002 - Someone Else

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002 - Someone Else Page 1

by Laura Kneidl




  Inhalt

  Titel

  Zu diesem Buch

  Widmung

  Motto

  Playlist

  1. Kapitel

  2. Kapitel

  3. Kapitel

  4. Kapitel

  5. Kapitel

  6. Kapitel

  7. Kapitel

  8. Kapitel

  9. Kapitel

  10. Kapitel

  11. Kapitel

  12. Kapitel

  13. Kapitel

  14. Kapitel

  15. Kapitel

  16. Kapitel

  17. Kapitel

  18. Kapitel

  19. Kapitel

  20. Kapitel

  21. Kapitel

  22. Kapitel

  23. Kapitel

  24. Kapitel

  25. Kapitel

  26. Kapitel

  27. Kapitel

  28. Kapitel

  29. Kapitel

  30. Kapitel

  31. Kapitel

  32. Kapitel

  33. Kapitel

  34. Kapitel

  35. Kapitel

  36. Kapitel

  Epilog

  Danksagung

  Leseprobe

  Die Autorin

  Weitere Romane der Autorin bei LYX

  Impressum

  LAURA KNEIDL

  Someone Else

  Roman

  Zu diesem Buch

  Wenn Cassie sich einer Sache sicher ist, dann der, dass sie Maurice Remington liebt, wie sie noch nie zuvor einen Menschen in ihrem Leben geliebt hat. Er ist nicht nur ihr bester Freund und Mitbewohner, sondern er teilt auch ihre Leidenschaft für Fantasyliteratur, LARP und Cosplays. Doch Cassie weiß, dass es keine Garantie dafür gibt, dass ihre Freundschaft für immer hält – egal, wie tief sie auch reichen mag. Denn die Gemeinsamkeiten, die sie und Auri verbinden, sind so zahlreich wie die Unterschiede, die sie trennen: Während Auri ein Footballstar an der Uni ist, gern auf Partys geht und viele Bekanntschaften hat, zieht Cassie sich lieber von der Außenwelt zurück und pflegt einen kleinen, dafür aber engen Freundeskreis. Auri ist offen für neue Dinge und möchte die Welt sehen – Cassie ist zufrieden damit, ihre Abende mit ihrer Lieblingsserie auf der Couch zu verbringen. Und trotzdem ist Cassie machtlos gegen die Art und Weise, wie ihr Herz schneller schlägt, wenn sie in Auris Nähe ist. Und je intensiver ihre Gefühle werden, desto mehr muss sie sich fragen, ob sie bereit ist, den entscheidenden Schritt zu gehen und ihre Freundschaft aufs Spiel zu setzen …

  Für alle,

  die dabei sind,

  sich selbst zu finden.

  »Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben.«

  Anabelle Stehl

  Playlist

  Aftertheparty – Someone Else

  Billie Eilish – wish you were gay

  Queen – Somebody To Love

  Matt Maeson – Cringe (Stripped)

  Jess Glynne – I’ll Be There

  Billie Eilish feat. Khalid – lovely

  Melanie Martinez – Too Close

  Florence + The Machine – Big God

  Taylor Swift – Afterglow

  Lukas Graham – Love Someone

  Halsey – Bad At Love

  Marcin Przybyłowicz und Percival –

  The Song Of The Sword-Dancer

  Hozier – Say My Name

  Lizzo – Cuz I Love You

  ZAYN – PILLOWTALK

  Halsey – Without Me

  Aaliyah – Miss You

  Selena Gomez – Lose You To Love Me

  Billie Eilish – when the party’s over

  Camila Cabello – Something’s Gotta Give

  Sleeping At Last – Neptune

  Hozier – Almost (Sweet Music)

  Adele – Make You Feel My Love

  Taylor Swift – Lover

  1. Kapitel

  Liebe Cassandra,

  wir freuen uns, dass du Teil der diesjährigen SciFaCon sein wirst. Es warten spannende Panels, interessante Vorträge und abenteuerliche Workshops auf dich. Dein Ticket findest du im Anhang. Vergiss nicht, es auszudrucken und mitzubringen. Bei Fragen hilft dir unser Team jederzeit gerne weiter!

