by Leon Uris
Ari nickte. »Und wie steht es mit unseren Verwundeten?«
»Zwei von den Kindern werden wohl kaum durchkommen. Bei den übrigen besteht keine Gefahr. Da — ich habe Ihnen ein bißchen Cognak mitgebracht«, sagte Kitty.
»Danke — danke —.«
Ari nahm einen Schluck und blieb stumm.,
»Und hier habe ich ein paar Sachen von Seew Gilboa«, sagte Kitty. »Es ist nicht viel — nur ein paar persönliche Dinge.«
»Ein Kibbuzbewohner hat nur wenig, was ihm selbst gehört. Nicht einmal sein Leben ist sein Eigentum«, sagte Ari sarkastisch.
»Ich habe Seew sehr gern gehabt«, sagte Kitty. »Gerade gestern abend erzählte er mir noch, wie er sich darauf freue, wieder seine Schafe zu hüten. Ich könnte mir denken, daß seine Frau Wert darauf legt, diese Dinge zu bekommen. Sie wissen vielleicht, daß sie wieder ein Kind erwartet.«
»Seew war ein verdammter Idiot!« stieß Ari zwischen den Zähnen hervor. »Er hatte nicht die geringste Veranlassung dazu, dieses Fort einnehmen zu wollen.«
Ari ergriff das Taschentuch, das die magere Hinterlassenschaft Seew Gilboas enthielt, und warf es in den Kerosinofen. »Liora ist ein feiner Kerl, und sie ist zäh. Sie wird darüber hinwegkommen. Aber mir wird es schwer werden, einen Ersatz für ihn zu finden.«
Kitty musterte Ari aus schmalen Augen. »Ist das Ihr einziger Gedanke — daß es schwer für Sie sein wird, einen Ersatz für ihn zu finden?«
Ari stand auf und zündete sich eine Zigarette an. »Leute wie Seew, die kann man nicht aus dem Boden stampfen.«
»Ist Ihnen eigentlich überhaupt nichts heilig?«
»Sagen Sie mal, Kitty — als damals Ihr Mann gefallen war, bei Guadalcanal, hat da sein Kommandeur etwa Totenwache für ihn gehalten?«
»Ich hatte gedacht, daß die Sache hier doch etwas anders sei, Ari.
Sie kennen Seew seit Ihrer Kindheit. Seine Frau ist ein Mädchen aus Yad El. Sie ist in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aufgewachsen.« »Na und? Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun?«
»Weinen sollten Sie, weinen um dieses arme Mädchen!«
Einen Augenblick zuckte es in Aris Gesicht, und seine Lippen zitterten; doch dann war sein Gesicht wieder starr und unbeweglich. »Es ist für mich nichts Neues, einen Mann auf dem Schlachtfeld sterben zu sehen. Und jetzt verschwinden Sie hier —.«
VII.
Die Belagerung von Safed hatte genau einen Tag nach der Abstimmung der UNO-Vollversammlung vom 29. November 1947 begonnen, bei der die Mehrheit für die Teilung Palästinas gestimmt hatte. Als die Engländer im Frühling 1948 aus Safed abzogen, übergaben sie, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, den Arabern die drei Schlüsselpositionen: das unmittelbar oberhalb des jüdischen Viertels gelegene Gebäude der Polizei, die Akropolis, die die gesamte Stadt beherrschte, und das vor der Stadt am Berge Kanaan gelegene Teggart-Fort.
