Gold - Pirate Latitudes

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Gold - Pirate Latitudes Page 4

by Michael Crichton


  Es war Zeit für eine weitere Kaperfahrt, dachte Hunter. Sie verweichlichten alle langsam. Er selbst hatte viel zu viele Nächte zu tief ins Glas geschaut oder mit den Frauen vom Hafen verbracht. Sie mussten schnellstens wieder raus aufs Meer.

  Hunter stapfte lächelnd durch den Matsch, winkte den Huren zu, die ihm von hohen Fenstern aus zubrüllten, und ging zur Gouverneursresidenz.

  »Es gab viel Gerede über den Kometen, der unmittelbar vor Ausbruch der Pest über London gesehen wurde«, sagte Captain Morton und trank einen Schluck Wein. »Vor der Pest von ’56 wurde auch ein Komet gesehen.«

  »Wohl wahr«, sagte Almont. »Na und? Auch ’59 wurde ein Komet gesehen, und die Pest ist nicht ausgebrochen, wenn ich mich recht entsinne.«

  »Aber in Irland wüteten die Pocken«, sagte Mr Hacklett, »genau in dem Jahr.«

  »In Irland wüten immer irgendwo die Pocken«, sagte Almont. »Jedes Jahr.«

  Hunter sagte nichts. Er hatte überhaupt wenig gesagt während des Dinners, das er genauso öde fand wie jedes andere, an dem er je in der Gouverneursresidenz teilgenommen hatte. Eine Zeit lang hatten die neuen Gesichter sein Interesse geweckt – Morton, der Kapitän der Godspeed, und Hacklett, der neue Sekretär, ein affiger, verkniffener Pinkel. Und Mrs Hacklett, schlank und dunkel, als hätte sie französisches Blut in den Adern, die eine gewisse animalische Sinnlichkeit verströmte.

  Der anregendste Augenblick des Abends war für Hunter das Auftauchen einer neuen Dienstmagd gewesen. Sie war ein appetitliches, blasses blondes Kind und kam von Zeit zu Zeit herein. Er versuchte jedes Mal, ihren Blick aufzufangen. Hacklett bemerkte das und starrte Hunter tadelnd an. Es war nicht der erste missbilligende Blick, mit dem er Hunter im Laufe des Abends bedacht hatte.

  Als das Mädchen herumging und Wein nachschenkte, sagte Hacklett: »Habt Ihr eine Vorliebe für Bedienstete, Mr Hunter?«

  »Wenn sie hübsch sind«, erwiderte Hunter leichthin. »Und was sind Eure Vorlieben?«

  »Das Hammelfleisch ist hervorragend«, sagte Hacklett, lief tiefrot an und starrte auf seinen Teller.

  Mit einem Seufzer brachte Almont das Gespräch auf die Atlantiküberquerung, die seine Gäste eben erst hinter sich gebracht hatten. Morton schilderte daraufhin begeistert und übertrieben detailliert einen Tropensturm, als hätte er als Erster in der Menschheitsgeschichte ein bisschen wilde See überstanden. Hacklett fügte ein paar beängstigende Ausschmückungen hinzu, und Mrs Hacklett gestand, dass ihr speiübel gewesen war.

  Hunter langweilte sich mehr und mehr. Er leerte sein Weinglas in einem Zug.

  »Nun«, fuhr Morton fort, »nachdem dieser grässliche Sturm zwei Tage angehalten hatte, brach am dritten Tag ein strahlender, herrlicher Morgen an. Man konnte meilenweit sehen, und aus Norden blies ein ordentlicher Wind. Aber wir wussten unsere Position nicht, nachdem wir achtundvierzig Stunden hin und her geschleudert worden waren. Dann sichteten wir Land auf Backbord und steuerten darauf zu.«

  Ein Fehler, dachte Hunter. Morton war offensichtlich völlig unerfahren. In spanischen Gewässern steuerte ein englisches Schiff auf gar keinen Fall auf Land zu, wenn nicht klar war, wem das Land gehörte. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass dort die Spanier saßen.

  »Wir kamen um die Insel herum und sahen zu unserer Verblüffung ein Kriegsschiff im Hafen vor Anker liegen. Eine kleine Insel, aber es war eindeutig ein spanisches Kriegsschiff. Wir waren sicher, dass es uns verfolgen würde.«

  »Und dann?«, fragte Hunter nicht sonderlich interessiert.

