002 - Someone Else

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002 - Someone Else Page 4

by Laura Kneidl


  »Julian? Bist du da?«

  Als mich wieder nur Schweigen begrüßte, nahm ich all meinen Mut zusammen und betrat die Wohnung. Dabei fühlte ich mich wie ein Eindringling, aber wenn Julian am Telefon die Wahrheit gesagt hatte und kein Betrüger war, war dies jetzt schließlich auch meine Wohnung. Und hinter einer der drei verschlossenen Türen, die vom Wohnzimmer abgingen, lag mein neues Zimmer.

  Ich trat vor die mittlere Tür und wollte gerade klopfen, als sie plötzlich aufschwang. Erschrocken machte ich einen Satz zurück und ließ dabei meinen Trolley los, der mit einem lauten Knall zu Boden fiel, was mich direkt noch einmal zusammenzucken ließ.

  »Fuck!«

  »Alles in Ordnung?«, fragte eine raue Stimme, die so unglaublich angenehm und warm klang, dass sie ebenso gut aus einem Kinotrailer hätte stammen können.

  Ich hob den Kopf. Als ich den Kerl erblickte, zu dem besagte Stimme gehörte, blieb mir förmlich die Luft weg. Er war … wow. Ein besseres Wort wollte meinem Gehirn nicht einfallen, während mir gleichzeitig ein eigenartiger Laut von der Zunge rutschte – der allerdings nicht ausschließlich von Entzücken zeugte, sondern mindestens genauso sehr von Erstaunen.

  Der Typ, der vor mir stand, war ein Koloss. Ich war es gewohnt, zu den meisten Menschen aufblicken zu müssen, aber selten hatte ich mich so klein und zerbrechlich gefühlt wie in diesem Moment. Der Kerl musste um die zwei Meter groß sein. Er hatte breite Schultern und harte Muskeln, was kaum zu übersehen war, da er kein Shirt trug. Seine Haut war von einem tiefen Braun, und an seinem rechten Brustmuskel waren die Ansätze einer Tätowierung zu erkennen, die allerdings noch nicht fertig zu sein schien.

  »Bist du Julian?«, krächzte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Die Stimme am Telefon hatte sich vollkommen anders angehört – nicht so gänsehauterzeugend.

  »Nein, Maurice. Julian ist arbeiten. Du bist sicherlich Cassandra?«

  »Cassie«, korrigierte ich ihn. Niemand nannte mich »Cassandra«, nicht einmal meine Großmutter.

  Ein Lächeln trat auf Maurice’ Lippen. »Cool. Wie es aussieht, wohnen wir ab jetzt zusammen.«

  »Cool«, echote ich, obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich diese Entwicklung wirklich »cool« fand. Ich hatte nicht geplant, mit einem Mann zusammenzuwohnen – und schon gar nicht mit zwei. Wenn mein Vater davon erfuhr, würde er ausrasten. Er war weder übertrieben konservativ noch naiv. Ich war mir sicher, dass er wusste, dass ich mit meinem Ex-Freund Eugene geschlafen hatte, immerhin waren wir drei Jahre lang ein Paar gewesen. Doch er sah in mir noch immer sein kleines Mädchen, das beschützt werden musste.

  »Ist das alles, was du dabeihast?«, fragte Maurice und riss mich damit aus meinen Gedanken.

  Ich blinzelte und sah auf meinen umgestürzten Trolley hinab. »Ja, der Rest wird erst noch geliefert.«

  Maurice nickte und deutete hinter sich. Eine Schweißperle bahnte sich ihren Weg von seiner Stirn über seinen Hals seine Brust hinab. »Wenn du willst, kannst du mit in meinem Zimmer abhängen.«

  Ich zögerte, da ich nicht unbedingt geschickt im Umgang mit neuen Bekanntschaften war. Ich wusste nie, was ich sagen sollte, und das machte mich nervös. Und wenn ich doch den Mund öffnete, neigte ich zum Oversharing und erzählte Dinge, die niemand über jemanden wissen wollte, den er kaum kannte.

  Du magst die Farbe Rot? Als ich mit vierzehn das erste Mal meine Periode bekommen habe, hatte ich eine weiße Hose an. Danach war sie rot.

  Das war typisch ich. Sozial unbedarft und ziemlich peinlich. Dennoch nahm ich Maurice’ Einladung an, schließlich waren wir von nun an Mitbewohner, und ich konnte meine merkwürdige Art nicht für immer vor ihm verbergen. Besser, ich brachte es so schnell wie möglich hinter mich.

