Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Home > Other > Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition) > Page 16
Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition) Page 16

by Kiefer, Lena


  »Hört auf!«, rief ich laut und trat auf die beiden zu. Zwar war es absurd, sie trennen zu wollen, aber ich wusste, ich musste es versuchen. Es war jedoch nicht nötig. Mein Ausruf stoppte den Kampf abrupt und sie ließen voneinander ab. Drew war sein Schreck deutlich anzusehen, aber Lyalls Blick zuckte nur kurz zu mir, bevor er seinen Gegner wieder am Kragen packte.

  »Ich warne dich zum letzten Mal, McCoy«, zischte er. »Hör auf, Scheiße über mich zu erzählen, oder du wirst es bereuen. Und drohe mir. Nie. Wieder.« Damit ließ er ihn los und kam auf mich zu. Ein ganzes Sammelsurium an Ausdrücken zeigte sich auf seinem Gesicht, wie im Zeitraffer sah ich Wut, Bedauern und dann nur noch eisige Kälte. Bevor ich allerdings einen Pieps von mir geben konnte, war er schon vorbeigelaufen und verschwand um die Ecke. Ich blieb zurück – mit Drew und diesem grässlichen Gefühl in meinem Bauch. Ob es an der Drohung gegenüber Paula lag, an Drews Worten über Ada oder Lyalls kaltem Blick, konnte ich nicht sagen. Aber es fühlte sich furchtbar an, zu merken, dass alles, was ich mir überlegt hatte, gerade einen grausamen Tod gestorben war. Lyall war offenbar nicht der, für den ich ihn hielt. Er war der, für den ihn alle anderen hielten.

  Und offenbar wollte er das nicht einmal mehr vor mir verbergen.

  16

  Lyall

  Ich stützte meine Arme gegen die Duschwand und schauderte, als das eisige Wasser auf meinen Kopf traf. Aber obwohl es sich anfühlte, als hätte man mich direkt ins Polarmeer gebeamt, hatte die Kälte einen angenehmen Effekt: Mein Schädel fühlte sich nur noch halb so groß an. Vielleicht konnte ich ihn ja jetzt wieder zum Denken benutzen.

  Dunkel zogen die Ereignisse des vergangenen Abends an mir vorbei. Finlays und mein Essen im Pub, der Liquid Room , Kenzie, die ausgerechnet auch dort aufgetaucht war und mich damit in Bedrängnis gebracht hatte. Natürlich hatte ich gewusst, dass mein Vorsatz, mich von ihr fernzuhalten, ins Wanken geraten würde, wenn ich ihr wieder begegnete. Aber dass es mich so rasend machen würde, sie mit einem anderen zu sehen, hatte ich nicht erwartet. Nur mit allergrößter Mühe war ich an Ort und Stelle geblieben, um ihr nicht nach draußen zu folgen – oder den Typen, der sie auf der Tanzfläche geküsst hatte, einen Kopf kürzer zu machen. Finlay hatte es bemerkt und vorgeschlagen, die Location zu wechseln, aber auf dem Weg zur Toilette war dann Drew aufgetaucht, hatte mich in den nächsten dunklen Gang gezerrt und zur Rede gestellt. Mir war das nur recht gewesen, schließlich wäre es in Kilmore deutlich schwerer geworden, ihm klarzumachen, wer von uns die Regeln in diesem Spiel bestimmte. Und mit meiner Wut war ich bei ihm an der richtigen Adresse gewesen. Die Erinnerung an die Prügelei verschaffte mir ein ungewohntes Gefühl von Genugtuung. Eins war sicher: McCoy wusste jetzt, dass er mir nie wieder zu nahekommen durfte.

  Genau wie Kenzie.

  Ich drehte mich um und ließ mir das kalte Wasser über den Rücken laufen. Wahrscheinlich hätte ich froh sein sollen, dass es mir so einfach gemacht wurde. Ich hatte Kenzies Blick gesehen: Es war der von jemandem gewesen, der begriffen hatte, dass nichts war wie gedacht. Dass ich nicht war wie gedacht. Sie würde nach dem, was sie gehört hatte, sicher Abstand halten – und damit war mein Problem gelöst.

  Nur fühlte es sich nicht danach an.

  Ganz im Gegenteil.

  Ich stellte das Wasser ab und verließ die Dusche, um mich abzutrocknen. In dem Moment ging die Badezimmertür auf und jemand kam herein.

  Richtig, da war ja noch was.