Safed hatte die Form eines umgekehrten Kegels. Das jüdische Viertel bildete ein schmales Segment, das etwa ein Achtel der Oberfläche dieses Kegels ausmachte, und dieses Segment war oben und unten auf beiden Seiten von Arabern umgeben. Die Juden verfügten nur über zweihundert Mann Hagana, die noch dazu mangelhaft ausgebildet waren. Ihre Weigerung, sich evakuieren zu lassen, und ihr Entschluß, bis zum letzten Mann zu kämpfen, entsprach der heroischen Tradition der alten Hebräer. Die Juden von Safed, die ihr Leben dem Studium der Kabbala gewidmet hatten und am wenigsten dazu fähig gewesen waren, sich zur Wehr zu setzen, waren die ersten Opfer der vom Mufti inszenierten blutigen Ausschreitungen gewesen. Es war nicht das erste Mal, daß eine fanatisierte arabische Meute über sie hergefallen war, und sie hatten sich stets geduckt und ängstlich verkrochen. Diesmal aber waren sie entschlossen, sich zum Kampf zu stellen und nötigenfalls kämpfend zu sterben. Einen Tag, nachdem die Engländer abgezogen waren, schleuste Ari Joab Yarkoni mit dreißig jungen Männern und zwanzig jungen Frauen vom Palmach heimlich in das jüdische Viertel von Safed. Ihre Ankunft wurde mit einem ausgelassenen Fest gefeiert. Es war Sabbat, Yarkonis Leute waren vom Marsch durch feindliches Gebiet erschöpft und hungrig. Zum erstenmal seit Jahrhunderten brachen die strenggläubigen Kabbalisten die Vorschriften des Sabbats, indem sie für die Männer und Frauen, die zu ihrer Verstärkung gekommen waren, eine warme Mahlzeit bereiteten. Kawuky, der Safed als vorläufigen Sitz des Mufti sicherzustellen wünschte, gab seinen Streitkräften den Befehl, das jüdische Viertel zu erobern. Wiederholt versuchten die Araber einzudringen, aber jedesmal wurden sie wieder hinausgeworfen. Sie waren sich sehr bald darüber klar, daß sie das jüdische Viertel nur in einem harten Kampf um jede Straße und jedes Haus besetzen konnten. Sie überlegten sich die Sache noch einmal, verlegten sich dann wieder auf ihre alte Taktik der Belagerung und schossen nur aus sicherer Entfernung.
Die militärische Führung der Juden lag bei Remez und Joab Yarkoni. Brigadier Sutherland hatte seine Villa auf dem Berge Kanaan verlassen. Er war der einzige Gast in dem Touristenhotel von Remez. Man holte ihn gelegentlich heran, um ihn um seinen Rat zu bitten, doch er stellte fest, daß die Juden ihre Sache auch ohne ihn sehr gut machten.
Remez hielt es für seine erste Aufgabe, eine bestimmte Zone als Gefechtsfront und Schußfeld freizulegen. Das jüdische Viertel und die anschließenden arabischen Wohnviertel lagen so dicht beieinander, daß es für arabische Spähtrupps leicht war, sich einzuschleichen und die ohnehin schwache Defensive aufzusplittern. Remez wollte einen klaren Zwischenraum zwischen seinen eigenen Leuten und dem arabischen Gegner schaffen. Yarkoni drang mit einem Stoßtrupp in das arabische Viertel ein, besetzte ein Dutzend der an der Grenze gelegenen Häuser und begann, aus den Fenstern dieser Häuser auf die Araber zu schießen. Dann zog er sich wieder zurück. Sobald die Araber in die eroberten Häuser zurückkamen, griff Yarkoni von neuem an und eroberte dieselben Häuser am Rande des arabischen Viertels zurück. Schließlich sprengten die Araber diese Häuser in die Luft, damit die Juden sie nicht weiter als Schießstände benutzen konnten. Das war genau das, was Remez gewollt hatte — dadurch entstand zwischen den beiden Sektoren ein freier Raum, der für die Juden besser und leichter zu verteidigen war. Dann inszenierten Remez und Yarkoni die zweite Phase ihres Planes. Yarkoni machte sich daran, die Araber Tag und Nacht zu beunruhigen. Jeden Tag schickte er drei oder vier Patrouillen in den arabischen Sektor, die plötzlich zuschlugen und sich dann sofort wieder zurückzogen. Der Angriff erfolgte jedesmal an einer anderen Stelle. Wann immer die Araber ihre Leute an einem bestimmten Platz konzentriert hatten, waren die Juden durch ihr Spionagesystem genau darüber unterrichtet. Sie wußten stets, wo sie anzugreifen und welche Orte sie zu meiden hatten.
Doch was die Araber in geradezu hysterische Angst versetzte, waren die Nachtpatrouillen des Palmach. Yarkoni, der in Marokko aufgewachsen war, kannte seinen Gegner genau. Die Araber waren zumeist abergläubische Menschen, die eine übertriebene Furcht vor der Dunkelheit hatten. Das machte sich Yarkoni zunutze. Seine Nachtpatrouillen, die nichts weiter taten, als mit harmlosen Feuerwerkskörpern zu knallen, hielten die arabische Bevölkerung in beständiger Furcht.
Remez und Yarkoni waren sich darüber klar, daß ihre Taktik aus Verzweiflungsmaßnahmen bestand. Sie waren nicht in der Lage, dem Gegner ernsthaften Schaden zuzufügen, und das rein zahlenmäßige Übergewicht der Araber, ihre bessere Ausrüstung und Positionsvorteile machten sich immer bedrohlicher bemerkbar. Wenn Palmach oder Hagana einen Mann verloren, so konnte er nicht ersetzt werden. Fast genauso schwierig war es, Nahrung heranzuschaffen. Die Munition war so knapp, daß jeder Soldat, der unüberlegt einen Schuß abgab, bestraft werden mußte.
