Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition) Page 12

by Kiefer, Lena


  Meine Einkaufstüten waren noch im Blumenladen, also ging ich dorthin zurück und platzte mitten in eine heftige Diskussion, die jedoch sofort verstummte, sobald man mich bemerkte.

  »Was war denn los?«, fragte ich beiläufig. »Hat Henderson irgendwas angestellt?«

  Hinter mir schnaubte jemand und ich drehte mich um. Es war der junge Mann, auf den Lyall beinahe losgegangen war. »Ich habe ihm die Meinung gesagt«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Sonst traut sich das hier ja niemand.«

  »Aaron.« Gavinas Art, seinen Namen auszusprechen, klang nach einer Warnung.

  »Ach, hör doch auf!«, rief Aaron verärgert. »Ihr kuscht alle vor denen, obwohl ihr das Gleiche denkt wie ich: Lyall hat hier nichts verloren. Wir müssten dafür sorgen, dass er verschwindet und ihm nicht auch noch den roten Teppich ausrollen!« Er zeigte auf mich. »Sollte jemand wie sie nicht gewarnt werden, was für ein Monster er ist?«

  Monster? Lyall? Ich war verwundert. Er war sicher kein Freund von Diplomatie und bisweilen unerträglich arrogant, aber der Begriff Monster wäre mir nicht eingefallen.

  »Was meinst du damit?«, fragte ich.

  »Gar nichts«, schaltete sich Gavina ein und sah Aaron streng an. »Du weißt, was die Hendersons davon halten, wenn Gerüchte in Umlauf gebracht werden.«

  Aaron verdrehte die Augen. »Ja, weil wir deren Leibeigene sind oder was? Nur weil die verdammte Uroma ihr Familienschloss zum Hotel umgebaut hat und dabei alle Stadtbewohner mitgeholfen haben, sind sie doch nicht unsere Lehnsherren.« Er schaute zu mir. »Lass dich von seinem Aussehen nicht täuschen, Kenzie. Lyall Henderson ist eine echte Gefahr für Mädchen wie dich. Wenn du klug bist, hältst du dich von ihm fern«

  Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich mit einem scherzhaften »Ja, Dad« geantwortet, aber so blieb ich stumm zurück, während Aaron den Laden verließ und die Tür hinter sich geräuschvoll zuschlug.

  »Wow«, sagte ich schließlich und sah zu, wie sich alle anderen Kunden auch verdrückten, bis Gavina und ich die Einzigen im Laden waren. Geschäftig begann sie, ihren Tresen abzuwischen.

  »Gavina?«, fragte ich. »Was sind das eigentlich für Gerüchte? Du weißt schon, die über Lyall?« Sie hatte mich in der letzten Woche auf meine Mum angesprochen, also hoffte ich darauf, dass sie mir ein paar Infos gab – jetzt, wo wir unter uns waren.

  »Das war eine schlimme Geschichte, es ist jedoch nichts, was dich kümmern muss, Schätzchen.« Sie legte ihre schwielige Hand auf meine und lächelte freundlich. Ich fragte mich, was Lyall verbrochen hatte, dass er sich als Monster betiteln lassen musste. Aber wenn mir niemand etwas sagte, würde ich das wohl nie erfahren.

  »Es geht um dieses Mädchen, oder?«, schoss ich ins Blaue.

  Gavina sah mich überrascht an. »Du hast davon gehört?«

  »Nicht viel.« Ich zuckte mit den Schultern.

  »Das ist auch besser so.«

  »Komm schon, sag es mir. Es bleibt doch unter uns.« Bittend schaute ich sie an.

  Gavina blieb eisern. »Es geht nicht, Schätzchen, tut mir leid. Wir sind hier alle abhängig von den Hendersons, und sie wollen nicht, dass im Ort darüber getratscht wird.« Sie tätschelte mir die Hand. »Wir werden schon dafür sorgen, dass Lyall Henderson dir nicht zu nahekommt, versprochen. Vergiss ihn einfach.«

  Ein Kunde kam herein, um nach Rosen zu fragen, und ich wusste, von Gavina würde ich keine Informationen bekommen, daher verabschiedete ich mich. In Gedanken versunken verließ ich das Geschäft und lief zurück zum Campingplatz. Den gesamten Weg über dachte ich darüber nach, was es wohl sein könnte, das Lyall getan hatte. Und ob ich dem nachgehen sollte. Vielleicht wusste der Hausmeister etwas oder ich bekam aus Drew was heraus. Aber sollte ich das wirklich tun? Wollte ich die Wahrheit kennen? Vielleicht war es das Klügste, das Ganze ruhen zu lassen. Lyall aus dem Weg zu gehen, ihn zu ignorieren. Das große Geheimnis zu vergessen, das um ihn gemacht wurde. Es wäre wahrscheinlich die beste Idee.