  Etwas sehr Hübsches, wie ich bemerkt hatte, nachdem ich vorhin aufgewacht war. Als ich mich bewegt hatte, um auf mein Handy zu sehen, hatte sie sich mit einem Laut beschwert, der wahnsinnig niedlich klang und mir trotzdem ein unwohles Gefühl im Magen beschert hatte. Daraufhin war ich aufgestanden und unter die Dusche gegangen, um es wieder loszuwerden. Vergeblich.

  »Hey«, sagte mein nächtlicher Gast lächelnd, und ich sah in schöne grüne Augen. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass du aufgestanden bist.«

  »Ich wollte dich nicht wecken«, sagte ich mit einem müden Lächeln.

  »Na, jetzt bin ich wach, also …« Sie öffnete die Kordel ihres Bademantels und ließ ihn fallen. Dann kam sie auf mich zu. »Dios mio, bist du kalt«, fluchte sie, schmiegte aber trotzdem ihren warmen Körper an meinen eiskalten und ließ ihre Hand über meine Bauchmuskeln nach unten gleiten. Ich atmete ein, als sie die Region erreichte, mit der sie sich in der letzten Nacht ausgiebig beschäftigt hatte.

  Auch daran erinnerte ich mich – wie Finlay und ich den Club verlassen hatten, gemeinsam mit ein paar Models, die mein Cousin aufgetrieben hatte, und wie ich mit einer von ihnen in diesem Zimmer gelandet war. Weil ich wenigstens eine Nacht vor meinen ständigen Gedanken hatte fliehen wollen. Mit Roja. Nein, Rita. Verdammt . Was sagte es über mich aus, dass ich mit ihr geschlafen hatte und nicht einmal ihren Namen wusste? Dass du Ablenkung gebraucht hast, Mann, sagte Finlays Stimme in meinem Kopf. Da hatte er recht. Aber deswegen fühlte ich mich trotzdem beschissen. Und das lag nicht nur an meinem Kater.

  »Hey, wo bist du mit deinen Gedanken? Bei mir jedenfalls nicht.« Das Roja-Rita-Mädchen grinste, dann reckte sie ihren Kopf nach oben und küsste mich. Mein Körper war längst der Ansicht, zusätzliche Ablenkung würde nicht schaden, also stieg ich darauf ein und erwiderte den Kuss. Aber als ich merkte, ich fühlte nichts von dem überwältigenden Wunsch nach mehr, ging ich auf Abstand.

  »Entschuldige. Ich glaube, ich muss hier mal raus.« Je mehr ich nachdachte, desto unerträglicher war die Vorstellung, noch länger in ihrer Nähe zu sein.

  »Auch gut. Wir können drüben weitermachen.« Das Model lächelte und hob die Schultern, bevor sie nach der Türklinke griff.

  »Nein, geh ruhig duschen«, sagte ich schnell. »Ich ziehe mich nur an und bin dann auch schon weg.«

  »Oh«, machte sie nur.

  »Sorry. Es liegt nicht an dir.« Ich lächelte. »Das heute Nacht war wirklich unglaublich, aber ich habe einen frühen Termin und muss mich beeilen.« Das war zwar größtenteils gelogen – ich hatte keinen Termin und der Sex war so gut gewesen, wie er nach einer zufälligen Begegnung sein konnte, aber nicht unglaublich. Es gab jedoch keinen Grund, das zu sagen und ihr damit vielleicht wehzutun.

  »Schon verstanden.« Sie schien nicht allzu enttäuscht zu sein. »Ich habe in zwei Wochen ein Shooting in der Gegend. Falls du Lust auf eine Wiederholung hast, ruf mich an. Meine Agentur hat die Nummer.«

  Ich nickte, obwohl ich wusste, dass ich sie nicht anrufen würde, dann zog ich mich an und sagte ihr, dass sie so lange bleiben könne, wie sie wollte. Als ich die Zimmertür hinter mir zuzog, war ich erleichtert.

  »Wo bist du?«, fragte ich Finlay eine Minute später am Handy.

  »Zimmer 143«, antwortete er wacher als erwartet. Als er mich ein Stockwerk tiefer reinließ, war er allein.

  »Was ist schiefgelaufen?« Ich sah ins Bad, aber auch das war leer. Und das Bett sah nicht danach aus, als wäre Finlays Nacht ähnlich verlaufen wie meine.