Ungeachtet dieser absoluten Überlegenheit des Gegners verteidigten und hielten die Juden jeden Zentimeter ihres Viertels, und ihr großartiger Kampfgeist blieb unverändert. Ihre einzige Verbindung mit der Außenwelt stellte ein Funkgerät dar; dennoch ging der Schulunterricht unverändert und regelmäßig weiter, jeden Tag erschien eine Ausgabe der kleinen Zeitung, und die Frommen versäumten keine Minute in der Synagoge.
Den ganzen Winter hindurch und in den Frühling hinein hielt die Belagerung an. Yarkoni besprach eines Tages mit Sutherland und Remez die Lage. Das
Ergebnis war bitter. Die Juden hatten fünfzig ihrer besten Soldaten verloren, sie waren bei den letzten zwölf Sack Mehl angelangt, und die Munition reichte keine fünf Tage mehr. Yarkoni hatte nicht einmal mehr Knallkörper für seine Nachtpatrouillen. Die Araber, die die Schwäche spürten, wurden allmählich dreister.
»Ich hatte Ari versprochen, ihn nicht mit unseren Schwierigkeiten hier zu behelligen«, sagte Yarkoni. »Doch ich fürchte, ich muß ihn jetzt aufsuchen und mit ihm reden.«
Noch in der gleichen Nacht stahl er sich aus Safed fort und suchte Ari in seinem Hauptquartier auf. Er gab ihm einen genauen Lagebericht und sagte zum Schluß: »Es ist mir sehr unangenehm, dich damit zu behelligen, Ari, aber in drei Tagen werden wir anfangen müssen, Ratten zu essen.«
Ari brummte vor sich hin. Die standhafte Verteidigung der Juden von Safed war für den gesamten Jischuw ein begeisternder Ansporn gewesen. Safed war nicht nur ein strategisch wichtiger Punkt, es hatte sich auch zu einem Symbol des entschlossenen Widerstandes entwickelt. »Wenn es uns gelingen sollte, die Schlacht um Safed zu gewinnen, dann wäre das ein verheerender Schlag für die Moral der Araber in ganz Galiläa«, sagte er.
»Ari — jedesmal, wenn wir einen Schuß abgeben müssen, gibt es vorher eine Diskussion darüber.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Ari. »Komm mit.«
Ari teilte eine Nachtpatrouille ein, die wenigstens einen kleinen Nachschub an Verpflegung nach Safed hineinbringen sollte, und ging dann mit Joab zur Waffenkammer. Dort zeigte er dem verblüfften Marokkaner ein seltsames Gebilde aus Gußeisen und Schrauben.
»Was zum Teufel ist das?« fragte Joab.
»Joab — was du vor dir siehst, ist eine Davidka.«
»Eine Davidka?«
»Ja, ein Kleiner David, ein Erzeugnis jüdischen Erfindungsgeistes.« Joab strich sich nachdenklich über das Kinn. In gewisser Hinsicht mochte das Ding Ähnlichkeit mit einer Waffe haben. Und doch gab es auf der ganzen Welt nichts, was man mit diesem Gebilde hätte vergleichen können.
»Und was kann man mit diesem Ding anfangen?« fragte Joab.
»Wie mir gesagt wurde, kann man damit Granaten abschießen, wie mit einem Mörser.«
»Und wie funktioniert das?«
»Keine Ahnung. Wir haben es noch nicht ausprobiert. Doch nach einem Bericht aus Jerusalem soll es sich als sehr wirkungsvoll erwiesen haben.«
»Für wen — für die Juden oder für die Araber?«
»Hör zu, Joab. Ich habe diese Waffe für eine besondere Gelegenheit aufgespart. Jetzt ist diese Gelegenheit da. Der Kleine David ist dein — nimm ihn mit nach Safed.«
Die Nachtpatrouille, die die Notrationen nach Safed trug, brachte auch den Kleinen David und fünfzehn Kilo Munition mit. Sofort nach seiner Rückkehr rief Joab Yarkoni die Führer der Hagana und des Palmach zusammen, und stundenlang stellte man Vermutungen darüber an, wie das Monstrum wohl funktionierte. Zehn Leute waren dabei anwesend, und es gab zehn verschiedene Ansichten.
