002 - Someone Else

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002 - Someone Else Page 10

by Laura Kneidl


  Zum hundertsten Mal fragte ich mich, was auf der Party vorgefallen war. Er stritt es zwar ab, aber es war offensichtlich, dass etwas geschehen war.

  Ich wusste nicht, wie lange wir bereits in meinem Bett lagen, aber nach einer Weile schien der Alkohol seinen Tribut zu fordern. Auri blinzelte träge, bis sich seine Augenlider irgendwann nicht mehr hoben. Seine Atmung wurde ruhiger, und seine Gesichtszüge entspannten sich, als die Sorge, die er von der Party mitgebracht hatte, von ihm abfiel.

  Ich beugte mich zu ihm. »Auri?«

  »Hm?«, brummte er, schon halb im Land der Träume.

  »Warum hattest du keine gute Zeit auf der Party?«

  Er rollte sich herum, sodass sein ganzer Körper mir zugewandt war.

  Ich lächelte. Doch mein Lächeln erstarb mit seinen nächsten Worten.

  »Weil du nicht da warst.«

  9. Kapitel

  Es war der süße Duft von Pancakes, der mich weckte.

  Flatternd hob ich die Augenlider und starrte auf mein Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand. Es fühlte sich an, als hätte ich bis eben noch in einem tiefen Albtraum gesteckt. Ein schweres Gefühl von Unwohlsein lastete auf meiner Brust. Ich versuchte es zu ergründen und mich an meinen Traum zu erinnern – bis mir einfiel, dass es kein Traum gewesen war, der den drückenden Schmerz in mein Herz gepflanzt hatte.

  Weil du nicht da warst.

  Auris Worte hatten noch stundenlang in meinem Kopf nachgeklungen. Genau wie jetzt. Viele hätten sie vermutlich als Kompliment verstanden. Ich nicht. Mir führten sie vor Augen, dass ich ihn enttäuscht hatte. Ich wusste, dass es nicht in meiner Verantwortung lag, ihn glücklich zu machen, aber ich wollte es. Vermutlich hätte mir die Party selbst tatsächlich keine Freude gebracht, Auri lächeln zu sehen hingegen schon. Ich hätte dafür nur über meinen Schatten springen müssen. Das war jedoch leichter gesagt als getan.

  Wie oft hatte mich mein Ex-Freund Eugene gebeten, mit ihm Ski fahren zu gehen? Oder gemeinsam mit seinen Freunden abzuhängen? Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte Male, und mit jeder Absage hatte ich mich schlechter gefühlt. Dennoch hatte ich auch beim nächsten Mal wieder abgelehnt. Ich konnte einfach nicht aus meiner Haut. Es gab Tage, an denen ich mich dazu bereit fühlte, mit Fremden zu sprechen, aber an anderen erzeugte der Gedanke ein solches Gefühl der Beklemmung in mir, dass mir körperlich schlecht davon wurde.

  Ich wäre nicht so weit gegangen zu sagen, dass ich an einer sozialen Phobie litt. Mit Leuten Zeit zu verbringen, die nicht zu meinem inneren Kreis zählten, missfiel mir einfach. Es rief ein Unbehagen in mir hervor, das in meiner Jugend besonders schlimm gewesen war, denn damals hatte ich viele Unsicherheiten mit mir herumgetragen. Inzwischen war es besser geworden. Ich hatte an Selbstvertrauen gewonnen, nicht zuletzt durch die Freundschaft mit Auri und den Cosplayern. Trotzdem war es nicht leicht für mich. Nicht umsonst konnte ich meine Freunde an einer Hand abzählen.

  Ich schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine über die Bettkante. Die Chance, mit Auri auf die Party zu gehen, hatte ich verstreichen lassen, aber dafür hatten wir den ganzen Samstag vor uns. Der Badesee wartete.

  Ich vollführte wie jeden Morgen mein nerviges Diabetikerritual, bevor ich mir meinen Bademantel über die Schultern warf und übernächtigt in die Küche tapste.

  Auri stand hinter der Kücheninsel und richtete zwei Teller mit Pancakes an. Im Hintergrund spielte leise Hip-Hop-Musik.

  Gähnend setzte ich mich auf einen der Hocker.

