by Leon Uris
Den Abschluß des Hafens gegen die See bildeten die beiden Arme der Mole, von denen der eine von dem Turm des Kastells aus, auf dem sie standen, und der andere gegenüber von dem Kai mit seinen Häusern in annähernd kreisförmigen Bogen hinausgingen, bis sie sich fast berührten. Nur eine schmale Öffnung blieb frei, die Hafeneinfahrt. Das Hafenbecken war nicht groß, nur einige hundert Meter im Durchmesser, und es war voll von kleinen Fahrzeugen.
»Glauben Sie, daß man die Aphrodite hier in den Hafen hereinbekommen kann?« fragte Ari.
»Sie hereinzubekommen ist kein Problem«, sagte Mandria. »Aber mit ihr zu wenden und wieder hinauszufahren, das wird schwierig.« Ari schwieg nachdenklich, während sie zum Wagen zurückgingen. Sein Blick war auf den kleinen Hafen gerichtet. Es begann bereits dunkel zu werden, als sie bei dem Wagen anlangten.
»Sie fahren wohl am besten allein nach Famagusta zurück. Ich habe im Dom-Hotel noch etwas mit jemandem zu besprechen«, sagte Ari, »und ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Ich werde schon irgendwie nach Famagusta kommen.«
Bei jedem anderen hätte Mandria es übelgenommen, wie ein TaxiChauffeur weggeschickt zu werden, doch bei Ben Kanaan gewöhnte er sich allmählich daran, Befehle entgegenzunehmen. Er drehte den Zündschlüssel herum und startete.
»Mandria — Sie waren mir eine große Hilfe. Vielen Dank.«
Mandria strahlte, während Ari sich entfernte. Das waren die ersten freundlichen Worte, die er von Ben Kanaan gehört hatte. Er war überrascht und gerührt.
Im großen Saal des Dom-Hotels mengten sich die Klänge eines Strauß-Walzers mit dem Gewirr englischer Sätze, dem Klirren der Gläser und dem leisen Rauschen des Meeres, das von draußen hereindrang. Mark trank seinen Kaffee aus, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und starrte dann über Kittys Schulter zum Eingang hin, wo soeben ein hochgewachsener Mann erschienen war. Der Mann beugte sich zu dem Ober und flüsterte ihm etwas ins Ohr, und der Ober zeigte auf den Tisch, an dem Mark saß. Mark machte große Augen, als er Ari ben Kanaan erkannte. »Du machst ein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte Kitty.
»Das habe ich auch, und er wird gleich hier sein. Wir haben einen sehr interessanten Abend vor uns.«
Kitty wandte sich um und sah Ari ben Kanaan, der wie ein Riese ihren Tisch überragte. »Freut mich, daß Sie mich noch kennen, Parker«, sagte er, nahm unaufgefordert Platz und wandte sich an Kitty. »Und Sie sind offenbar Mrs. Katherine Fremont.«
Aris und Kittys Blicke trafen sich, und beide sahen sich an. Es entstand ein unbehagliches Schweigen, bis sich Ari schließlich nach einem Kellner umsah und ihn heranrief. Er bestellte Sandwiches. »Darf ich vorstellen, Kitty«, sagte Mark. »Das ist Ari ben Kanaan, ein sehr alter Bekannter von mir. Mrs. Fremont ist Ihnen ja offenbar bekannt.«
»Ari ben Kanaan«, sagte Kitty. »Was für ein sonderbarer Name.« »Es ist ein hebräischer Name, Mrs. Fremont, und bedeutet: Löwe, Sohn Kanaans.«
»Das ist geradezu verwirrend.«
»Ganz im Gegenteil, das Hebräische ist eine sehr logische Sprache.« »Ach, wirklich? Den Eindruck hatte ich nicht«, sagte Kitty mit einem leicht sarkastischen Unterton.
Mark beobachtete die beiden. Sie waren sich kaum begegnet, und schon war zwischen ihnen das Wortgeplänkel im Gang, das Spiel, das er selbst so oft gespielt hatte. Offenbar hatte Ben Kanaan bei Kitty irgendeine angenehme oder unangenehme Schwingung ausgelöst, dachte Mark, denn sie zeigte die Krallen.
