richard hebt die Hand. »Lass, ich lade dich ein.«

  »Wirklich nicht«, sage ich. »Das hier war unser Schluss-machen-Gespräch, und der Typ, mit dem ich was laufen habe, hat dich geschlagen. Das Mindeste, was ich tun kann, ist, die Rechnung zu übernehmen.«

  Ich ignoriere Richards überraschten Gesichtsausdruck und lege ein paar Scheine auf den Tisch.

  »Wir sehen uns«, sage ich, dann eile ich zur Tür – jedoch nicht, ohne den Kellnern noch einen entschuldigenden Blick zuzuwerfen.

  Draußen schaue ich mich hektisch um. Erst kann ich Curtis nirgendwo sehen, doch dann erspähe ich ihn einen Block weiter. Mit gesenktem Kopf läuft er die Straße hinunter.

  »Curtis!«, rufe ich mit strenger Stimme, und er bleibt sofort stehen. Reibt sich übers Gesicht, rauft sich die Haare. Er gibt einen erstickten Schrei von sich. Als ich nahe genug bin, sage ich mit zitternder Stimme: »Was zur Hölle denkst du dir eigentlich, du Arsch?«

  »Was zur Hölle denkst du dir!«, gibt er zurück. Sein Tonfall ist aggressiv. »Hockst da bei einem Date mit dem einen Typen, der …«

  »Das war kein Date, du Idiot.« Ich baue mich vor ihm auf. Obwohl ich kleiner bin, weicht er zurück und tritt dann mit aller Macht gegen eine Häuserwand, sodass ich zusammenzucke. »Du bist ja völlig wahnsinnig!«

  »Ich bin wahnsinnig?«, brüllt er. »Ich? Ich bin jedenfalls nicht derjenige, der sich von einem schmierigen Typen angrapschen lässt. Das ist das Letzte, Amory.«

  Ich muss mich zusammenreißen, um ihn nicht gegen die Wand zu schubsen, so wie er es mit Richard gemacht hat. »Das ist das Letzte?«, frage ich entgeistert. »Dass ich mit einem Kollegen zu Abend esse? Im Vergleich dazu, dass du mit Esmé abziehst, kommt mir das sehr harmlos vor.«

  Er schnaubt. »Das denkst du also von mir.«

  »Ist es nicht so?«

  »Es ist so. Aber nicht so. «

  »Dann erklär’s mir«, sage ich in gehässigem Tonfall. »Erklär mir, warum du mit ihr geflirtet hast. Warum du ihr vor meinen Augen Sachen ins Ohr flüsterst. Warum du mit ihr die Bar verlässt.«

  »Und warum redest du den ganzen verfickten Abend mit Richard?« Seine Stimme bricht.

  »Verdammt noch mal!«, rufe ich. »Ich habe ihn nicht eingeladen. Du hattest ihm erzählt, wann ihr im Cat’s Cradle spielt. Er ist auf gut Glück vorbeigekommen, um mich zu einer Aussprache zu überreden. Was hätte ich denn machen sollen?«

  Curtis senkt den Blick und schweigt. Er schwankt etwas, schluckt. »Fuck«, sagt er dann und tritt noch mal gegen die Wand.

  »Hör endlich auf mit dem Scheiß.« Ich kann nichts dagegen tun, dass meine Stimme zittert. Ich will das alles nicht. Nicht seine Wut, nicht seine Aggressionen. Ich habe Angst um ihn, aber genauso große Angst habe ich davor, dass er mich mitreißt.

  Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Einen Moment wendet er sich ab, stößt einen lauten frustrierten Schrei aus.

