by Stella Tack
»Nope. Ich sitze einfach nur rum und sehe hübsch aus.« Ich klimperte mit den Wimpern.
Ivy zog nur die Augenbraue hoch. Am liebsten würde ich ihr zeigen, wie verdammt gut ich aussehen konnte, doch ich hielt mich zurück. Alles zu seiner Zeit.
Als Jeff in die Hände klatschte, konnte ich mir nur mühsam ein diabolisches Grinsen verkneifen.
Während Ivy Jeff aufmerksam zuhörte, konnte ich in Ruhe ihr Profil betrachten. Ihre Stupsnase war ein wenig gekräuselt und ich bemerkte, dass ihre Lippe leicht geschwollen war, als hätte sie nervös drauf herumgekaut. Meine innere Alarmglocke begann zu klingeln. Schnell checkte ich den Raum. Doch ich sah weder etwas Ungewöhnliches noch einen triftigen Grund, warum Ivy so angespannt war. Der Gedanke, dass etwas passiert sein könnte, während ich mit Jeff gesprochen hatte, schoss mir in dem Augenblick durch den Kopf, als Jeff irgendetwas über ein freiwilliges Modell erzählte und auf mich zeigte. Wie auf Kommando starrte mich der ganze Raum an. War das mein Stichwort? Ups.
»Ryan?«, fragte Jeff und sah mich beinahe flehend an. »Du machst es doch noch, oder?«
»Klar!« Grinsend stand ich auf und genoss den verdutzten Ausdruck auf Ivys Gesicht. Vielleicht war ich deshalb ein schlechter Mensch, aber ich freute mich schon auf ihre Reaktion, wenn sie herausfand, dass ich den ganzen Monat Modell stehen würde. Und vor allem, wenn sie erfuhr, was alles von mir gezeichnet werden würde.
»Was machst du?«, zischte sie mir zu.
Ich zwinkerte. »Sagte ich doch schon: hübsch aussehen«, flüsterte ich zurück und stellte mich nach vorn.
»Hey. Ich bin Ryan«, sagte ich fröhlich und winkte leicht in die Runde. »Jeff hat mich überredet, euch die nächsten Wochen ein paar meiner Körperteile zur Verfügung zu stellen.«
Die Mädels kicherten. Selbst ein paar der Jungs sahen amüsiert aus. Mit dieser Aktion würde ich wahrscheinlich ziemlich viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Doch das war es mir wert. Jeffs Frage vorhin hatte mich ziemlich verblüfft, aber schließlich hatte ich mich überreden lassen. Nicht weil ich ihm einen Gefallen tun wollte, sondern weil ich wusste, dass Ivy ihn mochte und ihr eine Freundschaft mit ihm viel bedeutete. Insofern opferte ich mich gerne als Nacktmodell und würde es klammheimlich genießen, dass Ivy mich ganze eineinhalb Stunden anstarren musste.
»Niemand muss zum Beginn dieses Kurses schon zeichnen können«, sagte Jeff und lächelte beruhigend in die Runde. »In den nächsten Stunden bringe ich euch Techniken bei, mit denen ihr in kürzester Zeit lernt, optische Tiefen, Schattierungen und vor allem Proportionen zu zeichnen. Wir beginnen mit etwas Einfachem: dem Schwung eines Schulterblattes. Ich demonstriere euch die Technik, die ich dabei verwende, und ihr probiert es anschließend selbst aus. Ryan, kannst du bitte dein T-Shirt ausziehen?«
»Natürlich«, sagte ich und zog mir das Shirt in einer fließenden Bewegung über den Kopf. In der Klasse brach wieder leises Kichern aus.
»Ja, also … ähm, die Tattoos müsst ihr noch nicht mitzeichnen«, sagte Jeff.
Ich zwinkerte Ivy zu. War ich gerade böse? Oh ja.
Ivy
Ryan zog sein Shirt aus! Seine Hände griffen über Kreuz den Saum seines dunkelblauen Shirts, hoben es hoch und entblößten Zentimeter für Zentimeter seine braune Haut. Der Stoff glitt nach oben. Gab den Blick auf seinen muskulösen Oberkörper, auf den schwarzen Schriftzug auf seinem Rippenbogen und auf das Sonnentattoo auf seinem linken Brustmuskel frei. Oh mein Gott, er … Meine Gedanken setzten abrupt aus. In meinen Ohren summte es. Wie gebannt starrte ich auf seine durchtrainierten Bauchmuskeln, die sich unter der straffen Haut abzeichneten. Seine Jeans war von jener Sorte, die sehr tief an den Hüften hing. Wenn er eine Boxershort trug, sah man sie jedenfalls nicht.
