by Kiefer, Lena
Sie atmete ein und ich hörte das Zittern darin. »Mach es mir nicht so schwer, okay? Du musst doch selbst sehen, das mit uns hat keine Zukunft. Du studierst in Chicago und ich will hier bei meiner Familie sein – man sieht ja, was passiert, wenn ich es nicht bin. Ich hab einfach keine Ahnung, wie das funktionieren soll.«
»Dafür finden wir schon eine Lösung. Ich kann dich besuchen kommen, und außerdem bin ich nur noch ein Jahr in Chicago an der Uni und dann ohnehin auf der ganzen Welt unterwegs, schließlich –«
»Lyall, hör auf damit, bitte«, sagte sie nun mit mehr Nachdruck. »Es spielt keine Rolle, ob das alles funktionieren würde, denn die Wahrheit ist … es reicht einfach nicht. Das zwischen uns, meine Gefühle für dich reichen nicht für mehr. Ich bin dir wahnsinnig dankbar für alles, was du für mich getan hast, und ich mag dich, wirklich. Aber nicht … nicht genug.«
Ich umkrampfte mein Telefon so stark, dass es knirschte.
»Nicht genug? Ist das dein beschissener Ernst?!« Ich wusste, ich war zu laut, ich wusste, es würde nicht helfen, wenn ich sie anfuhr, aber ich konnte nicht anders. »Ich bin kein Idiot, Kenzie, okay?! Ich weiß, das zwischen uns bedeutet etwas! Warum redest du so einen Bullshit?«
»Das ist kein Bullshit!«, antwortete sie eisern. »Wenn es für dich etwas Besonderes ist, tut es mir ehrlich leid. Ich wollte dir nie wehtun. Aber ich habe gemerkt, dass es für mich zu wenig ist.«
Wie kann sie so etwas sagen? Nach allem, was war?
»Liegt es an der Sache mit Ada?«, kam es mir plötzlich in den Sinn. Vielleicht hatte sie das Ganze im Nachhinein doch mehr geschockt als gedacht.
»Nein, damit hat es nichts zu tun.« Plötzlich klang sie etwas weicher. »Was Ada angeht, bleibe ich bei meiner Meinung. Es war nicht deine Schuld.«
Die Gedanken in meinem Kopf vermischten sich mit meinen Gefühlen und produzierten blankes Chaos. »Was ist es dann? Was ist in den letzten zwei Tagen passiert, dass du nicht daran glaubst, wir hätten eine Chance verdient?«
Sie holte Luft. »Es ist nichts passiert. Ich … du bist nur einfach nicht das, was ich mir für meine Zukunft vorstelle. Deine Familie, deine Pläne für eure Firma, das ist nichts für mich. Ich brauche jemanden, der weniger Ballast mit sich herumträgt, Lyall. Jemanden, der nicht glaubt, er wäre beschädigte Ware.«
Der Schlag saß. Sie hatte mich mit meinen eigenen Bedenken, meinen eigenen Worten außer Gefecht gesetzt. Schachmatt in zwei Zügen . Aber warum so plötzlich? Was hatte ich verpasst? Wir hatten gestern Abend noch telefoniert und Kenzie war so gewesen wie immer. Oder nicht? Hatte ich das nur geglaubt? Ich hasste es, dass ich ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. Dass ich nicht wusste, was sie dazu gebracht hatte. Vielleicht sagt sie einfach nur die Wahrheit. Vielleicht hast du mehr reininterpretiert, als da ist.
Ich spürte einen kalten Stein in meinem Magen, als mir klar wurde, dass meine Intuition mich wieder einmal verlassen hatte. Genau wie damals. Wie bei Ada hatte ich mich in die Falsche verliebt.
»Verstehe«, hörte ich mich sagen, ohne es zu meinen. Am liebsten hätte ich sie angebrüllt, was ihr einfiel, ausgerechnet das gegen mich zu verwenden. Aber es waren meine Argumente gewesen. Und ich wusste, es würde nichts bringen. Sie hatte sich entschieden.
Gegen mich.
»Ich komme am Sonntag zurück, um meinen Wagen zu holen«, sagte Kenzie mit fester Stimme. »Mein Praktikum werde ich abbrechen. Ich glaube, es ist besser so.«
Und da, als ich diese nüchternen Worte hörte, meldete sich endlich die eiskalte Version von mir zurück, die ich so sehr verabscheute – die aber für solche Situationen wie geschaffen war. Situationen, in denen ich mich schützen musste. »Das brauchst du nicht«, hörte ich mich sagen und es klang fremd, »schließlich bist du darauf angewiesen.«
»Du meinst, das Praktikum wird meine einzige Empfehlung sein, weil du deiner Mutter sagen wirst, sie soll mir bei meiner Bewerbung nicht helfen?«, fragte sie.