»Eigentlich sonderbar«, sagte Ari, »daß das Hebräische auf Sie nicht den Eindruck des Logischen macht. Immerhin fand Gott das Hebräische so logisch, daß er die Bibel in dieser Sprache schreiben ließ.«
Kitty lächelte und nickte. Die Kapelle ging über zu einem Foxtrott. »Tanzen Sie, Mrs. Fremont?«
Mark lehnte sich zurück und sah zu, wie Ben Kanaan Kitty auf die Tanzfläche führte, den Arm um sie legte und sie mit geschmeidiger Eleganz über das Parkett bewegte. Es war offensichtlich, daß auf den ersten Blick der Funke übergesprungen war, und diese Vorstellung behagte Mark gar nicht; es fiel ihm schwer, daß Kitty ein sterbliches Wesen sein sollte wie andere auch, empfänglich für die Spiele der Sterblichen. Die beiden tanzten nahe an seinem Tisch vorbei. Kittys Gesicht war seltsam verändert, sie schien wie betäubt.
Doch dann mußte Mark an etwas anderes denken, was ihn selbst anging. Von dem Augenblick an, da er in Zypern gelandet war, hatte er das Gefühl gehabt, daß hier irgend etwas in der Luft lag. Dieses Gefühl wurde durch das Auftauchen Ben Kanaans bestätigt. Er kannte den Mann aus Palästina genau genug, um sich darüber klar zu sein, daß er einer der wichtigsten Agenten von Mossad Aliyah Bet war. Er begriff auch, daß Ben Kanaan etwas von ihm wollte. Und was war mit Kitty? Wußte er über sie nur deshalb Bescheid, weil sie mit ihm zusammen war, oder gab es dafür noch irgendeinen anderen Grund?
Kitty war ziemlich groß, doch in Ari ben Kanaans Armen kam sie sich klein und hilflos vor. Sie hatte ein merkwürdiges Gefühl. Das plötzliche Auftauchen dieses athletischen, gut aussehenden Mannes hatte sie aus der Fassung gebracht. Und jetzt, in seinem Arm, nachdem sie ihn eben erst kennengelernt hatte, fühlte sie sich gelöst. Es war ein angenehmes Gefühl, wie sie es seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gehabt hatte. Gleichzeitig aber kam sie sich sehr töricht vor.
Der Tanz war zu Ende, und die beiden kamen zurück an den Tisch. »Ich dachte, bei Ihnen in Palästina würde nur Horra getanzt«, sagte Mark.
»Ich bin allzulange mit der westlichen Zivilisation in Berührung gewesen«, entgegnete Ari.
Die Sandwiches kamen, und er aß mit Heißhunger. Mark wartete geduldig darauf, daß ihm Ben Kanaan den Grund seines Besuches eröffnete. Er sah vorsichtig zu Kitty hin. Sie schien sich wieder einigermaßen in der Hand zu haben, obwohl sie Ari von der Seite her ansah, als sei sie auf der Hut und warte nur darauf, zuzuschlagen. Endlich hatte Ari gegessen und sagte beiläufig: »Ich hätte gern etwas mit Ihnen beiden besprochen.«
»Hier?« sagte Mark. »Inmitten der britischen Armee?«
Ari lächelte und sagte, zu Kitty gewandt: »Parker hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu erzählen, Mrs. Fremont, daß der Job, den ich habe, in gewissen Kreisen als suspekt angesehen wird. Die Engländer erweisen uns sogar immer wieder die zweifelhafte Ehre, uns als Untergrundbewegung' zu bezeichnen. Eines der ersten Dinge, die ich einem neuen Mitglied unserer Organisation immer einzuschärfen versuche, ist die Gefährlichkeit einer geheimen Zusammenkunft um Mitternacht. Meiner Meinung nach gibt es für das, was wir zu besprechen haben, keinen besseren Ort als diesen hier.«
»Ich schlage vor, daß wir in mein Zimmer hinaufgehen«, sagte Mark.
Sie hatten kaum die Tür hinter sich geschlossen, als Ari ohne Einleitung auf die Sache kam. »Hören Sie, Parker, Sie und ich wären in der Lage, uns gegenseitig einen wertvollen Dienst zu erweisen.« »Lassen Sie hören.«
»Sind Sie informiert über die Internierungslager bei Caraolos?« Mark und Kitty nickten.