  »Nichts«, gähnte mein Cousin und fuhr sich durch die blonden Haare. »Ich habe doch gesagt, dass es um dich geht, nicht um mich.«

  Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Und trotzdem hing die blonde Schönheit an deinem Hals, als wir hergekommen sind. Also?« Finlay antwortete nicht, sondern zog seinen Pullover über den Kopf. Als sein Gesicht wieder sichtbar wurde und ich den Ausdruck darauf sah, wurde mir klar, worum es hier ging. Oder eher, um wen . »Wann hat sie dich angerufen?«

  Er schien zu überlegen, ob er es leugnen sollte, aber dann atmete er aus. »Als ich gerade hier angekommen war. Sie wollte einfach hören, wie es läuft, also habe ich Sandy mein Zimmer überlassen und mich in ein anderes verzogen. Und dann haben wir die halbe Nacht geredet.«

  »Fin, das ist nicht gut für euch«, sagte ich ernst. »Es ist nicht gut für uns alle. Wenn davon irgendwas nach außen dringt, dann –«

  »Ich weiß das, Lye!«, rief er aus. »Ich weiß es seit fast vier Jahren. Seit zwei haben wir uns nur selten gesehen, seit einem reden wir kaum noch miteinander.« Er seufzte tief. »Aber das ändert nichts hier«, er tippte sich an die Schläfe und zeigte dann auf sein Herz, »oder hier.«r />
  Unglücklich sah ich Finlay an, Mitgefühl überflutete meine eigenen Sorgen. »Ich rede mit ihr«, sagte ich leise.

  »Nein, bitte nicht, das macht es nur schlimmer.« Er setzte sich aufs Bett. »Wie hast du gestern gesagt? Ich habe es im Griff.«

  »Das war gelogen«, gab ich zu. Finlay schnaubte halb belustigt, halb verzweifelt.

  »Willkommen in meiner Welt, Mann.« Er sah mich an. »Was ist mit dir? Du hast Raica ja ziemlich früh verlassen.«

  »So hieß sie also.« Ich ließ mich auf den Sessel fallen, der neben dem Bett stand. »Es war … gut, schätze ich. Aber ich war nicht richtig bei der Sache und wollte der Nacht deswegen keine zweite Runde folgen lassen.«

  »Und was ist mit Kenzie?« Finlays Blick wurde wachsamer. Er hatte sie bemerkt, gestern Abend im Club, sie und meine Reaktion auf ihre Anwesenheit. Er wusste, was da war. Wahrscheinlich besser als ich selbst.

  Ich dachte an den Streit mit Drew, daran, dass wir uns geprügelt hatten, direkt vor Kenzies Augen. Daran, wie sie mich danach angesehen hatte. Was sie vermutlich alles gehört hatte – dass ich ihm gedroht hatte, seiner Mutter gedroht hatte. Und vor allem, dass kein Protest über meine Lippen gekommen war, als er so widerwärtige Worte für die Art benutzt hatte, wie ich mit Frauen umging. Ich holte Luft.

  »Kenzie weiß seit gestern genug über mich, um kein Thema mehr zu sein.«

  Nie mehr.

  17

  Kenzie

  Arbeit war die beste Medizin, das stand fest. Nachdem ich nachts noch mit dem Taxi von Edinburgh zurück nach Kilmore gefahren war und dafür ein halbes Vermögen ausgegeben hatte, war ich sofort schlafen gegangen und am nächsten Morgen um sechs Uhr aufgestanden, um mit dem Raumteiler für Moira Henderson loszulegen.

  Mister Adair hatte mir dafür die Werkstatt des Hotels zur Verfügung gestellt, die ganz am hinteren Ende des parkähnlichen Grundstücks lag. Dort baute ich seit heute Morgen an dem Rohgerüst und merkte mit jeder Minute, die ich mit Säge und Holz arbeitete, dass ich mich mehr entspannte. Hier war ich allein und ungestört. Ich musste nicht mit Drew reden oder mit Amy, der ich auf dem Rückweg eine Nachricht geschrieben hatte, dass ich zurück nach Kilmore fuhr. Und ich musste vor allem nicht über Lyall nachdenken. Darüber, wie hart es mich getroffen hatte, was ich gestern mit eigenen Ohren gehört hatte. Nicht nur die Drohung, sondern vor allem das, was Drew über Ada gesagt hatte, und Lyalls Reaktion darauf. Er war auch vorher kein Ausbund an Höflichkeit gewesen, nur hatte ich nach unserem Kuss geglaubt, das läge daran, dass er in Kilmore immer unter Beobachtung stand und mich damit einfach auf Abstand halten wollte. Aber gestern konnte das nicht der Grund für sein Verhalten gewesen sein, er hatte ja nicht einmal gewusst, dass ich in der Nähe war – und Drew dennoch bedroht. Wenn ich daran dachte, wurde mir trotz Sonnenschein wieder kalt. Der harte Klang seiner Stimme, der fremde Akzent, die Aggressivität in seinen Worten … wie hatte ich nur denken können, ich wüsste besser als alle anderen, wie Lyall Henderson war? Meine Menschenkenntnis hatte eindeutig eine Fehlfunktion.