Ich schnaubte abfällig. »Das würde ich nie tun. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, Kenzie: Ich bin hier nicht das Arschloch. Sondern du.«
Dann legte ich auf. Das Telefon fiel neben mir auf das Polster, während ich die Fäuste ballte und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Aber ich fand keine Erklärung dafür. Sie hatte mich eiskalt erwischt. Wie hatte ich glauben können, dass es jemanden gab, mit dem ich mehr haben konnte? Für Kenzie war das zwischen uns nichts Besonderes gewesen, sondern nur ein bisschen Spaß mit einem Typen, dessen Leben ihr eigentlich viel zu anstrengend war. Und ich hatte mich vollkommen zum Affen gemacht. Mehr noch, ich hatte meine komplette Zukunft für sie aufs Spiel gesetzt.
»Fuck!« Ich nahm mein Handy vom Sofa und schleuderte es wütend gegen die Wand der Suite. Aber es tat mir nicht den Gefallen, in tausend Teile zu zerbrechen, nein. Es knallte mit einem dumpfen Laut an die teure Tapete und landete unversehrt auf dem Boden.
… direkt vor Finlays Füßen, der in diesem Moment die Tür öffnete.
»Woah, Alter, was geht denn bei dir ab?«
Ich wollte nicht mit ihm darüber reden, ich wollte überhaupt nie mehr darüber reden. Und trotzdem formten meine Lippen die Worte, so als hätten sie das selbst entschieden.
»Kenzie«, brachte ich heraus. »Sie hat das zwischen uns beendet.«
»Sie hat was ?!« Finlay starrte mich an. »Ich dachte, es läuft gut. Was zur Hölle ist passiert?«
»Keine Ahnung.« Ich lachte freudlos auf. »Wahrscheinlich habe ich mir was vorgemacht. Darauf gehofft, es wäre das Richtige, genau wie bei Ada damals. Ich bin einfach ein Henderson. Die kriegen alles hin, außer Beziehungen.«
»Das ist doch Schwachsinn«, widersprach Finlay. »Es gibt schließlich keinen Familienfluch oder so was.«
»Ach nein?« Ich zeigte auf ihn, dann auf mich. »Beweisstück A, Beweisstück B. Sieh es ein, Fin. Wir haben vielleicht keine Probleme, Frauen ins Bett zu kriegen, aber sobald es um etwas Ernstes geht, sind wir richtig beschissen.«
Ich ließ ihn nicht antworten, sondern einfach stehen. Mit wenigen Schritten war ich nebenan im Schlafzimmer und zerrte meine Laufkleidung aus dem Schrank.
»Was hast du vor?« Finlay kam mir nach. »Willst du zu ihr fahren?«
»Um mir noch mal ins Gesicht sagen zu lassen, dass ihre Gefühle nicht ausreichen und ich zu viel Ballast mit mir herumtrage? Gott, nein. Ich mache mich ganz sicher nicht noch mehr zum Vollidioten.« Ich zerrte mir mein T-Shirt über den Kopf und zog eines der Sportshirts an. »Ich gehe jetzt laufen. Und wenn ich wieder da bin, brauchen wir einen Plan, wie wir diese ganze Scheiße vergessen.«
Finlay sah mich zweifelnd an. »Bist du sicher, dass du das willst? Vielleicht –«
»Ich bin sicher«, unterbrach ich ihn. Ich wollte Kenzie einfach nur aus dem Kopf kriegen, sie und meine Gefühle, die mir so fürchterlich ernst und nun fürchterlich sinnlos vorkamen. Und den Schmerz loswerden, der mir den Hals zuschnürte, weil ich sie verloren hatte, ohne zu wissen, warum.
Während ich das Zimmer verließ und die Personaltreppe nach unten nahm, stiegen mir Tränen in die Augen, aber ich wollte sie nicht zulassen. Ich blinzelte sie weg, holte meine Wut an die Oberfläche. Sie war jedoch nicht stark genug, um die Hilflosigkeit zu vertreiben.