  »Es blieb im Hafen«, sagte Morton und lachte. »Ich hätte lieber einen aufregenderen Schluss geboten, aber die Wahrheit ist, das Kriegsschiff ist nicht hinter uns her. Es blieb einfach im Hafen.«

  »Aber die Spanier hatten Euch natürlich gesehen?«, sagte Hunter, dessen Interesse allmählich erwachte.

  »Na, ganz zweifellos. Wir fuhren unter vollen Segeln.«

  »Wie nah wart Ihr?«

  »Höchstens zwei oder drei Meilen vor der Küste. Die Insel war gar nicht auf unseren Karten verzeichnet. Ich vermute, sie wurde nicht kartografiert, weil sie zu klein war. Sie hatte einen einzigen Hafen, mit einer Festung auf einer Seite. Ich muss sagen, wir hatten alle das Gefühl, mit viel Glück entkommen zu sein.«

  Hunter wandte sich langsam Almont zu und sah ihn an. Almont erwiderte den Blick mit einem schwachen Lächeln.

  »Amüsiert die Episode Euch, Captain Hunter?«

  Hunter schaute wieder Morton an. »Ihr sagt, am Hafen ist eine Festung?«

  »In der Tat, noch dazu eine überaus imposante Festung, so schien es.«

  »Am Nordufer oder am Südufer des Hafens?«

  »Lasst mich überlegen – am Nordufer. Warum?«

  »Wie lange ist es her, dass Ihr das Schiff gesehen habt?«, fragte Hunter.

  »Drei oder vier Tage. Eher drei Tage. Sobald wir unsere Position bestimmt hatten, nahmen wir Kurs auf Port Royal.«

  Hunter trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er blickte nachdenklich auf sein Weinglas. Kurze Stille trat ein.

  Almont räusperte sich. »Captain Hunter, die Geschichte scheint Euch zu beschäftigen.«

  »Sie hat mich neugierig gemacht«, sagte Hunter. »Ich bin sicher, die Neugier des Gouverneurs ist ebenfalls geweckt.«

  »Ich glaube«, sagte Almont, »man kann durchaus sagen, das Interesse der Krone ist geweckt.«

  Hacklett saß steif auf seinem Stuhl. »Sir James«, sagte er, »wärt Ihr wohl so freundlich, uns Übrige über die Bedeutung der ganzen Angelegenheit aufzuklären?«

  »Einen Augenblick noch«, sagte Almont und winkte ungehalten ab. Er starrte Hunter unverwandt an. »Welche Bedingungen stellt Ihr?«

  »Zunächst einmal, gleiche Anteile«, sagte Hunter.

  »Mein lieber Hunter, gleiche Anteile sind für die Krone überaus reizlos.«

  »Mein lieber Gouverneur, jeder geringerer Anteil würde die Fahrt überaus reizlos für die Seeleute machen.«

  Almont schmunzelte. »Euch ist natürlich klar, dass die Beute gewaltig ist.«

  »Durchaus. Mir ist ebenfalls klar, dass die Insel uneinnehmbar ist. Ihr habt sie letztes Jahr von Edmunds mit dreihundert Mann angreifen lassen. Nur einer kehrte zurück.«

  »Ihr selbst habt die Ansicht geäußert, dass Edmunds kein einfallsreicher Mann war.«

  »Aber Cazalla ist überaus einfallsreich.«

  »In der Tat. Dennoch dünkt mich, dass Cazalla ein Mann ist, den Ihr gern kennenlernen würdet.«

  »Nur, wenn wir uns auf gleiche Anteile einigen.«

  »Aber«, sagte Sir James mit einem entspannten Lächeln, »wenn Ihr von der Krone erwartet, die Fahrt auszurüsten, müssen diese Kosten vor der Aufteilung abgezogen werden. Fair?«

  »Augenblick bitte«, sagte Hacklett. »Sir James, feilschen Sie etwa mit dem Mann?«

  »Ganz und gar nicht. Ich treffe mit ihm eine Absprache unter Ehrenmännern.«

  »Zu welchem Zweck?«

  »Zum Zwecke der Planung einer Kaperfahrt zum spanischen Außenposten auf Matanceros.«

  »Matanceros?«, sagte Morton.

  »So heißt die Insel, an der Ihr vorbeigekommen seid, Captain Morton. Punta Matanceros. Die Spanier haben dort vor zwei Jahren eine Festung gebaut, die dem Kommando eines widerwärtigen Gentleman namens Cazalla untersteht. Vielleicht habt Ihr von ihm gehört. Nein? Hier jedenfalls ist sein Name sattsam bekannt. Angeblich empfindet er die Schreie seiner sterbenden Opfer als beruhigend und entspannend.« Almont blickte in die Gesichter seiner Dinnergäste. Mrs Hacklett war recht bleich geworden. »Cazalla führt das Kommando in der Festung von Matanceros, dem östlichsten spanischen Außenposten entlang der Route, die die Schatzflotte in die Heimat nimmt.«

  Langes Schweigen trat ein. Die Gäste blickten beklommen drein.

