Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 24

by Bowen, Sarina


  Damien ließ den Blick umherschweifen. »Typische Sonntagsszenerie. Ich hol mir mal eben ’ne Tasse Kaffee. Kommt mir vor, als wäre ich nie weggewesen.« Er erhob sich und ging zur Kaffeetheke.

  »Mist«, schnaubte ich.

  »Du bist rot wie eine Tomate«, flüsterte Dana.

  Hartley langte über den Tisch und drückte mir kurz die Hand. »Cool bleiben, Schönste. Wir sitzen hier nur zum Brunch. Wusstest du, dass er hier aufschlagen würde?«

  »Nein!«, zischte ich. »Er hat seinen Besuch mit keinem Wort erwähnt.«

  Mein Bruder setzte sich wieder und nippte an seinem Kaffee. »Und, wie schlägst du dich so?«, erkundigte er sich bei mir.

  »Alles gut«, antwortete ich schnell.

  Sein prüfender Blick aus den blauen Augen raubte mir den letzten Nerv. »Na, dann ist ja gut«, sagte er bedächtig. »Mom und Dad haben mich gebeten, mal nach dir zu sehen.«

  »Das ist aber … nett.« Irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben. »Bist du mit dem Zug hergefahren?«

  »Klar«, antwortete er und ließ mich dabei nicht aus den Augen.

  Wusste er womöglich, dass ich genau das getan hatte, was er mir versucht hatte zu verbieten? Es war nicht so, dass es mich interessierte, was er von Hartley und mir hielt, doch mein Leben änderte sich gerade mit Lichtgeschwindigkeit, und ich brauchte erst mal ein, zwei Tage, um mich selbst an die Vorstellung zu gewöhnen. Irgendwelchen Widerstand seitens Damien konnte ich bis dahin gar nicht gebrauchen.

  Ausgerechnet diesen Moment suchte sich Stacia aus, um zwischen dem Förderband für die Tabletts und dem Ausgang an uns vorbeizugehen. »Hey Callahan«, rief sie überrascht.

  Eine Millisekunde, bevor mir aufging, dass sie Damien angesprochen hatte, drehte ich mich unwillkürlich zu ihr um. Aber natürlich meinte sie meinen Hockey spielenden Bruder. Sonnenklar.

  »Hey Stacia. Hübsch wie eh und je«, gab er augenzwinkernd zurück. »Kennst du meine Schwester Corey?«

  Als ihr Blick von Damien zu mir wanderte, fiel die Temperatur um uns herum augenblicklich von heiß wie in einer Waschküche auf bis unter den Gefrierpunkt.

  »Oh ja«, sagte sie und runzelte die Stirn, »wir sind uns schon mal über den Weg gelaufen.« Dann stürmte sie aus dem Raum.

  »Tja, ganz die Alte«, gluckste Damien. Dann sah er Hartley an. »Oh, Shit! Wart ihr zwei nicht mal …«

  Hartley schien jetzt selbst etwas aus der Fassung zu geraten. »Ja … äh … aber inzwischen nicht mehr.«

  »Tut mir leid, Alter«, sagte Damien und wandte sich wieder seinem Kaffee zu.

  Es kam mir vor, als würde ich auf dem elektrischen Stuhl sitzen, und ich stand kurz davor, den Brunch für beendet zu erklären, als Bridger angetrabt kam und hinter meinem Bruder stehen blieb.

  »Was liegt an, Bridger?«, fragte Hartley, bevor er seinen Saft hinunterstürzte.

  Bridger grinste auf uns hinunter. »Das wollte ich dich auch gerade fragen. Wenn ich richtig informiert bin, musste heute Morgen jemand den Walk of Shame auf Krücken absolvieren. Oder muss ich die Bourbon-Vorräte wieder auffüllen?«

  »Bridger«, keuchte ich.

  »Ach, komm schon, Callahan«, sagte er und schnippte gegen meinen Pferdeschwanz. »Auf den Spruch hab ich mich das ganze Wochenende gefreut.« Er trat einen Schritt zur Seite und bedachte Hartley mit einem schiefen Grinsen. Als er meinen Bruder entdeckte, riss er überrascht die Augen auf. »Callahan! Dich hatte ich gar nicht gesehen.«

  In der darauffolgenden Stille sah Damien von mir zu Bridger, dann wieder zu mir und richtete seinen Blick schließlich langsam auf Hartley. »Was zur Hölle …«

  Mein neuer Freund rieb sich das Kinn. Falls es etwas gab, das man in das anhaltende Schweigen hinein hätte sagen können, so fiel es jedenfalls weder Hartley noch mir ein.