  Es war schon um die Mittagszeit, als ein Auto auf den privaten Parkplatz der Hendersons fuhr, der nur hundert Meter von der Werkstatt entfernt lag. Es war einer von diesen lächerlich winzigen Sportwagen, in die außer dem Motor nichts hineinpasst. Okay, außer dem Motor und zwei Kerlen an die 1,90, korrigierte ich. Ausgerechnet Lyall und sein Cousin – ich hatte ihn von dem Familienfoto wiedererkannt – stiegen aus und nahmen Reisetaschen vom Rücksitz. Sie waren offenbar über Nacht in Edinburgh geblieben.

  Lyall ging um das Auto herum und sein Blick fiel auf mich, aber seine Haltung war die gleiche wie in der letzten Nacht, als er an mir vorbeigelaufen war: abweisend und kalt. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich den Streit mitbekommen hatte – oder an mir und Riley auf der Tanzfläche. Eines von beidem musste es sein, denn im Gegensatz zu ihm hatte ich nichts getan, das meinen Charakter infrage stellte. Aber vielleicht hatte er nach dem Stress mit Drew auch einfach nur beschlossen, mich abzuhaken. Was genau das war, was ich ebenfalls tun sollte.

  Ich drehte mich wieder um und schliff weiter die Holzlatten, die mir als Rahmen dienen sollten. Das Geräusch des Schwingschleifers war so laut, dass ich ihn beinahe fallen ließ, als ein Klopfen hinter mir ertönte. Ich fuhr herum und sah direkt in das Gesicht von Lyalls Cousin.

  »Hi«, sagte er freundlich.

  »Hi«, machte ich ebenfalls und legte den Schleifer beiseite. »Kann ich dir helfen?«

  »Mir ist nicht zu helfen, glaub mir.« Er hob nonchalant die Schultern und schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans. Die Manschetten des sicherlich maßgeschneiderten dunkelblauen Hemdes rutschten hoch. »Aber ich wollte einfach mal Hallo sagen. Ich bin Finlay.«

  »Hallo, Finlay«, sagte ich und grinste. Es war schwierig, das nicht zu tun, denn sein Lächeln brauchte einen Waffenschein. Was an Lyall dunkel war, war an ihm hell – die Haare, die Augen, sein ganzes Wesen schien zu strahlen. Ich mochte ihn von der ersten Sekunde an. »Ich bin Kenzie.«

  »Sehr erfreut.« Er verneigte sich leicht und sah dann interessiert zur Werkbank. »Was treibst du hier, Kenzie?«

  »Es ist ein Modell für deine Tante. Ich mache ein Praktikum bei Paula McCoy, der Innendesignerin, die den Neubau für das Hotel ausstattet. Bei den Planungsgesprächen hat sich herausgestellt, dass L…, dass die Grundrisse eventuell etwas offener gestaltet werden könnten – mit einem Raumteiler wie diesem hier.« Ich zeigte auf meinen Entwurf, der auf der Werkbank lag. »Deswegen baue ich jetzt einen davon, damit man sich das Ganze besser vorstellen kann.«

  Finlay pfiff anerkennend durch die Zähne. »Sieht cool aus. Also, ich verstehe quasi nichts von Design, aber es gefällt mir. Wenn es anders wäre, würde ich es dir allerdings auch nicht sagen. Mit Frauen, die solche Maschinen bedienen können«, er zeigte auf die verschiedenen Werkzeuge neben mir, »sollte man sich nicht anlegen.«

  »Kluger Junge«, nickte ich. »Du hast keine Ahnung, was ich unhöflichen Kerlen schon alles abgetrennt habe. Im Süden kennt man mich nur als Chainsaw Kenzie.« Zum Beweis hielt ich eine von Mister Adairs Sägen hoch.

  Die Antwort war ein schallendes Lachen. »Ich werde es Lyall ausrichten«, sagte Finlay und sah erschrocken aus, als er meine Reaktion auf diesen Satz bemerkte. »Sorry, ich wollte nicht –«

  »Nein«, fiel ich ihm ins Wort. »Hast du nicht.« Also hatte ihm Lyall von mir erzählt. Sollte mich das freuen? Oder eher beunruhigen? Es war irgendwie beides. »Wenn du von Design keinen Plan hast, womit verbringst du dann deine Zeit?«, wechselte ich rasch das Thema.

