The Book of Images

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The Book of Images Page 7

by Rainer Maria Rilke


  bear the hands supposed to dream.

  No Miserere and no Kyrie

  will his young, round voice draw out,

  before no curse will it flee;

  it is no doe.

  It is a horse and rears against the bit,

  and over hurdle, cliff, and hindrance

  it will bear him, far and certain of the path—

  even without saddle it will bear him.

  But he sits, and beneath his thoughts

  his broad wrists almost break,

  as his mind grows heavier, always heavier.

  The evening comes, returning softly,

  a wind starts up, the paths grow emptier,

  and shadows gather in the valley’s cup.

  And like a boat that sways upon its chain,

  the garden grows indistinct and hangs

  as though wind-cradled on sheer twilight.

  Who will set it free?…

  The Frate is so young,

  and his mother has been dead for ages.

  he knows about her; they called her La Stanca;

  she was a glass, all delicate and clear. It was given

  to one who, after drinking, smashed it

  like a jug.

  That is the father.

  And he makes his living

  as foreman in the red marble quarries.

  And every woman lying-in in Pietrabianca

  dreads him, since at night with his mad curses

  he may pass by her window, boding ill.

  His son, whom to the Donna Dolorosa

  he dedicated in an hour of wild distress,

  broods in the arcaded courtyard of the Certosa,

  broods, as in a swirl of reddish smells:

  for his flowers all bloom red.

  DAS JÜNGSTE GERICHT

  Aus den Blättern eines Mönchs

  Sie werden Alle wie aus einem Bade

  aus ihren mürben Grüften auferstehn;

  denn alle glauben an das Wiedersehn,

  und furchtbar ist ihr Glauben, ohne Gnade.

  Sprich leise, Gott! Es könnte einer meinen,

  daß die Posaune deiner Reiche rief;

  und ihrem Ton ist keine Tiefe tief:

  da steigen alle Zeiten aus den Steinen,

  und alle die Verschollenen erscheinen

  in welken Leinen, brüchigen Gebeinen

  und von der Schwere ihrer Schollen schief.

  Das wird ein wunderliches Wiederkehren

  in eine wunderliche Heimat sein;

  auch die dich niemals kannten, werden schrein

  und deine Größe wie ein Recht begehren:

  wie Brot und Wein.

  Allschauender, du kennst das wilde Bild,

  das ich in meinem Dunkel zitternd dichte.

  Durch dich kommt Alles, denn du bist das Tor, —

  und Alles war in deinem Angesichte,

  eh es in unserm sich verlor.

  Du kennst das Bild vom riesigen Gerichte:

  Ein Morgen ist es, doch aus einem Lichte,

  das deine reife Liebe nie erschuf,

  ein Rauschen ist es, nicht aus deinem Ruf,

  ein Zittern, nicht von göttlichem Verzichte,

  ein Schwanken, nicht in deinem Gleichgewichte.

  Ein Rascheln ist und ein Zusammenraffen

  in allen den geborstenen Gebäuden,

  ein Sichentgelten und ein Sichvergeuden,

  ein Sichbegatten und ein Sichbegaffen,

  und ein Betasten aller alten Freuden

  und aller Lüste welke Wiederkehr.

  Und über Kirchen, die wie Wunden klaffen,

  ziehn schwarze Vögel, die du nie erschaffen,

  in irren Zügen hin und her.

  So ringen sie, die lange Ausgeruhten,

  und packen sich mit ihren nackten Zähnen

  und werden bange, weil sie nicht mehr bluten,

  und suchen, wo die Augenbecher gähnen,

  mit kalten Fingern nach den toten Tränen.

  Und werden müde. Wenige Minuten

  nach ihrem Morgen bricht ihr Abend ein.

  Sie werden ernst und lassen sich allein

  und sind bereit, im Sturme aufzusteigen,

  wenn sich auf deiner Liebe heitrem Wein

  die dunklen Tropfen deines Zornes zeigen,

  um deinem Urteil nah zu sein.

