by Laura Kneidl
Julian seufzte. »Ich weiß, aber es gibt ein Problem mit einem der Entwürfe.«
»Kann sich nicht jemand anders darum kümmern?«
»Vermutlich, aber sie haben mich gefragt.«
Micah verschränkte die Arme vor der Brust.
Langsam beschlich mich das unbestimmte Gefühl, dass dies nicht das erste Mal war, dass Julian so spät noch arbeiten ging.
»Warum hast du nicht abgelehnt? Du bist nur der Praktikant. Es ist nicht deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Laden läuft.«
»Micah …« Julian hielt inne. Er schluckte schwer, zögerte und ging schließlich neben Micah in die Hocke. Die Augen wie ein Hundewelpe aufgerissen, sah er sie an. »Es tut mir leid, aber es geht nicht anders. In zwei Stunden bin ich zurück, dann ist Feierabend. Versprochen.«
»Mhm«, brummte Micah und klang dabei alles andere als überzeugt.
»Ich meine es ernst«, erwiderte Julian. Er hielt noch einmal kurz inne, dann legte er eine Hand auf ihre Knie. Eine Berührung, die sie dazu zwang, ihn anzusehen. »Ich liebe dich.« Die Worte waren nur ein Flüstern, dennoch waren sie in diesem Moment klar und deutlich zu hören.
Micah verdrehte genervt die Augen, als würde sie sich selbst dafür hassen, Julian nicht widerstehen zu können. Ihre Gesichtszüge wurden weicher. »Ich liebe dich auch.«
Julian lächelte sie an, und in diesem Augenblick schien nur Micah für ihn zu existieren. Dann beugte er sich zu ihr und küsste sie zart auf die Lippen. Es war ein so intimer Moment, dass ich den Blick abwandte und erst wieder aufblickte, als ich hörte, dass Julian sich aufrichtete. Er wünschte uns noch einen schönen Abend, bevor er eilig aus dem Zimmer huschte.
Schweigend blickten wir ihm nach.
Es war Aliza, welche die folgende Stille mit einem schweren Seufzen durchbrach. »Ihr zwei seid echt ekelhaft süß zusammen. Ich bin neidisch.«
»Auf einen Freund, der zu viel arbeitet?«
Aliza schnaubte. »Hätte ich eine Beziehung, wäre ich der Freund, der zu viel arbeitet. Aber genau aus dem Grund lerne ich eh niemanden kennen. Von daher: Hashtag ForeverAlone.«
Micah musterte Aliza interessiert. »Willst du denn eine Beziehung?«
»Nicht wirklich.« Aliza zog ihr rechtes Bein auf die Couch und umschlang es mit den Händen. »Ich hätte wirklich keine Zeit. Aber manchmal wäre es schon nett, jemanden zu haben.«
»Ich bin auch Single«, warf ich ein. »Wir können zusammen niemanden haben.«
Aliza warf mir einen zweifelnden Blick zu. »Du hast Auri.«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Schon, aber ihr wohnt zusammen, schaut zusammen Filme und habt diese ganzen Insider-Witze.«
»Und ihr kuschelt auf der Couch«, warf Micah wenig hilfreich ein und grinste dabei verwegen. »Außerdem hat Julian öfter beobachtet, wie Auri aus deinem Schlafzimmer gekommen ist oder du aus seinem.«
Um den Blicken der beiden auszuweichen, griff ich in die Popcornschüssel, die auf dem Tisch stand. »Ich weiß nicht, was du damit andeuten willst. Wir hatten keinen Sex.«
»Das hab ich nicht behauptet, aber ihr habt eindeutig beieinander übernachtet.«
»Was absolut nichts zu bedeuten hat«, wiegelte ich ab, obwohl mein kräftig pochendes Herz etwas anderes behauptete und mir einmal mehr meine verworrenen Gefühle für Auri vor Augen führte, vor denen ich mich mehr fürchtete als vor allem anderen. Ich hatte Angst, dass sie das, was Auri und ich hatten, eines Tages kaputt machen könnten. Denn wir hatten zwar ähnliche Interessen, aber tief in uns drin waren wir grundverschiedene Menschen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Auri das erkannte und sich mit mir langweilen würde. Er redete oft davon, dass er nach dem Abschluss reisen und die Welt kennenlernen wollte. Mein größter Wunsch für die Zukunft war dagegen ein sicherer Nine-to-five-Job, der mir genug Geld einbrachte, um mich nach Feierabend sorglos auf die Couch legen und Serien gucken zu können. Er war offen für neue Dinge. Ich nicht. Er war gerne unter Menschen. Ich nicht. Er war neugierig auf die Welt. Ich nur auf die nächste Staffel meiner Lieblingsserie.