»Ich bin eben fertig geworden mit der Ausarbeitung der Pläne für die Flucht von dreihundert Jugendlichen. Wir werden sie hierher bringen und auf ein Schiff verfrachten, das im Hafen von Kyrenia liegt.« »Ihr habt seit Jahren Flüchtlinge nach Palästina geschmuggelt; das ist nichts Neues mehr, Ben Kanaan.«
»Es wird etwas Neues sein, wenn Sie mir helfen, es dazu zu machen. Erinnern Sie sich, welchen Staub unser illegales Schiff, Das Gelobte Land, damals in der Öffentlichkeit aufgewirbelt hat?«
»Und ob ich mich erinnere.«
»Den Engländern war die Suppe damals ganz schön versalzen. Wir sind der Meinung, daß wir nur dann eine Chance haben, den Engländern die Fortsetzung ihrer Einwanderungspolitik in Palästina unmöglich zu machen, wenn es uns gelingt, einen weiteren Zwischenfall zu inszenieren, der ebensoviel Aufsehen erregt wie der von damals.«
»Ich bin leider nicht ganz mitgekommen«, sagte Mark. »Angenommen, es gelingt Ihnen, eine Massenflucht aus dem Lager von Caraolos zu organisieren — wie wollen Sie die Leute nach Palästina hinüberbringen? Und wenn es Ihnen gelingt, sie nach Palästina zu bringen — wo ist dann die Story?«
»Das ist genau der spr
ingende Punkt«, sagte Ari. »Sie sollen gar nicht bis nach Palästina kommen. Sie sollen nur hier in Kyrenia an Bord des Schiffes gehen.«
Mark beugte sich vor. Offensichtlich steckte mehr hinter Ben Kanaans Plan, als es auf den ersten Blick den Anschein gehabt hatte. Die Sache begann ihn zu interessieren.
»Nehmen wir einmal an«, sagte Ari, »es gelingt mir, dreihundert Waisenkinder aus dem Lager herauszubekommen und hier in Kyrenia an Bord eines Schiffes zu bringen. Nehmen wir weiter an, die Engländer kommen dahinter und halten das Schiff im Hafen fest. Und nun nehmen wir einmal an, daß Sie bereits einen Bericht fertig haben, der in Paris oder New York vorliegt. In dem Augenblick, wo diese Waisenkinder an Bord gehen, bringt die Presse Ihren Bericht auf der ersten Seite.«
Mark stieß einen leisen Pfiff aus. Wie die meisten amerikanischen Korrespondenten, hatte er Mitgefühl mit Flüchtlingen. Er bekam seine Story, und Ben Kanaan bekam die Propaganda, die er haben wollte. Würde die Geschichte wichtig genug sein, daß es sich für ihn lohnte, einzusteigen? Er hatte keine Möglichkeit, Informationen einzuholen oder die Sache mit irgend jemandem durchzusprechen. Er mußte selbst und allein das Für und Wider abwägen und sich entscheiden. Ari hatte ihn nur einmal am Knochen riechen lassen, um seinen Appetit zu reizen. Wenn er weitere Fragen an ihn stellte, so konnte das bedeuten, daß er in die Sache verwickelt wurde. Mark sah Kitty an, der das Ganze völlig rätselhaft zu sein schien. »Wie wollen Sie es eigentlich fertigbringen, dreihundert Kinder aus dem Lager herauszubekommen und nach Kyrenia zu schaffen?« fragte sie.
»Soll das etwa heißen, daß Sie bereit sind, mitzumachen?«
»Das soll heißen, daß ich es gern wissen möchte, ohne mich dadurch zu irgend etwas zu verpflichten. Falls ich mich dagegen entscheide, so gebe ich Ihnen mein Wort, daß alles, was hier gesagt wird, unter uns bleibt.«
»Das genügt mir«, sagte Ari. Er setzte sich auf den Rand der Kommode und entwickelte seinen Fluchtplan Punkt für Punkt. Mark zog die Stirn in Falten. Der Plan war kühn, verwegen, ja geradezu phantastisch, dabei war er gleichzeitig von erstaunlicher Einfachheit. Was Mark betraf, so hatte er einen Bericht zu schreiben, ihn aus Zypern hinauszuschmuggeln und an das Pariser oder Londoner Büro des ANS gelangen zu lassen. Auf ein verabredetes Stichwort hin sollte dieser Bericht dann genau in dem Augenblick in der Presse erscheinen, in dem die Flucht stattfand. Ari schwieg, und Mark begann zu überlegen.
