Kiss Me Once

Home > Other > Kiss Me Once > Page 28
Kiss Me Once Page 28

by Stella Tack


  Als wir endlich in seinem Zimmer ankamen, war ich so erschöpft, dass meine Muskeln zitterten. Ryan stöhnte und fiel einfach mit dem Gesicht voran in sein Bett. Obwohl ich am liebsten das Gleiche getan hätte, blieb ich stehen und zog ihm die Schuhe aus. Seine Jacke fehlte. Wahrscheinlich hatte er sie im Verbindungshaus vergessen. Müde zog ich auch meine Schuhe aus und kroch zu ihm ins Bett. Er brachte gerade noch so viel Energie auf, sich zur Seite zu rollen, damit ich nicht von der Bettkante fiel. Schnell prüfte ich seine Stirn. Sie war nass geschwitzt. Aber Fieber schien er keines zu haben.

  »Wie geht es dir?«, fragte ich leise.

  »Gut«, nuschelte er. »Nur … müde.«

  »Dito«, sagte ich und zog die Bettdecke über uns beide. »Ich bleibe hier. Falls du was brauchst, sag es einfach, okay?«

  »Mhm…«, brummte er zustimmend. »Ivy?«

  »Ja?«

  »Danke«, flüsterte er kaum hörbar.

  Meine Brust zog sich zusammen und ich schloss fest meine Hand um seine. »Kein Problem.«

  Zu gern hätte ich noch ganz andere Dinge gesagt. Denn hier im Dunklen, seinem Atem lauschend, war ich nicht zu stolz, mir selbst einzugestehen, dass ich längst viel mehr für ihn empfand. Nur zu ängstlich, um es laut auszusprechen.

  Ryan

  Ich wachte von dem Geräusch einer zuschlagenden Tür auf. Stechende Kopfschmerzen breiteten sich zwischen meinen Brauen aus und als ich es endlich schaffte, die Augen zu öffnen, traf grelles Sonnenlicht meine empfindliche Netzhaut. Stöhnend blinzelte ich gegen die Helligkeit. Nur wenig später spürte ich eine kühle Hand, die sich auf meine Stirn legte.

  »Ryan?«, flüsterte eine Stimme. »Wie geht es dir?«

  Ivy? Was machte sie in meinem Zimmer?

  »Töte mich!«

  »Oje, so schlimm?« Sie klang halb besorgt, halb belustigt.

  »Schlimmer.«

  »Warte! Ich hab was für dich«, sagte sie und ihre Hand verschwand von meiner Stirn.

  Mühsam öffnete ich wieder die Augen und zwang mich, sie offen zu halten. Ivy stand neben mir, eine Flasche Wasser und eine Schachtel Aspirin in der Hand, und lächelte besorgt.

  »Gott sei Dank!«

  Stöhnend setzte ich mich auf und nahm mir eine Tablette und spülte sie gierig mit Wasser hinunter. In meinem Mund hatte ich einen grauenhaft schalen Geschmack.

  »Wie spät ist es?«, fragte ich völlig fertig.

  »Halb acht. Ich muss zur Vorlesung, wollte aber noch kurz nach dir sehen«, sagte Ivy.

  Verwundert starrte ich sie an. Tatsächlich. Sie war bereits angezogen. Allerdings sah sie ziemlich blass aus und dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab.

  »Kannst du dich erinnern, was gestern passiert ist?«, fragte Ivy, die sich neben mich aufs Bett setzte und mich besorgt musterte.

  Ich rieb mir die schmerzende Stirn. »Vage«, gab ich zu. »Ich weiß, wir waren auf dieser Party und Courtney hat mir irgendwas untergeschoben. Aber danach ist alles ein wenig verschwommen.«

  Je mehr ich mich an gestern zu erinnern versuchte, desto stärker wurden die Kopfschmerzen. Ich wusste nur noch, dass Ivy unglaublich verängstigt ausgesehen hatte. Stirnrunzelnd sah ich auf und musterte sie. »Wie geht’s dir? Ist dir was passiert?« Nackte Angst packte mich bei der Vorstellung, dass Ivy in Gefahr gewesen war und ich nicht hatte für sie da sein können. Und das alles nur wegen dieser Pille.

  »Alles in Ordnung«, beschwichtigte sie mich und hob die Hand, als wollte sie mir über die Wange streicheln. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. »Ich …« Sie zögerte und obwohl mein Schädel dröhnte, sah ich, wie ein Anflug von Angst in ihre blauen Augen trat.