»Er hat hammer Tattoos«, flüsterte ein Mädchen neben mir aufgeregt, während Ryan nur selbstzufrieden grinste. Allerdings nicht zu ihr, sondern direkt in meine Richtung.
Das weiche Nachmittagslicht fiel durch die Fenster, verfing sich in seinen grünen Katzenaugen, die voller Schalk blitzten. Verdammt! Er hatte mich beim Starren erwischt. Ryan zwinkerte mir verschmitzt zu. Dieser … dieser … dieser … Das machte er doch mit Absicht! Mit hochrotem Kopf kniff ich die Lippen zusammen, schlug die Beine übereinander und starrte mit heißen Wangen auf meinen Zeichenblock hinab. Oh Jeese! Ich würde Jeff so was von den Marsch blasen, wenn diese Stunde vorbei war.
Jeff räusperte sich und bat Ryan, sich umzudrehen. Ich atmete tief durch und sah wieder zu Ryan. Sofort fiel mein Blick auf die schwarzen Runen, die sich seine gesamte Wirbelsäule entlangzogen.
»Äh ja«, fing Jeff an. »Seht ihr hier die Linie des Schulterblatts?« Jeff strich mit dem Stift über Ryans Schulterblatt, das sich unter der Haut abzeichnete. »Das Erste, was ihr wissen müsst, ist der Winkel, in dem ihr zu zeichnen beginnen wollt. Welchen ihr dabei aussucht, ist im Grunde egal. Wichtig ist nur, dass das Längenverhältnis, das ihr mit dem ersten Strich setzt, das Maß für den gesamten restlichen Körper festlegt. Wir werden zu Anfang nur die Form des Schulterblattes nachzeichnen und ihm mit ein paar einfachen Schattierungen dreidimensionale Vertiefungen verschaffen, indem wir Muskeln als Schatten andeuten. Seht ihr das hier?« Er deutete links von Ryans Schulterblatt und fuhr mit dem Stift sanft bis zu dessen Wirbelsäule. Kaum merklich breitete sich auf Ryans Haut eine Gänsehaut aus. »Das hier sind Muskelstränge, die das Schulterblatt halten. Wenn ihr genau hinseht, könnt ihr erkennen, welche Schatten sie werfen. Außerdem verleihen sie dem gesamten Bild eine Struktur. Ihr werdet sehen, je genauer ihr zeichnet, je genauer ihr den Linien folgt, desto naturgetreuer wird die Zeichnung. Damit später auch die Proportionen stimmen, haltet euch einen Bleistift vor das Gesicht, kneift ein Auge zu und messt so die Abstände. Als Hilfe könnt ihr dabei euren Daumen als Markierung benutzen und danach einfach alles eins zu eins auf euer Papier zeichnen. In etwa so.«
Jeff machte ein Auge zu, hob den Stift und hielt diesen im gleichen Winkel wie Ryans Schulterblattwölbung. Dann zeichnete er den Schwung auf sein Blatt, kniff wieder das Auge zu, maß den nächsten Abstand und zeichnete es wieder auf dem Papier nach. Innerhalb kürzester Zeit entstand so Ryans Schulterblatt. Während Jeff skizzierte, erklärte er uns ganz genau, was er gerade tat. Dabei wiederholte er immer wieder die wichtigsten Tipps und obwohl ich wirklich keine Ahnung vom Zeichnen hatte, klang diese Technik erstaunlich einfach. Und sie funktionierte auch.
Meine plumpen Linien waren zwar nichts im Vergleich zu Jeffs selbstbewussten Strichen, doch nach einer Viertelstunde hatte ich tatsächlich so etwas wie ein Schulterblatt gezeichnet. Überrascht betrachtete ich meine ersten künstlerischen Versuche. Ich musste zugeben, dass mir das Zeichnen tatsächlich Spaß machte. Zumindest bis ich die Mädchen neben mir tuscheln hörte.