Er zündete sich eine Zigarette an, ging im Zimmer hin und her und stellte Ari in rascher Folge ein Dutzend Fragen. Doch Ari schien an alles gedacht zu haben. Ja, hier ergab sich unter Umständen wirklich eine Story, sogar eine sensationelle Serie. Mark versuchte abzuschätzen, welche Chancen dieser verwegene Plan hatte. Die Aussichten für das Gelingen waren bestenfalls fifty-fifty. Mark stellte dabei in Rechnung, daß Ari ein ungewöhnlich kluger Mann war, der die Mentalität der Engländer in Zypern genau kannte. Mark wußte auch, daß Ari Mitarbeiter besaß, die das Zeug dazu hatten, ein solches Unternehmen zum Erfolg zu führen.
»Ich mache mit«, sagte Mark.
»Freut mich«, sagte Ari. »Ich hatte mir gleich gedacht, daß Sie erkennen würden, was für Möglichkeiten hier stecken.« Dann wandte er sich an Kitty und sagte: »Mrs. Fremont — vor etwa einer Woche hat man Sie gefragt, ob Sie bereit wären, im Lager bei den Kindern zu arbeiten. Haben Sie sich die Sache überlegt?«
»Ich habe mich entschlossen, abzulehnen.«
»Würden Sie es sich vielleicht jetzt noch einmal überlegen — sagen wir, um Parker zu helfen?«
»Was haben Sie eigentlich mit Kitty vor?« fragte Mark.
»Alle Lehrer, Pflegerinnen und Pfleger, die von außen ins Lager kommen, sind Juden«, sagte Ari, »und wir müssen von der Voraussetzung ausgehen, daß die Engländer diese Leute verdächtigen.«
»Wessen?«
»Der Zusammenarbeit mit unserer illegalen Organisation. Sie aber sind eine Christin, Mrs. Fremont. Wir meinen, daß sich ein Mensch Ihrer Herkunft und Religion unbehinderter bewegen könnte.«
»Mit anderen Worten, Sie wollen Kitty als Kurier verwenden.« »Mehr oder weniger, ja. Wir stellen im Lager eine große Menge gefälschter Ausweise her, die wir für draußen brauchen.«
»Mir scheint«, sagte Mark, »ich sollte Ihnen wohl besser mitteilen, daß ich mich bei den Engländern keiner allzugroßen Beliebtheit erfreue. Ich war kaum hier angekommen, als ich auch schon Sutherlands Adjutanten auf dem Hals hatte. Ich glaube zwar nicht, daß ich irgendwelche Schwierigkeiten haben werde, aber wenn Kitty jetzt im Lager Caraolos arbeitet, würden die Engländer höchstwahrscheinlich annehmen, sie arbeite dort für mich.«
»Ganz im Gegenteil. Für die Engländer wäre es eine ausgemachte Sache, daß Sie nie und nimmer Mrs. Fremont nach Caraolos geschickt haben, um dort für Sie zu arbeiten.«
»Vielleicht haben Sie recht.«
»Natürlich habe ich recht«, sagte Ari. »Nehmen wir einmal das schlimmste an. Angenommen, man findet bei Mrs. Fremont gefälschte Ausweise. Es geschähe ihr nicht das geringste, man wäre nur einigermaßen erstaunt, brächte sie zum Flugplatz und in eine Maschine, die sie aus Zypern fortbringt.«
»Moment mal«, sagte Kitty. »Jetzt habe ich lange genug zugehört, wie ihr beiden über mich verfügt. Ich bedauere sehr, daß ich mit anhören mußte, was heute abend hier besprochen wurde. Ich werde nicht in Caraolos arbeiten, Mr. Ben Kanaan, und ich will mit Ihrem ganzen Plan nichts zu tun haben.«
Ari warf Mark einen fragenden Blick zu, doch der zuckte nur die Achseln und sagte: »Sie ist erwachsen.«
»Ich dachte, Sie wären mit Parker befreundet.«
»Das bin ich auch«, sagte Kitty, »und ich verstehe, daß ihn die Sache interessiert.«
»Und ich verstehe nicht, Mrs. Fremont, daß diese Sache Sie so wenig interessiert. Wir haben jetzt Ende 1946. In wenigen Monaten werden seit dem Ende des Krieges in Europa zwei Jahre vergangen sein. Und noch immer sitzen Menschen von uns hinter Stacheldraht, unter den grauenhaftesten Verhältnissen. Es gibt Kinder in Caraolos, die überhaupt nicht wissen, daß es eine Welt außerhalb des Stacheldrahtes gibt. Wenn es uns nicht gelingt, eine Änderung der englischen Politik zu erzwingen, dann können diese Armen unter Umständen ihr ganzes weiteres Leben hinter Stacheldraht verbringen.«