  Ich stieß ein Quietschen aus und zappelte aufgeregt in meinem Bett herum – meine Version eines Freudentanzes. Seit dem gestrigen Abend hatte ich die Bestätigungsmail zu meinem Ticketkauf mindestens zehnmal gelesen, und jedes einzelne Mal schlug mein Magen vor Freude Purzelbäume.

  Ich konnte es immer noch nicht glauben. Endlich würde ich eine SciFaCon besuchen! Seit ich denken konnte, wollte ich auf die Convention gehen, bei der sich alles um das fantastische Genre dreht, egal ob in Film, Serie, Buch, Game oder Spiel. Doch in der Vergangenheit hatte es nie geklappt. Entweder hatte es mir an Zeit, Geld oder Freunden gefehlt, die mich begleiten wollten. Und das eine Mal vor zwei Jahren, als ich tatsächlich hatte gehen wollen, hatte mir das Schicksal einen Strich durch die Rechnung gemacht.

  Dieses Jahr aber würde es klappen. Schon in wenigen Wochen würde ich gemeinsam mit Auri, meiner besten Freundin Micah und ihrem Freund Julian einen Ausflug nach Seattle unternehmen. Und das bedeutete, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb, um mein neues Cosplay zu schneidern.

  Eilig schloss ich das Mail-Programm auf meinem Handy und wechselte in die Twitch-App. Der Stream von TRGame war inzwischen geladen.

  TR war meine Lieblings-Gamerin, und nachdem Auri und ich beschlossen hatten, gemeinsam ein Hexer-Cosplay zu machen, musste ich mir ihr Let’s Play von The Witcher 3: Wild Hunt einfach anschauen. Auri würde als Geralt von Riva gehen, ich als Ciri. Allerdings war ich mir noch nicht sicher, ob ich mein Kostüm der Game-Ciri oder der Buch-Ciri anpassen wollte. Auri hatte sich ganz klar für den animierten Geralt entschieden, vermutlich weil dieser meist nicht nur eines, sondern zwei Schwerter auf dem Rücken trug. Ich hatte dagegen nichts einzuwenden, denn ich konnte mir weitaus Schlimmeres vorstellen als Auri in einer hautengen Ledermontur.

  Noch mehr als auf seinen Anblick freute ich mich allerdings auf die gemeinsame Zeit mit ihm. Vom ersten Schnittmuster über das Nähen bis hin zur Fertigstellung unserer Kostüme konnten hundert oder mehr Stunden vergehen. Zwar verbrachten wir auch im Alltag viel Zeit miteinander, da wir uns nicht nur eine Wohnung teilten, sondern auch beste Freunde waren, aber das war etwas anderes. Gemeinsam auf der Couch zu lümmeln und dabei die zehnte Wiederholung von Buffy – Im Bann der Dämonen zu schauen, war nicht das Gleiche, wie zusammen an einem Projekt zu arbeiten, für das wir beide Feuer und Flamme waren.

  Am liebsten hätte ich direkt losgelegt und den nächsten Stoffladen gestürmt, aber solch aufwendige Kostüme mussten gut durchdacht sein. Anderenfalls würden Auri und ich Unmengen an teurem Stoff kaufen, den wir am Ende überhaupt nicht brauchten. Zwar wurden wir beide finanziell von unseren Familien unterstützt, und Auri besaß zudem ein Football-Stipendium, dennoch war Geld – wie vermutlich bei den meisten Studenten – immer ein Thema, vor allem nun, da Julian ausgezogen war und bei Micah wohnte.

  Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf das Let’s Play von TRGame, die gerade für eine Spielfrequenz in Ciris Körper geschlüpft war. Immer wieder drückte ich auf Pause, studierte ihr Outfit und glich es mit den Bildern aus dem Internet ab, die ich mir zur Vorlage ausgedruckt hatte. Parallel machte ich mir Notizen und überlegte bereits, wie ich die einzelnen Elemente ihres Kostüms kostengünstig nachstellen könnte.

  Ich war ganz in meine Arbeit vertieft, als mich ein Klopfen aus meinen Gedanken riss.

  Benommen blickte ich auf, als die Tür zu meinem Zimmer bereits geöffnet wurde. Das machte Auri immer. Er kündigte sich mit einem Klopfen an, wartete aber nie darauf, hereingebeten zu werden. Was er nicht aus Ungeduld oder Respektlosigkeit tat, sondern weil er mich kannte und wusste, dass er immer willkommen war. Wenn ich wirklich ungestört sein wollte, schloss ich meine
Tür ab.