»Ja, Courtney hat mir von ihm erzählt. Er wohnt im gleichen Wohnheim wie sie. Sie meint zwar, er hat eine Freundin, aber die sei so hässlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er sich nach was Besserem umsieht.«
Meine Ohren zuckten. Ungläubig guckte ich auf. Die beiden brünetten Mädchen neben mir steckten gerade tuschelnd die Köpfe zusammen, während sie immer wieder zu Ryan schielten. Je länger ich den beiden zuhörte, desto wütender wurde ich. Meine Freude am Zeichnen verpuffte genauso schnell, wie sie gekommen war.
»Er hat eine hässliche Freundin?«, flüsterte die eine Brünette kichernd.
Die andere nickte nachdrücklich. »Total! Sie meinte, es wäre so eine moppelige Zicke, die ihn die ganze Zeit anblafft und extrem eifersüchtig ist. Courtney hat ihn auf die Party der Deltas eingeladen. Wir sollten also auf jeden Fall auch hingehen.«
Moppelige Zicke? Wütend und gleichzeitig auch gekränkt sah ich an mir hinab. Ich war definitiv nicht dick! Sicher, wenn ich saß, fielen mir nicht gleich die Rippen raus. Aber jeder hatte beim Sitzen ein kleines Speckröllchen.
»Sollen wir ihn nach seiner Zimmernummer fragen?«, flüsterte das eine Mädchen.
»B12. Weiß ich schon alles.« Ihre Freundin grinste.
»Glaubst du, er steht jetzt öfter Modell? Wenn
er immer dabei ist, werde ich keinen Tag fehlen.«
»Ist er. Das hat Jeff doch vorhin gesagt.«
Ich schnaubte. Mit Jeff musste ich eindeutig mal ein ernstes Wort reden, was meinen Bodyguard anging. Wütend funkelte ich den Missetäter an, der gerade durch den Raum ging und sich die gezeichneten Entwürfe ansah, bevor ich mich wieder meiner Zeichnung widmete. Leider war meine Konzentration völlig im Eimer. Nach nur wenigen Minuten sah mein Entwurf nicht mehr aus wie ein Schulterblatt, sondern wie eine Kartoffel. Eine Kartoffel mit Beinen. Toll.
Als Jeff bei mir vorbeikam und den Entwurf sah, blinzelte er irritiert. »Probleme mit der Umsetzung, Ivy?«
»Frag nicht«, murmelte ich frustriert.
Jeff verkniff sich sichtlich ein Lachen und ging weiter. Gott sei Dank!
Als der Kurs endlich endete, legte ich erleichtert Stift und Kunstblock weg, während Ryan sein Shirt wieder anzog. Jeff klopfte ihm schüchtern auf die Schulter und sagte etwas zu ihm, was beide lachen ließ. Die Mädels neben mir seufzten.
»Er steht so was von auf meiner Liste für dieses Semester«, sagte das eine Mädchen, das gerade seine Sachen zusammenpackte.
Die andere warf das lockige Haar zurück und drückte ihre Brust durch, während sie in Ryans Richtung strahlte. »Und was willst du wegen der Freundin machen?«
»Ach, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß, oder?«
Als beide in lautes Gelächter ausbrachen, riss mir endgültig der Geduldsfaden. Meine Nasenflügel blähten sich und ich merkte, wie ich vor Wut förmlich kochte. Sich eine Stunde lang von Fremden anhören zu müssen, wie hässlich und unfähig man im Gegensatz zu Ryan MacCain war, holte etwas in mir hervor, von dem ich gedacht hatte, es tief in mir weggesperrt zu haben. Eine Version von mir selbst, eine Person, die in einer sprichwörtlichen Schlangengrube aufgewachsen war und gelernt hatte, sich durchzubeißen, um zu überleben.
Ohne darüber nachzudenken, erhob ich mich. So abrupt, dass der Stuhl laut über den Boden schabte. Die beiden Mädchen sahen verwundert in meine Richtung. Ihre Augen wurden groß, als ich mit wiegenden Hüften auf Ryan zuging. Mit einer Hand streichelte ich provokant über seine Armmuskeln.
»Hey, Hübscher«, murmelte ich und strich sanft über seine Brust.
Ryan zuckte irritiert von meiner plötzlichen Nähe zurück. Sein Mund stand leicht offen, während sich seine Brauen verwirrt zusammenzogen. »Äh, alles klar bei dir, Ivy?«, fragte er verunsichert.
Ich lächelte ihn an und fand mich selbst nur ein ganz klein wenig peinlich. »Na klar.« Okay, sehr peinlich.