Und als ich dann loslief, um den Kopf freizukriegen, wurde er immer voller – mit den Gesprächen, Begegnungen, unserer Zeit in den Highlands, der unglaublichen Nacht dort, mit allem davor und danach. Ohne es zu wollen, suchte ich, analysierte, fahndete nach dem Moment, in dem es schiefgegangen war. Aber egal, wie weit ich lief, ich kam nicht dahinter. Also lief ich so lange, bis ich nicht mehr konnte.
So lange, bis ich nicht mehr wusste, ob mir die Tränen noch vor Kummer oder schon vor Erschöpfung kamen.
32
Kenzie
In meinem Zimmer war es bereits dämmrig und mit jeder Sekunde wurde es dunkler. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war. Oder seit wann ich hier saß, auf dem Boden, den Rücken an den Heizkörper gelehnt. Es musste spät sein, schließlich wurde es im Sommer nicht sonderlich früh dunkel. Vielleicht zehn.
Unten im Haus hörte ich die Tür, offenbar war eine meiner
Schwestern zurückgekommen. Dad war noch mal in die Firma gefahren, Eleni verbrachte heute die letzte Nacht im Krankenhaus, Willa hatte ein Date, also blieb nur Juliet, die zum Lernen bei einer Freundin gewesen war. Ich rührte mich jedoch nicht, machte mich nicht bemerkbar. Vielleicht dachte sie dann, dass keiner zu Hause sei.
Schritte auf der Treppe und ein fragender Ruf zerstörten meine Hoffnung. Aber bevor ich antworten konnte, ging bereits die Tür auf.
»Kenzie?« Willa streckte den Kopf herein und entdeckte mich. »Warum sitzt du denn hier im Dunkeln?«
Weil ich es nicht geschafft habe, aufzustehen.
»Nur so. Wieso bist du schon zurück?« Meine Stimme klang vom Weinen wie ein Reibeisen und ich räusperte mich. »War das Date so schlimm?«
»Schlimmer. Ich lasse mich nie wieder auf so ein dämliches Blind Date ein. Serena hat gesagt, Tom wäre ein Supertyp, total mein Fall. Von wegen.« Willa schüttelte den Kopf. »Wenn ich einen Fitnessfreak ohne Sinn für Humor wollte, dann wäre er perfekt. Er hat mich im dritten Satz gefragt, was ich an Cardio mache und ob ich ernsthaft Pasta essen will, weil es doch schon nach 19 Uhr sei. Ich hab mir die Pasta dann einpacken lassen und bin weg. Wollen wir sie teilen? Nur, wenn du Kohlenhydrate nach 19 Uhr isst, natürlich.«
Ich grinste müde. »Heute nicht, danke.«
»Alles okay?« Sie kam näher und schaltete die Stehlampe neben meinem Bett ein. »Hast du geheult?«, fragte sie, plötzlich besorgt. »Was ist denn los?«
Erneut schnürte sich meine Kehle zu und ich brachte kein Wort heraus. Sofort war meine Schwester bei mir und nahm mich in den Arm, aber das machte es nicht besser. Im Gegenteil, in der nächsten Sekunde kamen die Tränen wieder. Ich versuchte, sie zurückzuhalten, es war jedoch unmöglich. Mein Kummer brach über mich herein wie die Nacht draußen vor dem Fenster, und ich weinte Willa das sorgsam gewählte Outfit voll, während sie mich an sich drückte und geduldig wartete, bis ich mich ein wenig beruhigt hatte.
»Hat Lyall irgendeinen Mist angestellt?«, fragte sie mich. »Wenn ja, werde ich ihm wehtun. Ganz egal, wie hübsch er ist.«
Ihre Worte halfen kein bisschen. Ich schniefte. »Nein, ich war das. Ich habe Schluss gemacht.« Und ich hatte mir, aber vor allem ihm furchtbar wehgetan mit der Art, wie ich es beendet hatte. Ich brauche jemanden, der weniger Ballast mit sich herumträgt, Lyall. Jemanden, der nicht glaubt, er wäre beschädigte Ware.
Durch Willa ging ein Ruck und sie ließ mich los.
