by Paul Celan
FÜR ERIC
Erleuchtet
rammt ein Gewissen
die hüben und drüben
gepestete Gleichung,
später als früh: früher
hält die Zeit sich die jähe
rebellische Waage,
ganz wie du, Sohn,
meine mit dir pfeilende
Hand.
* * *
WER PFLÜGT NICHTS UM?
Er. Diesmal.
Unverackert
steht sein Land in den Sinn seiner Sonnen-
nächte.
Er nennt uns.
Ja, er kätnert.
Ja, er heißt gut, er belehmigt,
was du verhüttest
vor Ort,
hinter Ort,
über Ort, brach,
gegen die Erze,
zuunterst,
lebendig.
* * *
LEVKOJEN, katzenbemündigt.
Beweibt
rechts von dir dieser Rasen.
Stab- und Mondsichel-Patt.
Du sollst nicht, so, gleich dir, hinterm Gitter, damals,
der
maltesische Jude, groß-
lippig – ihn
sprang der Knochen an, jäher
als dich, der Knochen,
den ein schon Morgiger warf –,
du
sollst nicht
aufsehn zum Himmel, du ließest
ihn denn, wie er dich,
im Stich, neben-
lichtig.
. . . . . . . . . . . . . . .
Schwester Kastanie, Vielblatt,
mit deinem blanken
Hiedrüben.
* * *
DU DURCHKLAFTERST
Farbenstoß, Zahlwurf, Verkenntnis,
viele
sagen:
du bists, wir verwissens,
viele verneinen sich an dir,
der du sie dir einzeln
erjast,
aufständisch wie
der dem Handgesagten geschenkte
Steinmut,
der sich hinhob zur Welt
am Saum des gewendeten Schweigens
und aller Gefahr.
* * *
FÜR ERIC
In der Flüstertüte
buddelt Geschichte,
in den Vororten raupen die Tanks,
unser Glas
füllt sich mit Seide,
wir stehn.
* * *
DEIN BLONDSCHATTEN, auf
Schwimmtrense gezäumt,
schwenkt die Wasserschabracke,
– auch du
hättest ein Recht auf Paris,
würdest du deiner
bitterer inne –,
dein Hankenmal, farblos
skizziert es die halb-
nahe Levade.
* * *
DIE ABGRÜNDE STREUNEN: Summkies –:
dem kommst du bei
mit Taubheitsgefühlen
und Unschlaf,
und kämen – die Lockstoffe geistern
den Fahnenmast hoch –,
kämen auch hier
die Albembleme geflattert,
du wärst, dich erplündernd,
gebieterisch-gleich
ihr Entzwei.
* * *
DEIN MÄHNEN-ECHO
– ihm wusch ich den Stein aus –,
mit Rauhreif beschlagen,
mit entsiegelter
Stirn beleu-
mundet
von mir.
* * *
IV
DAS IM-OHRGERÄT treibt eine Blüte,
du bist ihr Jahr, dich beredet
die Welt ohne Zunge,
das weiß
jeder sechste.
* * *
DER HALBZERFRESSENE Wimpel
frißt alle Länder vom Meer fort,
alle Meere vom Land,
ein weiterer Name
– du, du beleb dich! –
muß eine Ziffer
dulden,
Unzählbarer du:
um ein Un-
zeichen
bist du ihnen allen
voraus.
* * *
EIN BLATT, baumlos,
für Bertolt Brecht:
Was sind das für Zeiten,
wo ein Gespräch
beinah ein Verbrechen ist,
weil es soviel Gesagtes
mit einschließt?
* * *
PLAYTIME: die Fenster, auch sie,
lesen dir alles Geheime
heraus aus den Wirbeln
und spiegelns
ins gallertäugige Drüben,
doch
auch hier,
wo du die Farbe verfehlst, schert ein Mensch aus, entstummt,
wo die Zahl dich zu äffen versucht,
ballt sich Atem, dir zu,
gestärkt
hält die Stunde inne bei dir,
du sprichst,
du stehst,
den vergleichnisten Boten
aufs härteste über
an Stimme
an Stoff.
* * *
AUS DER VERGÄNGNIS
stehen die Stufen,
das ins Ohr Geträufelte
mündigt die Vorzeit darin,
Fjorde
sind Dochte,
nüchtern Erzähltes
träumt,
du berührst es, ein Tag-
verschworner.