Schließlich kam jemand auf den Gedanken, Brigadier Sutherland kommen zu lassen. Er wurde im Hotel aus dem Bett geholt und zum Hauptquartier gebracht. Er betrachtete den Kleinen David mit ungläubigem Staunen.
»Nur ein Jude konnte sich so etwas ausdenken«, sagte er schließlich. »Wie ich höre, soll sich das Ding in Jerusalem als sehr wirkungsvoll erwiesen haben«, sagte Joab entschuldigend.
Sutherland betätigte sämtliche Hebel, Griffe und Visiereinrichtungen, und im Verlauf der nächsten Stunden entwickelten sie ein Abschußverfahren, das möglicherweise zum Ziel führen würde — allerdings nur möglicherweise.
Am nächsten Morgen wurde die Davidka an eine freie Stelle gebracht und so aufgestellt, daß sie ungefähr in die Richtung des von den Arabern besetzten Polizeigebäudes und einiger in der Nähe gelegener Häuser zeigte, die von den Arabern benutzt wurden, um von dort aus Schüsse auf das jüdische Viertel abzugeben.
Die Munition des Kleinen David sah genauso sonderbar aus wie das Geschütz. Sie hatte die Form einer Keule, deren oberes Ende aus einem Eisenzylinder bestand, der mit Dynamit gefüllt und mit Zündköpfen versehen war. Der dicke Stiel der Keule sollte angeblich in das Rohr des Mörsers hineinpassen. Beim Abschuß sollte der Stiel mit solcher Gewalt herausgeschleudert werden, daß er die ganze vorderlastige Dynamitladung auf das Ziel zuwirbelte. Sutherland fürchtete, daß die sonderbare Keule nur ein paar Meter weit fliegen und unmittelbar vor ihnen in die Luft gehen würde.
»Falls dieser Sprengkopf einfach nur aus dem Ende des Rohres herausfällt — wie ich mit Sicherheit annehme«, sagte er, »dann werden wir höchstwahrscheinlich die gesamte jüdische Bevölkerung von Safed einbüßen.«
»Dann schlage ich vor, daß wir eine lange Leine daran festmachen, damit wir das Ding aus sicherer Entfernung abschießen können«, sagte Remez.
»Und wie zielen wir damit?« fragte Yarkoni.
»Es hat nicht viel Sinn, mit diesem Monstrum zielen zu wollen«, sagte Sutherland. »Stellt es einfach so auf, daß es ungefähr in die richtige Richtung zeigt, und dann wollen wir beten, daß alles gut geht.« Der Rabbi und viele der frommen Kabbalisten versammelten sich um den Kleinen David und debattierten lang und breit darüber, ob diese Waffe für sie alle den Tag des Gerichts bedeutete oder nicht. Schließlich sprach der Rabbi über dem Geschütz segnende Worte und bat Gott, sie gnädigst zu verschonen, denn sie hätten wahrlich in Frömmigkeit gelebt und alle Gesetze beachtet.
»Also los — damit wir es bald hinter uns haben«, sagte Remez pessimistisch.
Die Kabbalisten entfernten sich eilig und begaben sich in Sicherheit. In das Rohr des Mörsers wurden Zündhütchen geschoben. Eins der keulenähnlichen Geschosse wurde vorsichtig hochgehoben. Man steckte den langen Stiel in das Rohr. Der mit Dynamit gefüllte eiserne Zylinder schwebte bedrohlich über dem Ende des Rohres. An dem Abschußmechanismus wurde eine lange Leine befestigt. Alles begab sich in Deckung. Die Erde stand still.
»In Gottes Namen — schießt«, befahl Yarkoni mit unsicherer Stimme.
Remez riß an der Leine — und das Unerwartete geschah: der Kleine David schoß. Der Stiel fuhr zischend aus dem Rohr, und der Dynamitkübel flog, sich um sich selbst drehend, im Bogen den Berg hinauf. Während er durch die Luft wirbelte und kleiner und kleiner wurde, machte er ein unheimlich zischendes Geräusch. Dann schlug das Geschoß krachend in ein arabisches Haus in der Nähe des Polizeigebäudes ein.
Sutherland fiel der Unterkiefer herunter.
Yarkonis Schnurrbart ging in die Höhe.
Remez machte große Augen.
Die alten Kabbalisten unterbrachen ihr Gebet lange genug, um dem Geschoß erstaunt nachzusehen.
Die Keule explodierte mit Donnergetöse und ließ die Stadt bis in ihre Grundfesten erzittern. Es hörte sich an, als sei der halbe Hang in die Luft gesprengt worden.
