002 - Someone Else

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002 - Someone Else Page 25

by Laura Kneidl


  »Weil es mir sonst zu kompliziert ist.«

  Nun war es an mir, die Stirn zu runzeln. Aufmerksam betrachtete ich Luciens Reflexion im Spiegel. Als er sich mit der Hand durch das dunkle Haar fuhr, stand es ihm anschließend wirr in alle Richtungen vom Kopf ab. Es juckte mich in den Fingern, es sofort wieder zur richten.

  »Ein unverbindliches Treffen ist dir zu kompliziert?«

  »Ja.« Er ließ seine Hand sinken. »Können wir jetzt bitte über was anderes reden?«

  »Von mir aus.« Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das schwarze Kleid. »Was hältst du von dem?«

  Er betrachtete mich. »Sieht gut aus.«

  »Lucien!«, rief ich empört genug, um die Blicke einiger anderer Kunden auf uns zu ziehen.

  »Was? Das ist eben meine Meinung.« Er zuckte mit den Schultern und ließ sich wieder in den Sessel fallen. »Ich verweise dich gerne wieder an Micah oder Aliza. Oder an Auri. Warum hast du ihn nicht mitgenommen?«

  Mit einer fahrigen Geste fuhr ich mit den Handflächen über den Stoff des Kleides. Es gefiel mir von allen, die ich bisher angehabt hatte, am besten. »Er wollte mitkommen, aber ich habe abgelehnt«, sagte ich so leise, als würde ich mit mir selbst sprechen.

  Lucien verengte nachdenklich die Augen. »Wieso? Weil er dich vorher nicht in dem Kleid sehen soll? Newsflash, Cassie: Du bist nicht die Braut.«

  Ich atmete tief ein und wieder aus. »Das ist es nicht.«

  »Was dann?«

  »Wir … wir haben uns geküsst.« Ich hatte zuerst niemandem davon erzählen wollen, aber was machte es schon für einen Unterschied, ob ich mit Lucien darüber redete oder nicht? Der Kuss war bereits geschehen und konnte nicht rückgängig gemacht werden.

  Lucien wirkte nicht im Geringsten überrascht. »War der Kuss schlecht?«

  Frustriert lehnte ich mich gegen die Wand neben dem Spiegel. »Nein, im Gegenteil. Er war perfekt.« Ich seufzte, dann erzählte ich – nicht nur von dem Kuss an sich, sondern auch, wie es dazu gekommen war. An einigen Stellen waren Lucien die Informationen sichtlich zu detailliert, aber ich musste einfach alles loswerden, um zu verhindern, dass mich meine eigenen Gedanken verrückt machten. »Und jetzt tut Auri so, als hätte es den Kuss nie gegeben!«

  »So, wie ihr es damals beide nach dem LARP getan habt?«, hakte Lucien nach.

  Seufzend rieb ich mir über die Stirn. »Ja, aber das war etwas völlig anderes. Damals haben sich Maylin und Gorwìn geküsst. An diesem Wochenende waren es wirklich wir.«

  »Verstehe«, murmelte Lucien und sah mich mit seinen braunen Augen durchdringend an. Meist wirkte er nur gelangweilt und verschlossen, als würde er sich einen Scheiß für die Welt um sich herum und die Menschen darin interessieren, aber wer ihn besser kannte, wusste, dass das genaue Gegenteil der Fall war. »Und dieses Mal möchtest du den Kuss nicht ignorieren?«

  »Nein.«

  »Hast du ihm das gesagt?«

  Ich biss mir auf die Unterlippe. »Nein.«

  »Wieso nicht?«

  »Weil ihm das klar sein sollte.« Ich warf die Hände in die Luft. »Hast du mir eben nicht zugehört?«

  »Doch, aber lass mich das mal zusammenfassen. Du erwartest von Auri, dass er auf den Kuss reagiert, aber selber sagst und tust du nichts, weil es angeblich offensichtlich ist?«

  Gequält verzog ich das Gesicht. »Wenn du es so ausdrückst, klingt es dumm.«

  Er erwiderte meinen Blick, ohne zu blinzeln. »Es klingt nicht nur dumm, es ist dumm.«

  Ich stieß ein Brummen aus, aber langsam dämmerte mir, dass Lucien recht hatte. Meine Gefühle für Auri waren so vorherrschend, dass ich angenommen hatte, sie wären nicht zu übersehen. Was, wenn Auri genauso empfand? Es war nicht abzustreiten, dass wir einander mochten und uns zueinander hingezogen fühlten. Alles, was noch fehlte, war eine Entscheidung. Die Entscheidung, aus unserer platonischen Beziehung eine romantische zu machen. Und diese konnten wir nur zusammen treffen. Doch auch nach allem, was Auri und ich bereits geteilt hatten, hatte ich Angst. Angst vor Veränderung. Angst vor Abweisung. Angst vor dem Alleinsein. Auri war mein bester Freund. Mein Zufluchtsort. »Meine Person«, wie Meredith aus Grey’s Anatomy sagen würde. Doch so, wie es im Moment zwischen uns stand, konnte es nicht weitergehen.