  Und da beginnt es, nach dem großen Schrein:

  das übergroße fürchterliche Schweigen.

  Sie sitzen alle wie vor schwarzen Türen

  in einem Licht, das sie, wie mit Geschwüren,

  mit vielen grellen Flecken übersät.

  Und wachsend wird der Abend alt und spät.

  Und Nächte fallen dann in großen Stücken

  auf ihre Hände und auf ihren Rücken,

  der wankend sich mit schwarzer Last belädt.

  Sie warten lange. Ihre Schultern schwanken

  unter dem Drucke wie ein dunkles Meer,

  sie sitzen, wie versunken in Gedanken,

  und sind doch leer.

  Was stützen sie die Stirnen?

  Ihre Gehirne denken irgendwo

  tief in der Erde, eingefallen, faltig:

  Die ganze alte Erde denkt gewaltig,

  und ihre großen Bäume rauschen so.

  Allschauender, gedenkst du dieses bleichen

  und bangen Bildes, das nicht seinesgleichen

  unter den Bildern deines Willens hat?

  Hast du nicht Angst vor dieser stummen Stadt,

  die, an dir hangend wie ein welkes Blatt,

  sich heben will zu deines Zornes Zeichen?

  O, greife allen Tagen in die Speichen,

  daß sie zu bald nicht diesem Ende nahen, —

  vielleicht gelingt es dir noch auszuweichen

  dem großen Schweigen, das wir beide sahen.

  Vielleicht kannst du noch einen aus uns heben,

  der diesem fürchterlichen Wiederleben

  den Sinn, die Sehnsucht und die Seele nimmt,

  einen, der bis in seinen Grund ergrimmt

  und dennoch froh, durch alle Dinge schwimmt,

  der Kräfte unbekümmerter Verbraucher,

  der sich auf allen Saiten geigt

  und unversehrt als unerkannter Taucher

  in alle Tode niedersteigt.

  … Oder, wie hoffst du diesen Tag zu tragen,

  der länger ist als aller Tage Längen,

  mit seines Schweigens schrecklichen Gesängen,

  wenn dann die Engel dich, wie lauter Fragen,

  mit ihrem schauerlichen Flügelschlagen

  umdrängen?

  Sieh, wie sie zitternd in den Schwingen hängen

  und dir mit hunderttausend Augen klagen,

  und ihres sanften Liedes Stimmen wagen

  sich aus den vielen wirren Übergängen

  nicht mehr zu heben zu den klaren Klängen.

  Und wenn die Greise mit den breiten Bärten,

  die dich berieten bei den besten Siegen,

  nur leise ihre weißen Häupter wiegen,

  und wenn die Frauen, die den Sohn dir nährten,

  und die von ihm Verführten, die Gefährten,

  und alle Jungfraun, die sich ihm gewährten:

  die lichten Birken deiner dunklen Gärten, —

  wer soll dir helfen, wenn sie alle schwiegen?

  Und nur dein Sohn erhübe sich unter denen,

  welche sitzen um deinen Thron.

  Grübe sich deine Stimme dann in sein Herz?

  Sagte dein einsamer Schmerz dann:

  Sohn!

  Suchtest du dann das Angesicht

  dessen, der das Gericht gerufen,

  dein Gericht und deinen Thron:

  Sohn!

  Hießest du, Vater, dann deinen Erben,

  leise begleitet von Magdalenen,

  niedersteigen zu jenen,

  die sich sehnen, wieder zu sterben?

  Das wäre dein letzter Königserlaß,

  die letzte Huld und der letzte Haß.

  Aber dan
n käme Alles zu Ruh:

  der Himmel und das Gericht und du.

  Alle Gewänder des Rätsels der Welt,

  das sich so lange verschleiert hält,

  fallen mit dieser Spange.

  … Doch mir ist bange …

  Allschauender, sieh, wie mir bange ist,

  miß meine Qual!

  Mir ist bange, daß du schon lange vergangen bist.