  Mein zerknautschter Anblick brachte Auri zum Lächeln. »Guten Morgen.«

  »Morgen«, erwiderte ich und legte mein Kinn in die Handfläche, um meinen schweren Kopf zu stützen. Auri erweckte einen wesentlich zufriedeneren Eindruck als vergangene Nacht, und ich fragte mich unwillkürlich, ob er sich daran erinnerte, mir die Wahrheit über den gestrigen Abend erzählt zu haben. »Seit wann bist du wach?«

  »Acht.«

  Mein Blick zuckte zur Uhr am Herd. 9:42 Uhr. Wie um alles in der Welt konnte er so fit sein, obwohl er getrunken hatte, während ich mich wie überfahren fühlte?

  »Kaffee?«, piepste ich hilfsbedürftig.

  Auri goss mir eine Tasse ein und schob sie mir zu.

  Ich hatte mir angewöhnt, meinen Kaffee schwarz zu trinken, um Zucker einzusparen. Was mich daran erinnerte, dass ich meine Werte kontrollieren und meine Pumpe überprüfen sollte. Ich richtete mich aus meiner zusammengesunkenen Position auf und gönnte mir einen großen Schluck Koffein. Ein zufriedenes Seufzen entwich meinen Lippen.

  »Vielleicht wärst du weniger müde, wenn du keinen Kaffee trinken würdest«, bemerkte Auri und träufelte Sirup über die Pancakes, deren Teig an manchen Stellen von den Blaubeeren, die darin steckten, lila gefärbt war.

  »Ich höre dich reden, aber deine Worte ergeben keinen Sinn.«

  »Koffein beeinflusst langfristig deinen natürlichen Schlafrhythmus. Demnach hast du einen gesünderen Schlaf, wenn du darauf verzichtest.«

  »Niemals!« Ich klammerte mich an meiner Tasse fest, als könnte Auri sie mir jeden Augenblick entreißen. »Außerdem trinkst du doch auch Kaffee.«

  »Aber ich jammere nicht rum, dass ich müde bin.« Er dekorierte die Pancakes mit klein geschnittenen Erdbeeren und übergoss seine Portion zusätzlich mit Ahornsirup, ehe er mir den Teller ohne Sirup zuschob.

  Ich bedankte mich und nahm einen Bissen. »Oh mein Gott«, stöhnte ich und gab ein weiteres zufriedenes Seufzen von mir. Auch wenn ich mir nach diesem Frühstück vermutlich ein paar Einheiten mehr spritzen musste, das war es wert.

  Auri grinste. »Die hab ich gut hinbekommen, oder?«

  Ich hob die Augenbrauen. »Auri?«

  »Ja?«

  »Deine Lüge wäre glaubhafter, wenn du nicht vergessen hättest, die Verpackung wegzuräumen.« Ich deutete mit meiner Gabel in Richtung der leeren Papiertüte, auf der das Logo einer bekannten Restaurantkette zu erkennen war.

  »Ups … Aber ich habe die Pancakes eigenhändig abgeholt, das zählt auch.«

  Amüsiert schüttelte ich den Kopf. »Du bist ein Idiot.«

  »Ja, aber ein Idiot, der dich mit Pancakes füttert.« Er lehnte sich über den Tisch und hielt mir seine Gabel vor den Mund.

  Ich schnappte nach dem Stück fluffigen Teigs und grinste ihn an. Den nächsten Bissen schob er sich wieder selbst in den Mund.

  Eine Weile aßen wir schweigend. Der Kaffee zeigte seine Wirkung, und ich fühlte mich allmählich wieder wie ein funktionierender Mensch.

  »In was für eine abscheuliche Kreatur hat Lucien dich eigentlich dieses Mal verwandelt?«, erkundigte sich Auri so unbefangen, wie er sonst auch mit mir umging. Er schien sich wirklich nicht an das zu erinnern, was er kurz vor dem Einschlafen zu mir gesagt hatte. Vielleicht hätte mir das ein Hinweis sein sollen, es auch zu vergessen. Schließlich schien er mir meine Abwesenheit auf der Party nicht nachzutragen.

  Oder er ist gut darin, sich zu verstellen.

  »Das ist schwer zu beschreiben«, antwortete ich und nahm mein Handy. »Es war eine Art vernarbter, blutiger Teufel … Warte, ich hab ein Foto.« Ich scrollte durch meine Bildergalerie, welche diese Woche vor allem aus abfotografierten Unterlagen von Auris und meinem Cosplay bestand.