  Wenn da nur nicht dieses Gefühl gewesen wäre.

  Das Gefühl, dass ich ihn nicht vergessen wollte.

  Zwei Stunden später nahte endlich Ablenkung von meinen Gedanken – Paula hatte einen spontanen Termin vereinbart und schrieb mir eine Nachricht, ob ich mitkommen mochte. Also fand ich mich bald nach dem Besuch bei Gavina in einem der Ferienhäuser direkt am Loch Lair ein.

  »Die Aussicht ist unglaublich«, sagte ich, als ich an dem Fenster stand, das zum Wasser hinausführte. Der See glitzerte unterhalb der Terrasse in einem filmreifen Dunkelblau, das zum Grün der Bäume am anderen Ufer passte, als hätte man es so arrangiert. »Warum wurde es verkauft?«

  Paula trat neben mich, ihr Telefon in der Hand. »Der Eigentümer ist verstorben.«

  »Oh nein, wirklich? War es jemand aus der Stadt?«

  »Nein, ein Geschäftsmann von außerhalb, er hatte es als Wochenendhaus. Die wenigsten dieser Häuser gehören einem von uns. Wieso auch? Der Loch ist ja direkt in der Nähe.«

  Ich sah mich um. Die Möbel hatte man längst ausgeräumt, genau wie alles andere, sodass man gut sehen konnte, wie der Zustand des Hauses war: nicht allzu gut. Der Putz an den Wänden war alt und der Boden ziemlich verkratzt. Auch das Bad musste gemacht werden – die Handwerker würden hier eine Menge zu tun haben. Ich seufzte in mich hinein. Was hätte ich darum gegeben, es selbst renovieren zu dürfen? Ein Haus wie das hier war nach meinem eigenen Camper der nächste große Traum auf der Liste.

  »Ah, da sind ja die Käufer.« Paula lächelte und öffnete die Terrassentür, denn kein Mensch betrat diese Häuser durch den Vordereingang. Wir schüttelten die Hände des Pärchens in mittlerem Alter, das sich dieses Schmuckstück direkt am Loch Lair gekauft hatte und es nun renovieren lassen wollte, am liebsten im Landhausstil.

  Während Paula mit den beiden über ihre Vorstellungen und die Aufteilung im Wohnbereich sprach, wurde mein Blick nach draußen gezogen – zum Ufer des Loch. Dort kam nämlich in diesem Moment ein Schwimmer aus dem Wasser und ließ sich auf den Streifen Gras davor fallen.

  Ich sah, wie er sich auf den Rücken drehte, einen Arm über dem Gesicht. Erst, als er ihn wegnahm, erkannte ich, dass es Lyall war. Also schaute ich genauer hin.

  Sein nackter Oberkörper wäre in jedem Fall einen Blick wert gewesen, denn es war völlig klar, dass er regelmäßig Sport machte. Aber als ich mich von seinen Bauchmuskeln losreißen konnte, fiel mir etwas anderes auf – sein Brustkorb bewegte sich pumpend und viel zu schnell, so als hätte Lyall sich vollkommen verausgabt. Kein Wunder, das Wasser im Loch war trotz des Sommerwetters kalt und er schien nur in Shorts schwimmen gewesen zu sein. Etwa wegen der Sache im Blumenladen?

  »Kenzie? Hast du überhaupt zugehört?«

  Ich drehte mich um. Paula warf mir einen fragenden Blick zu.

  »Ich … nein, entschuldige.« Ich war mir sicher, dass jemand nach Lyall sehen sollte, aber ich konnte Paula nicht darum bitten und es in ihrer Gegenwart auch nicht selbst tun. Schließlich schienen alle in der Stadt sehr genau darauf zu achten, dass ich ihm nicht zu nahekam.