  »Ich … ich sollte mit Auri reden.«

  »Yep, das solltest du«, pflichtete Lucien mir bei, und ich glaubte, die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht zu erkennen. »Und du solltest das Kleid nehmen. Es sieht viel besser aus als die anderen.«

  Ich blickte an mir herab und strich andächtig über den seidigen Stoff. Mein Herz raste, und meine Finger zitterten. Ich schluckte schwer, bevor ich wieder zu Lucien aufsah. »Danke.«

  »Gern geschehen«, erwiderte er, und wir beide wussten, dass weder ich noch er von dem Kleid sprachen.

  26. Kapitel

  Ich holte tief Luft, um meine Nerven zu beruhigen, dann drehte ich den Schlüssel zu unserer Wohnungstür herum. Das Kleid für die Hochzeit steckte in einer Papiertüte, deren Henkel vermutlich bald reißen würde, weil er von meinen feuchten Händen vollkommen durchgeweicht war. Doch ich würde keinen Rückzieher machen. Auri und ich brauchten ein klärendes Gespräch, so sehr wie die Albtraumlady die Träume der Menschen. Sie konnte ohne sie nicht existieren, so wie Auri und ich nicht ohne den jeweils anderen. Unsere Freundschaft würde langsam zugrunde gehen, wenn wir nicht endlich miteinander redeten und unsere Gefühle offenbarten. Keine Beziehung war dafür geschaffen, so vielen Unsicherheiten und Ängsten standzuhalten.

  Ich schob die Tür auf und betrat die Wohnung in dem Augenblick, in dem Auri aus seinem Zimmer gelaufen kam. Er trug ein schwarz-rot kariertes Flanellhemd, an dem er gerade die letzten zwei Knöpfe schloss, und dunkle Jeans, die seine langen Beine betonten. An seinem Handgelenk sah ich die goldene Armbanduhr aufblitzen, die Trevon ihm zum einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte und die er nur zu besonderen Anlässen trug.

  Als er mich bemerkte, blieb er abrupt stehen. »Hey.«

  »Hi«, sagte ich und legte meine Tüte auf der Couch ab. Mein Magen rumorte vor Aufregung. Hoffentlich konnte Auri das nervöse Gurgeln nicht hören. »Willst du heute noch irgendwo hin?«, fragte ich, obwohl es offensichtlich war, dass er sich nicht dermaßen aufgebrezelt hatte, um sich auf die Couch zu lümmeln.

  »Ja. Einer aus dem Team schmeißt eine Party.«

  Erstaunt hob ich die Augenbrauen. »An einem Montag?«

  »Er versucht wohl irgendein Mädchen zu beeindrucken.« Auri zuckte mit den Schultern und lief zum Schuhregal. Er zog ein paar Sneakers hervor und setzte sich auf die Couch, um sie zuzubinden.

  Ich wollte ihm die Vorfreude auf die Party nicht verderben, indem ich jetzt ein Gespräch über unsere Gefühle anzettelte. Stattdessen räusperte ich mich und fragte: »Darf ich mitkommen?«

  Auri blickte überrascht auf. »Auf die Party?«

  Ich nickte.

  Eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Bist du dir sicher? Da wird es ziemlich voll.«

  Bei seinen Worten wurde mir noch etwas flauer im Magen, aber ich wollte ihm unbedingt beweisen, dass er und ich auch außerhalb der Blase existieren konnten, die wir für uns und unsere Freunde geschaffen hatten. Ich wollte mit ihm nicht den gleichen Fehler begehen wie mit Eugene. Es würde mich einiges an Überwindung kosten, aber für Auri war ich gewillt, es zumindest zu versuchen.