  Schließlich entdeckte ich das Bild, das Lucien von mir gemacht hatte, auch wenn ich darauf nicht zu erkennen war. Meine Haut war rabenschwarz und von Pocken übersät. Mein linkes Auge glich einer blutigen, eitrigen Wunde, in die Lucien kleine, helle Stücke eingesetzt hatte, die aussahen wie Maden. Für das rechte Auge hatte er mir eine weiße Kontaktlinse gegeben, hinter der weder Iris noch Pupille zu sehen waren. Weiteres Blut ergoss sich über meinen Hals und tropfte von den Hörnern, die auf meiner Stirn klebten. Dazu trug ich eine schwarze Perücke. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie angsteinflößender ausgesehen.

  »Wow«, raunte Auri und nahm mir das Handy aus der Hand. Er zoomte an mein Gesicht ran. »Heftig. Vielleicht sollten wir Lucien statt Julian mit zur SciFaCon nehmen, er könnte uns mit unserem Cosplay helfen.«

  »Er kann nicht, ich hab ihn schon gefragt. Er will Amicia nicht alleine lassen.«

  Auri hob e
ine Augenbraue. »Wie alt ist sie noch mal?«

  »Fünfzehn.«

  »Mit fünfzehn kann er sie doch sicher mal eine Nacht alleine lassen.«

  »Vermutlich, aber Lucien will nicht. Sie macht gerade eine schwere Phase durch.«

  »Was soll das heißen?«

  »Sie redet kaum und ist sehr verschlossen. Außerdem hat sie zuletzt wohl ein paarmal die Therapie geschwänzt. Lucien macht sich wirklich Sorgen um sie. Ich würde ihm gerne helfen, aber er sagt immer, er kommt zurecht.«

  »Vielleicht könntest du etwas mit seiner Schwester unternehmen, damit er mal einen ruhigen Tag hat.«

  »Gar keine schlechte Idee, aber was macht man mit einer Fünfzehnjährigen?« Es war zwar noch keine sechs Jahre her, dass ich fünfzehn gewesen war, aber ich war nicht gerade ein typischer Teenager gewesen und gewiss kein Problemkind.

  »Auf was steht Amicia denn so?«

  »Horrorfilme. Das hat sie sich von Lucien abgeschaut.«

  »Und was noch?«

  Ich zuckte mit den Schultern und schob mir noch einen Pancake-Bissen in den Mund. »Keine Ahnung.«

  »Ihr könntet einen Filmabend machen, aber das ist ziemlich Standard.« Auri neigte nachdenklich den Kopf. »Oder ihr geht in einen Escape Room. Einer aus meinem Team war dort. Man muss Rätsel lösen, um aus einem Raum zu entkommen, und es gibt wohl auch ein Geisterzimmer, in dem man erschreckt wird.«

  »Hey, das ist gar keine so schlechte Idee. Danke.« Vermutlich würde ich mir vor Angst in die Hose machen, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass es Amicia gefiel.

  Ich beschloss, Lucien bei der nächsten Gelegenheit von der Idee zu erzählen. Er konnte wirklich mal einen Tag für sich brauchen, ohne sich Sorgen zu machen, wo Amicia steckte und ob es ihr dort gut ging. Seit dem Unfall ihrer Eltern lebte Lucien in der ständigen Angst, er könnte noch jemanden verlieren. Selbst ich bekam Kontrollnachrichten von ihm, wenn er ein paar Tage nichts von mir gehört hatte. Es war irgendwie süß, aber auch traurig, dass er so von dieser Furcht beherrscht wurde.

  Auri grinste mich mit vollem Mund an. »Gerne. Falls sie Bilder davon machen, wie sie dich erschrecken, bring mir gerne ein Foto als Andenken mit.«

  »Haha, das werde ich garantiert nicht tun.«

  »Schade.« Er legte die Gabel auf seinen bereits leeren Teller.

  Ich beeilte mich, ebenfalls fertig zu werden, und stopfte mir einen großen Bissen Pancake in den Mund, damit wir bald loskonnten. Wenn wir zu lange trödelten, wären alle guten Plätze schon vergeben, und das wollte ich nicht. Ich freute mich auf einen langen Tag am Strand. Nur Auri und ich.