  Maurice trat beiseite und ließ mich in sein Zimmer. Er steckte selbst noch mitten im Umzug, aber es war deutlich zu erkennen, dass er nicht erst seit ein paar Minuten hier war. Sein Bett war aufgestellt, und ein Regalbrett, das mit allerlei Pokalen bestückt war, hing an der Wand. Gegenüber war ein Poster angebracht worden, das einen Footballspieler in heroischer Pose zeigte, als hätte er soeben das wichtigste Spiel seines Lebens gewonnen. Es standen auch noch einige unausgepackte Kartons herum, und Maurice war anscheinend gerade dabei gewesen, einen Kleiderschrank aufzubauen.

  Als er sich wieder daranmachte, weitere Schrauben in das Holz zu drehen, konnte ich gar nicht anders, als das Spiel der Muskeln an seinem Rücken und in seinen Armen zu beobachten. Es sah mir nicht ähnlich, irgendwelche Kerle anzustarren. Doch Maurice’ Körper hatte etwas an sich, das es mir unmöglich machte, den Blick abzuwenden. Seine Stärke hatte etwas Hypnotisierendes. Er war garantiert Sportler am MFC, und den Postern und Pokalen nach zu urteilen, spielte er für das Footballteam.

  »Was für Kurse belegst du?«, fragte ich in die Stille zwischen zwei Hammerschlägen hinein. Es erschien mir wie eine unverfängliche Frage mit wenig Peinlichkeitspotenzial.

  Maurice sah zu mir. Seine Augen waren von einem dunklen Braun. »Viele verschiedene. Ich will mich ein bisschen ausprobieren, bevor ich mich festlege, aber Grafikdesign finde ich sehr spannend. Außerdem habe ich ein Football-Stipendium. Und du?«

  »Meine Kurse haben alle was mit Literatur zu tun«, antwortete ich. Ich wusste bereits seit Jahren, dass ich in der Buch- oder Filmbranche arbeiten wollte. Seminare zu Letzterem hatte das MFC jedoch leider kaum im Angebot, es sei denn, ich wollte selbst vor der Kamera stehen.

  »Dann hätten wir ja um ein Haar dieselben Kurse besucht«, sagte Maurice und lehnte das Brett, dass er gerade noch mit dem Hammer bearbeitet hatte, gegen die Wand. »Ich habe lange hin und her überlegt, mich dann aber gegen etwas Literarisches entschieden, um nicht all meine Hobbys zum Beruf zu machen. Aber ich liebe Bücher.«

  Ich spürte, wie meine rechte Augenbraue ungewollt in die Höhe wanderte. »Tatsächlich?« Es gelang mir nicht, die Skepsis aus meiner Stimme herauszuhalten. Ich wusste, dass anerzogene Klischees und Vorurteile aus mir sprachen, aber ich war wirklich noch nie einem Profisportler begegnet, der gleichzeitig ein begeisterter Leser war. Nicht, dass ich überhaupt viele Sportler kannte. Es sei denn, man zählte Schach zu Sport.

  »Ja.« Maurice deutete auf den Umzugskarton, der mir am nächsten war.

  Ich interpretierte die Geste als Aufforderung und Erlaubnis, die Kiste zu öffnen, und entfaltete den zusammengesteckten Deckel – und schnappte nach Luft. Der Karton war voller Bücher! Und nicht einfach irgendwelche Bücher, einige meiner absoluten Lieblingstitel waren darunter. Das Rad der Zeit . Die Gilde der Schwarzen Magier . Die Avalon - Saga . Der Name des Windes . Der Hobbit und Herr der Ringe . Ich griff nach einer ziemlich zerfledderten Ausgabe von Die zwei Türme .

  »Hast du das gelesen?«, fragte ich, obwohl die unzähligen Leserillen im Einband das eigentlich deutlich machten.