  Bridger schien vollkommen erstarrt. »Ich, äh, wollte nur …«, stotterte er. »Tut mir leid.«

  Hartley entließ ihn mit einem Wink und wandte sich dann wieder meinem finster dreinblickenden Bruder zu.

  »Meine kleine Schwester?«, knirschte Damien. »Von fünftausend Studentinnen muss ausgerechnet sie deine jüngste Eroberung sein?«

  Ich sah Hartley an, dass er dahinterzukommen versuchte, ob Selbstverteidigung die richtige Strategie war oder nicht.

  »Eroberung?«, echote er stirnrunzelnd. »So ist das nicht.«

  Damien schüttelte den Kopf. »Du musst jetzt gar nicht dasitzen und dich wie ein Arschloch benehmen. Kannst du dich nicht einfach verziehen?«

  »Wenn man es genau nimmt«, erwiderte Hartley leise, »würde ich mich gerade dann wie ein Arschloch benehmen.«

  Damien wandte sein knallrotes Gesicht zur Abwechslung mir zu. »Keine Ahnung, warum ich überhaupt hergekommen bin.«

  »Weiß ich auch nicht«, blaffte ich zurück.

  Damien entgleisten vor Verblüffung für einen Augenblick die Gesichtszüge. »Weißt du nicht?«

  »Nein, Damien. Warum erzählst du es mir also nicht einfach?«

  »Wow.« Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Keine Sorge, ich werde Mom und Dad nicht verraten, wieso du vergessen hast, welcher Tag heute ist.«

  »Welcher denn?«, wollte Dana wissen. Wenigstens war ich nicht die Einzige, die langsam den Überblick verlor.

  »Der fünfzehnte Januar. Und ich bin hier, um mich davon zu überzeugen, dass es Corey gut geht.«

  »Oh«, murmelte ich dümmlich.

  Als mich vollkommen plötzlich und ungebeten die Erinnerungen an den letzten fünfzehnten Januar überschwemmten, drehte es mir buchstäblich den Magen um. Ich wollte mich nicht daran erinnern. Doch mit einem Mal schien mir nichts anderes übrig zu bleiben. Ich senkte den Blick auf die Tischplatte und sah mich unversehens ein Jahr in die Vergangenheit zurückversetzt.

  Der fünfzehnte Januar des vergangenen Jahres war ein Samstag gewesen. Ich hatte das Frühstück verschlafen und mir zum Mittag ein Sandwich mit Schinken und Ei gemacht.

  Obwohl draußen Minustemperaturen geherrscht hatten, war meine Mutter joggen gegangen. Als sie zurückkam, stellte ich gerade auf der Suche nach meiner Hockeyshorts das Haus auf den Kopf.

  »Die hab ich gewaschen«, erklärte meine Mutter. »Guck mal auf dem Wäscheständer nach.«

  Ich rannte an ihr vorbei. Ich rannte. Auf zwei Beinen. Ich war stinksauer, weil ich fürchtete, zu spät zum Spiel aufzulaufen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sich mein Leben schon bald dermaßen drastisch verändern würde, dass ich niemals wieder in eine Wäschekammer rennen würde.

  »Äh, Corey?«

  Ich riss den Kopf hoch. Dana hatte anscheinend versucht, meine Aufmerksamkeit zu erregen, doch ich war weit weg gewesen und hatte mit blicklosen Augen auf meinen Teller geglotzt.

  »Ja?«

  Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Was ist mit dem fünfzehnten Januar?«

  »Es …« Ich schluckte.

  Sie und Daniel musterten mich mit verwirrten Blicken. Hartley und mein Bruder sahen traurig aus.

  »Heute …«

  Jetzt kapierte ich, warum ich heute bereits zwei SMS von meinen Eltern bekommen hatte. Nachrichten, auf die ich nicht geantwortet hatte. Ruf uns an, hatten sie geschrieben. Wir denken an dich.