  »Was ist denn da?« Sie trat neben mich, und ich sah, dass sie die falschen Schlüsse zog. Pikiert verzog sich ihr Gesicht. »Ah, verstehe.«

  Nein, sie verstand nicht. Ich hatte nicht einen halb nackten Typen angestarrt, der da gemütlich am Ufer in der Sonne lag. »Ich mache mir Sorgen«, sagte ich, »er sieht aus, als ob –«

  »Mit ihm ist alles in Ordnung«, unterbrach mich Paula. »Siehst du?« Sie zeigte nach draußen, und ich erkannte, dass Lyall sich aufrappelte und ein klatschnasses Shirt über seine Schulter warf, bevor er sich auf den Weg in Richtung Hotel machte. Etwas an diesem Anblick zog an meinem Herzen, genau wie heute Vormittag auf der Straße. Schon mal daran gedacht, dass er dein Mitgefühl nicht verdient? Und dass er dich bei nächster Gelegenheit wieder so abblitzen lassen würde wie bei den letzten Malen? , fragte eine boshafte Stimme in meinem Kopf. Ja sicher , antwortete ich ihr. Aber langsam beschlich mich das Gefühl, dass hinter seinem Verhalten etwas anderes steckte als nur Überheblichkeit oder der Plan, mich für eine schnelle Nummer in sein Bett zu kriegen. Diese zwei Seiten, da passte etwas n
icht zusammen. Und ich wollte wissen, warum.

  Das Gefühl blieb und meldete sich auch noch hartnäckig, als ich längst wieder auf dem Campingplatz war. Ich nahm meinen Laptop, warf Google an und gab »Henderson Familie« ein. Sofort tauchten unzählige Ergebnisse auf, die meisten drehten sich um die Hotels. Fast an jedem angesagten Ort der Welt gab es ein Haus der Henderson Group , ausschließlich Luxushotels mit höchsten Standards – entweder als Stadthotel oder Ferienresort. Begonnen hatte das Imperium tatsächlich in Kilmore, als die Urgroßmutter von Lyall das Familienschloss zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ein Hotel umgewandelt hatte. Ihre Töchter Agatha und Honoria hatten dann nach dem Zweiten Weltkrieg stark expandiert – und Agathas Töchter Moira und Theodora sowie die Schwiegertochter Patricia leiteten die milliardenschwere Gruppe jetzt, während Agatha weiterhin die inoffizielle Herrschaft darüber hatte. Auch Honoria hatte Kinder, zwei Söhne, die offensichtlich nichts zu sagen hatten, dafür aber ihre Frauen, die hohe Posten im Marketing bekleideten. Das Hotelimperium war fest in weiblicher Hand. Mehrere Artikel schrieben über diese ungewöhnliche Art von Führung, bei der es wichtiger zu sein schien, wen die männlichen Nachkommen heirateten – als das, was sie selbst zustande brachten. Was für eine fürchterliche Vorstellung.

  Ich klickte mich weiter zur Bildersuche und fand schließlich eine Aufnahme der gesamten Familie. Agatha saß wie die Queen in der Mitte des Bildes auf einem gepolsterten Stuhl, aufrecht und streng, mit eisernem Blick und grauer Hochsteckfrisur. Rechts und links daneben reihte sich der Rest der Familie auf. Moira erkannte ich sofort, zusammen mit Fiona und einer jüngeren Ausgabe von ihr, die ihre Schwester sein musste. Die platinblonde Patricia saß neben Agatha und sah fast so streng aus wie sie. Neben ihr stand ein groß gewachsener rotblonder Mann mit einem freundlichen Gesicht, der seine Hände auf die Schultern zweier junger Männer gelegt hatte – einer rothaarig und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, der andere mit blonden Haaren und charmantem Lächeln. Der Mann musste Eric sein, der Sohn von Agatha und Vater von Logan und Finlay, wie ich der Bildunterschrift entnahm.

  Mein Blick wanderte auf die andere Seite, wo Theodora Henderson in einem weich fließenden blauen Seidentop aus der Masse an Hemden und Blusen herausstach. Auch neben ihr standen ihre Kinder – Lyall, der sie um einen halben Kopf überragte und dessen dunkle Augen mich sogar von diesem Foto aus zu mustern schienen. Und ein Mädchen, das vielleicht zwei oder drei Jahre jünger war als er. Lange, dunkelbraune Haare im gleichen Farbton wie die ihres Bruders fielen ihr filmreif über die Schultern, sie hatte das Kinn genau so weit gehoben, dass es selbstbewusst, aber nicht arrogant wirkte. Um ihren Mund spielte jedoch ein kaum wahrnehmbares Lächeln, das mir verriet, wie sie über diesen ganzen Zirkus dachte. Was hatte Tamhas gesagt – Drew hätte Edina Henderson zwei Sommer lang hinterhergehechelt? Ich verstand, wieso.