  »So ungefähr zwanzigmal«, antwortete Maurice. Er kam auf mich zu und setzte sich vor mir auf den Boden. Nun war ich diejenige, die auf ihn herabblickte. »Ich liebe Tolkien. Hast du den Hobbit gelesen?«

  »Gelesen?« Ich schnaubte. »Inhaliert trifft es wohl eher.«

  Maurice grinste mich an, als hätte ich keine bessere Antwort geben können. »Die meisten Leute, die ich kenne, haben wenn überhaupt nur die Verfilmungen gesehen und meistens nicht mal alle.«

  »Dann haben sie etwas verpasst, die sind nämlich ziemlich gut«, erwiderte ich und fügte nach kurzem Überlegen hinzu: »Natürlich nicht so gut wie die Bücher.«

  »Natürlich nicht«, echote Maurice. »Aber wenn dir die Filme gefallen haben, wird dich das hier umhauen.« Er beugte sich über die Kiste und begann sie zu durchwühlen.

  Dabei entdeckte ich immer mehr Ausgaben, die sich auch in meiner Sammlung befanden. Es war, als hätten meine Eltern den Karton geradewegs aus meinem alten Zimmer zu Maurice geschickt. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er all diese Bücher besaß und sie offensichtlich so sehr ins Herz geschlossen hatte, dass er sie mit ans College nahm. Zwar hatte es an meiner alten Highschool Mitschüler gegeben, die dem Fantasygenre nicht abgeneigt gewesen waren, vor allem nach den ganzen Verfilmungen der letzten Jahre. Aber die Klassiker hatten meines Wi
ssens nur wenige von ihnen gelesen. Eugene hatte auf meinen Wunsch angefangen, Die Gefährten zu lesen, aber nach hundert Seiten abgebrochen. Das Buch sei langweilig, die Sprache unerträglich und die Charaktere absolut unglaubwürdig – seine Worte, nicht meine.

  »Ah, das ist es!«, rief Maurice und zog ein Exemplar des Hobbit hervor, dass er mir reichte.

  Ich nahm es entgegen. Auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches an dem Buch zu erkennen – bis ich es aufschlug und die Signatur entdeckte. Nicht von Tolkien persönlich, solche Exemplare kosteten Zehntausende Dollar, aber von Martin Freeman.

  »Wow, du hast ihn getroffen?«

  »Leider nicht. Mein Onkel hat mir das Buch zum fünfzehnten Geburtstag geschenkt. Ich war erst skeptisch, aber nach ein paar Seiten konnte ich einfach nicht mehr aufhören.«

  Ich fühlte Maurice’ Worte. Meine Liebe zur Fantasy und allem Übernatürlichen hatte sich schon früh entwickelt, aber erst später, durch die Werke von Tolkien, war sie richtig gefestigt worden. Für mich gab es nichts Schöneres, als in fremde Welten einzutauchen und Abenteuer zu erleben, die sich mir in Wirklichkeit nie stellen würden. Und vielleicht hatte ich in Maurice endlich jemanden gefunden, mit dem ich diese Welten bereisen konnte.

  4. Kapitel

  »Darf ich euch schon etwas zu trinken bringen?«, fragte die Kellnerin, die Auri und mich zu dem Tisch geführt hatte, den Aliza für uns reserviert hatte.

  Wir waren die Ersten und viel zu früh dran, aber auf diese Weise konnte ich mir den einzigen Platz auf der Sitzbank schnappen. Ich machte mir nicht die Mühe, ihn Auri anzubieten. Er war zu groß und hatte zu lange Beine, um bequem auf Bänken wie dieser zu sitzen. Außerdem war ich noch immer gekränkt, dass er unser gemeinsames Herr der Ringe -Exemplar vor Colby geleugnet hatte. Zwar kam ich mir einerseits ein wenig kindisch vor, immerhin war es nur ein Buch, andererseits aber irgendwie auch nicht. Für mich war es ein Symbol unserer Freundschaft, und indem er es verleugnete, verleugnete er in gewisser Weise auch mich.

  »Haben Sie Cola Light?«, fragte ich die Kellnerin.

  »Klar doch.«

  »Dann eine große für mich.«

  »Und für mich eine normale Coke«, sagte Auri.

  Die Kellnerin notierte unsere Bestellung in ihrer App und rauschte weiter zum nächsten Tisch.

  Obwohl das Riccardo erst vor Kurzem eröffnet hatte, war es bis auf wenige Plätze voll besetzt. Was mich nicht wirklich verwunderte, da das Restaurant sehr gemütlich eingerichtet war. Dunkle Holztische, unverputzte Wände, Kerzen, und wohin man auch blickte, standen Blumen und Kräuter in Flechtkörben. In der Mitte des Raumes wuchs sogar ein echter Zitronenbaum, der Früchte trug. Um meinen Verstand beschäftigt zu halten und mich von der Tatsache abzulenken, dass Auri mich unentwegt wie ein Hundewelpe ansah, begann ich die Zitronen zu zählen.