  »Ja, aber nur, wenn es dir nichts ausmacht.«

  Auris misstrauische Miene löste sich in einem erfreuten Grinsen auf. »Absolut nicht. Ich freu mich, wenn du dabei bist. Und wenn es dir zu viel wird, können wir jederzeit wieder gehen.«

  Ich erwiderte sein Lächeln. »Gib mir eine Viertelstunde. Dann können wir los.«

  Dröhnende Bässe nahmen uns in Empfang. Die Tür zum Haus der Studentenverbindung war nicht abgeschlossen, wir konnten einfach eintreten. Die Luft war stickig und geschwängert vom Geruch von Schweiß und Alkohol, als wäre die Party bereits seit Stunden im Gange. Ein Remix von Lizzos Good as Hell hallte von den Wänden wider und animierte die Leute zum Tanzen. Überall um uns herum wippten Körper im Beat der Melodie und drängten sich a
neinander.

  Bereits nach wenigen Sekunden klingelten mir die Ohren. Ich tastete nach Auris Hand und klammerte mich an ihm fest.

  Seine Finger schlossen sich fest um meine, und er warf mir einen ermutigenden Blick über die Schulter zu, während er mich durch das Gedränge führte.

  Vorsichtig sah ich mich um auf der Suche nach vertrauten Gesichtern. Ich entdeckte Jeremy, der gerade heftig mit einer Brünetten rumknutschte, und noch ein paar weitere Mitglieder des Footballteams. Die anderen Leute waren mir fremd, obwohl sie Auri anscheinend alle kannten. Sie lächelten ihm zu, klopften ihm auf die Schultern und brüllten gegen die Musik an.

  »Hey, Maurice!«

  »Geiler Pass heute!«

  »Yo, Maurice.«

  »Maaaaurice!« , grölte ein muskelbepackter Kerl, die Arme von sich gestreckt und in jeder Hand einen roten Plastikbecher. Er musste auch aus dem Team sein, aber ich konnte ihm keinen Namen zuordnen.

  Auri begrüßte ihn mit einem knappen Nicken und führte mich weiter.

  Wir ließen den Eingangsbereich und das Wohnzimmer mit den tanzenden Körpern hinter uns und betraten die Küche, in der sich noch immer zahlreiche Leute tummelten, aber es war etwas weniger eng. Hinter dem Küchentresen stand eine Frau, die offensichtlich für die improvisierte Bar verantwortlich war.

  »Was möchtest du trinken?«, fragte Auri.

  »Gerne ein Bier.«

  »Bist du dir sicher?«

  Ich nickte. Ich trank nur selten, aber heute und unter diesen Umständen erlaubte ich es mir. Ich würde später einfach kurz ins Badzimmer verschwinden, um meinen Blutzucker zu messen und notfalls nachzuspritzen.

  Auri lehnte sich über den Tresen und brüllte der Barkeeperin über die Musik hinweg etwas zu.

  Sie nickte, und ein paar Sekunden später reichte sie ihm zwei rote Plastikbecher.

  Ich nahm Auri einen ab, ohne seine Hand loszulassen. Mir war nicht entgangen, dass dies die Aufmerksamkeit einiger Leute auf uns gezogen hatte. Neugierig und teils auch kritisch musterten sie mich. Verdenken konnte ich es ihnen nicht. Auri war in diesen Kreisen so etwas wie eine Berühmtheit, dennoch gefielen mir die Blicke überhaupt nicht. Insgeheim wünschte ich mir, ich hätte mir mit meinem Aussehen etwas mehr Mühe gegeben. Ich trug einen kurzen karamellfarbenen Jumpsuit und dazu Sandalen aus braunem Leder, die ich eigentlich ganz süß fand, die man aber kaum als sexy bezeichnen konnte. Die Haare fielen mir unfrisiert über die Schultern, und außer einer Schicht frischer Wimperntusche hatte ich kein Make-up aufgetragen, um Auri nicht warten zu lassen. Quer über meiner Brust spannte meine Tasche, die wie immer riesig war. Ich beneidete die Mädchen und Frauen, die alles, was sie brauchten, in einer schmalen Clutch unterbrachten; davon konnte ich nur träumen.

  Ich trank einen Schluck Bier. »Und jetzt?«

  »Sehen wir uns um.«

  Ich glaubte zwar nicht, dass es noch viel mehr zu sehen gab als weitere tanzende, verschwitzte und betrunkene Körper. Aber ich wollte Auri seiner Illusion nicht berauben, also folgte ich ihm aus der Küche zurück ins Wohnzimmer und in den Garten. Auch hier spielte laute Musik, und ich fragte mich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis die Nachbarn die Polizei alarmierten. Auf einem Tisch wurde Bier Pong gespielt, und aus einem Gartenhaus drang so schiefer Gesang, dass ich vermutete, dass dort eine Karaokemaschine aufgestellt worden war.

