Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition)

Home > Other > Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition) > Page 29
Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition) Page 29

by Engel, Kathinka


  Abgesehen von Thanh, bewegt sich niemand. »Ich bin Thanh. Freut mich.«

  »Esmé.«

  »Woher kennt ihr euch?«, fragt Thanh und rutscht demonstrativ noch ein Stückchen weiter an den Rand ihres Sofas. Doch Esmé bleibt unsicher stehen.

  »Sie hat mit Amorys Freund geschlafen«, erklärt Bonnie. »Und meine Schwester beleidigt. Und Franzi, wo wir schon mal dabei sind.«

  Ich sehe, dass Franzi schluckt. Sie wirft mir einen fragenden Blick zu.

  »Würdest du uns erklären, was das hier werden soll?«, fragt Bonnie.

  »Esmé ist wieder bei mir eingezogen«, sage ich. Vielleicht hätte ich Blueberry Pancakes mitbringen sollen.

  »Was?«

  »Sie brauchte einen Platz zum Schlafen, und ich hatte zufällig einen übrig.«

  »Darf ich?«, fragt Esmé leise, und ich nicke. Sie schluckt. Dann strafft sie die Schultern. »Ich bin schwanger.« Sie öffnet ihre Jacke und zeigt ihren Bauch, der zwar nicht aussieht, als wäre dort ein sechseinhalb Monate altes Kind versteckt, aber dennoch ist es eindeutig. »Hab meinen Job verloren. Ich hab eine ganz schön beschissene Zeit hinter mir.« Sie blickt angestrengt auf den Boden. »Und … na ja … Ich weiß, dass ich eine absolute Bitch war. Und es tut mir leid.«

  »Okay?« Bonnie klingt alles andere als überzeugt.

  »Deine Schwester ist sicher ein total netter Mensch. Ich kenne sie ja nicht mal. Und es tut mir leid, dass ich sie so beschimpft habe. Das war die alte Esmé. Die, wenn wir ehrlich sind, keinen Plan hatte. Und, Franzi?« Sie blickt auf und Franzi direkt in die Augen. »Ich hab mich dir gegenüber unmöglich benommen. Ich war eifersüchtig und … ich weiß auch nicht. Ich schätze, ich habe gemerkt, dass Link ernsthafter an dir als an mir interessiert war. Das hat mein Ego nicht verkraftet. Vor allem, weil … seien wir ehrlich, ich war wohl ziemlich verknallt in ihn.«

  Franzi nickt. »Ist schon in Ordnung. Ist ja nichts passiert.«

  »Wirklich?«, fragt Esmé. »Du bist mir nicht böse?«

  Sie zuckt mit den Schultern. »Bringt ja nichts, oder? Du warst blöd, du hast dich entschuldigt …«

  »Danke«, sagt Esmé.

  »Und was ist mit Amory?«, fragt Bonnie, ihre Stimme ist immer noch unterkühlt.

  »Das haben wir geklärt«, sage ich.

  »Ich hab durch das Ding in meinem Bauch was begriffen«, sagt Esmé. »Ich will ein gutes Vorbild sein. Ich will nicht mehr so tun, als wäre ich zu stolz für Freundschaften. Als wäre mir das alles egal. Freundschaften sind das, was übrig bleibt, wenn alles andere weg ist. Ich hab das erst spät gesehen, aber glaub mir, Bonnie, jetzt hab ich es verstanden.«

  Bonnie nimmt noch einen Schluck von ihrem Bier.

  »Es ist in Ordnung, dass du nicht überzeugt bist. Wäre ich an deiner Stelle oder an eurer … Ich wäre auch vorsichtig.« Zögerlich lässt sie sich nun doch neben Thanh nieder.

  »Und du bist cool damit?«, fragt Bonnie an mich gewandt.

  »Ich bin auf dem Weg zur Coolness«, sage ich und lächle in Esmés Richtung.

  »Okay«, sagt Bonnie. »Aber ich behalte dich im Auge.« Sie zeigt von sich auf Esmé.

  »So badass! « Ich muss lachen. »Das kenne ich gar nicht von dir.«

  »Ich hab einfach keinen Bock auf noch mehr Drama im Leben von Leuten, die ich mag.«

  »Sie mag mich!«, sage ich lachend und schlage in gespielter Verlegenheit die Hände vors Gesicht.