»Ihr wärt ein wirklich süßes Paar«, bemerkte Micah.
Aliza nickte zustimmend.
»Sind wir aber nicht.« Bildete ich mir das ein, oder hatte sich da ein enttäuschter Unterton in meine Stimme geschlichen?
Ich schob mir eine Handvoll Popcorn in den Mund und schnappte mir die Fernbedienung, um den Film weiterlaufen zu lassen.
Gebannter als zuvor starrte ich auf den Fernseher, dennoch war ich mir Micahs Blick nur allzu bewusst. Ich ignorierte sie, und nach ein paar Sekunden ließ sie von mir ab.
Ich wusste, dass sie es nur gut meinte. Sie wollte Auri und mich glücklich sehen. Und wäre sie an meiner Stelle gewesen, hätte sie sich vermutlich Hals über Kopf in die Sache hineingestürzt und jeden Zweifel einfach beiseitegeschoben. Ich hingegen war mir nicht sicher, ob ein Moment des Glücks den Preis unserer Freundschaft wert war.
19. Kapitel
»Wie findest du die Farbe?« Ich trat einen Schritt von der Wand zurück, um meinen Pinselstrich zu betrachten. Ich hatte die weiße Wandfarbe mit einem Klecks Blau und Grün vermischt, sodass ein zartes Türkis entstanden war. »Oder soll ich es noch intensiver machen?«
Auri blickte auf. Er saß auf dem Boden und war gerade damit beschäftigt, einen Tisch aufzubauen.
Wir hatten am Morgen eine große Runde durch Baumärkte und Möbelhäuser gedreht, damit wir den Rest des Wochenendes damit verbringen konnten, unser neues Bastelzimmer einzurichten.
»Mir gefällt es, aber du kannst es auch gerne noch etwas dunkler machen.«
Ich neigte den Kopf und betrachtete den farbigen Striemen. »Ich lass es erst mal trocknen.«
»Gute Idee«, nuschelte Auri, der sich eine weitere Schraube zwischen die Lippen geklemmt hatte. Kurz darauf ertönte das nervige Kreischen der Bohrmaschine.
Langsam, aber stetig setzte sich der Raum zu einem Ganzen zusammen. Die Regale für unsere Bücher, DVDs und Spiele standen bereits. Es würde einen Schrank für Stoffe und andere Materialien geben und eine Kommode mit vielen Schubladen für kleinere Utensilien. Wir hatten auch günstig eine gebrauchte Couch erstanden, und in ein paar Tagen würden zwei Schneiderbüsten geliefert werden, auf die wir unsere Kostüme stecken konnten. Die SciFaCon war dann zwar schon vorbei, aber in einigen Wochen würde das LARP weitergehen, und ich hatte ein paar neue Ideen für die Outfits von Gorwìn und Maylin.
»Ich mach uns mal was zu essen«, brüllte ich über den Lärm hinweg und ging in die Küche.
Der Kühlschrank war fast leer, aber ich fand noch ein paar Eier, aus denen ich Omelett mit Spinat zauberte. Ich prüfte meine Blutwerte und meinen Insulinspiegel, bevor ich mit den beiden Tellern zurück in das Bastelzimmer ging.
Auri hatte den Tisch inzwischen zusammengebaut und arbeitete an dem ersten von zwei Stühlen.
Ich hockte mich neben ihn auf den Boden. »Wir hatten leider nicht mehr viel da.«
Dankbar nahm Auri mir einen der Teller ab. »Besser als nichts.«
Ich nickte. »Hast du gesehen, dass Aliza an die Gruppe geschrieben hat?«
»Nein, was denn?«, fragte Auri und nahm einen Bissen.
»Sie fragt, ob sie das Essen für das Sommerfest bei uns vorbereiten kann. Ihre Mom braucht nächstes Wochenende wohl auch die Küche bei ihnen zu Hause, und sie will nicht, dass es deswegen Stress gib.«
»Klar, kein Problem.«
»Perfekt, dann schreib ich ihr später.«
Wir aßen unsere Omeletts, gefolgt von drei Orangen als Nachtisch, die ebenfalls noch vom letzten Einkauf übrig waren.