  »Hör auf«, sage ich noch mal und gehe einen Schritt auf ihn zu. »Bitte, hör endlich auf.«

  Ich umfasse seine Handgelenke, zwinge ihn, mich anzusehen. Ich schüttle leicht seine Hände, öffne seine Fäuste. »Du kannst nicht so sein«, sage ich so ruhig wie möglich, während mir eine Träne die Wange hinunterläuft. »Nicht, wenn andere Menschen mit drin hängen. Das ist unfair. Unfair mir gegenüber. Und unfair Richard gegenüber, auch wenn dir das egal ist.«

  »Ist mir nicht egal«, sagt er leise und sieht aus, als würde er vor schlechtem Gewissen vergehen. »Es ist mir nicht egal.« Diesmal spricht er lauter. »Verfluchte Scheiße noch mal, mir ist das alles nicht egal.«

  »Okay«, sage ich sanft, bevor er sich wieder in irgendwas hineinsteigern kann. »Lass uns nach Hause gehen. Schlaf deinen Rausch aus. Morgen reden wir in Ruhe.«

  »Morgen hasst du mich.« Die tiefe Trauer in seiner Stimme macht mein Herz so schwer, dass ich das Gefühl habe, die Last nicht tragen zu können.

  »Nicht mehr als jetzt auch schon.«

  Er gibt ein Wimmern von sich, das mir durch Mark und Bein geht.

  »Ich hasse dich nicht«, sage ich deswegen, obwohl es in diesem Moment selbst mir schwerfällt, das zu glauben.

  38

  Curtis

  Ich wache auf mit dem Geruch von Blueberry Pancakes in der Nase und Skeeter Davis’ The End of the World im Ohr. Mir ist sofort so schlecht, dass ich glaube, meine gesamte Körpermitte würde sich auflösen. Als ich die Augen öffne, schießt ein stechender Schmerz durch meinen Schädel, und kurz bin ich orientierungslos. Dann begreife ich, dass ich in Amorys Zimmer bin. In Amorys Bett.

  Ich will bei dir schlafen. Lass mich bei dir schlafen. Warum gehst du? Ich will nicht, dass du gehst.

  Die Erinnerung an letzte Nacht lässt mich aufstöhnen. Und dann kehrt tröpfchenweise alles zurück. Jeder einzelne verfluchte Augenblick, jeder verfickte Scheißdreck, den ich verbockt habe. Die Wut auf Richard, die leere Wohnung, die Gewissheit, dass sie sich mit ihm treffen würde. Die Wodkaflasche, die auf dem Weg dran glauben musste. Warum bin ich so ein widerlicher Versager? Warum schaltet sich mein beschissenes Hirn aus in Momenten, in denen es mich bremsen müsste?

  Die Blueberry Pancakes. Ich stoße einen tiefen Seufzer aus. Eine Mischung aus Frustration und Verzweiflung. Ich habe den Bogen überspannt. Ich weiß es. Das war’s.

  Mühsam setze ich mich auf, schwinge meine Beine aus dem Bett. Ich trage noch die Jeans von gestern. Als ich die Tür öffne, wartet Hilbert nicht auf mich. Es ist das falsche Zimmer. Ich schleiche mich ins Bad, um mir wenigstens die Zähne zu putzen.

  Der Blick in den Spiegel erschreckt mich. Meine Augen sind blutunterlaufen, meine Lippen spröde. Vielleicht sah ich mal ganz gut aus. Aber meine innere Hässlichkeit hat sich einen Weg nach draußen gebahnt.

  Ich spritze mir ein bisschen Wasser ins Gesicht. Atme tief ein und zitternd wieder aus. Wie konnte ich so scheiße zu ihr sein? Richard mag es verdient haben, do
ch Amory ist der letzte Mensch, den ich vor den Kopf stoßen will.

  Einen Augenblick gestatte ich mir, in der Küchentür zu lehnen, um ihr zuzusehen, wie sie Pancakes wendet. Noch ein kurzer Moment, in dem ich so tun kann, als wäre alles gut. Dann dreht sie sich um. Lächelt erschöpft. Sie hat ebenfalls Augenringe. Sieht aus, als hätte sie kaum geschlafen.

  »Hast du …« Ich kratze mich am Kopf, bin so beschämt, dass ich nicht einmal weiß, ob ich das Recht habe, zu sprechen.

  »… in deinem Bett geschlafen? Ja.«

  »Sorry.«

  »Zieh dir bitte was an.« Ihre Stimme klingt dünn.