  »Hey.« Ich richtete mich in meinem Bett auf.

  Wie jedes Mal, wenn mein Blick auf Maurice Remington fiel, machte mein Herz einen verräterischen Satz. Doch mittlerweile war ich geübt darin, die Gefühle, die ich für meinen besten Freund hegte, zu ignorieren. Sie waren wie das Rauschen der Autos, die nachts unter meinem Schlafzimmerfenster vorbeifuhren. Ich konnte sie hören, aber solange ich das Fenster geschlossen hielt, war es mir dennoch möglich, friedlich zu schlafen.

  Auri musterte mich stirnrunzelnd. »Du bist ja noch gar nicht umgezogen.«

  Ich sah an mir herab und stellte fest, dass ich mich zwar aus meinem Schlafanzug geschält hatte, stattdessen aber nur mein übliches Zuhause-Outfit trug: eine gemütliche Yogahose und ein übergroßes T-Shirt, das früher Auri gehört hatte. Es war schwarz mit verwaschenem Printmotiv auf der Brust, welches das Logo einer Footballmannschaft zeigte. Ich hatte es vorne verknotet, damit es mir nicht um die Beine schlackerte.

  »Micah und Julian warten bestimmt schon auf uns.«

  Ich zog die Augenbrauen zusammen und durchforstete mein Gedächtnis nach der Verabredung, die ich anscheinend vergessen hatte. Allerdings war ich mir nicht einmal sicher, welchen Wochentag wir hatten. Die Semesterferien hatten begonnen, und ich hatte mich dazu entschieden, keine Sommerkurse zu belegen. Was bedeutete, dass ich freihatte und mit meiner Zeit anstellen konnte, was ich wollte. Es warteten weder Abgabetermine noch Seminare auf mich. Ich war frei von akademischen Verpflichtungen, und das war herrlich. Auch wenn es zur Folge hatte, dass ich jegliches Zeitgefühl verlor.

  Mein Blick zuckte zu dem Wecker neben meinem Bett.

  Auri seufzte, wirkte dabei jedoch nicht genervt, sondern vielmehr von meiner Planlosigkeit belustigt. Anders als meine Tage waren seine akribisch durchgetaktet – vom frühmorgendlichen Footballtraining bis hin zum abendlichen Work-out. Und in der Zeit dazwischen besuchte er Kurse, um Credits zu sammeln.

  »Wir wollten auf den Flohmarkt im Park.«

  Ich verzog die Lippen zu einem entschuldigenden Lächeln. Nun erinnerte ich mich. Micah und Julian wollten nach Sachen für ihre gemeinsame Wohnung stöbern und hatten gefragt, ob wir mitkommen wollten, um ihnen wenn nötig beim Tragen helfen zu können.

  »Gib mir zehn Minuten.«

  »Mhm«, brummte Auri, als würde er meine Zeitangabe für vollkommen utopisch halten, und schloss die Tür hinter sich.

  Ich sprang aus dem Bett. Eilig huschte ich ins Badezimmer. Für eine ausgiebige Dusche blieb zwar keine Zeit mehr, aber ich wollte mich dennoch kurz abbrausen. Dieser Sommer war verdammt heiß, und ich schwitzte bereits nur vom Herumliegen. Meine Haare, die im nassen Zustand mehr braun als rot schimmerten, steckte ich mit einer Klammer hoch; anschließend putzte ich mir die Zähne, da ich mir nicht sicher war, ob ich es am Morgen bereits gemacht hatte. Auf Make-up verzichtete ich, da es eh nur eine Frage der Zeit war, bis der Schweiß es mir vom Gesicht schwemmen würde.

  In ein übergroßes Handtuch gehüllt, flitzte ich an Auri vorbei zurück in mein Zimmer. Hastig trocknete ich mich ab und schlüpfte in frische Unterwäsche, ehe ich meinen Kleiderschrank mit der schiefen Tür öffnete. Auri und ich hatten ihn vor zwei Jahren gemeinsam aufgestellt und vermutlich irgendwo eine Schraube falsch befestigt. Wir hatten uns nie die Mühe gemacht, den Schönheitsfehler zu korrigieren.