  Ich hatte keine Lust, irgendetwas zu erklären. Ich wollte nicht dieser versehrte Mensch sein. Allerdings schien ich heute keine andere Wahl zu haben.

  Ich bückte mich und hob meine Gehhilfen vom Boden auf. »Mir ist gerade wieder eingefallen, dass ich meine Eltern hätte anrufen müssen«, stammelte ich. Ich stemmte mich vom Stuhl hoch und machte mich auf den Weg zum Ausgang.

  Damien stand ebenfalls auf und machte Anstalten, mir zu folgen.

  »Das Spiel beginnt um halb zwei«, rief Daniel mir noch über die Schulter zu.

  22

  Der fünfzehnte Januar

  Corey

  »Das Spiel beginnt um halb zwei«, hatte mein Vater zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorgepresst.

  Er saß bereits hinter dem
Steuer unseres Autos, während ich mich beeilte, meine Ausrüstung zu verstauen. Als Trainer wollte er nicht schon wieder erst kurz vor Spielbeginn eintreffen. Auch wenn die Unpünktlichkeit meines Vaters wie immer meine Schuld wäre.

  »Sorry«, rief ich, während ich auf die Beifahrerseite lief.

  An die Fahrt erinnerte ich mich nicht. Viel Verkehr hatte es in unserem verschlafenen Nest sicher nicht gegeben. Woran hatte ich auf dem Weg zur Eissporthalle gedacht? An irgendeine Hausaufgabe vielleicht? An den Jungen, mit dem ich seit Kurzem ausging, an dessen Gesicht ich mich inzwischen jedoch kaum noch erinnerte? Vor dem Unfall war es ein Leichtes gewesen, durch das Seitenfenster in die vereiste Landschaft zu starren und an überhaupt nichts zu denken. Ich hatte nicht gewusst, dass ich jeden Augenblick hätte genießen sollen und dass jede Minute zählte, in der ich mich noch vollständig und leistungsfähig fühlen konnte. Ich hatte keine Ahnung gehabt.

  Wieder in McHerrin House, ging ich direkt in mein Zimmer.

  »Nette Unterkunft«, befand Damien.

  Ich kroch in mein Bett und schnallte meine Beinschienen ab. Dann schob ich mich aufs Kissen und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand.

  Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon fast zwölf war. Ich fragte mich, was meine Eltern wohl gerade taten, war aber zu feige, sie anzurufen. Je nachdem, wie der Spielplan aussah, war mein Vater womöglich gerade in der Eishalle. Wenn ja, hoffte ich für ihn, dass es ein Auswärtsspiel war, dass er um halb zwei nicht an derselben Stelle stehen musste, an der er vor einem Jahr gestanden hatte.

  Er war bei allen meinen Spielen dabei gewesen und hatte mit seiner Trillerpfeife und einem Klemmbrett in der Box gestanden. Ich konnte ihn mir ohne diese beiden Gegenstände in der Hand kaum vorstellen. Eine Mannschaftskameradin hatte mich mal im Scherz gefragt, ob mein Vater abends mit der Trillerpfeife ins Bett gehen würde.

  Vielleicht hatte ich mich ja nur deshalb so angestrengt, weil er immer dabei gewesen war. Er war so ein toller Trainer und Dad, dass ich mich nie gehemmt gefühlt hatte, weil ich sowohl seine Tochter war, als auch in seiner Mannschaft spielte. Alles war gut gewesen – bis zu dem Tag, ab dem plötzlich nichts mehr gut war.

  Mein armer Vater. Er hatte mit ansehen müssen, wie alles den Bach hinunterging.

  Ich war rückwärts und sehr schnell übers Eis geglitten. Dann war der Puck auf mich zugeschossen. Ich wollte einen Pass spielen, doch eine Gegenspielerin legte sich noch mehr ins Zeug. Sie drosch mit ihrem Schläger nach dem übers Eis sausenden Puck, traf stattdessen jedoch eine meiner Kufen. Meine Erinnerung an diesen Moment setzte sich nur aus dem zusammen, was andere mir später berichteten. Es hob mich so hart von den Beinen, dass ich nach hinten und im hohen Bogen über die andere Spielerin flog. Dann landete ich auf dem Rücken und verlor für Sekunden das Bewusstsein.

  Als ich die Augen aufschlug, beugte sich mein Vater über mich.