  »Mit einem Jura-Studium. Zumindest, wenn ich es nicht verhindern kann.«

  »Oha«, entfuhr es mir, und an meinem Gesicht konnte man vermutlich ablesen, was ich davon hielt.

  »Hey, keine Vorurteile«, mahnte Finlay. »Das Schlimmste an Jura sind die anderen Juristen. Wenn man sich von denen fernhält, dann ist es echt interessant.«

  Ich lachte auf. »Und wie macht man das? Sich von den anderen Juristen fernhalten?«

  »Am besten, indem man so wenig wie möglich arbeitet.« Er grinste mir verschwörerisch zu. »Deswegen habe ich mich auch bei meinem Praktikum in New York aus dem Staub gemacht.«

  Und da waren sie wieder, die Privilegierten, die tolle Praktika bekamen und es nicht zu schätzen wussten. Allerdings konnte ich das Finlay nicht übel nehmen – erstens war das bei ihm schlicht nicht möglich und zweitens hätte ich in einer Anwaltskanzlei keine zwei Stunden durchgehalten.

  »Also bleibst du den Rest des Sommers in der Stadt?«, fragte ich ihn.

  Er lehnte sich an die Werkbank und hob die Schultern. »Das hängt davon ab, ob meine Grandma es erlaubt.«

  »Deine Grandma?« Ich erinnerte mich an das Foto mit Agatha Henderson in der Mitte, als wäre sie eine Clanführerin. »Sie entscheidet darüber, was du mit deinen Ferien anfängst?«

  »Allerdings«, schnaubte er. »Dass ich das Praktikum vorzeitig beendet habe, wird sie nicht groß jucken. Aber ich hatte eigentlich ein Einreiseverbot für Kilmore in diesem Sommer.«

  Mir schwante etwas. »Etwa wegen Lyall?«

  »Du bist hübsch, kannst
mit diesen ganzen Geräten umgehen und auch noch logisch schlussfolgern?« Finlay sah mich begeistert an. »Halte dich bloß von mir fern, Kenzie. Sonst mache ich dir einen Antrag, bevor wir Herbst haben.«

  Seine Worte brachten mich erneut zum Lachen. »Vorsicht, vielleicht würde ich sogar Ja sagen.«

  »Natürlich würdest du. Wie kann man dazu«, er deutete auf sich und dann auf sein Auto, »Nein sagen?«

  Ich sah zu dem Sportwagen. »Also, zu der Sardinenbüchse da drüben auf jeden Fall. Ich bevorzuge Autos, in denen man übernachten kann.«

  »Übernachten? In einem Auto? Warum sollte man so etwas Wahnsinniges tun?«

  Ich seufzte übertrieben. »Ihr Hotelerben immer. Null Sinn für das richtige Leben. Du hast keine Ahnung, was dir entgeht, wenn du immer nur in Zimmern schläfst, wo Schokolade auf dem Kissen liegt.«

  »Schokolade auf dem Kissen? Das ist so was von vier Sterne.« Finlay schüttelte den Kopf. »Bei uns gibt es eine Etagere mit einer erlesenen Auswahl an Trüffelpralinen auf dem Nachttisch. Und darauf kann ich nicht verzichten.«

  »Oh, ich habe bestimmt irgendwo noch ein Snickers aus dem letzten Sommer herumliegen.«

  Finlay verzog das Gesicht. »Klingt verlockend, aber nein, danke.«

  »Obwohl ich deine neue große Liebe bin?«, grinste ich. »Das enttäuscht mich jetzt doch ein bisschen.«

  Für einen Moment verdunkelten sich seine Augen, als würde er an jemand anderen denken. Aber dann ging die Sonne erneut auf, als wäre nichts gewesen. »Ich bin sicher, wir werden uns da einig. Auch wenn ich vermutlich bald aus der Stadt verschwinden muss, weil ich Lyalls Mission hier nicht gefährden soll.«

  Plötzlich waren da wieder die Bilder und Worte aus dem Club in Edinburgh in meinem Kopf. Wenn Lyall Drew derartig drohte, dann hatte er vermutlich etwas zu verlieren. Hing das mit dem zusammen, was er vor unserem Kuss zu mir gesagt hatte? Ich sah Finlay an. »Wie könntest du die denn gefährden?«, fragte ich. Schließlich konnte ich schlecht danach fragen, wie diese Mission genau aussah.

 

‹ Prev