* * *
OFFENE GLOTTIS, Luftstrom,
der
Vokal, wirksam,
mit dem einen
Formanten,
Mitlautstöße, gefiltert
von weithin
Ersichtlichem,
Reizschutz: Bewußtsein,
unbesetzbar
ich und auch du,
überwahr-
heitet
das augen-, das
gedächtnisgierige rollende
Waren-
zeichen,
der Schläfenlappen intakt,
wie der Sehstamm.
* * *
AUS DEM MOORBODEN ins
Ohnebild steigen,
ein Häm
im Flintenlauf Hoffnung,
das Ziel, wie Ungeduld mündig,
darin.
Dorfluft, rue Tournefort.
* * *
HOCHMOOR, uhrglas-
förmig (einer hat Zeit),
soviel Ritter, sonnentausüchtig,
aus dem
Lagg
stehen die Sabbatkerzen nach oben,
Schwingmoor, wenn du vertorfst,
entzeigere ich
den Gerechten.
* * *
ERZFLITTER, tief im
Aufruhr, Erzväter.
Du behilfst dir
damit,
als sprächen, mit ihnen,
Angiospermen
ein offenes
Wort.
Kalkspur Posaune.
Verlorenes findet
in den Karstwannen
Kargheit, Klarheit.
* * *
EINKANTER: Rembrandt,
auf du und du mit dem Lichtschliff,
abgesonnen dem Stern
als Bartlocke, schläfig,
Handlinien queren die Stirn,
im Wüstengeschiebe, auf
den Tischfelsen
schimmert dir um den
rechten Mundwinkel der
sechzehnte Psalm.
* * *
MIT REBMESSERN, bei
Gebethub,
alle Marssegel spleißen,
herkämpfend, stehend, hinter
der Wimper, im Ölrock,
von Güssen gesalbt,
den Kalmengürtel schnüren
um deine Ulkspake, Beiboot
Welt.
* * *
LÖSSPUPPEN: also
hier steints nicht,
nur Landschneckenhäuser,
unausgeblasen,
/>
sagen zur Wüste: du
bist bevölkert –:
die Wildpferde stoßen
in Mammut-
hörner:
Petrarca
ist wieder
in Sicht.
* * *
V
STAHLSCHÜSSIGER SEHSTEIN, umstirnter,
dies hier:
die Palmfarne, jetzt,
in Castrup: ein
metallischer Vortrupp
des nächsten
Urjahrhunderts,
eine Flughaut, lippig,
du
durchstößt sie,
die bildersüchtige blanke
Rolltreppe
kann dich nicht spiegeln.
* * *
UND KRAFT UND SCHMERZ
und was mich stieß
und trieb und hielt:
Hall-Schalt-
Jahre,
Fichtenrausch, einmal,
dein Typhus, Tanja,
die wildernde Überzeugung,
daß dies anders zu sagen sei als
so.
* * *
MITERHOBEN
von den Geräuschen,
forderst du – Glas
feindet an, was immer
undurchdringlicher dein ist –,
forderst du alles
in seine Aura,
das Quentchen Mut
bittert sich ein,
wachsam:
es weiß, daß du weißt.
* * *
STEINSCHLAG hinter den Käfern.
Da sah ich einen, der log nicht,
heimstehn in seine Verzweiflung.
Wie deinem Einsamkeitssturm
glückt ihm die weit
ausschreitende Stille.
* * *
ICH SCHREITE deinen Verrat aus,
Fußspangen an
allen Seins-
gelenken,
Krümelgeister
kalben
aus deinen gläsernen
Titten,
mein Stein ist gekommen zu dir,
selbstentgittert, du inwendig
Ottern-
befrachtete,
du verhebst dich
an meinem leichtesten Schmerz,
du wirst sichtbar,
irgendein Toter, ganz bei sich,
setzt Lee über Luv.
* * *
LEUCHTSTÄBE, deren
Gespräch,
auf Verkehrsinseln,
mit endlich beurlaubten
Wappen-Genüssen,
Bedeutungen
grätschen im aufgerissenen Pflaster,
das Küken
Zeit, putt, putt, putt,
schlüpft in den Kraken-Nerv,
zur Behandlung,
ein Saugarm holt sich
den Jutesack voller
Beschlußmurmeln aus
dem Klöten-ZK,
die Düngerrinne herauf und herunter
kommt Evidenz.
* * *
EIN LESEAST, einer,
die Stirnhaut versorgend,
eine Lichtquelle, von dir
schläfrig geschluckt,
passiert das hungrige
Wirtsgewebe,
Sehhilfe, streifig,
über mondbefahrene
Rückstreu-Sonden. Im großen: im kleinen.