»Bist du völlig bescheuert?«, rief sie. »Der Typ ist eine verdammte 256 auf einer Skala von 1 bis 10! Wie kannst du den in die Wüste schicken?«
Meine Lippen bebten, und ich presste sie fest aufeinander, um sie daran zu hindern. »Ich hatte keine andere Wahl«, brachte ich heraus. »Ich musste ihm sagen, dass meine Gefühle nicht reichen. Ihn denken lassen, das mit uns sei nur eine Sexgeschichte gewesen.«
Willa holte Luft. »Aber wieso? Hast du etwa keine Gefühle für Lyall?«
»Doch!« Meine Stimme brach. »Doch, natürlich, ich habe noch nie für jemanden so etwas empfunden wie für ihn. Er ist so verdammt richtig für mich, dass es wehtut! Aber wenn … wenn ich es nicht beendet hätte, dann wäre alles den Bach runtergegangen. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass Lyall sich die ganze Zukunft versaut.« Das nächste Schluchzen kämpfte sich nach oben. Ich drückte die Hand auf den Mund.
»Die Zukunft? Was meinst du damit?« Willa sah mich ratlos an.
»Wegen seiner Familie«, stieß ich hervor. »Bei denen gibt es strenge Regeln für so ziemlich alles, sonst wirst du verbannt und darfst mit niemandem mehr Kontakt haben. Und Lyall hatte Auflagen für den Sommer in Kilmore.«
»Was für Auflagen?«, fragte meine Schwester. »Muss er immer um Mitternacht zu Hause sein und regelmäßig sein Zimmer aufräumen?«
Ich lachte unter Tränen. »Nein, nicht so was. Eher: Fang bloß nichts mit irgendjemandem an, solange du hier bist .«
»Aber das hat er getan«, stellte Willa fest. »Mit dir.«
»Ja«, antwortete ich. »Seine Schwester hat es zwar geschafft, das unter den Teppich zu kehren, aber wenn noch mal auch nur das Geringste zwischen uns passiert, wird seine fürchterliche Großmutter das benutzen, um ihm alles wegzunehmen.«
Und dann erzählte ich Willa die ganze Geschichte – von den Henderson-Regeln, von Lyalls Sommer vor drei Jahren, von Ada und seinem Plan, die Machtverhältnisse in der Familie umzukrempeln. Und während ich darüber sprach, kam es mir so unglaublich unfair vor, dass es hier gar nicht um mich und ihn ging, sondern um das öffentliche Bild eines Menschen, der so wunderbar war und nur das Beste wollte – und wegen dieser dummen Sache von vor drei Jahren nun auf der Abschussliste seiner eigenen Familie stand.
»Wow«, stieß Willa aus, als ich fertig war. »Das ist echt scheiße vertrackt. Und deswegen hast du es beendet? Um ihn zu beschützen?«
Ich nickte und begann wieder zu weinen, weil ich mich so sehr dafür schämte. Es war einer der schlimmsten Momente meines Lebens gewesen, Lyall am Telefon zu sagen, dass es vorbei war. Ihm so wehzutun wie bei dem Satz, dass er beschädigte Ware war, ihn mit genau den Worten zu verletzen, die er selbst gegen sich vorgebracht hatte. Seine Fassungslosigkeit zu ertragen, seine Wut und dann die Kälte, als ihm klar geworden war, ich meinte es ernst.
Willa schüttelte den Kopf. »Aber das ist doch irre. Es muss eine andere Möglichkeit geben.«
»Eine andere Möglichkeit?«, echote ich.
»Na, bist du nicht auf die Idee gekommen, mit Lyall darüber zu reden, was seine Schwester gesagt hat? Ihn einzuweihen, damit er selbst eine Wahl treffen kann?«
»Natürlich habe ich daran gedacht!«, rief ich verzweifelt. »Aber dann würde ich ihn zwingen, sich zwischen mir und seiner Familie zu entscheiden – zwischen mir und seiner Schwester, seiner Mum, seinem Cousin. Das will ich aber nicht, Willy. Ich kann nicht von ihm verlangen, dass er das alles für jemanden aufgibt, den er erst ein paar Wochen kennt.« Edina hatte mir gesagt, dass sie Lyall diese Entscheidung nicht zumuten wollte. Deswegen hatte sie beschlossen, nicht mit ihm zu reden, sondern mit mir. Weil er sich so keine Vorwürfe machen musste, von denen er wegen Ada schon genug mit sich herumtrug. »Er wird drüber hinwegkommen und mich abhaken. Dafür habe ich gesorgt.«
Meine Schwester sah mich an. »Und du?«, fragte sie leise. »Wirst du auch darüber wegkommen?«
»Das muss ich«, antwortete ich ebenso leise. »Irgendwann.«
Unser Telefonat war erst ein paar Stunden her, aber ich merkte jetzt schon, wie sehr mir Lyall fehlte. Es fühlte sich an, als hätte man mich im tiefsten Winter barfuß und nur im T-Shirt nach draußen geschickt. Und da stand ich nun, zitternd und hilflos, in der Gewissheit, dass es bis zum Frühling noch eine Ewigkeit dauerte.