  »Alles in Ordnung, Corey?«

  »Ja«, antwortete ich. Und glaubte es auch. Ich stand sogar noch auf und lief vom Eis.

  »Und was liegt sonst noch an bei dir?«, erkundigte sich Damien. »Hast du das Semester schon durchgeplant?«

  Ich räusperte mich. »Ich glaube schon. Ich besuche mit Dana ein Shakespeare-Seminar. Und ich gehe in den Psychologie-Kurs, von dem alle schwärmen. Den Professor Davies leitet.«

  »Ja, der ist cool«, stimmte mein Bruder zu, während er am Schirm seiner Baseballkappe herumnestelte. »Lust auf RealStix?«

  Ich schüttelte den Kopf. Heute wollte ich mal nichts von Eishockey wissen. Nicht mal so tun als ob.

  »Was hat dieser Typ – Daniel hieß er, glaube ich – mit dem Spiel gemeint?«

  Ich begegnete seinem warmen, klaren Blick und versuchte, meinen Ärger zu unterdrücken, schließlich wollte er mir nur helfen.

  »Ich bin in die Wasserpolo-Mannschaft des Colleges eingetreten. Hast du das schon mal gespielt?«

  Damien schüttelte den Kopf. »Klingt lustig.«

  »Es ist ganz okay. Im Grunde ein viel besseres Training, als ich gedacht hätte. Ersatzspieler gibt es nicht, deshalb schnaufen wir nach einer Stunde alle wie die Greise.«

  Damien sah auf seine Uhr. »Ich komme zu deinem Spiel.«

  Ich schüttelte abermals den Kopf. »Ich werde heute nicht mitmachen.«

  Nach dem schrecklichen Zusammenstoß hatte ich für den Rest der Partie auf der Bank gesessen.

  Als ich mich gegen die Wand lehnte, tat mir der Rücken weh. Was allerdings auch für meine Schultern und den Kopf galt. Mein Vater fragte sich, ob ich eventuell eine leichte Gehirnerschütterung hatte. Aber abgesehen von den starken Rückenschmerzen gab es keinerlei besorgniserregende Symptome. Also fuhren wir nach Hause, ich nahm eine Handvoll gewöhnlicher Schmerztabletten und ging früh ins Bett.

  In der Nacht wurde ich von heftigen Kreuzschmerzen geweckt. Ängstlich stand ich auf und taumelte ins Schlafzimmer meiner Eltern. Es kostetet mich wahnsinnig viel Anstrengung, überhaupt bis dorthin zu kommen, und ich ließ mich sofort erschöpft neben meiner Mutter auf die Matratze sinken.

  »Corey?« Ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. »Was ist los?«

  In dem Moment verlor ich das Bewusstsein.

  Zwei Tage später kam ich im Krankenhaus wieder zu mir. Ich hatte mich einem gravierenden Eingriff unterziehen müssen, bei dem ein auf mein Rückgrat drückendes Blutgerinnsel entfernt worden war. Ich war umgeben von piepsenden Maschinen, Infusionsschläuchen und besorgten Mienen, und die Ärzte murmelten ständig Dinge wie »ungewöhnliche Darstellung« und »man muss abwarten«.

  Es dauerte einige Zeit, bis alle erkannten, dass mein mitternächtlicher Ausflug ins Schlafzimmer meiner Eltern der letzte Weg gewesen war, den ich in meinem Leben ohne Hilfe zurückgelegt hatte.

  Um eins erschien Hartley in meinem Zimmer.

  »Hey.«

  »Hey.« Meine Stimme klang erschöpft und wie selten benutzt.

  »Du musst gleich los zum Schwimmbecken.«

  Ich wollte weder ein großes tränenreiches Gespräch noch irgendwelche Erklärungen abgeben. Also wandte ich nur den Blick ab.

  Als er trotzdem auf mich zutrat, straffte sich mein Bruder und sah aus, als wolle er gleich auf ihn losgehen.

  »Callahan«, sagte Hartley leise. »Ich brauche ein paar Minuten mit Callahan.«

  Damien stand widerwillig auf und ging in den Gemeinschaftsraum hinüber. Als Hartley eine Sporttasche vor mir abstellte, hörte ich, wie drüben der Fernseher eingeschaltet wurde.