  »Ernsthaft, Amory, wenn sie sich den kleinsten Scheiß erlaubt, sorge ich persönlich dafür, dass sie verschwindet.«

  »Langsam kriege ich Angst vor dir, Badass-Bonnie.« Doch ich sehe, dass sie sich echt Sorgen macht. »Ehrlich gesagt, finde ich es schön, sie in der Wohnung zu haben«, sage ich leise, sodass nur Bonnie mich hört. »Allein zu sein ist gerade unerträglich.«

  »Ach, du«, sagt Bonnie und klingt nun wieder mehr wie sie selbst. Sie schlingt ihre Arme um mich. »Wird schon.«

  »Ich weiß zwar nicht, worauf sich das bezieht, aber das ist immerhin das Gute, oder? Dass die ganze Zeit irgendwo irgendwas wird. Und manchmal, wenn es der Zufall so will, ist es zur richtigen Zeit das Richtige.«

  Und das Richtige wird sein, über Curtis hinwegzukommen. Es ist noch frisch. Gerade mal zwei Wochen. Und es schmerzt. Höllisch. Aber zu wissen, dass er nicht völlig abgestürzt ist, hilft. Heilt einen kleinen Teil von meinem gebrochenen Herzen. Auch wenn sich die Erinnerung an ihn anfühlt wie ein stetiges Abraspeln meines Herzens. Schicht um Schicht.

  »Bist du mit dem Vater zusammen?«, fragt Franzi gerade, und ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie Esmé sofort mit einbezieht.

  Esmé lacht müde. »Nein. Er ist ein absoluter Nichtsnutz, von dem ich wohl nichts erwarten kann.«

  »Weißt du schon, was es wird?«, fragt Thanh.

  »Ein Junge.« Esmés Blick wird auf einmal ganz warm.

  »Und hast du schon einen Namen?«

  »Nein. Mir ist noch keiner eingefallen, den ich nicht nach ein paar Tagen sattgehabt hätte. Ich bin dankbar für Vorschläge.«

  »Wie wäre es mit Eric?«, fragt Eric, der einen leuchtend orangefarbenen alkoholfreien Cocktail vor Esmé stellt.

  »Das hättest du wohl gern«, sagt Esmé. »Irre, dass er noch hier arbeitet!«, fügt sie leise an mich gewandt hinzu, als Eric wieder auf dem Weg zurück zur Bar ist.

  Als Erklärung sage ich: »Wir waren bei seiner ersten Schicht hier. Die Cocktails waren viel zu stark, und er hat bestimmt vier Gläser runtergeschmissen.«

  »Und nur Jahre später ist aus ihm ein brauchbarer Barkeeper geworden«, sagt Esmé. »Gibt es irgendwelche schönen deutschen Namen?«, fragt sie an Franzi gewandt. »Vielleicht wäre etwas Exotisches cool für den Winzling.«

  »Exotisch?« Franzi grinst. »Ich weiß nicht, ob ich deutsche Namen als ›exotisch‹ bezeichnen würde.«

  »Erzähl mal, wie heißt dein Vater?«

  »Ulf.«

  »Das ist ein Name?« Bonnie lacht.

  »Kein sehr guter«, gibt Franzi zu. »Und er ist auch kein sehr guter Vater.«

  »Ulf ist raus«, bestätigt Esmé.

  Wir unterhalten uns noch eine Weile über mögliche Babynamen. Deutsche, vietnamesische. Ernsthafte und lustige.

  Erst als Eric uns rausschmeißt, weil er den Laden zumacht, verabschieden wir uns und gehen nach Hause.

  »Wir könnten so lange Namen ausschließen, bis nur noch einer übrig ist. Auch eine Methode der Entscheidungsfindung«, sage ich, während ich die Wohnungstür aufschließe.

  »Ich habe ja noch ein bisschen Zeit«, antwortet Esmé gähnend. »Zweieinhalb Monate …« Sie verzieht das Gesicht zu einer leicht panischen Grimasse.

  »Hast du noch Lust auf einen Film?«, frage ich und kicke im Flur die Schuhe von meinen Füßen. Denn mir ist noch nicht danach, ins Bett zu gehen. Allein zu sein.

  »Klar«, sagt Esmé, obwohl ich sehen kann, dass ihr fast die Augen zufallen. »Was schlägst du vor?«

  »Wie wäre es mit einer Folge Planet Earth? «

  Esmé lacht. »Liebend gern.«

  Und während Esmé langsam einschläft, suhle ich mich zur sanften Stimme von David Attenborough im Herzschmerz.

  44

  Curtis

  »Wie war deine Woche?«, fragt Jacob.