Erden, immer noch, Erden.
Hornhautüber-
zogner Basalt,
raketengeküßt:
kosmisches
Umlauf-Geschau, und doch:
Binnenland-Horizonte.
Terrestrisch, terrestrisch.
Ein Leseast, einer,
die Stirnhaut versorgend – als schriebst du
Gedichte –,
er trifft auf den Kartengruß auf,
damals, vorm
Blutklumpenort, auf der Lungen-
schwelle, jahrhin, aus Pilsen,
jahrüber,
zeitwild von soviel
Leisegepreßtem:
Bon vent, bonne mer,
ein flackernder
Hirnlappen, ein
Meerstück,
hißt, wo du lebst,
seine Hauptstadt, die
unbesetzbare.
* * *
ZERR DIR den Traum vom Stapel,
pack deinen Schuh rein,
Rauschelbeeräugige, komm,
schnür zu.
* * *
KALK-KROKUS, im
Hellwerden: dein
steckbriefgereiftes
Von-dort-und-auch-dort-her,
unspaltbar,
Sprengstoffe
lächeln dir zu,
die Delle Dasein
hilft einer Flocke
aus sich heraus,
in den Fundgruben
staut sich die Moldau.
* * *
ES SIND SCHON die Kabel gelegt
zum Glück hinter dir
und zu dessen
munitionierten
Bereitstellungslinien,
in den Entlastungs-
städten,
dir zugewandt,
wo sie Gesundheitserreger versprühen,
melden melodische
Antitoxine
den Rennfahrerspurt
durch dein Gewissen.
* * *
IN DEN EINSTIEGLUKEN zur Wahrheit
beten die Spürgeräte,
bald kommen die Mauern geflogen
zu den Verhandlungstischen,
die Embleme palavern
sich Blut ab,
eine Krähe setzt
ihren halbgesichtigen
Peil-Flügel auf
halbmast.
* * *
UND JETZT, bei strategischer
Großlage, klauen-
signiertes
Gesinnungs-Lametta,
eine Wortlitze, rot-
gefüttert,
näht sich den Mündern
gesamtbarock in die
wund-
geschwiegene
Kommissur.
Schimmelbrothelle
eckt an,
abgekämpfte
Gedanken, was sonst,
stellen sich quer.
* * *
SCHNELLFEUER-PERIHEL.
Reite dein Staubkorn zu,
ihr müßt mit,
mahnt das Flugblatt.
(Du, Akosmische, als ich.)
Eines Knödels Trabanten, klug,
auf den Geister-Pawlatschen.
* * *
WIR ÜBERTIEFTEN, geeinsamt
in der Gefrornis.
Jedes Hängetal karrt eine Wimper
an den Augenabdruck
und seinen Steinkern
heran.
* * *
HINTER SCHLÄFENSPLITTERN,
im notfrischen
Holzwein,
(der Ort, wo du herkommst,
er redet sich finster, südwärts),
dahlienfürchtig bei Gold,
auf immer heiterern
Stühlen.
* * *
BERGUNG allen
Abwässerglucksens
im Briefmarken-Unken-
ruf. Cor-
respondenz.
Euphorisierte
Zeitlupenchöre behirnter
Zukunftssaurier
heizen ein Selbstherz.
Dessen
Abstoß, ich wintre
zu dir über.
* * *
DAS GEDUNKELTE Splitterecho,
hirnstrom-
hin,
die Buhne über der Windung,
auf die es zu stehn kommt,
soviel
Unverfenstertes dort,
sieh nur,
die Schütte
müßiger Andacht,
einen
Kolbenschlag von
den Gebetssilos weg,
einen und keinen.
* * *
DIE EWIGKEIT hält sich in Grenzen:
leicht
, in ihren
gewaltigen Meß-Tentakeln,
bedachtsam,
rotiert die von Finger-
nägeln durchleuchtbare
Blutzucker-Erbse.
Zeitgehöft
I
Wanderstaude, du fängst dir
eine der Reden,
die abgeschworene Aster
stößt hier hinzu,
wenn einer, der
die Gesänge zerschlug,
jetzt spräche zum Stab,
seine und aller
Blendung
bliebe aus.
* * *
Gehässige Monde
räkeln sich geifernd
hinter dem Nichts,
die sach-
kundige Hoffnung, die halbe,
knipst sich aus,
Blaulicht jetzt, Blaulicht,
in Tüten,
Elend, in harten
Trögen flambiert,
ein Wurfsteinspiel
rettet die Stirnen,
du rollst die Altäre