  »Was ist passiert?«, fragte ich und nahm ihre Hand in meine.

  »Nichts. Dir geht es schlecht. Ruh dich aus. Ich komme nach den Kursen wieder und bringe was zu essen mit.« Sie lächelte schwach und drückte beruhigend meine Finger, bevor sie ihre Hand zurückzog und aufstand.

  Zweifelnd starrte ich sie an. Es sah doch ein Blinder, dass etwas nicht stimmte, und gestern war verdammt viel schiefgelaufen.

  »Einen Scheiß tust du ohne mich«, ächzte ich und stand ebenfalls auf. Okay, im Grunde stolperte ich eher. Aber das Ergebnis zählte – und das war, noch vor Sonnenuntergang auf den Beinen zu stehen. Möglichst, ohne mich noch mal vor ihren Augen zu übergeben. »Ich komme mit und du erzählst mir, was los ist.« Schnell holte ich ein frisches T-Shirt aus dem Schrank und zog es mir über. Sogar richtig herum. Goal!

  »Es ist nichts.« Ivy biss sich auf die Unterlippe und bemühte sich, nicht auf meine Brust zu starren – was ihr aber nicht wirklich gelang.

  Wäre ich fitter gewesen, hätte ich die kleine Peepshow, die ich hier gerade ablieferte, genossen, so aber angelte ich nur nach meinen Schuhen und versuchte angestrengt, nicht umzukippen. Shit! Wann hatte ich mich das letzte Mal so geschlaucht gefühlt?

  »Es ist meine Aufgabe, auf dich aufzupassen. Ich komme mit«, brummte ich und zog die Schuhe an, während ich mir nachlässig mit den Fingern durchs Haar fuhr. Eine Sonnenbrille landete auf meiner Nase. Jetzt noch Kaffee und ich könnte sogar reden, ohne dabei das Gefühl zu haben, im Stehen einzuschlafen. »Gehen wir.«

  Ivy sah mich skeptisch an, seufzte dann aber ergeben und ging nach draußen. Ihre Tasche schlug dabei rhythmisch gegen ihre nackten Beine. Ich folgte ihr, steckte aber vorher noch schnell die Packung Aspirin ein. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich es heute noch brauchen könnte.

  »Also, was ist los?«, fragte ich, als ich Ivy eingeholt hatte.

  Ivy verzog das Gesicht und spielte an einer Haarsträhne herum. »Diese Pillen …«, begann sie. »Ich glaube, die Tabletten, die du genommen hast, kamen von diesem Austin Freeman.«

  Ich stutzte und sah sie irritiert an. Ich hatte mit viel gerechnet, aber nicht mit dieser Info. »Wie kommst du darauf?«

  Sie begann an ihrem Daumennagel zu knabbern. Immer wieder sah sie sich unruhig um, als würde sie jemanden unter den Studenten suchen, die sich im Park tummelten. So nervös hatte ich sie noch nie gesehen und das machte mir Sorgen.

  »Soya hat mir gestern erzählt, dass die Tabletten von einem Typen kamen, der wie dieser Austin aussah. Courtney sollte sie eigentlich an mich weitergeben, aber stattdessen hat sie sie selbst genommen und ähm … dir untergejubelt.«

  Ich runzelte die Stirn. Unsere Schritte knirschten auf dem Kies. »Das macht keinen Sinn. Freeman hat eine offizielle Verwarnung bekommen und die klare Anweisung, sich von dir fernzuhalten und keine Fotos zu machen. Und warum sollte er dir Drogen geben? Hättest du sie denn genommen?«

  »Wa…? Nein, natürlich nicht«, stieß Ivy hervor und umklammerte den Riemen ihrer Tasche. »Ich weiß selbst, dass es keinen Sinn macht. Ich meine, was hätte er davon?«

  »Mhm…« Ich versuchte nachzudenken, doch prompt brach mir wieder der Schweiß aus. »Kam gestern eigentlich auch die Polizei?«, fragte ich.

  Sie nickte. »Polizei und Krankenwagen.«

  Ich schnalzte mit der Zunge. Da war ich ja knapp einer Katastrophe entkommen. »Nehmen wir mal an, Freeman hat nicht damit gerechnet, dass Courtney die Pillen selbst nimmt. Sondern sie brav an dich weitergibt. Was hätte Freeman davon gehabt?« Ich überlegte und versuchte, den schalen Geschmack in meinem Mund hinunterzuschlucken. Mein ganzer Körper war so dehydriert, als hätte ich die letzten Tage in der Wüste verbracht. Ich sollte mir unbedingt noch vor der Vorlesung ein Wasser besorgen.