  Aber es schien keinen Mann neben Theodora zu geben, keinen Vater ihrer Kinder. Ich hatte mich für ihr Privatleben nie interessiert – bis jetzt. Also öffnete ich ein neues Fenster und gab »Theodora Henderson Ehemann« ein. Viele Treffer erschienen, vor allem auf Gossip-Websites und Blogs über die Superreichen. Alles aus zwischen Hotelerbin und Schwimmlegende titelte die britische Sun, Scheidung bei den Hendersons – was bekommt er laut Ehevertrag? schrieb eine US-amerikanische Seite. Ich rief den fast fünf Jahre alten Artikel auf und wusste sofort, warum Lyall und Edina die einzigen mit dunklen Haaren auf dem Familienfoto waren: Ross Henderson war nicht nur der Inbegriff eines attraktiven Mannes seines Alters, er hatte seine tiefbraunen Haare auch an seine Kinder vererbt – an Lyall sogar seine Augen, denn die von Edina schienen hell zu sein.

  Ich begann zu lesen.

  Was als große Liebe nach den Olympischen Spielen begann, endet nun vor Gericht: Theodora und Ross Henderson haben die Scheidung eingereicht. Um die Zahlung von Unterhalt und das Sorgerecht kümmern sich jetzt die Anwälte. Ross Boyd, der 1996 Silber über 200 Meter Freistil in Atlanta holte, musste bei der Hochzeit nicht nur den Namen seiner Frau annehmen, sondern auch einen umfassenden Ehevertrag mit Verschwiegenheitsvereinbarung unterschreiben – und dürfte sich dafür einige Zugeständnisse gesichert haben. Für die Kinder der beiden, Lyall (16) und Edina (13), wird sich jedoch nicht viel ändern – sie gehen ohnehin auf Internate im Vereinigten Königreich.

  Leise schnaubte ich. Was dachten diese Idioten denn? Dass es Kinder nicht kümmerte, wenn ihre Eltern sich trennten – nur weil sie nicht dauerhaft bei ihnen lebten? Das war doch bescheuert. Aber bevor ich noch mehr Klatsch las, wollte ich dringender etwas anderes wissen.

  »Lyall Henderson Kilmore Skandal« gab ich als Nächstes ein. Es gab viele Treffer, aber die meisten drehten sich um irgendwelche Gerüchte über andere Angehörige der Henderson-Familie. Ich fand einen Drogenskandal um Jamie Henderson, den jüngsten Bruder von Moira und Theodora, aber kein Wort über Lyall, der lediglich irgendwo am Rand erwähnt wurde. Ich suchte mich durch zwei Seiten an Ergebnissen, wurde allerdings trotzdem nicht fündig. Ja, er war offenbar öfter mal mit seinem Cousin Finlay um die Häuser gezogen und hatte in dem einen oder anderen Club Station gemacht, es gab jedoch nichts über ihn, Kilmore und das, was Tamhas erwähnt hatte. Also konnte es wohl nicht so schlimm sein, oder? Wenn es etwas Ernstes gewesen wäre, dann hätten es diese Gerüchte doch bis ins Netz geschafft.

  Ich fuhr damit fort, die Treffer zu durchforsten, und eine Stunde später, nachdem ich viel mehr über die Hendersons, aber immer noch nichts von dieser ominösen Sache erfahren hatte, lehnte ich mich zurück – kein bisschen schlauer und dennoch irgendwie erleichtert. Offenbar bauschten die Bewohner von Kilmore hier etwas auf, das gar nicht so dramatisch war, und Lyall war nicht das, was sie über ihn sagten.

  Und was bedeutet das für dich? , fragte die kleine Stimme in meinem Kopf.

  Ich gab ihr keine Antwort.

  12

  Lyall

  Es war, wie ich erwartet hatte – kaum war ich bis auf den Grund meines Seins erschöpft, hörten die Gedanken auf, die Sorgen, auch die Vorwürfe. Im kalten Wasser des Loch Lair war nichts außer mir, nichts außer meinem Körper. Weder der ganze Ballast, den ich über die Jahre angesammelt hatte, noch die Schuld oder all die Erinnerungen, die mich, seit ich zurück war, jede Nacht aufweckten. Da war keine Zukunft, keine Vergangenheit, keine Fehler. Nur ich.