  Ich fahre wieder einmal mit den Fingern die Blumenranken der Taschentuchpackung neben mir nach. »Scheiße.« Seit über einem Monat komme ich nun wöchentlich hierher. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, dass es mich irgendwie weiterbringt.

  »Erzähl mal«, fordert Jacob mich auf. »Was war diese Woche scheiße?«

  »Keine Ahnung. Es war einfach scheiße, okay?«

  »Du wirkst ein bisschen angespannt.«

  »Ach, wirklich?«, frage ich bitter.

  »Was glaubst du, woran das liegt?«

  »An allem.«

  »An allem, soso.«

  »Ist doch auch egal. Ist alles scheißegal.«

  »Ich kann dir nicht folgen. Was ist egal?«

  »Ich, das hier, dir ist es scheißegal, ob es mir besser geht.«

  Jacob räuspert sich, klappt sein Notizbuch zu und legt es ganz ruh
ig neben sich. »Wie kommst du darauf?«

  »Nichts bringt irgendwas. Am einen Tag denke ich, jetzt wird alles gut, ich schaff das schon. Und am nächsten passiert etwas, und ich werde so sauer, dass ich das Geländer an meiner Veranda kaputt mache.«

  »Hast du das Geländer an deiner Veranda kaputt gemacht?«

  Ich schweige. Hugo hatte angerufen. Wir wollten eigentlich die Dusche montieren. Doch er musste kurzfristig absagen.

  »Denkst du, das war eine angemessene Reaktion auf das, was dich dazu verleitet hat?«, fragt Jacob.

  Natürlich nicht. Am nächsten Tag stand Hugo frühmorgens auf der Matte, wir installierten alles, und er half mir sogar, die Veranda wieder hinzukriegen.

  Ich schüttle den Kopf. »Ich hab mich alleingelassen gefühlt«, sage ich.

  »Das kann passieren. Rückschritte sind normal. Während der letzten Wochen hattest du dich so gut im Griff, hast Wutprotokolle geschrieben, Atemübungen gemacht, du kannst stolz auf das sein, was du bereits erreicht hast. So ein kleiner Rückfall ist völlig in Ordnung.«

  »Das sagst du nur, damit ich beruhigt bin.«

  »Funktioniert es denn?«

  »Ehrlich gesagt nicht. Nein. Ich habe das Gefühl, dass du mir nur sagst, was ich hören will.«

  Jacob sieht mich an und schweigt. Wie immer. Und es macht mich sauer. Ich spüre, wie ich meine Hände zu Fäusten balle, wie meine Kehle eng wird, meine Brust. Ich zwinge mich dazu, meine Hände lockerzulassen. Atme tief ein.

  »Manchmal denke ich, dich interessiert das alles nicht. Dass du nur darauf wartest, mich endlich wegschicken zu können.« Es kommt einfach so aus mir heraus.

  »Warum denkst du, ich sollte dich wegschicken?«, fragt Jacob.

  »Weil es der Lauf der Dinge ist«, erwidere ich. »Ich mache etwas falsch, und die Leute verschwinden. Deswegen kann ich mich nie entspannen.«

  »Und wenn du nicht entspannt bist …«

  »… bin ich angespannt. Wütend.«

  »Was denkst du, wie sehen dich diese Leute, die verschwinden?«

  »Sie haben Angst vor mir, schätze ich. Sie sehen das, was Amory gesagt hat. Die tickende Zeitbombe.«

  »Wie würdest du dich so einem Menschen gegenüber verhalten?«, fragt Jacob.

  »Ich würde abhauen«, sage ich, und mir wird auf einmal ganz schlecht.

  »Du würdest abhauen«, wiederholt Jacob. »Siehst du den Teufelskreis?«

  »Fuck.« Ich schlage mit der Faust auf den Tisch.

  »Das ist okay. Sei wütend.« Jacob gibt mir einen Moment, um mich zu sammeln. »Du hast Angst davor, verlassen zu werden. Deswegen hältst du die Menschen um dich herum auf Abstand. Sobald du dich öffnest, richtig öffnest, gehst du das Risiko ein, verletzt zu werden. Und diese Vorstellung ist nicht aushaltbar.«

  Ich zucke mit den Schultern.

  »Es ist normal, dass man Angst hat«, sagt Jacob. »Vor allem, wenn man schon zu oft verlassen wurde.«

  »Ich hab keine Angst«, erwidere ich schnaubend. »Ich bin sauer.«

  »Manchmal äußert sich Angst in Wut.«

  Jetzt bin ich derjenige, der schweigt.