  »Cassie, bitte«, flehte Auri nach ein paar Sekunden. Er beugte sich über den Tisch. »Rede mit mir.«

  »Glaubst du, sie machen die Pasta hier selbst?«

  »Vermutlich, aber ich meinte keinen Small Talk, und das weißt du auch.« In seinem Seufzen schwang dieselbe Enttäuschung mit, die auch ich verspürte. »Es tut mir leid, was ich zu Colby gesagt habe.«

  Ich löste meinen Blick von dem Zitronenbaum und sah Auri an. »Und warum hast du es dann gesagt?«

  »Ich weiß nicht … Weil ich dumm bin?«

  Ich spürte, wie meine Wut ein wenig abflaute. »Das wäre eine mögliche Erklärung.«

  »Es tut mir wirklich leid«, beteuerte Auri noch einmal und tastete vorsichtig nach meiner Hand.

  Ich zog sie nicht weg, als er sie berührte und sich seine warmen Finger sanft um meine schlossen. Seine Hand war so groß, dass meine darunter beinahe vollständig verschwand.

  »Ich habe es bei den Jungs eh schon schwer, weil ich keine Karriere als Profisportler anstrebe. Ich will ihnen nicht noch einen Grund geben, über mich herzuziehen. Es ist zwar ein Klischee, aber ich schwöre, die Hälfte des Teams hat noch nie ein Buch gelesen. Zumindest nicht zum Vergnügen.«

  Ich schnaubte. »Die wissen gar nicht, was sie verpassen.«

  Auri lächelte und ließ damit die letzten Reste meines Zorns verpuffen. Ich liebte sein Lächeln. Und sosehr ich mich auch daran störte, dass er gelogen hatte, es war es nicht wert, diesen Streit wegen eines Typen wie Colby eskalieren zu lassen.

  »Alles wieder gut?«, fragte Auri, als hätte er meine Gedanken gelesen.

  Ich holte tief Luft – und nickte.

  Sein zaghaftes Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Gut! Und nun, da wir wieder Freunde sind, muss ich dich etwas fragen: Hast du am Wochenende nach der SciFaCon schon was vor?«

  »Ich wollte vielleicht meine Familie besuchen. Wieso, was ist am Wochenende nach der Convention?«

  »Ich habe doch erzählt, dass Trevon meiner Mom einen Antrag gemacht hat.«

  »Ja.« Auris Eltern lebten bereits seit über zehn Jahren in Scheidung, aber sie verstanden sich noch gut, auch wenn sie völlig unterschiedliche Leben führten. Wenn ich Auris Erzählungen Glauben schenken durfte, genoss sein Dad in vollen Zügen sein Bachelor-Dasein, während seine Mom – mit einer kurzen Unterbrechung – seit sieben Jahren eine Beziehung mit Trevon führte.

  »Die beiden wollen an dem Wochenende heiraten«, sagte Auri und fuhr dabei sanft mit seinem Daumen über meine Hand. Er schien sich dessen gar nicht bewusst zu sein, dennoch jagte es mir ein Prickeln durch den Arm. »Meine Mom hat gefragt, ob du mich nicht vielleicht begleiten möchtest. Sie würde sich sehr freuen, dich endlich persönlich kennenzulernen.«

  »Was für eine Frage! Natürlich komm ich mit.«

  »Aber nur, wenn es für deine Familie okay ist.«

  »Ich besuch sie einfach an dem Wochenende danach oder vor der SciFaCon.« Ich zuckte mit den Schultern. Zwar lagen mir meine Eltern bereits seit einer Weile in den Ohren, dass ich mal wieder nach Hause kommen sollte, weil sie mich schon so lange nicht mehr gesehen hatten. Allerdings waren sie meiner Einladung, mich in Mayfield zu besuchen, auch noch nicht nachgekommen.

  »Damit machst du meine Mom sehr glücklich.«

  Nur deine Mom?

  »Muss ich ein Geschenk kaufen?«, fragte ich, als die Kellnerin zurück an unseren Tisch kam. Während sie die beiden Gläser vor uns abstellte, zuckte ihr Blick zu unseren miteinander verschränkten Händen. Ich konnte die Verwunderung in ihren Augen erkennen. Es war ein Ausdruck, der Auri und mir oft begegnete, wenn wir zusammen unterwegs waren. An manchen Tagen gelang es mir, ihn völlig zu ignorieren, an anderen wiederum war es unmöglich, und er erinnerte mich daran, wie unterschiedlich Auri und ich auf den ersten Blick waren.