  Ich blicke an mir hinunter. Wahrscheinlich ist heute Morgen nicht die Gelegenheit, zu der ich meinen Oberkörper präsentiere. Mir liegt ein blöder Witz auf der Zunge, doch ich schlucke ihn hinunter, trolle mich in mein Zimmer und schnappe mir ein T-Shirt, das auf meinem Bett liegt. Es riecht durchdringend nach Amory. Nach Himmel und Glückseligkeit. Wahrscheinlich hat sie es sich zum Schlafen angezogen. Der Klumpen in meinem Hals schwillt an. Wenn Amorys Wut mich also nicht umbringt, wird er es bald erledigen. Und ich hoffe, dass es langsam und schmerzhaft wird.

  »Setz dich«, sagt sie leise, als ich zurück in der Küche bin. Auf einem Teller vor mir liegen drei Pancakes, auf die sie bereits Ahornsirup gegossen hat.

  Ich lasse mich auf den Stuhl sinken, wage es nicht, sie anzusehen. Mein gesamter Körper schmerzt, aber es hat nichts damit zu tun, dass ich gestern gegen Mülltonnen und Wände getreten oder eine verfickte Flasche Schnaps getrunken habe.

  Wieder atme ich tief ein, spüre, wie meine Nasenflügel beben. Als ich den Kopf so weit hebe, dass ich Amory ins Gesicht blicken kann, sehe ich, dass sie mit der Gabel in ihren Pancakes herumstochert. Ihre Lippe zittert. Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas gesehen habe, das mir so sehr mein mickriges, verschrumpeltes Herz zerreißt.

  »Es tut mir leid«, versuche ich zu sagen, aber es kommt nur ein ersticktes Flüstern heraus. »Ich wollte nie … hätte nie …«

  Sie zuckt mit den Schultern. »Es ist nicht deine Schuld«, sagt sie und zieht mir damit den Boden unter den Füßen weg. Sie muss meinen erschütterten Blick bemerken. »Du kannst nicht anders«, erklärt sie leise. »Hast es nie gelernt.«

  »Ich bin ein Wilder«, sage ich. Eigentlich soll es witzig gemeint sein, doch in diesem Moment wird mir bewusst, dass es stimmt. Ich habe keinen Kompass. Habe keine Ahnung, wie man mit sich selbst umgeht. Wie man mit Dingen umgeht. Ich schlage um mich, betrinke mich. Dresche auf Drums ein. Und nebenbei verliere ich die Menschen, die den ganzen Scheiß wenigstens erträglich gemacht haben.

  »Wenn du es so sagen willst.« Auch Amory weiß, dass ich recht habe.

  »Ich dachte …« Ich bin unsicher, ob es Zeit für Erklärungen ist, aber an irgendeinen Strohhalm muss ich mich klammern. »Ich dachte, du würdest dich wieder auf ihn einlassen.«

  »Du bist so ein Arsch«, sagt sie, und ich nicke.

  »Ja, ich weiß.«

  »Du kannst machen, was du willst. Wir haben Spaß, solange wir Bock drauf haben. Das waren deine Worte, Curtis.«

  »Ja …« Aber doch nicht, weil ich nicht mehr will, würde ich am liebsten schreien, das würde allerdings wirken, als versuchte ich, Verantwortung abzuwälzen.

  »Also, selbst wenn ich wieder mit Richard zusammen wäre, ginge dich das gar nichts an.«

  Ich bemühe mich zu schlucken, aber es funktioniert nicht mehr. Meine gesamte Kehle ist zugeschwollen. »Als ich nach Hause kam und du nicht hier warst … Ich habe einfach … Ich wusste nicht mehr …«

  »Und wo warst du? Hm? Du ziehst mit Esmé ab, und ich darf mich nicht mal mit meinem Ex aussprechen, ohne dass du völlig ausrastest.« Wenigstens klingt sie jetzt sauer. Wut ist besser als Traurigkeit. Damit kann ich etwas anfangen.