Auri erzählte mir, dass er sich noch einmal mit der Leiterin des Kunstmuseums getroffen hatte. Anscheinend hatte der unfreundliche Aufseher eine Verwarnung bekommen. Allerdings bezweifelte Auri, dass er jetzt noch eine Chance hatte, mit seiner Kampagne zu gewinnen.
Insgeheim stimmte ich ihm zu, sprach es aber nicht laut aus. Stattdessen ermutigte ich ihn, denn schließlich konnte er noch immer eine gute Note für seinen Entwurf bekommen.
Nachdem wir aufgegessen hatten, machten wir uns wieder an die Arbeit. Auri baut
e die Stühle zusammen und setzte sich dann an die Kommode, die mit ihren vielen Schubladen vermutlich einige Stunden in Anspruch nehmen würde. Derweil strich ich die Wand und begann die Regale zu füllen. Ich liebte diesen Raum schon jetzt und konnte es kaum erwarten, unsere Ciri- und Geralt-Kostüme hier fertigzustellen.
»Kannst du mir mal den Hammer geben?«, fragte Auri.
Ich wollte gerade danach greifen, als sein Handy zu klingeln begann, das direkt neben dem Werkzeug lag. Automatisch warf ich einen Blick auf das Display.
»Wer ist es?«, fragte Auri.
»Jeremy. Soll ich es dir bringen?«
»Nimm einfach an und stell auf Lautsprecher.«
Ich gehorchte.
»Hey, J«, grüßte Auri seinen Team-Captain.
»Jo, Maurice, was geht?«, hallte Jeremys Stimme durch das Zimmer. Seine Worte wurden von einem steten Rauschen begleitet, als würde er im Auto sitzen.
»Nicht viel. Und bei dir?«
»Auch nicht, aber später geht’s auf die Party von Colby. Bist du dabei?«
Die unschuldige Frage reichte aus, um mir schlagartiges Unwohlsein zu bereiten. Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen und wich Auris Blick aus. Er würde zusagen und mich fragen, ob ich ihn begleiten wolle. Und meine Antwort darauf wäre dieselbe wie jedes Mal: Nein. Vor allem nach dem letzten Aufeinandertreffen mit seinen Teamkollegen hatte ich keine Lust auf ein Wiedersehen.
»Heute nicht«, antwortete Auri jedoch, ohne zu zögern.
Verblüfft zog ich die Brauen hoch.
»Komm schon«, drängte Jeremy. »Ohne dich ist es nicht dasselbe.«
Auri lachte. »Ich wette, du hast auch ohne mich deinen Spaß.«
Jeremy schwieg einen Augenblick. »Ist es immer noch wegen diesem dämlichen Spruch von Colby?«
»Nein, das hat nichts damit zu tun. Ich fühl’s heute einfach nicht.« Auri zuckte mit den Schultern, bevor er in meine Richtung sah.
Unsere Blicke trafen sich.
Unwillkürlich hielt ich den Atem an, und das Unwohlsein, das ich eben noch empfunden hatte, wurde von einem angenehmen Kribbeln abgelöst.
»Sicher? Du verpasst was.«
»Damit komm ich klar.«
Jeremy schnaubte. »Deine Entscheidung, Mann, dann bis Montag.«
»Bis Montag«, echote Auri, und das Telefonat war beendet.
Eine seltsame Stille senkte sich über den Raum. Seit wir mit unserer Renovierungsaktion begonnen hatten, war es in dem Zimmer noch keine Sekunde ruhig gewesen. Entweder hatten wir geredet, oder der Lärm der Bohrmaschine hatte alles übertönt.
Ich räusperte mich. »Du musst meinetwegen nicht zu Hause bleiben.«
»Ich weiß, aber ich möchte.« Auri lächelte. »Lieblingsmensch. Schon vergessen?«
»Oh … okay«, erwiderte ich, und meine Mundwinkel wanderten wie von selbst in die Höhe.
20. Kapitel
»Kannst du die Cupcakes nehmen?«, fragte Aliza und schielte über den Turm Frischhaltedosen, den sie balancierte, in meine Richtung.
»Klar!« Ich schnappte mir die beiden Transportboxen von der Rückbank von Auris Wagen.