Wir schwiegen eine Weile. Dann berührte mich Willa am Arm. »Wie geht es jetzt weiter? Loki ist doch noch in Kilmore.«
Ich hob die Schultern. »Ich werde zurückfahren, die letzten zwei Wochen des Praktikums durchziehen und dann nach Hause kommen. Die Empfehlung von Lyalls Mutter will ich auf keinen Fall mehr. Es würde sich für mich immer so anfühlen, als wäre es die Gegenleistung dafür, dass ich mich von ihm getrennt habe. Und deswegen brauche ich das Praktikum bei Paula.«
»Aber was machst du, wenn du ihm dort begegnest?«, fragte meine Schwester fast schon zaghaft. »Ihm am Telefon vorzumachen, du wärst nicht in ihn verliebt, ist eine Sache. Vor ihm zu stehen eine völlig andere. Ich habe gesehen, wie du ihn angeschaut hast. Alles in deinem Gesicht hat geleuchtet, als wärst du eine Disney-Prinzessin und er der strahlende Prinz. Kriegst du es hin, ihm das Gegenteil zu verkaufen?«
»Nein.« Ich wehrte mich gegen die Tränen, die schon wieder zu laufen anfangen wollten. »Aber wenn ich Glück habe, will er ohnehin nie mehr mit mir reden, so wie ich ihm wehgetan habe.«
Doch sollte er je wieder mit mir sprechen, dann würde er wissen, dass ich ihn angelogen hatte.
Sofort.
Es war bestes Wetter, als ich ein paar Tage später am frühen Abend mit dem Flughafen-Taxi in Kilmore ankam. Nicht eine Wolke war am Himmel zu sehen, dabei wünschte ich mir nichts mehr als einen heftige
n Regenguss, passend zu meiner Stimmung. Wobei, nein, lieber kein Schauer. Das erinnerte mich nur daran, was passiert war, als es das letzte Mal heftig geregnet hatte.
Auf dem Campingplatz wartete Loki, als wären wir nie mit Lyall in die Highlands gefahren, um zu campen. Bei der Erinnerung zogen sich meine Eingeweide schmerzhaft zusammen. Als ich dort neben Lyall im Bett gelegen und ihm in die Augen gesehen hatte, war ich sicher gewesen, es wäre der Anfang von etwas Besonderem, ein Ausblick auf viele weitere Tage und Nächte. Ich hatte mich noch nie so gefühlt wie mit ihm, so einig, so vollkommen, so richtig. Allein der Gedanke, mich irgendwann wieder auf jemanden einzulassen oder auch nur mit jemandem zu schlafen, der nicht er war, verursachte eine kalte Leere in mir, die auch das Sommerwetter nicht vertreiben konnte.
Loki stand an seinem angestammten Platz, aber als ich auf meinen geliebten Camper zuging, fiel mir ein, dass ich keinen Schlüssel dafür hatte. Ich hatte nicht daran gedacht, den Ersatzschlüssel von zu Hause mitzunehmen – und wusste nicht, wo der war, den Lyall hatte stecken lassen, als wir am Flugplatz angekommen waren. So ein Mist. Ich war so durch den Wind, dass ich nicht einmal mehr die simpelsten Dinge auf die Reihe bekam, obwohl ich sonst einfach alles organisieren konnte. Ich brachte keinen klaren Gedanken zustande, weil meine Gefühle meinen Verstand völlig blockierten.
Ich drehte mich um und mein Blick fiel auf die Rezeption des Platzes. Vielleicht war der Schlüssel ja bei Drew deponiert worden. Es war einen Versuch wert.
Der kleine Raum, in dem man auch die nötigsten Lebensmittel, Tageszeitungen und am Morgen Brötchen kaufen konnte, war offen, und Drew saß am Tresen hinter dem Computer.
»Hey, Fremde.« Er grinste, als ich hereinkam. »Du bist wieder im Lande, cool. Wie geht es Eleni?«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Besser, danke. Sie durfte vorgestern nach Hause und soll sich noch ein bisschen schonen, aber sie kann schon wieder lautstark nach Pommes und Eis verlangen, also geht es ihr wohl ganz gut.«
»Freut mich zu hören. Und natürlich, dass du wieder da bist. Ich dachte, vielleicht bleibst du im Süden, nach dem Unfall.«