  »Ich bin wirklich nicht mit Esmé …« Meine Fähigkeit, Sätze zu beenden, hat sich ebenfalls verabschiedet. »Ich würde nie … Ich will nur dich.« Mein Herz zieht sich noch etwas weiter zusammen, als ich ausspreche, was ich eigentlich nie vorhatte zu sagen. »Ich will nur dich«, wiederhole ich, und meine Stimme bricht. Ein tiefer Schluchzer bahnt sich seinen Weg aus den Tiefen meines Körpers. Und ich erschrecke beinahe über seine Lautstärke.

  »Was?«, fragt Amory.

  Ich verberge das Gesicht in meinen Händen. Kann sie nicht ansehen. »Fuck, Amory. Tut mir leid. Es tut mir so leid. Das ist nicht dein Problem. Und ich weiß, dass ich nicht das Recht habe … Aber verflucht noch mal … Ich halt’s nicht aus.«

  »Was hältst du nicht aus?« Sie hat die Stirn gerunzelt, ihre Augen sind ganz glasig geworden. Sie hat keine Ahnung.

  »Dich und Richard.«

  »Aber da ist doch nichts zwischen mir und Richard.«

  Ich nicke und stoße ein seltsam erleichtertes Geräusch aus, doch es ist eine Lüge. Denn egal, ob etwas mit Richard läuft oder nicht – mit mir läuft mit Sicherheit auch nichts mehr. Und das zerfetzt mich.

  »Was ist passiert?«, fragt sie nun wieder leiser. »Was ist zwischen Weihnachten und jetzt passiert?«

  Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß es nicht. »Ich schätze …«, sage ich und stoße ein ironisch-bitteres Schnauben aus, »ich schätze, ich habe Angst, dich zu verlieren.« Bevor sie etwas sagen kann, hebe ich die Hand. »Ich weiß. Ich weiß, dass ich dich dadurch verliere. Keine Sorge, das ist mir mehr als bewusst. Die hier« – ich zeige mit der Gabel auf die Pancakes, die ich ebenso wie Amory nicht angerührt habe – »sind mein Sargnagel.«

  »Oh, Curtis«, presst sie hervor, und es klingt, als hätte sie dabei Schmerzen. Ihre Augen sind weit aufgerissen, diese schönen, blauen Augen. Sie schlägt sich die Hände vor den Mund.

  »Ja«, sage ich. »Ich bin so beschissen blöd.«

  »Das bist du.« Sie greift über den Tisch und drückt meine Hand. Es ist mehr, als ich verdient habe.

  Als ich meine Finger mit ihren verweben will, zittern sie so heftig, dass ich wieder schluchzen muss.

  »Hey«, macht sie ganz sanft. »Hey.« Sie rutscht von ihrem Stuhl mir gegenüber auf die Kopfseite des Tisches, um näher bei mir zu sein. Legt ihre beiden Hände um meine. Sie sind eisig kalt. »Das ist nicht das Ende der Welt«, sagt sie, und eine Träne löst sich aus ihrem Augenwinkel.

  »Skeeter Davis ist da anderer Ansicht.« Mir entfährt ein verzweifeltes Lachen, das Amory dazu nutzt, mit der Handfläche ihre Träne wegzuwischen. Danach kehrt ihre Hand nicht mehr zurück, und meine Eingeweide frieren ein.

  »Soll ich einen anderen Song …?«

  »Nein, lass. Den Gutschein hebe ich mir für ein andermal auf.« Ein andermal. Wenn es das überhaupt noch gibt. Ich versuche mich an einem Lächeln, doch es misslingt gründlich. Mein Gesicht fühlt sich einfach nur schief an. Hässlich.

  »Ich würde dir gern was sagen, Curtis.«

  Ich sehe auf, ein kurzes Hoffnungsflackern durchzuckt mich, doch als ich in Amorys Augen blicke, ist da so viel Endgültigkeit, so viel Schmerz.