  »Wie ich sehe, sollte ich Euch die Lage der Dinge in diesem Winkel der Welt erklären«, sagte Almont. »Jedes Jahr schickt Philipp eine Flotte von Galeonen aus Cádiz über den Atlantik. Vor der Küste von Neuspanien teilt sich die Flotte auf, und die Galeonen steuern verschiedene Häfen an – Cartagena, Vera Cruz, Portobelo –, um Schätze an Bord zu nehmen. Dann versammelt sich di
e Flotte wieder in Havanna und tritt die Heimfahrt nach Spanien an. Die gemeinsame Fahrt soll vor Überfällen von Freibeutern schützen. Hab ich mich verständlich ausgedrückt?«

  Alle nickten.

  »Also«, fuhr Almont fort, »die Armada setzt im Spätsommer die Segel, zu Beginn der Hurrikansaison. Bisweilen wurden Schiffe gleich zu Beginn der Reise vom Konvoi getrennt. Zum Schutz dieser Schiffe brauchten die Spanier einen starken Hafen. Und allein aus diesem Grund wurde Matanceros gebaut.«

  »Das kann doch kein hinreichender Grund sein«, sagte Hacklett. »Ich glaube kaum –«

  »Es ist Grund genug«, fiel Almont ihm barsch ins Wort. »Also. Wie das Glück es wollte, wurden vor einigen Wochen zwei Naos in einem Sturm von der Schatzflotte getrennt. Wir wissen das, weil ein Freibeuterschiff sie gesichtet und angegriffen hat. Vergeblich. Sie sind in südlicher Richtung entkommen, mit Kurs auf Matanceros. Eines war stark beschädigt. Was Ihr, Captain Morton, für ein spanisches Kriegsschiff gehalten habt, war offenbar eine Galeone der Schatzflotte. Wäre es ein echtes Kriegsschiff gewesen, hätte es sicherlich bei einer Entfernung von zwei Meilen die Verfolgung aufgenommen und Euch gekapert. Sehr wahrscheinlich würdet Ihr Euch in diesem Augenblick gerade die Lunge aus dem Hals schreien, sehr zu Cazallas Belustigung. Das Schiff hat Euch nicht verfolgt, weil es sich nicht getraut hat, den Schutz des Hafens zu verlassen.«

  »Wie lange wird es dortbleiben?«, fragte Morton.

  »Es kann jederzeit auslaufen. Oder es wartet, bis die nächste Flotte kommt, nächstes Jahr. Oder es wartet auf die Ankunft eines spanischen Kriegsschiffs, um sich in die Heimat eskortieren zu lassen.«

  »Ist es zu kapern?«, fragte Morton.

  »Das möchte ich meinen. Alles in allem hat das Schatzschiff vermutlich ein Vermögen im Wert von fünfhunderttausend Pfund an Bord.«

  Allen am Tisch verschlug es die Sprache.

  »Ich dachte mir«, sagte Almont amüsiert, »diese Informationen könnten bei Captain Hunter auf Interesse stoßen.«

  »Soll das heißen, dieser Mann ist ein gewöhnlicher Freibeuter?«, fragte Hacklett.

  »Ganz und gar nicht gewöhnlich«, sagte Almont leise lachend. »Captain Hunter?«

  »Nicht gewöhnlich, würde ich sagen.«

  »Aber diese Leichtfertigkeit ist empörend!«

  »Ihr vergesst Eure guten Manieren«, sagte Almont. »Captain Hunter ist der zweite Sohn von Major Edward Hunter, von der Massachusetts Bay Colony. Tatsächlich wurde er in der Neuen Welt geboren und erhielt seine Ausbildung an dieser Einrichtung, wie heißt sie noch gleich –«

  »Harvard«, sagte Hunter.

  »Äh, richtig, Harvard. Captain Hunter ist seit vier Jahren bei uns und genießt als Freibeuter ein gewisses Ansehen in unserer Gemeinde. Habe ich das einigermaßen treffend zusammengefasst, Captain Hunter?«

  »Durchaus angemessen«, sagte Hunter grinsend.