  »Willst du den Teufelskreis durchbrechen?«, fragt Jacob.

  Ich nicke.

  »Möchtest du mit mir anfangen?«

  Ich zucke mit den Schultern.

  »Wenn du mir nicht sagst, wovor du Angst hast, kann ich sie dir nicht nehmen.«

  »Ich will nicht, dass du mich aufgibst«, sage ich.

  »Ich gebe dich nicht auf.«

  »Ich will, dass du an mich glaubst.«

  »Ich glaube an dich.«

  »Ich will, dass du … dass du … mich siehst. Mich. Nicht den kaputten Typen.«

  »Ich sehe dich, Curtis«, sagt Jacob. »Ich sehe alles von dir.«

  »Okay«, sage ich mit erstickter Stimme.

  »Deine Eltern sind die ersten Menschen, die dich verlassen haben, stimmt’s?«, fragt Jacob.

  »Ja.«

  »Was würdest du deinen Eltern sagen, wenn sie jetzt hier wären?«

  Ohne darüber nachzudenken, sage ich: »Warum habt ihr mich alleingelassen? Warum seid ihr verfickt noch mal abgehauen? Warum war ich euch so egal?«

  »Und was würden sie sagen?«, fragt Jacob weiter, seine Stimme ganz behutsam.

  »Keine Ahnung.« Hinter meinen Augen brennt es. »Ich war ihnen nicht wichtig. Sie haben mich nicht geliebt. Ich war es nicht wert, von ihnen geliebt zu werden.« Der Druck auf meine Augen wird größer und größer, der Kloß in meinem Hals schwillt an. »Ich war nicht gut genug, deswegen sind sie gegangen.« Eine heiße Träne der Wut rinnt meine Wange hinab, und ich presse einen erstickten Schrei durch meine zusammengebissenen Zähne. Diese Dinge auszusprechen verursacht körperliche Schmerzen. Schmerzen, zu denen eine Faust nie in der Lage wäre.

  »Glaubst du das wirklich?«, fragt Jacob.

  »Sie hatten keine Lust auf mich.«

  »Warum sind sie gegangen?«

  »Weil ich ihnen nicht wichtig genug war.«

  »Denk nach, Curtis.«

  »Ihr Job war ihnen wichtiger.«

  Jacob schüttelt kaum merklich den Kopf.

  »Ihr Job war …« Ich breche ab.

  »Es war ihr Job, oder?«, fragt er leise.

  Ich nicke.

  »Sie haben ihren Job gemacht, um anderen zu helfen. Ihre Liebe zu dir hatte damit nichts zu tun. Sie sind nicht deinetwegen gegangen.«

  »Sie sind meinetwegen aber auch nicht geblieben.«

  »Aber sie konnten nicht wissen, dass sie nicht zurückkehren würden«, sagt Jacob. »Es war ein Unfall.«

  »Es war ein Unfall«, echoe ich hohl.

  »Du hast keine Schuld. Es war nicht deine Schuld.«

  Ich schlucke. Und auf einmal habe ich das Gefühl, der dicke Kloß in meinem Hals ist nur noch halb so groß wie noch vor ein paar Sekunden. Ich schlucke erneut, und tatsächlich: Es tut nicht mehr weh.

  »Es gibt Dinge – Schicksalsschläge beispielsweise –, die können wir nicht beeinflussen, Curtis. Und was wir nicht beeinflussen können, müssen wir lernen zu akzeptieren.«

  Ganz langsam beginne ich zu nicken. Nicht meine Schuld. Es war ihr Job. Sie konnten nicht wissen, dass sie nicht zurückkommen würden.

  »Wir sehen die Gegenwart immer durch die Brille der Vergangenheit«, sagt Jacob nun.

  »Was bedeutet das?« Ich fühle mich emotional völlig ausgelaugt. Ermattet. Mein Kopf hat keine Kapazitäten, um Jacobs merkwürdige Rätsel zu lösen.

  »Das Verlusterlebnis, das du mit zehn Jahren hattest, hat jede enge Bindung, die du seither zu anderen Menschen eingegangen bist, belastet. Deswegen hältst du Menschen auf Distanz. Denn wenn du sie an dich heranlassen würdest, bestünde die Möglichkeit, dass du sie wieder verlierst.«

  »Und dadurch passiert genau das.« Ich kann nur noch flüstern.