Die Boxen waren mit über sechzig Cupcakes gefüllt. Langsam fragte ich mich, ob sich Aliza dazu bereit erklärt hatte, das komplette Sommerfest mit ihrem Essen zu versorgen. Sie hatte stundenlang in unserer Küche gestanden. Das Ergebnis waren eine unüberschaubare Menge gefüllter Teigtaschen, die Aliza »Samosas« nannte, besagte Cupcakes und vier Auflaufformen Mac’n’Cheese – darunter auch eine vegane und laktosefreie Variante –, die Auri trug.
»Danke!« Aliza neigte den Kopf, um an den Dosen vorbeisehen zu können.
Wir waren gemeinsam zu Bright Canopy gefahren, wo in weniger als einer Stunde das Sommerfest beginnen sollte, das Julian seit Wochen plante. Noch war es ruhig, und nur die Stimmen der Helfer waren zu hören, die letzte Vorbereitungen trafen.
Das Tor zum LGBTQ+ Zentrum stand offen, sodass wir einfach eintreten konnten. Ich war bisher noch nie hier gewesen und kannte das Gelände der alten Autowerkstatt nur aus Julians und Micahs Erzählungen. Es gab einen weitläufigen Hof, auf dem früher vermutlich Dutzende von Autos geparkt gewesen waren. Dahinter lag ein eingeschossiges Gebäude mit Flachdach und großen Garagentoren, die einen Blick ins Innere gewährten.
Julian und die anderen Helfer hatten ganze Arbeit geleistet. Ich hatte keine Ahnung, wie das Zentrum für gewöhnlich aussah, aber heute wirkte es supergemütlich und festlich. Zahlreiche Bierbänke reihten sich im Hof aneinander, große Schirme spendeten Schatten, und zwischen ihren Metallstangen waren Lampionketten gespannt. Die Tische für das Büfett und einige Kühlschränke für Getränke waren ebenfalls schon vorbereitet, und unweit davon war eine kleine Bude aufgebaut worden, auf der groß Kasse stand.
»Ach du meine Güte!«, rief eine hochgewachsene Frau, als sie Aliza, Auri und mich entdeckte, und eilte auf uns zu. Sie trug ein sommerliches Kleid und Pumps und hatte langes braunes Haar, das ihr in einem geflochtenen Zopf über die Schulter fiel. Vorsichtig nahm sie eine der Dosen von Alizas wackeligem Tupper-Turm. »Du hast es ja gar nicht übertrieben, meine Liebe.«
»Ich hab gefragt, wie viel ich machen soll, und du sagtest: viel. Also hab ich viel gemacht.« Aliza zuckte mit den Schultern, allerdings nur ganz leicht, um ihren Turm nicht ins Wanken zu bringen. »Sieh es als meine Spende an.«
Die Frau lächelte und warf Aliza einen Luftkuss zu. »Du bist die Beste. Und wer sind deine Helfer?«
»Das sind Auri und Cassie. Julians ehemalige Mitbewohner.«
»Ah, Jules hat mir von euch erzählt. Ich bin Samantha, die Gründerin und Leiterin des Bright Canopy. Schön, dass ihr heute mit dabei seid. Das wird ein toller Tag. Wir haben so viel geplant und vorbereitet. Ihr werdet begeistert sein.« Samantha sprudelte vor Energie fast über, und ich fragte mich unwillkürlich, ob sie immer so quirlig war oder ob es an der Aufregung vor dem großen Fest lag.
»Wo können wir die Sachen abstellen?«, fragte Aliza.
»Folgt mir.«
Samantha führte uns ins Innere des Zentrums, vorbei an einer Sofa- und Sessellandschaft und einer Tischtennisplatte. Girlanden baumelten von der Decke, und an den Wänden hingen Zettel, welche über das Angebot und die Preise informierten. Neben spaßigen Aktivitäten und leckerem Essen gab es anscheinend auch zwei Beratungsräume für Betroffene und Angehörige, die durchgehend besetzt waren. Samantha und ihre Helfer hatten wirklich an alles gedacht und keine Mühen gescheut.
»Wie viele Leute erwartet ihr?«, fragte ich.