  »Der Mann ist ein Strolch«, sagte Hacklett, doch seine Frau betrachtete Hunter mit neuem Interesse. »Ein gewöhnlicher Strolch.«

  »Ihr solltet Eure Zunge hüten«, sagte Almont seelenruhig. »Duellieren ist auf dieser Insel nicht erlaubt, dennoch kommt es mit ermüdender Regelmäßigkeit vor. Bedauerlicherweise kann ich nur wenig tun, um diese Gepflogenheit zu unterbinden.«

  »Ich habe von diesem Mann gehört«, sagte Hacklett noch erregter. »Er ist gar nicht der Sohn von Major Edward Hunter, wenigstens nicht der eheliche Sohn.«

  Hunter kratzte sich den Bart. »Was Ihr nicht sagt?«

  »Ich habe es gehört«, sagte Hacklett. »Überdies habe ich gehört, dass er ein Mörder, Halunke, Hurenbock und Pirat ist.«

  Bei dem Wort »Pirat« schnellte Hunters Arm mit verblüffender Geschwindigkeit über den Tisch. Er packte Hacklett bei den Haaren und stieß ihn mit dem Gesicht in sein halb aufgegessenes Hammelfleisch. So hielt Hunter ihn einen langen Augenblick fest.

  »Du meine Güte«, sagte Almont. »Das hatte ich ihm doch schon erklärt. Wisst Ihr, Mr Hacklett, Freibeuterei ist eine ehrenhafte Tätigkeit. Piraten dagegen sind Verbrecher. Wollt Ihr ernsthaft behaupten, Captain Hunter sei ein Verbrecher?«

  Mit dem Gesicht im Essen gab Hacklett einen dumpfen Laut von sich.

  »Ich hab Euch nicht recht verstanden, Mr Hacklett«, sagte Almont.

  »Ich sagte, ›Nein‹«, stöhnte Hacklett.

  »Haltet Ihr als Gentleman es dann nicht für angebracht, Captain Hunter um Entschuldigung zu bitten?«

  »Ich bitte um Entschuldigung, Captain Hunter. Ich wollte nicht beleidigend sein.«

  Hunter ließ den Kopf des Mannes los. Hacklett kam hoch und wischte sich mit seiner Serviette die Bratensoße aus dem Gesicht.

  »Na bitte«, sagte Almont. »Eine unangenehme Situation wurde bereinigt. Möchte jemand Dessert?«

  Hunter blickte in die Runde. Hacklett wischte sich noch immer das Gesicht ab. Morton starrte ihn mit unverhohlenem Erstaunen an. Und Mrs Hacklett sah Hunter an, und als ihre Blicke sich trafen, leckte sie sich die Lippen.

  Nach dem Dinner setzten sich Hunter und Almont allein in die Bibliothek der Residenz und tranken Brandy. Hunter sprach dem Gouverneur sein Beileid wegen des neuen Sekretärs aus.

  »Er macht mir das Leben nicht leichter«, pflichtete Almont bei, »und ich fürchte, das Gleiche könnte auch für Euch gelten.«

  »Meint Ihr, er wird Nachteiliges nach London berichten?«

  »Ich denke, er wird es versuchen.«

  »Der König weiß doch gewiss, was in dieser Kolonie vor sich geht.«

  »Das ist Ansichtssache«, sagte Almont mit einer wegwerfenden Geste. »Eines ist jedenfalls sicher: Freibeuter werden auch in Zukunft unterstützt, solange es sich für den König ordentlich auszahlt.«

  »Gleiche Anteile sind das Minimum«, stellte Hunter sogleich klar. »Ich sage Euch, etwas anderes kommt nicht infrage.«

  »Aber wenn die Krone Eure Schiffe ausrüstet, Eure Männer bewaffnet …«

  »Nein«, sagte Hunter. »Das wird nicht nötig sein.«

  »Nicht nötig? Mein lieber Hunter, Ihr kennt Matanceros. Eine ganze spanische Garnison ist dort stationiert.«

  Hunter schüttelte den Kopf. »Ein frontaler Angriff wird niemals gelingen. Das wissen wir von der Edmunds-Unternehmung.«

  »Aber welche andere Möglichkeit habt Ihr? Die Festung auf Matanceros beherrscht die Hafeneinfahrt. Wenn Ihr mit dem Schatzschiff fliehen wollt, müsst Ihr zuerst die Festung einnehmen.«

  »Wohl wahr.«

  »Also?«

  »Ich schlage einen kleinen Angriff von der Landseite der Festung her vor.«

  »Gegen eine ganze Garnison? Mindestens dreihundert Mann? Das könnt Ihr nicht schaffen.«