  Ivy knabberte an ihrer Unterlippe und zuckte schließlich ratlos mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er hätte ein Foto davon machen können, wie ich Drogen in der Hand halte?«

  Meine Gedanken rasten und ich blieb vor der Fakultät stehen. Obwohl mir schrecklich heiß war, rann mir ein kalter Schauer über den Rücken. »Wir hätten ein Skandalfoto«, stieß ich hervor. »Stell dir die Schlagzeilen vor: Millionärstochter wegen Drogenbesitz verhaftet.«

  Sie blinzelte erschrocken. »Aber ich hätte sie doch niemals genommen!«

  »Ja, aber ein Foto reicht schon, um
dich in Schwierigkeiten zu bringen. Und für ihn springt neben einer Titelstory auch noch ein Haufen Kohle raus.«

  Ivy runzelte die Stirn. »Warum sollte er so etwas tun? Er wurde doch schon verwarnt, oder?«

  »Vielleicht ist es ihm egal«, murmelte ich. »Aber wenn er wirklich so weit geht … Wer weiß, was er sich als nächstes ausdenkt …«

  Schweigend gingen wir weiter. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Ivy mir immer wieder besorgte Blicke zuwarf, und als wir den Hörsaal betraten, war sie schon fast so blass wie ich. Sie sah sich nervös um. Als sie Alex entdeckte, der wild winkte, atmete sie erleichtert auf. Ich hasste es, wie sie sofort auf ihn zusteuerte.

  »Hey, na ihr? Alles gut überstanden?«, fragte Alex gut gelaunt.

  Ivy schnaubte, holte aus und knallte ihm die flache Hand gegen den Hinterkopf. Der verdutzte Ausdruck auf Alex’ Gesicht ließ mich leise auflachen.

  »Au! Wofür war das denn?«, rief er.

  »Wo bist du gestern gewesen?«, fuhr Ivy ihn an und ließ sich auf den freien Platz neben ihm fallen.

  Ich setzte mich daneben und musste ein erleichtertes Ächzen unterdrücken. Scheiße, ging es mir schlecht.

  »Wieso?« Alex setzte eine unschuldige Miene auf. »Ich habe Jeff nach Hause gebracht. Der war so dicht, dass er mir die ganze Nacht demonstrieren wollte, dass er an meinem Ellenbogen lecken kann, ohne dass ich es spüre.«

  »Gestern war eine absolute Kata…«, fing Ivy an und hielt mitten im Satz irritiert inne. »Warte mal. Er hat an deinem Ellenbogen geleckt?«

  Alex lief knallrot an. »Da gibt es angeblich so eine Stelle, an der man nichts fühlen kann.«

  Ivy blinzelte. »Und?«

  Alex wurde noch röter. »Ich habe es definitiv gefühlt, aber Jeff war gestern auch nicht unbedingt ein Koordinationsgenie.«

  Ivy kicherte, während ich mir gequält die Stirn massierte. Dieses Bild würde ich mein Leben lang nie wieder aus dem Kopf bekommen.

  »Aber was ist mit euch?«, fragte Alex irritiert. Sein Blick wanderte vielsagend zu mir, während sich ein verschmitztes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. »Hat es da jemand gestern ein wenig übertrieben?«

  Ivy stupste Alex an. »Hör auf. Gestern ist es noch ziemlich übel zugegangen. Courtney ist zusammengebrochen.«

  Alex guckte skeptisch. »Ist Courtney unser neues Codewort für Ryan?«

  »Nein.« Sie verdrehte die Augen und packte aus ihrer Tasche eine Flasche Gatorade, die sie nervös auf- und wieder zuschraubte. »Courtney ist dieses große blonde Mädchen, das sich hier an alle Typen ranschmeißt.«

  Alex blinzelte verwirrt.

  Ivy seufzte. »Die, die so laut lacht.«

  »Ach die Courtney«, sagte Alex ziemlich verspätet, während er Ivy anstarrte.