  »Maurice!« Ein Typ in einem Metallica-Shirt winkte uns zu sich. Sein langes braunes Haar fiel ihm flüssig wie Seide über die Schultern.

  »Hey, Mann, was geht?«, rief Auri und hob zur Begrüßung seine geballte Faust.

  Der andere Kerl schlug seine Knöchel dagegen. »Nicht viel. Cool, dass du es geschafft hast.«

  »Klar, ich war bisher doch auf jeder eurer Partys.«

  »Nice! Und wer ist deine Freundin?«, fragte der Typ, während er mich neugierig musterte, bevor er den Blick auf unsere verschränkten Hände richtete.

  Mich an Auri festzuhalten, fühlte sich so natürlich an, dass ich nicht einmal in diesem Moment daran dachte, ihn loszulassen.

  »Das ist Cassie«, sagte Auri, ohne ihn hinsichtlich seines Freundinnen-Kommentars zu korrigieren.

  »Hey.« Ich hob zum Gruß meinen Bierbecher.

  Der Kerl stieß mit seinem dagegen. »Ich bin Franco.«

  »Franco ist der Sohn vom Coach«, fügte Auri hinzu.

  Das erklärte, wieso ich ihn nie auf einem der Mannschaftsfotos gesehen hatte. In den Uniformen war es manchmal schwer, die Spieler auseinanderzuhalten, aber seine Haare wären mir garantiert aufgefallen.

  »Spielst du nicht?«

  » Nah. « Franco machte eine wegwerfende Handbewegung. »Football ist cool, aber ich bin zu faul, um meinen Arsch um sechs Uhr früh zum Training zu bewegen. Ich studiere Musik- und Theaterwissenschaften.«

  »Wirklich?« Überrascht hob ich die Augenbrauen. Ich kannte Auris Coach nur vom Sehen. Er war ein stämmiger Kerl mit finsterer Miene, der auf mich den Eindruck machte, als könnte er ein Problem damit haben, dass sein Sohn sich für die Schönen Künste interessierte. »Kennst du Keith?«

  Franco runzelte die Stirn. »Keith. Keith. Keith … Ah, der Filipino? Kleiner, dunkle Haare?«

  Ich nickte.

  »Ah ja, Keith ist cool. Wir saßen mal zusammen an einer Gruppenarbeit für ein kleines Kunsttheater hier in der Stadt. Der Junge kennt sich aus«, sagte Franco und winkte jemandem zu, der an uns vorbeilief. »Ich interessiere mich eher weniger für Theater, aber es ist nicht schlecht, sich ein bisschen auszukennen. Erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Es sei denn, meiner Band und mir gelingt doch noch der Durchbruch.«

  »Du bist in einer Band?«

  »Ja. Ich bin Gitarrist und Leadsänger. Soll ich was spielen?«

  Ich glaubte zu hören, dass Auri ein leises Hüsteln von sich gab, aber da es mir unhöflich erschien abzulehnen, nickte ich.

  Franco holte sein Handy hervor, und eine Sekunde später plärrte ein Song aus den Lautsprechern, der im besten Fall nach viel Lärm klang. Die Drums gaben einen unmöglich schnellen Beat vor, und der sogenannte Gesang bestand mehr oder weniger nur aus Gegrunze. Es war die Art Musik, die Lucien so sehr liebte.

  Franco stoppte den Krach. »Und?«

  »Wow.« Ich lachte etwas verlegen. »Das war …«, grauenhaft , »intensiv.«

  »Ja, der Song haut richtig rein. Wir haben ihn erst letzte Woche aufgenommen.«

  Ich setzte ein Lächeln auf, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sonst tun oder sagen sollte. Aber zum Glück kam mir Auri zu Hilfe, indem er ein Gespräch über den Coach anfing.

  Wir unterhielten uns noch eine Weile mit Franco, wobei vor allem er und Auri das Reden übernahmen. Ich stand daneben und nippte an meinem Bier. Abgesehen von der ohrenbetäubenden Musik erschien mir Franco aber wie ein netter Kerl. Nach einer Weile verabschiedeten wir uns von ihm und drehten weiter unsere Runde.