Samantha stieß eine Tür auf und lehnte sich dagegen, um sie für uns offen zu halten. »Wir hoffen auf ein paar Hundert.«
Ich riss die Augen auf. Meine Finger begannen zu prickeln. »So viele?«
Sie nickte. »Die Veranstaltung ist nicht nur für unsere Mitglieder, sondern auch für deren Freunde, Verwandte und Leute gedacht, die ganz generell an unserer Arbeit interessiert sind. Wir haben Flyer verteilt und auch eine Anzeige in der Zeitung geschaltet. Bright Canopy soll ein offener Raum für jedermann sein. Niemand wird ausgeschlossen. Außerdem ist das Fest vor allem da, um Spenden für das Zentrum zu sammeln. Wir können von vielen Gästen also nur profitieren.«
»Das hört sich toll an«, sagte ich mit einem leicht verkrampften Lächeln. Ich hatte mich nicht auf so viele Menschen eingestellt, und das machte mich etwas fahrig, aber ich würde mich einfach an Auri halten, dann würde schon alles gut werden.
Samantha hatte uns in die Küche gebracht, in der bereits allerlei Vorräte für das Fest bereitstanden. Während wir noch nach einem freien Platz für Alizas Köstlichkeiten suchten, musste sich Samantha direkt wieder verabschieden, da ihre Anwesenheit noch an anderer Stelle erforderlich war. Vermutlich würde sie nicht zur Ruhe kommen, bis das Fest vorbei war.
»Wollen wir uns ein bisschen umschauen?«, fragte ich.
Auri nickte. »Julian und Micah sind auch schon hier, vielleicht können wir ihnen noch bei was helfen.«
»Gute Idee«, erwiderte Aliza mit einem prüfenden Blick auf das andere Essen.
Wir verließen die Küche und wollten gerade wieder nach draußen
gehen, als uns Julian entgegenkam. Er wirkte gehetzt. Unter seinen Achseln hatten sich Schweißflecken gebildet, und sein lockiges Haar war zerzaust. »Da ist der Mann, den ich suche!«, rief er erfreut. Die Begrüßung sparte er sich. »Ich bräuchte deine Hilfe, Auri. Der Getränkelieferant ist da, aber er will die Kisten nicht reintragen, und die sind verdammt schwer. Könntest du mit anpacken?«
»Kein Problem, das bekomm ich hin.«
Julian atmete erleichtert auf. »Perfekt.«
»Sollen wir auch helfen?«, erkundigte ich mich. Ich fühlte mich etwas schlecht, da ich offenbar die Einzige war, die nicht wirklich etwas zu dem Fest beitrug. Julian, Adrian, Keith und Micah halfen seit Wochen bei den Vorbereitungen, Aliza hatte eine halbe Ewigkeit in der Küche verbracht, und jetzt schleppte Auri Kisten.
»Nichts gegen dich, Cassie, aber die Kisten sind wirklich schwer«, sagte Julian mit einem entschuldigenden Lächeln.
Ich nahm es ihm nicht übel. Er hatte ja recht. Mir wäre vermutlich nach vier oder fünf Kisten die Puste ausgegangen, während Auri problemlos zwei oder drei gleichzeitig trug.
»Ihr könntet aber Micah suchen, vielleicht braucht sie noch Hilfe.«
Ich lächelte verhalten. »Geht klar.«
»Hier, mein Autoschlüssel, falls ihr Alizas Kamera holen wollt.« Auri reichte mir den Schlüssel und beugte sich anschließend zu mir herunter, um mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben. Nachdem er mir noch ein aufmunterndes Lächeln geschenkt hatte, beeilte er sich, Julian einzuholen, der schon wieder losgerannt war.
Ein paar Sekunden blickte ich Auri nach. Vermutlich ahnte er, dass ich mich etwas nutzlos fühlte.
»Er ist wirklich süß zu dir.«
Ich wandte mich zu Aliza um, die mich mit einem breiten Grinsen betrachtete. »Er ist zu allen süß.«
»Mag sein, aber zu dir ganz besonders.« Sie zwinkerte mir zu.
Ich wusste ganz genau, worauf sie anspielte. Doch ich beschloss, nicht darauf einzugehen. Ich wollte einfach einen schönen Tag mit meinen Freunden verbringen und nicht über meine komplizierte Beziehung zu Auri nachdenken. Ich hatte meine Gefühle für ihn zwar nach draußen verbannt und das metaphorische Fenster geschlossen, aber allmählich kam es mir so vor, als wäre es undicht.