  »Nein, dass du mich begleitest, ist Geschenk genug.«

  »Ich besorg ihnen trotzdem eine Kleinigkeit«, sagte ich entschlossen, da es mir unhöflich erschien, mit leeren Händen auf einer Hochzeit aufzutauchen. Außerdem wollte ich einen guten Eindruck erwecken, immerhin ging es hier um Auris Mom und ihren zukünftigen Ehemann.

  »Cassie! Auri! Ihr seid ja schon hier.«

  Ich blickte auf und entdeckte Aliza, die wie aus dem Nichts an den Tisch getreten war. Hastig zog Auri seine Hand von meiner. Sogleich vermisste ich seine Wärme.

  »Ihr seid aber früh dran«, stellte Aliza mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fest.

  Sie war elegant gekleidet, in eine weit fallende rostbraune Stoffhose und eine weiße Bluse mit kurzen Ärmeln. Neben ihr fühlte ich mich ziemlich underdressed, allerdings würden von mir auch keine Fotos im Internet landen. Über ihrer Schulter hing eine Spiegelreflexkamera, vermutlich um damit Bilder für ihren Blog und Instagram-Account zu machen, dem inzwischen über dreihunderttausend Menschen folgten.

  »Wartet ihr schon lange?« Aliza setzte sich neben Auri.

  Er schüttelte den Kopf. »Erst ein paar Minuten. Wir hatten keine Lust mehr auf den Flohmarkt.«

  »Sind Micah und Julian auch schon da?«

  »Nein, aber sie müssten jeden Moment kommen«, sagte ich und zog das Handy aus meiner Handtasche. »Ich schreib ihnen mal, dass wir schon drinsitzen.«

  Die Kellnerin kam zurück, um Alizas Getränkebestellung aufzunehm
en. Ich tippte währenddessen eine Nachricht an Micah und Julian in unseren Gruppenchat.

  »Habt ihr was Schönes auf dem Flohmarkt gefunden?«

  Ich erzählte Aliza von unserer Ausbeute, und Auri zeigte ihr das neuste Exemplar für unsere Herr der Ringe -Sammlung.

  »Also war der Markt für euch ein voller Erfolg?«

  »Auf jeden Fall!«

  »Das freut mich«, sagte Aliza mit einem Lächeln, das ihre Augen jedoch nicht erreichte. »Ich wäre auch gerne mitgekommen, aber ich bin heute schon um vier Uhr aufgestanden, um Paragrafen zu lernen, damit ich ruhigen Gewissens mit euch essen gehen kann.«

  Auri sah überrascht auf. »Wow, das ist selbst für mich früh.« Er stand meistens bereits vor Sonnenaufgang auf, um zum Training zu gehen. Und selbst wenn der Coach ihn und den andren Jungs freigab, quälte er sich aus dem Bett, um seine Routine nicht zu unterbrechen. Nur zu seltenen Anlässen erlaubte er es sich, länger als bis sechs zu schlafen.

  »Es ging nicht anders. Heute Abend muss ich am Blog arbeiten, und wenn ich diese Prüfung noch mal in den Sand setze, kann ich das Studium vergessen. Ich muss unbedingt wieder meinen Schnitt hochkriegen.«

  Ich verzog mitleidig die Lippen. »Das ist ja ätzend.«

  »Ja.« Aliza seufzte und schnappte sich einen der Brotsticks, um daran zu knabbern. »Ich vermisse es freizuhaben. Ich liebe meinen Blog und das Kochen, aber aktuell fühlt es sich so an, als würde ich neben dem Studium zusätzlich noch einem Vollzeitjob nachgehen. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal mehr als fünf Stunden geschlafen hab.«

  »Das tut mir leid.« Ich schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. »Kann man dir irgendwie helfen? Ich könnte später vorbeikommen und deine Küche aufräumen. Oder soll ich für dich Herzchen auf Instagram verteilen?«

  »Lieb von dir, aber das könnte ich niemals verlangen.«

  »Du verlangst es nicht. Ich biete es dir freiwillig an.«

  »Danke, vielleicht komm ich irgendwann darauf zurück.«

 

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