  Also machte ich es zur Morgenroutine, meine Runde zu drehen – nicht die vom Samstag, als ich vor Erschöpfung kaum heil zurück ins Hotel gekommen war, sondern eine etwas kürzere, die mir genug Kraft aus den Knochen zog, um mich auf Kurs zu halten. Natürlich war die Episode in Gavinas Laden bis zu Moira vorgedrungen. Aber nach ihrer Standpauke hatte sie eingesehen, dass diese Botengänge nicht ihren Zweck erfüllten. Nun wollte sie warten, bis sie mit Grandma und dem Rat gesprochen hatte, um eine neue Strategie zu entwickeln. Und ich hatte so lange meine Ruhe.

  Zumindest fast. Denn die Meetings wegen des Neubaus fanden trotzdem statt und nachdem ich mit dem Bauleiter, dem Denkmalbeauftragten der Stadt und diversen anderen Leuten gesprochen hatte, stand am Dienstag wieder ein Treffen mit Paula an – und daher auch mit Kenzie. Sie hatte ihre Entwürfe dabei und erntete dafür einiges an Lob.

  »Das ist wirklich beeindruckend«, sagte Moira. »Ich hätte nicht gedacht, dass man mit wenigen Umstrukturierungen so ein Ergebnis erreichen könnte. Kompliment, Kenzie.«

  »Ich war das nicht allein.« Sie sah zu mir herüber. »Lyall hat mir echt hilfreiche Tipps gegeben, was die Gestaltung angeht. Und die Änderungen am Grundriss, die Sie hier sehen, waren allein seine Idee.«

  Jetzt schauten mich Moira und Paula so prüfend an, dass meine Verwunderung über Kenzies Worte sofort verpuffte. »Ihr habt gemeinsam daran gearbeitet?«, fragte meine Tante.

  »Wir haben uns nur kurz getroffen und ich habe meinen Senf dazugegeben«, spielte ich das Ganze herunter. Wenn Fiona ihrer Mutter nicht gesagt hatte, dass Kenzie bei mir in der Suite gewesen war, würde ich es ihr sicher nicht auf die Nase binden. Schon deswegen nicht, weil Kenzie nach unserem Streit und meiner Abfuhr am Samstag trotzdem noch so anständig war, keine fremden Lorbeeren einheimsen zu wollen.

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sp; Moira schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein. »Wir werden das auf jeden Fall intern besprechen, auch was die Grundrissänderungen angeht. Die Raumteiler gefallen mir außerordentlich gut.«

  »Ich kann Ihnen ein Muster bauen, wenn Sie möchten.« Kenzie saß plötzlich sehr aufrecht in ihrem Stuhl. Ich merkte, wie mein Mund sich zu einem Lächeln formen wollte. Da mich Paula jedoch im Blick hatte, verzog ich keine Miene.

  »Bauen? Du selbst?« Nun war Moira ernsthaft überrascht. Und auch zu mir drang die Bedeutung der Worte erst jetzt durch. Ich hatte schon bei der Baustellenbegehung bemerkt, wie wohl sich Kenzie dort gefühlt hatte. Aber ich war nicht davon ausgegangen, dass sie tatsächlich handwerklich begabt war. Wenn Mum dich je kennenlernt, wird sie dich sofort adoptieren wollen.

  Kenzie nickte selbstbewusst. »Das wäre kein Problem, wenn ich das Material irgendwo bekommen kann. Ich habe so etwas schon häufig gemacht.«

  »Unser Hausmeister, Mister Adair, könnte dir sicher helfen. Ihr kennt euch doch bereits, oder?«

  »Er hat mir den Dachboden gezeigt und die Aufnahmen von früher gegeben, die ich zur Inspiration benutzt habe.«

  »Dann sage ich ihm, dass du wegen des Materials auf ihn zukommst.« Moira lächelte, Kenzie erwiderte es, und diesmal konnte ich nicht verhindern, es ebenfalls zu tun.

  Als wir nach einer Stunde fertig waren, gingen Paula und Moira hinaus und Kenzie und ich blieben allein. Ich wusste, dass ich mich am besten auch direkt verabschiedet hätte, aber stattdessen sprach ich sie an.

  »Das war anständig von dir«, sagte ich. »Das mit den Grundrissänderungen, meine ich.«

  Sie hob die Schultern. »Fremde Federn stehen mir nicht.«

 

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