  »Was du gestern gemacht hast, war unfassbar. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so gedemütigt gefühlt. In der Öffentlichkeit. Du hast mich bloßgestellt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie scheiße sich das angefühlt hat. Du hast mir Angst gemacht.«

  »O Gott«, würge ich hervor und wende mich ab. Sie all das aussprechen zu hören lässt mich innerlich zu Asche zerfallen. Zu kalter Asche. »Ich würde dir nie …«

  »Das weiß ich. Ich hatte keine Angst um mich. Ich hatte Angst um Richard. Um die Mitarbeiter des Restaurants.«

  Erneut zittert ihre Lippe. Ich würde sie gern küssen. Genau dort, wo sich ihr Kummer zeigt. Ich würde sie gern in meine Arme schließen, sie an mich pressen. Ihr versprechen, dass so etwas nie wieder passiert. Aber erstens habe ich dieses Recht eingebüßt, und zweitens wäre es eine Lüge.

  »Um dich.«

  Ich sehe sie wieder an. Wie vom Donner gerührt. Ich führe mich auf wie der größte Wichser des Universums, und Amory hat Angst um mich.

  »W-was?«, stammle ich. »Warum denn um mich?«

  »Weil du mir zu viel bedeutest, als dass ich sehen will, wie du dich verletzt. Wie du deinen Verstand verlierst
. Das tut mir in der Seele weh, Curtis. Was du dir antust, ist schlimmer zu ertragen als der ganze bekackte Rest.«

  Ich bin wie erstarrt. Mir bleibt der Mund offen stehen, während ihr eine weitere Träne die Wange hinunterrinnt. Ich strecke meine Hand aus, um sie wegzuwischen. Beinahe erwarte ich, Amory würde zurückweichen, doch sie bleibt, wo sie ist, lässt meine Berührung stoisch über sich ergehen und macht die Situation damit nur noch unerträglicher. Mit ihrem Hass könnte ich umgehen. Die Verzweiflung begreife ich nicht.

  »Wir sind Freunde, Curtis.«

  Ich nicke und habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen. »Dass du …« Meine Stimme ist hoch und dünn, und ich stoße lautstark die Luft aus, um mich einigermaßen in den Griff zu kriegen. »… mit jemandem wie mir …« Mit der Hand reibe ich über meine Augen, um dem Druck dahinter etwas entgegenzusetzen. »… befreundet bist … es immer noch sein willst …« Ich kann nicht weitersprechen, weil meine Stimme versagt.

  »Ganz ruhig«, sagt Amory und streicht mir über den Unterarm. »Lass dir Zeit.«

  Ich atme ein paarmal tief ein und aus. Dann sage ich beinahe wimmernd: »… ist eine verfluchte Ehre.« Und in diesem Moment beginnen Tränen meine Wangen hinabzufließen.

  39

  Amory

  Curtis betastet seine Wangen, wischt die nassen Tränen weg. Er sieht so gebrochen aus, dass es mir das Herz aus der Brust reißt. Ich ertrage es nicht, ihn so zu sehen. Aber ich ertrage es ebenso wenig, ihm dabei zuzusehen, wie er sich zerstört. Und am allerwenigsten ertrage ich es, dass ich daran teilhabe.

  »Krass«, sagt er. »Ich kann mich nicht daran erinnern, je geheult zu haben.« Er klingt ungläubig, überrascht. Und genauso, wie er es gerade eben bei mir gemacht hat, beuge ich mich nun zu ihm und wische mit dem Daumen eine der Tränen weg.

  Was ich ihm als Nächstes zu sagen habe, schnürt mir die Kehle zu. Nimmt mir die Luft zum Atmen. Obwohl ich mir sicher bin, dass er es bereits weiß. Ich atme aus, ein, meine Schultern zittern, neue Tränen sammeln sich in meinen Augenwinkeln. Doch ich habe aufgehört, gegen sie anzukämpfen.

  »Curtis«, sage ich und wage es nicht einmal, ihn anzusehen, »wir müssen die Notbremse ziehen.« Eine Träne tropft vor mir auf den Tisch, und es ist so still, dass man sie hören kann.

 

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