  Van Klemmt irritierte mich. Gestern noch hatte er eindeutig Jeff hinterhergesehen, aber heute schien er sich wieder mehr für Ivy zu interessieren. Schnell schüttelte ich den Kopf und sah dabei aus dem Augenwinkel einen braunen Haarschopf, der den Hörsaal betrat.

  »Ivy. Soya ist hier.« Mit einem Kopfnicken deutete ich auf das Mädchen, das sich gerade zwei Reihen vor uns einen Platz suchte.

  Ivy schoss hoch. »Sind gleich wieder da, Alex«, sagte sie.

  Verwundert schaute Alex uns hinterher, während ich Ivy folgte. Sie hatte sich bereits einen Weg zu Soya gebahnt, stand nun eine Bankreihe unter ihr und redete auf sie ein. Ich kam gerade dazu, als Soya ratlos die Schultern zuckte und Ivy feindselig musterte.

  »Hey, Soya«, mischte ich mich ein und lächelte schwach.

  Das Mädchen sah zu mir auf und machte im nächsten Augenblick große Augen. »Oh … äh, hey Ray, wie geht es dir?«, stotterte sie verunsichert. Wow, musste ich scheiße aussehen.

  »Wie geht es Courtney?«, entgegnete ich, ohne auf ihre Frage einzugehen.

  Soyas Wangen färbten sich leicht rot. »Besser, danke«, sagte sie nur knapp.

  Ich nickte und schob meine Sonnenbrille hoch.

  Soya musterte mich schuldbewusst. »Dich hat es gestern auch ziemlich übel erwischt, was?« Sie räusperte sich. »Tut mir leid, dass Courtney dir auch was von diesem Zeug untergeschoben hat. Ich konnte sie nicht aufhalten.«

  »Schon gut. Ist nicht deine Schuld«, winkte ich ab, lehnte mich vor und stützte die Ellenbogen auf ihrem Tisch ab. »Hauptsache ist doch, dass es Courtney besser geht, oder?«

  Soya nickte. Ich hörte, wie Ivy leise schnaubte, und musste ein kleines Grinsen unterdrücken. War sie etwa eifersüchtig?

  »Sag mal, Soya«, raunte ich und lehnte mich noch weiter vor, sodass mir ihr leicht blumiger Geruch in die Nase stieg. »Du weißt nicht zufällig, was das für Pillen waren, oder?«

  Soya zögerte und nestelte nervös an einem Stift herum. »Im Krankenhaus sagten sie, es sei eine Partydroge gewesen. Irgendwas Zusammengepanschtes. Aber sollte Ivy das nicht besser wissen? Der Typ meinte, das Zeug wäre für sie«, sagte sie und blickte giftig zu Ivy hinüber, die bei den Worten zusammenzuckte.

  »Ivy hat damit nichts zu tun«, sagte ich.

  Soya schnaubte ungläubig. »Aber der Typ hat gesagt …«

  »Wie sah er denn aus?«

  »Wer?«

  »Na, der Typ, der euch die Pillen gegeben hat?«

  Soya biss sich auf die Unterlippe. »Ich war gestern selbst nicht so auf der Höhe«, gab sie zu. »Aber er war groß. In etwa so wie du. Und er hatte braune Haare und … oh … und er hatte eine Kamera dabei. Er meinte, er wollte für den Fotokurs ein paar Bilder machen.«

  Ivy sog scharf die Luft ein. Ich wechselte einen schnellen Blick mit ihr.

  »Danke, Soya.« Lächelnd wickelte ich mir eine ihrer Haarsträhnen um den Finger. Sie klebten ein wenig von altem Haarspray. Am liebsten hätte ich gleich wieder losgelassen, aber Soya sah mich so treuherzig an, dass es die Sache wert war. »Sag mal, ganz unter uns«, flüsterte ich leise. »Was hast du der Polizei gesagt?«

  Sie befeuchtete sich die Lippen. »Gar nichts. Ich dachte, wenn ich so tue, als hätte ich keine Ahnung, hat es für uns alle am wenigsten Konsequenzen.«

  »Ja, das denke ich auch.« Ich zwinkerte ihr zu. »Danke und sag Courtney gute Besserung von mir.«

  »Mach ich«, strahlte sie und als ich mich zufrieden wieder aufrichtete, eilte Ivy bereits wieder auf ihren Platz zurück.

  Erst dachte ich, sie wäre beleidigt, weil ich mit Soya ein wenig geflirtet hatte, doch dann hörte ich das Zuknallen einer Tür, gefolgt von klackernden Absätzen. Abrupt drehte ich mich um.