Er musterte mich misstrauisch und versuchte, sich vorsichtig aus meinem Griff zu lösen. Aber ich hatte andere Pläne und ließ meine Finger über seinen Arm wandern. »Du hast echt gut ausgesehen«, sagte ich. »Bist du fertig? Können wir jetzt gehen?« Ich linste zu ihm hoch und biss mir kokett auf die Lippen. Spiel mit! Spiel mit! Spiel mit!
»Was? Ja, okay«, sagte er immer noch irritiert.
Als ich hörte, wie die Mädchen hinter mir wieder anfingen zu tuscheln, setzte für eine Millisekunde mein Verstand aus. Und bevor Ryan einen Schritt zurückweichen konnte, vergrub ich meine Hände in seinen Haaren, zog sein Gesicht zu mir heran und küsste ihn.
Ich spürte, wie Ryan scharf die Luft einsog, und ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ryan war plötzlich wie zur Salzsäule erstarrt. Er rührte sich nicht, aber das musste er auch nicht. Ich hatte alles im Griff … oder so. Mein Verstand fing langsam wieder an zu arbeiten. Ich wusste, dass ich mich von ihm lösen sollte. Am besten sofort. Doch leider schien ich vergessen zu haben, wie das ging. Meine Lippen prickelten und meine Knie wurden weich, während meine Finger von seinen Haaren über die Schultern zu seiner Brust wanderten.
Erst nach ein paar Sekunden merkte ich, dass Ryan meinen Kuss erwiderte. Sein Herz pochte unglaublich schnell unter meiner Hand, während der Stift in seiner Zunge zärtlich über meine Unterlippe strich. Ich war gerade dabei, genüsslich seufzend die Augen zu schließen, als ein Zeichenblock mit einem lauten Knall zu Boden fiel und uns beide zurück in die Realität riss.
Unsere Lippen trennten sich. Ryans Brust hob sich heftig und seine Pupillen waren so stark geweitet, dass das Schwarze beinahe sämtliches Grün verschluckte. Seine Lippen glänzten und ich verbot mir selbst, darüber nachzudenken, was für einen riesigen Fehler ich hier gerade gemacht hatte.
»Hast du Hunger?«, fragte ich provokant und zog ihn einfach hinter mir her. Alle Augen im Raum folgten uns. Nachlässig warf ich mir die Tasche über die Schulter und sah zu Jeff hinüber, der uns mit offenem Mund anstarrte.
»Wir sehen uns später in der Cafeteria, ja?«, rief ich ihm lächelnd zu, während wir den Raum verließen.
Ryan stolperte hinterher. »Ivy! Was zum Teufel war das gerade?«, zischte er mit einer Stimme, die klang, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. Sofort lief mir eine Gänsehaut über den Rücken.
»Psst!« Hektisch schubste ich ihn in den gegenüberliegenden Raum, der hoffentlich leer war. Schnell schlug ich die Tür zu, keine Sekunde zu früh, denn im gleichen Augenblick strömten die Studenten aus dem Kunstraum. Schwer atmend lehnte ich mich gegen die Tür und lauschte dem Fußgetrappel, das sich von uns entfernte.
»Das war seine Freundin?«, hörte ich eines der beiden Mädels noch fragen, bevor seine Stimme im allgemeinen Tumult unterging.
Als auch die letzten Schritte verklungen waren, stieß ich einen tiefen Seufzer aus. Nervös starrte ich auf meine Fußspitzen. Wie sollte ich das jetzt erklären? Vielleicht konnte ich schnell weglaufen, bevor es zu dem unangenehmsten Gespräch des Millenniums kam. Wobei, nein. Ryan war eindeutig schneller als ich.
Ich riskierte einen schüchternen Blick auf Ryan, der mich immer noch vollkommen verwirrt anstarrte.
»Ähm.« Ich räusperte mich und knetete nervös meine Finger. »Was muss ich tun, damit du diese kleine, sehr peinliche Situation vergisst und so tust, als wäre nie etwas gewesen?«
Ryans Augenbraue zuckte hoch. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den nächsten Schreibtisch. »Hm, lass mich mal überlegen … Wie wäre es mit einem Fünftausend-Dollar-Bonus?«
»Okay«, sagte ich, ohne auch nur einen Gedanken an diese Summe zu verschwenden. Ein einzelnes Paar Schuhe meiner Mutter war oft teurer.