  Als du zum erstenmal

  in deinem Alleserfassen

  das Bild dieses blassen

  Gerichtes sahst,

  dem du dich hülflos nahst, Allschauender.

  Bist du damals entflohn?

  Wohin?

  Vertrauender

  kann keiner dir kommen

  als ich,

  der ich dich

  nicht um Lohn

  verraten will wie alle die Frommen.

  Ich will nur, weil ich verborgen bin

  und müde wie du, noch müder vielleicht,

  und weil meine Angst vor dem großen Gericht

  deiner gleicht,

  will ich mich dicht,

  Gesicht bei Gesicht,

  an dich heften;

  mit einigen Kräften

  werden wir wehren dem großen Rade,

  über welches die mächtigen Wasser gehn,

  die rauschen und schnauben —

  denn: wehe, sie werden auferstehn.

  So ist ihr Glauben: groß und ohne Gnade.

  THE LAST JUDGMENT

  From the Pages of a Monk

  They will all as if out of a bath

  out of their moldering graves resurrect;

  for they all believe in the reunion,

  and their belief is terrible, without grace.

  Speak softly, God! It could mean to someone

  that the trumpets of your kingdom called;

  and for their sound no depth is deep enough:

  then all times rise out of the stones,

  and all the long-lost appear

  in faded linen, brittle skeletons

  and crooked from the weight of their clods.

  That will be a miraculous return

  into a wondrous homeland;

  even those who never knew you will scream

  and crave your greatness like a right:

  like bread and wine.

  All-seeing one, you know that wild picture

  that in my darkness I tremblingly compose.

  Through you comes everything, for you are the gate,—

  and everything was in your countenance

  before it lost itself in ours.

  You know that picture of the huge judgment:

  There is a morning, yet of a light

  that your mature love never could create,

  there is a sound, not from your call,

  a trembling, not from divine relinquishment,

  a swaying, not in your equipoise.

  There is a rustling and a mustering up

  in all of the exploded structures,

  a self-repaying and a self-squandering,

  a self-mating and a self-gaping-at,

  and a palpating of all old joys

  and of all pleasures’ pale return.

  And over churches, torn open like wounds,

  dark birds you never made

  steer endlessly in crazed formations.

  Thus they wrestle, the long-recuperated,

  and seize each other with their naked teeth

  and grow afraid, because they bleed no longer,

  and grope, where the eyes’ beakers gape,

  with cold fingers for the dead tears.

  And grow tired. A few minutes

  after their morning their evening comes.

  They grow solemn and self-absorbed

  and are prepared to rise up in the storm

  when on your love’s bright wine

  the dark drops of your anger will appear,

  so they will be near your judgment.

  And then it begins, after the great screaming:

  the overwhelming terrifying silence.

  They all sit as if before black gates

  in a light which, as if with bleeding sores,

  studs them with many iridescent flecks.

  And the evening, waxing, becomes old and late.

  And night falls then in huge pieces

  down upon their hands and on their necks,

  which, wavering, load themselves with black weight.

  They remain in place. Their shoulders sway

  beneath the pressure like a dark sea,

  they sit, as if deep in thought,

  and yet are empty.

  Why do they prop their brows?

  Their brains think somewhere

  deep in the earth, collapsed, in folds:

  the entire ancient earth thinks prodigiously,

  and the murmur of its great trees grows.

  All-seeing one, do you recall this

  pale and fearful picture, which has no like

  among the many pictures of your will?

  Are you not frightened by this mute city,

  which, clinging to you like a withered leaf,

  wants to rise up as your anger’s sign?

  O, set yourself against the wheeling of all days

  to slow their progress toward this end,—

  perhaps you can still manage to avert

  that great silence which we both have seen.

  Perhaps you can still raise one from us

  who extracts from this dread reanimation

  the meaning, the desire, and the soul,

  one who, enraged with all his heart

  and yet serene, swims through all things,

  the powers’ nonchalant consumer,

  who plays himself on all strings

  and who unharmed, like secret divers,

  down into all deaths descends.