  Mrs Garcia steuerte geradewegs auf ihr Pult zu und knallte ihre Tasche auf den Tisch. Schnaubend musterte sie mich. »Haben wir eine neue Sitzordnung, von der ich nichts weiß, Mr MacCain?«

  Oh, oh. Schuldbewusst zuckte ich mit den Schultern. »Tut mir leid, ich wollte nur …«

  »Was Sie wollen, interessiert mich nicht, Mr MacCain.«

  Gerade als ich entschuldigend die Hände hob und auf meinen Platz zurückging, rief sie mich zurück. »Was tun Sie da, MacCain?«

  »Äh … mich setzen?«

  »Das können Sie gern tun, aber draußen! Mein Unterricht ist nur für diejenigen, die auch ihre Abgaben einhalten.«

  »Abgaben?«, echote ich langsam.

  Sie verzog das Gesicht und lächelte gefährlich. »Oh ja, Abgaben. Gestern war der Abgabetermin für den Aufsatz über die Entwicklung der amerikanischen Literatur im 19. Jahrhundert. Solange ich diesen nicht auf meinem Tisch liegen habe, will ich Sie in meinem Unterricht nicht mehr sehen!«

  »Was?«, fragte ich ungläubig.

  Im Raum war es mucksmäuschenstill geworden und der gesamte Vorlesungssaal schien die Luft anzuhalten.

  Mrs Garcia zeigte streng zur Tür. »Waren das zu viele Infos für Sie, Mr MacCain? Dann noch mal knapp und verständlich: Raus!«

  Fuck. Verzweifelt sah ich zu Ivy hoch, doch die zuckte nur hilflos mit den Schultern.

  Ich knurrte und ging nach unten. Direkt vor Mrs Garcia blieb ich stehen. »Bei allem Respekt, Mam
«, sagte ich. »Ich bin nicht mal Student, sondern Gasthörer. Ich habe eine Klientin, auf die ich …«

  »Mir ist Ihre Aufgabe hier durchaus bekannt, Mr MacCain«, sagte Mrs Garcia. Diesmal so leise, dass nur ich sie hören konnte. »Und falls jemals ein Irrer mit einem Gewehr hier hereinspazieren sollte, werde ich mit Freuden auf Ihre Talente zurückgreifen. Da ich allerdings nicht von einem Amoklauf in meinem Vorlesungssaal ausgehe – zumindest nicht in nächster Zeit –, erwarte ich von jedem Menschen, der in meinem Unterricht sitzt, dass er sein Hirn benutzt. Sie haben die Wahl, das ebenfalls zu tun. Oder aber sie warten draußen. Solange werde ich stellvertretend für Sie darauf achten, dass Miss Bennet nicht gekidnappt wird.«

  »Sie können doch nicht …«

  »Ich kann und ich werde«, fauchte sie wieder lauter. »Geben Sie mir die ausstehende Arbeit und Sie können wieder am Unterricht teilnehmen. Bis dahin darf ich mich von Ihnen verabschieden. Guten Tag, Mr MacCain.«

  Ungläubig starrte ich sie an, schluckte einen bissigen Kommentar hinunter und verließ den Raum.

  Seufzend lehnte ich mich vor dem Hörsaal gegen die Wand. Was zum Teufel sollte ich jetzt eineinhalb Stunden lang machen? Ich konnte ja schlecht hier rumstehen und warten, bis die Vorlesung zu Ende war. Scheiße! So hatte ich mir diesen Job nicht vorgestellt.

  Mein Blick huschte durch den leeren Flur. Wo Freeman wohl gerade war? Wenn es stimmte, was Soya behauptet hatte, dann steckte er wirklich hinter dieser Drogen-Sache. Und das machte mir mehr Sorgen, als ich zugeben wollte. Ich holte mein Handy hervor und sah mir seine Akte an. Mit einem Klick lud ich mir seinen Stundenplan herunter.

  Freeman hatte heute den ganzen Tag Unterricht, inklusive einer Klausur, die er am späten Nachmittag schreiben musste. Das hieß, seine Wohnung war wahrscheinlich leer. Da ich seine Adresse hatte, könnte ich die Zeit sinnvoll nutzen und ein wenig herumschnüffeln. Herausfinden, ob er irgendwo in seiner Wohnung Drogen versteckte oder ob er belastendes Material über Ivy gesammelt hatte.

 

‹ Prev