  »Darf ich dich zur Sporthalle bringen?«

  »Ich glaube, ich gehe heute nicht«, flüsterte ich.

  »Tja, und ich glaube, das solltest du aber«, entgegnete Hartley und setzte sich aufs Bett.

  Als er den Arm um mich legte, ließ ich zu, dass er mich an sich zog. Ich vergrub die Nase an seiner Schulter und atmete tief ein.

  »Die anderen warten auf dich. Auch wenn heute der fünfzehnte Januar ist. Noch so ein Tag, an dem du dein Päckchen tragen musst.«

  »Als ob ich das nicht wüsste«, murmelte ich an seiner Brust.

  Er schloss mich noch fester in die Arme, und wir saßen eine Minute aneinandergeschmiegt da. Eine Sache, an die ich mich echt hätte gewöhnen können.

  »Ich habe da etwas ausgearbeitet und wüsste gerne, was du davon hältst.«

  Er beugte sich vor und zog einen Umschlag aus seiner Sporttasche. Dann faltete er ein Blatt Papier auseinander und gab es mir.

  Der Brief war an jemanden in Hollywood adressiert, den ich seit Jahren kannte.

  Lieber Mr Kellers,

  ich habe keine Ahnung, was Sie mit diesem Brief anfangen werden, trotzdem bin ich mir sicher, dass ich ihn schreiben musste. Viel zu lange habe ich mir einzureden versucht, es wäre mir egal, dass wir uns nie begegnet sind oder dass Sie es lieber vermeiden, meinen Namen laut auszusprechen. Doch inzwischen ist mir klar geworden, wie viele Entscheidungen ich in der Hoffnung auf Ihre Anerkennung getroffen habe. Ich studiere inzwischen am Harkness College. Ihren Namen ha
be ich bei der Bewerbung aber nicht angegeben. Und ich spiele Eishockey. Meine Noten sind ganz in Ordnung, mein Hauptfach ist Politikwissenschaft.

  Das letzte Jahr war hart, unter anderem hat mich eine Verletzung daran gehindert, meinen Sport auszuüben. Ich musste auf die Bremse treten und hatte daher viel Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, was mir wirklich wichtig ist. Dabei habe ich begriffen, dass ich die Last Ihrer Ablehnung schon mein ganzes Leben mit mir herumtrage.

  Sir, ich finde, wir sollten uns treffen. Ich werde Sie nicht um Geld bitten oder darum, mich öffentlich als Ihren Sohn anzuerkennen. Ich kann Sie nicht zwingen, mir in die Augen zu schauen, aber ich kann mich melden und Ihnen zeigen, dass es mir nicht egal ist. Ich trete jetzt an Sie heran, damit ich mich nicht länger fragen muss, wie Sie wohl reagiert hätten.

  Mit freundlichen Grüßen,

  Adam Kellers Hartley

  Ich blickte zu ihm hoch und stieß die Luft aus. »Wow, dein Zweitname ist sein Nachname?«

  Er nickte. »Würdest du ihn an meiner Stelle abschicken?«

  »Ja, natürlich. Das ist sehr mutig von dir.«

  »Ihn zu treffen wäre nicht leicht.«

  Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht nur deshalb mutig, und ich denke, das weißt du auch. Viel schlimmer wäre es, wenn er dir gar nicht antwortet. Wenn er dich einfach in der Luft hängen lässt.«

  Hartley ließ sich auf mein Bett fallen. »Ja, schon, aber ich habe es satt, ständig daran zu denken. Ich will endlich mit dieser Frage abschließen.«

  Ich legte ihm eine Hand auf den muskulösen Bauch. »Dann schick ihn ab. Der Brief ist gut.«

  Er nahm meine Hand und strich mit dem Daumen über die Innenfläche. »Abgemacht, ich werfe den Brief auf dem Weg zum Wasserpolo ein.«

  Ich wand mich. »Es war wirklich schön, zur Abwechslung mal einen Moment über deine Probleme zu sprechen statt über meine. Hältst du mich für feige, wenn ich nicht zum Spiel gehe?«

  »Du kannst tun, was du willst, ich würde dich nie für feige halten.« Er setzte sich auf und führte meine Hand an seine Lippen. »Trotzdem möchte ich, dass du hingehst.«

  »Darf ich mich nicht wenigstens einmal in meinem Selbstmitleid suhlen?«

 

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