  … If not, how do you hope to bear this day—

  which is longer than all days’ durations

  with its silence’s terrifying hymns,

  when the angels, like endless questions,

  with their eerie fluttering

  crowd around you?

  Look how they hang trembling in the air

  and lament to you with a hundred thousand faces,

  and no longer dare to lift their soft song’s voice

  out of the many confused transitions

  into the lucid tones.

  And if the old broad-bearded sages

  who gave you counsel in your best victories

  only limply sway their grizzled heads,

  and if those women who nursed your son for you,

  and those enticed by him, his companions,

  and all virgins who pledged themselves to him,

  the bright birch trees in your dark gardens,—

  who shall help you, if they all are silent?

  And only your son would arise among those

  who sit mutely around your throne.

  Would your voice engrave itself then in his heart?

  Would your solitary pain say then:

  Son!

  Would you search then for the face

  of the one who has called the judgment,

  your judgment and your throne:

  Son!

  Would you then, Father, bid your heir,

  gently accompanied by Magdalene,

  to descend to those

  who desire to die again?

  That would be your last royal edict,

  the last favor and the last hate.

  But then everything would come to rest:

  the heavens and the judgment and you.

  All the garments of the riddle of the world,

  which has for so long kept itself veiled,

  fall with this clasp.

  … Yet I am afraid …

  All-seeing one, look how afraid I am,

  gauge my anguish!

  I am afraid that you have long since vanished.

  When for t
he first time

  with your great grasp of things

  you saw the image

  of this pale judgment

  toward which you helplessly draw near, all-seeing one.

  Did you abscond back then?

  To where?

  No one can approach you

  more trustfully

  than I,

  for I don’t wish

  to betray you for reward

  like all the pious.

  I want only, since I am hidden

  and weary like you, even wearier perhaps,

  and since my fear confronted with the great judgment

  is like your own,

  I want to join with you,

  face next to face,

  at your side;

  with united strengths

  we will stem the great wheel

  over which the powerful waters run,

  roaring and spewing—

  then: alas, they will resurrect.

  Such is their belief: great and without grace.

  KARL DER ZWÖLFTE VON SCHWEDEN REITET IN DER UKRAINE

  Könige in Legenden

  sind wie Berge im Abend. Blenden

  jeden, zu dem sie sich wenden.

  Die Gürtel um ihre Lenden

  und die lastenden Mantelenden

  sind Länder und Leben wert.

  Mit den reichgekleideten Händen

  geht, schlank und nackt, das Schwert.

  * * *

  Ein junger König aus Norden war

  in der Ukraine geschlagen.

  Der haßte Frühling und Frauenhaar

  und die Harfen und was sie sagen.

  Der ritt auf einem grauen Pferd,

  sein Auge schaute grau

  und hatte niemals Glanz begehrt

  zu Füßen einer Frau.

  Keine war seinem Blicke blond,

  keine hat küssen ihn gekonnt;

  und wenn er zornig war,

  so riß er einen Perlenmond

  aus wunderschönem Haar.

  Und wenn ihn Trauer überkam,

  so machte er ein Mädchen zahm

  und forschte, wessen Ring sie nahm

  und wem sie ihren bot —

  und: hetzte ihr den Bräutigam

  mit hundert Hunden tot.

  Und er verließ sein graues Land,

  das ohne Stimme war,

  und ritt in einen Widerstand

  und kämpfte um Gefahr,

  bis ihn das Wunder überwand:

  wie träumend ging ihm seine Hand

  von Eisenband zu Eisenband

  und war kein Schwert darin;

  er war zum Schauen aufgewacht:

  es schmeichelte die schöne Schlacht

  um seinen Eigensinn.

  Er saß zu Pferde: ihm entging

  keine Gebärde rings.

  Auf Silber sprach jetzt Ring zu Ring,

  und Stimme war in jedem Ding,

  und wie in vielen Glocken hing

  die Seele jedes Dings.

  Und auch der Wind war anders groß,

 

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