  »Wir müssen es schaffen«, sagte Hunter. »Wenn nicht, richtet Cazalla seine Kanonen auf das Schatzschiff und versenkt es im Hafen.«

  »Daran hatte ich nicht gedacht«, sagte Almont. Er trank einen kleinen Schluck von seinem Brandy. »Erzählt mir mehr von Eurem Plan.«

  KAPITEL 7

  Später, als er sich vom Gouverneur verabschiedet hatte und auf dem Weg nach draußen war, tauchte Mrs Hacklett in der Halle auf und kam auf ihn zu. »Captain Hunter.«

  »Ja, Mrs Hacklett.«

  »Ich möchte mich für das unverzeihliche Benehmen meines Mannes entschuldigen.«

  »Das ist nicht nötig.«

  »Im Gegenteil, Captain. Ich halte es für dringend nötig. Er hat sich wie ein Flegel und ein Grobian aufgeführt.«

  »Madam, Ihr Gatte hat sich selbst bereits als Gentleman entschuldigt, und somit ist die Angelegenheit erledigt.« Er nickte ihr zu. »Einen guten Abend.«

  »Captain Hunter.«

  Er blieb an der Tür stehen und drehte sich um. »Ja, Madam?«

  »Ihr seid ein überaus attraktiver Mann, Captain.«

  »Madam, Ihr seid sehr liebenswürdig. Ich freue mich auf unsere nächste Begegnung.«

  »Ich mich auch, Captain.«

  Hunter verließ die Gouverneursresidenz mit dem Gedanken, dass Mr Hacklett seine Frau lieber im Auge behalten sollte. Hunter hatte das schon öfter erlebt. Eine kultivierte Frau, aufgewachsen im Milieu des englischen Landadels, fan
d bei Hofe ein wenig Abwechslung – so wie Mrs Hacklett zweifellos –, wenn ihr Mann nicht hinsah – so wie Mr Hacklett zweifellos. Hier in Westindien jedoch, fern der Heimat und fern der Zwänge von Stand und Sitte … Hunter hatte es schon öfter erlebt.

  Er schlenderte die gepflasterte Straße hinunter, die von der Residenz wegführte. Er kam an der noch hell erleuchteten Küche vorbei, in der die Bediensteten bei der Arbeit waren. Alle Häuser in Port Royal hatten separate Küchen, eine Unerlässlichkeit bei dem heißen Klima. Durch die offenen Fenster sah er das Gesicht des blonden Mädchens, das beim Dinner serviert hatte. Er winkte ihr.

  Sie winkte zurück und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.

  Draußen vor Mrs Denbys Gasthaus wurde ein Bär gequält. Hunter sah, wie die Kinder das hilflose Tier mit Steinen bewarfen. Sie lachten und kicherten und johlten, während der Bär knurrte und an seiner dicken Kette riss. Zwei Huren schlugen mit Stöcken auf den Bären ein. Hunter ging vorbei und betrat das Gasthaus.

  Trencher war da. Er saß in einer Ecke und hob den Trinkbecher mit seinem gesunden Arm. Hunter rief ihn zu sich und nahm ihn beiseite.

  »Was liegt an, Captain?«, fragte Trencher eifrig.

  »Du musst ein paar Leute für mich auftreiben.«

  »Sagt mir, an wen Ihr denkt, Captain.«

  »Lazue, Mr Enders, Sanson. Und den Mauren.«

  Trencher lächelte. »Sollen sie herkommen?«

  »Nein. Finde raus, wo sie sind, und ich gehe selbst zu ihnen. Aber zunächst mal: Wo ist Whisper?«

  »Im Blue Goat«, sagte Trencher. »Im Hinterzimmer.«

  »Und Black Eye ist in der Farrow Street?«

  »Ich glaube ja. Den Juden wollt Ihr auch, oder?«

  »Ich vertraue deiner Zunge«, sagte Hunter. »Halte sie im Zaum.«

  »Nehmt Ihr mich mit, Captain?«

  »Wenn du alles richtig erledigst.«

  »Das schwöre ich bei Gottes Wunden, Captain.«

  »Dann spute dich«, sagte Hunter und trat wieder hinaus auf die matschige Straße. Die nächtliche Luft war warm und still, wie schon den ganzen Tag über. Er hörte das leise Klimpern einer Gitarre und irgendwo trunkenes Gelächter und einen einzelnen Pistolenschuss. Er trottete die Ridge Street entlang in Richtung Blue Goat.

 

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