»Das ist es ja gerade«, gab Kitty heftig zurück. »Alles, was mit Caraolos zusammenhängt, ist von der Politik überhaupt nicht zu trennen. Ich bin sicher, die Engländer werden auch ihre guten Gründe haben. Und ich habe keine Lust, die Partei irgendeiner Seite zu ergreifen.«
»Mrs. Fremont — ich war Hauptmann der britischen Armee und bin Träger einer Tapferkeitsmedaille. Um eine alte Phrase zu benutzen: einige meiner besten Freunde sind Engländer. Es gibt bei uns Dutzende von englischen Offizieren und Soldaten, die ganz und gar nicht mit dem einverstanden sind, was in Palästina geschieht, und die Tag und Nacht mit uns zusammenarbeiten. Das ist keine Frage der Politik, sondern der Menschlichkeit.«
»Ich bezweifle Ihre Aufrichtigkeit. Wie könnten Sie sonst das Leben von dreihundert Kindern aufs Spiel setzen?«
»Die meisten Menschen haben einen Lebenszweck«, sagte Ari. »Das Leben in Caraolos ist zwecklos. Doch für seine Freiheit zu kämpfen, das ist ein Lebenszweck. In Europa sitzen eine Viertelmillion von unseren Leuten, die nach Palästina wollen. Jeder von ihnen würde, wenn er nur die Möglichkeit dazu hätte, sich an Bord dieses Schiffes in Kyrenia begeben.«
»Sie sind ein sehr kluger Mann, Mr. Ben Kanaan. Ich bin Ihnen in der Diskussion nicht gewachsen. Sie haben auf alles eine Antwort.«
»Ich dachte, Sie seien Krankenschwester«, sagte Ben Kanaan ironisch.
»Die Welt ist voll von Menschen, die leiden. Es gibt tausend Stellen, wo meine Arbeit ebenso nötig gebraucht wird wie in Caraolos, ohne daß die Sache einen Haken hat.«
»Warum wollen Sie nicht einmal nach Caraolos kommen, sich die Sache ansehen und mir dann sagen, was Sie davon halten?«
»Sie werden mich nicht überlisten, und ich lasse mich von Ihnen auch nicht provozieren. Ich habe in Amerika als Nachtschwester auf einer Unfallstation gearbeitet. Sie können mir in Caraolos nichts zeigen, was ich nicht
schon gesehen hätte.«
Es wurde still im Raum. Schließlich holte Ari ben Kanaan tief Luft und hob die Hände hoch. »Schade«, sagte er, »aber da kann man nichts machen. Parker, ich werde mich in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen.« Er ging zur Tür.
»Mr. Ben Kanaan«, sagte Kitty, »sind Sie auch ganz sicher, daß ich diese Geschichte nicht unseren gemeinsamen Freunden erzählen werde?«
Ari kam zurück, blieb vor ihr stehen und sah ihr von oben in die Augen. Es wurde ihr augenblicklich klar, daß sie etwas Falsches gesagt hatte. Er lächelte kurz und ironisch. »Sie wollen vermutlich nur als Frau das letzte Wort behalten. Ich täusche mich eigentlich nur sehr selten in Menschen. Ich kann mir das nicht leisten. Und für Amerikaner habe ich etwas übrig, Amerikaner haben ein Gewissen. Sollte sich das Ihre bemerkbar machen, so können Sie mich bei Mr. Mandria erreichen, und es wird mir eine Freude sein, Sie in Caraolos herumzuführen.«
»Sie sind sich Ihrer selbst sehr sicher, nicht wahr?«
»Ich würde sagen«, antwortete Ari, »daß ich es im Augenblick etwas mehr bin als Sie.« Er ging hinaus.
Die Erregung, die sein Besuch ausgelöst hatte, legte sich nur langsam, nachdem er gegangen war. Schließlich schleuderte Kitty die Schuhe von den Füßen und hockte sich auf das Bett. »Allerhand! Aber du hattest ja gleich gesagt, wir hätten einen interessanten Abend vor uns.«
»Ich glaube«, sagte Mark, »es war sehr klug von dir, daß du dich herausgehalten hast.«
»Und du?«
»Das ist ein Tag Arbeit. Und es kann unter Umständen eine wirklich große Sache werden.«