  Mit jeder Minute, die verging, fragte ich mich einmal mehr, wieso Leute eigentlich gerne auf Partys gingen. Ich empfand es als unglaublich anstrengend, hier zu sein. Die ganzen Menschen. Der Lärm. Wieso tat man sich das freiwillig an? Ich verstand es nicht und sehnte mich bereits jetzt nach meiner Couch, obwohl gerade mal eine Stunde vergangen war.

  Auri versuchte, mich zum Tanzen zu animieren, aber ich hatte keine Lust, mich zur Lachnummer zu machen, und schickte ihn für zwei, drei Songs alleine auf die Tanzfläche, während ich mich erst im Badezimmer und dann im Wohnzimmer versteckte; unscheinbar genug, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, wofür ich sehr dankbar war. Zwar war ich im Kopf ein paar ungefährliche Gesprächsthemen durchgegangen, mit denen ich mich nicht hätte blamieren sollen, aber was sich in meinen Gedanken abspielte, war nicht immer zwangsweise das, was mir über die Lippen kam, wenn ich nervös war.

  Gott sei Dank ließ mich Auri nicht lange alleine. Nachdem er mich aus meiner Ecke abgeholt hatte, machten wir uns erneut auf den Weg zur Bar, um uns frische Getränke zu holen. Ich bestellte ein zweites Bier in der Hoffnung, es würde mich etwas lockerer machen, Auri nahm ein Wasser.

  »Trinkst du nichts mehr?«, fragte ich.

  Wir hatten uns eine schummrige
Ecke nahe der Treppe gesucht, die in den ersten Stock hinaufführte. Ein Absperrband sollte die Leute davon abhalten, diesen Bereich des Hauses zu betreten.

  »Nah, morgen ist Training, und ich will den Coach nicht verärgern, nachdem er mir für die Hochzeit zwei Tage freigegeben hat.«

  »Freust du dich schon auf deine Familie?«

  Auri nickte. »Ja, auch wenn es sicherlich stressig und laut wird. Trevon und meine Mom haben wirklich die ganze Verwandtschaft eingeladen. Anthony bringt übrigens seine neue Freundin mit. Du wirst also nicht als Einzige den Remingtons zum Fraß vorgeworfen.«

  Ich zog die Nase kraus. »Das beruhigt mich nicht im Geringsten.«

  »Keine Sorge. Es wird ein tolles Wochenende«, versicherte er mir mit weicher Stimme. »Meine Mom freut sich sehr drauf, dich kennenzulernen. Jedes Mal, wenn wir telefonieren, fragt sie mich, wie es dir geht.«

  Ich musste lächeln, obwohl mir das Herz auf einmal bis zum Hals schlug. »Wirklich?«

  »Ja. Das heißt, du musst keine peinlichen Fragen beantworten. Sie weiß schon alles über dich, was es zu wissen gibt.« Auri neigte verlegen den Kopf.

  Oh-oh, das war kein gutes Zeichen …

  »Leider habe ich ihr allerdings auch die Geschichte von dir und den Schoko-Käfern erzählt.«

  Ich verschluckte mich beinahe an meinem Bier. » Was? Das hast du ihr erzählt? Ernsthaft?«

  Beschwichtigend hob er die Hände. »Sie war am Durchdrehen wegen ihres Brautkleids. Ich wollte sie ablenken, und mir ist nichts Besseres eingefallen. Sorry!«

  Am liebsten wäre ich an Ort und Stelle im Boden versunken. »Im Ernst, dir ist keine einzige andere Ablenkung in den Sinn gekommen?«

  »Na ja, über mich weiß sie schon alles.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Falls es dich beruhigt: Ich bin mir sicher, du wirst am Wochenende jede Menge peinliche Geschichten aus meiner Kindheit hören.«

  »Das hoffe ich für dich, anderenfalls muss ich deiner Mom wohl dein Buchcover zeigen.« Ich nahm einen großen Schluck von meinem Bier und beobachtete, wie Auris Augen schmaler wurden.

  »Das würdest du nicht tun.«

  Herausfordernd erwiderte ich seinen Blick. »Wer weiß … Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Ich ahmte sein Schulterzucken nach, als müsste ich es mir noch überlegen, obwohl ich es nicht tun würde. Einerseits, weil ich Auri nicht blamieren wollte. Und andererseits, weil es mir viel zu peinlich gewesen wäre, mit seiner Mom eine Unterhaltung über dieses Cover oder, noch schlimmer, solche Art Bücher zu führen.

 

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