  Ich entschied mich für ein geblümtes Kleid aus Leinen mit halblangen Ärmeln, die bis über die zwei kleinen weißen Geräte reichten, die an meinen Oberarmen festgeklebt waren. Ich liebte die Teile heiß und innig, da sie mich mit Insulin versorgten und meinen Blutzucker maßen, ohne dass ich mich selbst mehrfach täglich mit einer Nadel stechen musste wie in den ersten Jahren nach meiner Diabetes-Typ-1-Diagnose. Aber sie sahen nicht gerade hübsch aus und luden die Leute dazu ein, mich anzustarren oder mir unangemessene Fragen zu stellen.

  Nachdem ich mich angezogen hatte, packte ich meine Tasche und kontrollierte sie auf das Wichtigste: Geldbeutel, Schlüssel, Handy, das mir auch als Messgerät diente, die Pumpe, die mein Insulin steuerte, Traubenzucker und das manuelle Notfallset, sollte die Technik versagen. Die vollgestopfte Tasche über der Schulter, ging ich ins Wohnzimmer.

  Auri saß auf der Couch und sah gebannt auf sein Handy, ohne meine Anwesenheit zu bemerken. Er hatte die Augenbrauen in tiefer Konzentration zusammengezogen und seine Unterlippe nachdenklich vorgeschoben.

  Sein Gesicht war so vielseitig wie er selbst, denn in seinen Zügen spiegelten sich seine beiden Seiten wider. Der markante Kiefer, die breite Nase und die kurz geschorenen schwarzen Haare symbolisierten den muskulösen Sportler, der auf dem Spielfeld keine Gnade kannte und schonungslos auf seine Gegner losging. Seine vollen Lippen und sanften braunen Augen zeigten hingegen seine zärtliche Seite, die uns zu Freunden machte und mit der er sich in mein Herz geschlichen hatte. Kombiniert bildeten diese Seiten einen aufregenden Kontrast, der es mir stets schwer machte, den Blick von Auri abzuwenden.

  Ich tat es dennoch, bevor er mich beim Starren ertappen konnte, und entdeckte, dass er sich gerade ein Bild von Geralt auf dem Handy anschaute. Unweigerlich musste ich schmunzeln. Offenbar war ich nicht die Einzige, die es kaum erwarten konnte, mit ihrem Kostüm loszulegen.

  »Fertig!«, verkündete ich, um Auri auf mich aufmerksam zu machen.

  Er hob den Kopf und musterte mich. »Ist das Kleid neu?«

  »Ja, und es hat Taschen«, antwortete ich begeistert und schob demonstrativ meine Hände hinein, glücklich darüber, dass ich dieses Schmuckstück im Laden gegenüber von meinem Diabetologen entdeckt hatte. An der Schaufensterpuppe hatte der Rock für meinen Geschmack etwas zu kurz ausgesehen. Aber da ich die eins fünfundfünfzig nur mit lang gerecktem Hals erreichte, fiel es an mir etwas größer aus.

  »Es steht dir gut«, sagte Auri mit einem Lächeln, bei dem mir so warm wurde, dass die Versuchung, das geschlossene Fenster, das meine Gefühle für ihn draußen hielt, zu öffnen, ziemlich groß wurde.

  »Danke«, erwiderte ich. Hoffentlich schob er die Röte meiner Wangen auf die Hitzewelle, die Mayfield bereits seit Tagen plagte.

  Auri stand von der Couch auf, und gemeinsam traten wir in den Hausflur.

  Da Micah und Julian noch nicht auf uns warteten, klopfte ich an die benachbarte Wohnungstür.

  Ich war froh, dass Micah das Apartment nach dem großen Streit und dem Bruch mit ihren Eltern nicht aufgegeben hatte. Ich hätte es vermisst, nicht mehr neben ihr zu wohnen. Sie war innerhalb kürzester Zeit zu meiner besten Freundin geworden. Es fühlte sich an, als würden wir uns nicht erst seit zehn Monaten, sondern bereits seit zehn Jahren kennen. Mir war noch nie ein herzlicherer Mensch begegnet als sie, und es war schön, sie jederzeit spontan besuchen zu können, ohne dafür einen langen Weg auf sich nehmen zu müssen.