  10. Kapitel

  An einem Samstag mitten im Sommer an den Badesee zu fahren, war vielleicht nicht meine beste Idee gewesen. Der künstlich angelegte Strand war hoffnungslos überfüllt, aber ich versuchte mir von den Menschenmassen nicht den Mut rauben zu lassen.

  Wir sperrten unsere Wertsachen in einen der Spinde in der Nähe der Hütte, wo überteuertes Essen und Getränke verkauft wurden, und nahmen nur das Nötigste mit an den Strand. Der Sand schimmerte in der Sonne, und trotz meiner Flipflops hatte ich das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu gehen.

  Wir mussten eine Weile suchen, ehe wir ein schönes Plätzchen fanden. Auri stellte den Schirm auf, auf den ich bestanden hatte. Er mochte von Natur aus dunklere Haut haben, wodurch er weniger anfällig für einen Sonnenbrand war. Doch ich war blass wie ein Bettlaken, mit mehr Sommersprossen, als man zählen konnte. Ich musste praktisch nur an die Sonne denken, um krebsrot zu werden.

  Ich breitete unsere Badehandtücher aus, während Auri die Luftmatratze aufblies, die wir mitgebracht hatten.

  Um uns herum räkelten sich die Leute in der Sonne. Kinder bauten Sandburgen, irgendwo spielte Musik, und einige Meter weiter war ein Volleyballnetz gespannt, an dem sich ein paar Jugendliche ein Match lieferten. In der Ferne fuhren Boote über den See. Mütter plantschten mit ihren Kleinkindern im flachen Wasser am Ufer, und ein rassistisches altes Ehepaar starrte Auri an. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, ihre giftigen Blicke zu verbergen. Mit vor Ekel verzogenen Mündern starrten sie in unsere Richtung und wechselten dabei leise einige Worte, die ich zwar nicht hören, deren Hass ich dafür aber umso deutlicher spüren konnte.

  Unwillkürlich ballte ich die Hände zu Fäusten, als mir die kalte Wut den Nacken emporkroch wie jedes Mal, wenn so etwas passierte – und das war viel zu oft. Ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, was ich sagen wollte, stand ich auf. Die Art, wie diese Fremden Auri ansahen, war nicht akzeptabel. Als würde er mit seiner bloßen Existenz ein Verbrechen begehen.

  »Nicht.«

  Mein Blick zuckte zu Auri.

  Er schüttelte den Kopf. Anscheinend war ihm das Starren des Ehepaars nicht entgangen, was ich mir gewünscht hätte. Er sollte sich mit so etwas nicht rumschlagen müssen.

  »Aber …«, setzte ich an, doch Auri unterbrach mich.

  »Lass es gut sein.«

  Seine Stimme klang ruhig, während meine einen scharfen Ton angenommen hatte. Offenbar vollkommen ungerührt schob er sich die Sonnenbrille auf die Stirn und spähte sehnsüchtig auf den See hinaus.

  »Wie kannst du so gelassen bleiben?«

  Auri stieß ein Seufzen aus und wandte seinen Kopf wieder in meine Richtung. »Was soll ich deiner Meinung nach denn tun, Cassie? Böse zurückstarren? Oder rübergehen und einen Streit vom Zaun brechen, der mir den ganzen Tag versaut, nur weil zwei Idioten ein Problem mit mir haben? Auf keinen Fall. Ich werde hier liegen, chillen und Pommes essen. Und entweder kommen diese Leute damit klar oder nicht.«

  Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Das ist unfair.«

  »Ich weiß, aber solche Leute sind die Mühe nicht wert. Und jetzt komm in den Schatten, damit wir dich mit Lichtschutzfaktor zehntausend eincremen können.«

  »Haha, sehr witzig.«

  Ich blieb noch einen Moment stehen und blickte finster in Richtung des Ehepaares – das sich meiner Wut vermutlich nicht einmal bewusst war, da ich nach außen etwa so bedrohlich wirkte wie ein Kätzchen, dem man kleine Fäustlinge angezogen hatte, damit es sich nicht kratzen konnte. Doch als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, war meine Aufmerksamkeit augenblicklich anderweitig gebannt.

  Auri hatte sich das Shirt ausgezogen, was mir einen ungehinderten Blick auf seinen trainierten Oberkörper erlaubte. Ich hatte ihn in den vergangenen Jahren schon in den verschiedensten Stadien der Entkleidung gesehen, dennoch war es ein Anblick, an den ich mich nie gewöhnen würde. Das zeigte mir nicht zuletzt die Reaktion meines Körpers, der sofort an verschiedenen Stellen zu kribbeln begann.