  »Weil der Schmerz dadurch kontrollierbar bleibt«, sagt Jacob sanft. »Weil es leichter ist, wütend zu sein, als Angst haben zu müssen.«

  Für einen Moment hört man nichts, abgesehen von meinem leicht rasselnden Atem, der sich langsam wieder beruhigt. Als ich aufsehe, ist Jacobs Blick ganz weich.

  »Ich glaube«, sage ich, »ich glaube, ich verstehe.«

  »Das ist ein erster Schritt«, erwidert Jacob. »Vielleicht der schwierigste. Aber was ich dir versprechen kann, Curtis, ist, dass ich die Schritte mit dir gehe, soweit ich kann – und solange du das möchtest.«

  Ich nicke. Ihn das sagen zu hören tut gut. Und auf einer rationalen Ebene glaube ich ihm. »Ich hinke wohl emotional noch etwas hinterher«, gestehe ich.

  »Das kommt schon mit der Zeit.«

  Unsere Sitzung ist vorbei. Und ich bin beinahe erleichtert, dass ich nun meine Ruhe habe. Dass ich mich in meinem Wohnzimmer auf Bonnies alter Matratze zusammenkauern kann.

  »Ich würde gerne noch etwas vorschlagen«, sagt Jacob, als ich gerade im Begriff bin, aufzustehen. Ich blicke auf. »Ich denke, es wäre gut, wenn deine Großmutter bei einer unserer nächsten Sitzungen dabei wäre.«

  »Was? Aber …« Das geht nicht. Ich kenne sie nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, wie ich Kontakt zu i
hr aufnehmen soll. Ob ich das überhaupt will …

  »In deinem Tempo, Curtis. Aber ich halte es für ausgesprochen wichtig. Wichtig für dich. Wichtig, um ein Kapitel abzuschließen und ein neues zu öffnen.«

  Ein Kapitel mit Amory, denke ich hoffnungsvoll, auch wenn es unendlich weit entfernt scheint.

  »Du musst nichts überstürzen. Denk einfach darüber nach.«

  »Okay«, sage ich und verlasse den Behandlungsraum.

  45

  Amory

  Es ist verblüffend: Wenn ich Esmé dabei zusehe, wie sie in einer Pfanne Rührei macht, habe ich fast das Gefühl, als wäre sie nie weg gewesen. Natürlich bin ich mir bewusst, was zwischen uns vorgefallen ist. Weiß, dass ich mich verändert habe, dass sie sich verändert hat. Zweimal. Und doch hat es etwas Häusliches, etwas extrem Gemütliches, sie hier zu haben.

  Sie dreht sich um und gibt den Blick auf ihren inzwischen großen Schwangerschaftsbauch frei.

  »Willst du mal fühlen?«, fragt sie. »Er tritt wieder.«

  »Okay?«, sage ich und strecke meine Hand ein bisschen unbeholfen aus.

  Sie nimmt sie, legt sie auf die richtige Stelle. Und tatsächlich, ich spüre seine Bewegungen. Erschrocken ziehe ich meine Hand zurück. Esmé lacht.

  »Ist das nicht … ist das nicht superkomisch?«, frage ich.

  »Anfangs ja. Aber inzwischen bin ich es gewohnt.«

  »Mir kommt es ein bisschen alienmäßig vor, dass da ein Mensch in dir steckt.« Sie hat mir vor ein paar Wochen ihr Ultraschallbild aus dem fünften Monat gezeigt, und es wirkte auf mich völlig unwirklich, dass das in ihr drin sein sollte, auch wenn ich natürlich weiß, dass dem so ist.

  »Hoffen wir, dass er kein Alien wird«, sagt Esmé und füllt Rührei auf zwei Teller. »Danke noch mal, dass du gestern mit mir bei den Social Services warst.«

  Ich hatte Esmé vor einiger Zeit bitterlich weinend am Küchentisch vorgefunden. Sie hatte es auf ihre Hormone geschoben, aber es stellte sich heraus, dass sie Angst vor den Krankenhauskosten hatte. Also vereinbarten wir einen Termin. Und nun sind immerhin die Geburt und eine Nacht im Krankenhaus bezahlt.

  »Ist doch klar.« Sogar ihr Rührei schmeckt wie früher.

  Hilbert streicht um ihre Beine. So wie er es bis vor Kurzem bei Curtis gemacht hat. Ich seufze, entsperre mein Handy, um mir unsere spärlichen Nachrichten zum ungefähr hundertsten Mal durchzulesen.

 

‹ Prev