  Schritte erklangen hinter der Tür, die kurz darauf von Julian geöffnet wurde. »Hey.«

  »Sorry, wir sind spät dran«, sagte ich.

  »Kein Stress, Micah ist auch noch nicht fertig.« Er warf einen flüchtigen Blick über seine Schulter in Richtung Arbeitszimmer, das ich vor einigen Wochen gemeinsam mit Micah eingerichtet hatte. »Kommt rein. Es kann sich nur noch um Stunden handeln. Sie hatte eine Idee für die Albtraumlady .«

  Ich wandte mich an Auri. »Siehst du, ich hätte mich gar nicht so beeilen müssen.«

  »Dafür bist du jetzt fertig und kannst entspannt mit auf Micah warten«, erwiderte er und legte mir eine Hand auf den Rücken, um mich sanft in die Wohnung zu schieben.

  Die Berührung war kaum zu spüren, dennoch brachte sie meinen gesamten Körper zum Kribbeln. Es war ein angenehmes und dennoch verhasstes Gefühl. Ich hätte beinahe alles gegeben, um es loszuwerden. Schon dutzende Male hatte ich mir all die Dinge aufgezählt, die zwischen Auri und mir standen und dagegensprachen, unsere Freundschaft gegen eine andere Art von Beziehung einzutauschen. Doch mein verfluchtes Herz wollte nicht hören.

  Erleichtert atmete ich auf, als Auri seine Hand von meinem Rücken nahm, um Laurence, Julians Kater, zu begrüßen. Er hatte das Tier vor rund einem Jahr aus einem Müllcontainer gerettet, und aus dem kleinen Flauschball war inzwischen ein großer Kater
mit struppigem Fell geworden. Schnurrend drückte er sich gegen Auris Beine, während er sich von ihm den Kopf kraulen ließ.

  Obwohl Auri stets betonte, ein Hundemensch zu sein, hatte er einen guten Draht zu Laurence, und der Kater liebte ihn. Anders als mich. In den ersten Wochen hatte er immer einen großen Bogen um mich gemacht. Irgendwann war es besser geworden, und er ließ sich von mir streicheln, aber wenn der Kater die Wahl zwischen Julian, Micah, Auri und mir hatte, kam ich immer an letzter Stelle. Ich versuchte, das nicht persönlich zu nehmen. Es war mein Geruch, der manche Tiere verunsicherte, eine Nebenwirkung meiner Erkrankung und des Insulins. Menschen konnten diesen Duft nicht wahrnehmen, aber gerade Katzen reagierten oft empfindlich darauf.

  »Möchtet ihr was trinken?«, fragte Julian, der bereits am Kühlschrank stand.

  »Ein Wasser wäre lieb.«

  »Für mich nichts«, antwortete Auri, der sich auf den Boden gesetzt hatte, um mit dem Kater zu spielen. Er hatte eine Katzenangel gefunden, die er wild über den Boden zucken ließ, während Laurence aufgeregt versuchte, das plüschige Ende zu fangen.

  »Sucht ihr auf dem Flohmarkt nach etwas Bestimmtem?«

  »Nein, wir wollen uns einfach inspirieren lassen«, antwortete Julian. Er reichte mir ein gekühltes Wasser und lehnte sich gegen den Küchentresen. Das braune Haar fiel ihm in dichten Wellen in die Stirn. »Ein paar Ecken in der Wohnung sind noch ziemlich leer, und es wäre auch schön, wenn wir vielleicht ein paar Bilder finden würden, die uns beiden gefallen, anstatt mit diesem Kompromiss leben zu müssen.«

  Ich nickte verständnisvoll. Die Wände in der Wohnung sahen aus, als wären sie gemeinsam von einem Zehn- und einem Achtzigjährigen dekoriert worden. Elegante Schwarz-Weiß-Fotografien von Hochhäusern in ihrer Entstehungsphase und raffinierte Aufnahmen von Städten aus der Vogelperspektive wechselten sich ab mit Plakaten von Deadpool und zahlreichen anderen Superhelden, die einen mit entschlossenem Blick betrachteten. »Falls ich etwas entdecke, das euch gefallen könnte, gebe ich Bescheid.«

  »Danke«, sagte Julian mit einem Lächeln, das seine Grübchen zum Vorschein brachte.

 

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