Nach einer kurzen Pause schweigender Verblüffung brachen die Verteidiger des jüdischen Viertels in laute Freudenrufe aus, umarmten und küßten sich, beteten und jubelten.
»Beim Zeus!« war alles, was Sutherland sagen konnte. »Beim Zeus!«
Die Palmach-Angehörigen bildeten einen Ring um den Kleinen David und tanzten eine Horra.
»Kommt, Leute, wir wollen einen zweiten Schuß abgeben.«
Die Araber hörten, wie die Juden jubelten, und sie wußten, warum. Schon das Geräusch der fliegenden Bombe genügte, um tödlichen Schrecken zu verbreiten, ganz zu schweigen von der Explosion. Weder von den Palästina-Arabern noch von den Irregulären hatte jemand mit etwas Derartigem gerechnet; jeder Schuß, den der Kleine David abgab, hatte Verheerung und Chaos zur Folge.
Joab Yarkoni meldete Ari, daß der Kleine David bei den Arabern eine Panik ausgelöst habe.
Ari, der jetzt eine Chance spürte, entschloß sich zu einem riskanten Versuch, die gegebene Situation auszunutzen. Er brachte mit ein paar Mann aus jeder Siedlung zwei Kompanien Hagana zusammen und begab sich mit ihnen und weiterer Munition für den Kleinen David bei Nacht in das jüdische Viertel von Safed.
Drei Tage nach der Ankunft des Kleinen David in Safed öffnete sich der Himmel, und es regnete in Strömen. Ari ben Kanaan benutzte diesen W
olkenbruch für den größten Bluff dieses Krieges, in dem der Bluff eine wirksame Waffe war. Durch Remez ließ er alle arabischen Spitzel zusammenrufen und gab ihnen eine vertrauliche Information.
»Falls ihr es noch nicht wissen solltet, Brüder«, sagte er ihnen auf Arabisch, »— wir haben eine geheime Waffe. Ich bin nicht befugt, über die Art dieser Waffe genauere Angaben zu machen, doch soviel darf ich vielleicht sagen, daß es, wie euch allen ja bekannt ist, jedesmal nach einer Atom-Explosion zu regnen pflegt. Ist es nötig, noch mehr zu sagen?«
Innerhalb weniger Minuten hatten die Spitzel die Nachricht verbreitet, daß der Kleine David eine Geheimwaffe war. Innerhalb einer Stunde hatte es sich bei sämtlichen Arabern von Safed herumgesprochen: Die Juden besaßen die Atombombe!
Der Kleine David fauchte und krachte, der Regen steigerte sich zum Wolkenbruch und die Panik war da. Nach zwei Stunden waren die Straßen, die aus Safed herausführten, dicht bevölkert von fliehenden Arabern.
Ari ben Kanaan ging mit dreihundert Mann Hagana zum Angriff vor. Der Angriff erfolgte spontan, und Aris Leute wurden durch Irreguläre und eine Handvoll erbitterter Safed-Araber wieder aus der Akropolis hinausgeworfen. Die Hagana hatte schwere Verluste, doch die Flucht der arabischen Bevölkerung von Safed hielt an. Drei Tage später, als fast die gesamte arabische Zivilbevölkerung Safed verlassen hatte und Hunderte von Irregulären desertiert waren, unternahmen Ari ben Kanaan, Remez und Joab Yarkoni einen besser vorbereiteten, aus drei verschiedenen Richtungen vorgetragenen Angriff auf die Akropolis und eroberten sie.
Jetzt waren die Rollen vertauscht. Die Juden saßen oben auf dem Gipfel über dem Gebäude der arabischen Polizei. Jetzt war für die Araber, die sich jahrzehntelang wie eine fanatisierte Meute auf die wehrlosen Kabbalisten gestürzt hatten, die Gelegenheit gekommen, sich zum Kampf zu stellen; doch sie zogen es vor, sich dem Zorn der Juden durch die Flucht zu entziehen. Das Polizeigebäude fiel in die Hand der Hagana, und Ari ging sofort danach mit seinen Leuten hinaus vor die Stadt, um das riesige Teggart-Fort am Berge Kanaan, die stärkste Bastion der Araber, zu blockieren. Als er bei dem Fort ankam, stellte er zu seiner Verblüffung fest, daß die Araber diese fast uneinnehmbare Festung einfach aufgegeben hatten und abgezogen waren. Die Eroberung von Safed war abgeschlossen.