  Auri kickte sich die Schuhe von den Füßen und öffnete seine Hose. Darunter trug er schwarze Badeshorts, die vermutlich locker hätten sitzen sollen. Allerdings nicht an Auris Beinen, die vom täglichen Training kräftig und muskulös waren. Seine Haut, die in der Hitze schimmerte, schien mich geradezu magisch anzuziehen.

  Einen Moment lang bewunderte ich das Tattoo, das auf seinem rechten Brustmuskel saß. Es zeigte ein komplexes Mandala, das sich über seine Schulter und Teile seines Oberarms bis auf den Rücken zog. Es war so vielseitig, dass es mir trotz all der Zeit noch nicht gelungen war, es vollkommen zu ergründen. Ich wollte jede einzelne Linie mit den Fingern nachziehen. Oder, noch besser, mit den Lippen ergründen. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was wohl geschehen würde, wenn ich einfach zu Auri ging und ihn küsste. Nicht als Maylin, sondern als Cassandra King …

  Nein!

  Das Risiko war unsere Freundschaft nicht wert.

  Mit Gewalt riss ich den Blick von meinem besten Freund los – ich hielt es für sinnvoll, mich noch einmal daran zu erinnern – und begann ebenfalls, mich auszuziehen. Meine Flipflops versteckte ich unter dem Badetuch, bevor ich meine Jeans aufknöpfte und das Top mit dem Comic-Con-Logo auszog. Ich seufzte vor Erleichterung, denn selbst diesen wenigen Stoff abzulegen, brachte eine angenehme Kühlung, auch wenn sie vermutlich nur ein paar Sekunden anhalten würde.

  Ich faltete gerade meine Sachen zusammen, als mir bewusst wurde, dass ich beobachtet wurde. Nicht von dem verbitterten Ehepaar, sondern von Auri.
Er hatte sich auf sein Badetuch gesetzt, den Oberkörper aufgerichtet, und stützte sich auf die Ellenbogen. Eine Position, in der sein fein definiertes Sixpack bestens zur Geltung kam. Sein Blick klebte förmlich an mir.

  Schlagartig verschwand das Gefühl der Abkühlung, und die Wärme kehrte zurück. Heißer und glühender als zuvor breitete sie sich in alle Richtungen in meinem Körper aus. Auri betrachtete mich auf dieselbe Art und Weise, auf die ich zuvor ihn angesehen hatte. Anzüglich ließ er den Blick von meinem schwarzen Höschen über meinen Bauch bis hin zu dem raffinierten Bikini-Top wandern. Es wurde von mehreren Bändern gehalten, die um meine Brust und Teile meiner Oberarme gewickelt waren, weshalb ich es mir überhaupt erst gekauft hatte. Auf diese Art versteckte und schützte der Stoff die Geräte, die dort an meinem Körper saßen.

  Augenblicklich bereute ich es, mich für diesen Bikini und gegen meinen Badeanzug entschieden zu haben, der deutlich mehr Haut bedeckte. Und gleichzeitig freute ich mich darüber. Es gefiel mir, wie Auri mich ansah, auch wenn es das nicht sollte. In seinem Blick lag nicht nur die Zuneigung, die ich dort schon öfter entdeckt hatte, sondern da war noch etwas anderes, wilderes, das meine Haut zum Prickeln brachte.

  Für eine gefühlte Ewigkeit rührte sich keiner von uns, als plötzlich ein Volleyball neben mir im Sand landete. Erschrocken machte ich einen Satz zurück, und der Moment zwischen Auri und mir stob in alle Himmelsrichtungen wie die Sandkörner unter der Wucht des Aufpralls.

  »Sorry!«, brüllte ein schlaksiger Junge, der auf uns zugerannt kam. Er schnappte sich den Ball und lief sofort zu seinen Freunden zurück.

  Ich sah ihm hinterher, um mich zu sammeln und wieder zur Besinnung zu kommen. Meinem Verstand war vollkommen klar, welche Art Beziehung Auri und ich haben sollten. Doch mein verfluchtes Herz wollte nicht hören. Wie ein trotziges Kind steckte es sich die Finger in die Ohren und grölte herum, um die Argumente der Vernunft nicht hören zu müssen.

 

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