Ryan schnaubte. »Kann es sein, dass du zu viel Geld hast, Ivy?«
Ich öffnete den Mund, doch er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen.
»Zu so was sagt man nicht einfach okay. Außerdem bin ich nicht bestechlich. Also, was sollte diese Show gerade? Letztens warst du noch wütend auf mich, weil ich vor Courtney und ihren Freundinnen behauptet habe, dein Freund zu sein. Aber nach dieser Aktion gerade eben bist du selbst schuld, wenn alle denken, dass wir zusammen sind.«
Ich spürte, wie ich rot im Gesicht wurde. »Ich weiß. Du … du hast ja recht«, brachte ich schließlich hervor und biss mir auf die Lippe. »Ich habe nicht wirklich nachgedacht.«
Wahrscheinlich würde ab jetzt jeder Junge an der Uni einen großen Bogen um mich machen. Ich hatte mir gerade mein eigenes Grab geschaufelt. R.I.P., Sozial- und Sexualleben, war schön, euch nie gekannt zu haben.
»Shit! Es tut mir so leid«, sagte ich und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Ivy, mir ist vollkommen egal, was die anderen von uns halten. Ich will nur nicht, dass du am Ende wieder mir die Schuld in die Schuhe schiebst.«
»Werde ich nicht«, murmelte ich und nahm langsam die Hände herunter. »Ich wollte nur, dass die beiden Mädchen endlich die Klappe halten!«
»Welche Mädchen?«, hakte Ryan nach.
»Die beiden Brünetten neben mir. Offensichtlich erzählt Courtney überall herum, dass ich eine dicke, fette Kuh bin, die du jederzeit abschießen wirst. Und da ist mir halt eine Sicherung durchgebrannt.«
Ryan schaffte es, gleichzeitig verwirrt und amüsiert auszusehen. Am liebsten hätte ich ihn getreten – oder gleich noch mal geküsst. Meine Lippen prickelten immer noch und auch meine
Fingerspitzen kribbelten bei der Erinnerung daran, dass ich wenige Minuten zuvor noch meine Hände in seinen Haaren vergraben hatte.
Ryan musterte mich eine gefühlte Ewigkeit lang, bevor er tief durchatmete. »So geht das nicht, Ivy«, sagte er schließlich.
Ich schluckte. »Ich weiß.«
»Du kannst mich nicht einfach so küssen. Das ist nicht gut. Für uns beide nicht. Wenn wir nicht damit aufhören, werden wir dieses Semester niemals überstehen.«
»Ich weiß.«
»Nächstes Mal, wenn eines der Mädchen lästert, hör einfach nicht hin oder rede mit mir, okay?«
»Okay«, sagte ich matt. Ich war so froh, dass Ryan bereit war, das Thema fallen zu lassen. »Es tut mir leid«, flüsterte ich noch einmal.
»Ivy.« Zwei Fingerspitzen schoben sich unter mein Kinn und hoben es an, zwangen mich, seinen Blick zu erwidern. »Du musst dich nicht für den Kuss entschuldigen«, sagte er leise. In seinen Augen flackerte es. »Aber er darf sich auch nicht wiederholen, okay?«
»Okay«, murmelte ich und war froh, als Ryan seine Hand wieder sinken ließ. Sicherheitshalber verschränkte ich auch die Arme vor der Brust, um sie davon abzuhalten, etwas Dummes zu tun. Wie sich an seine Brust zu schmiegen. »Dann darfst du aber auch nicht einfach dein Shirt ausziehen.«
Er verzog das Gesicht. »Ich weiß. War eine dumme Idee. Soll ich Jeff sagen, dass ich nicht weiter Modell stehe?«
Ich wollte gerade nicken, als mir wieder einfiel, wie erleichtert Jeff vorhin war. Frustriert seufzte ich. »Nein, mach weiter. Aber wenn wir deinen Hintern zeichnen sollen, melde ich mich krank.«
Ryan lachte leise. »Geht klar.« Er zögerte kurz, dann räusperte er sich. »Wir sollten was essen gehen. Ich verhungere gleich.«
Für einen Moment wirkte es, als hätte er etwas ganz anderes sagen wollen. Aber wahrscheinlich hatte ich mir das nur eingebildet.
Seufzend drehte ich mich um und öffnete die Tür. Ryan war dicht hinter mir, als ich den Raum verließ.