Der Himmel wird beben

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Der Himmel wird beben Page 32

by Kiefer, Lena


  Wir blieben sitzen, bis Dufort Bescheid gab, dass Maraisville in Sicht kam. Als wir landeten, fühlte ich nichts. Keinen Schmerz, kein Bedauern. Auch kein Heimweh nach diesem Ort, der unerwartet ein Zuhause für mich geworden war. Die Sorge um Jye überlagerte alles andere, sogar die Frage, wer zum Teufel uns da angegriffen hatte.

  Ein medizinisches Team wartete schon am Boden, als wir im Militärbereich ankamen. Sie holten Jye aus der Unit und brachten ihn ins Medical Department. Ich folgte eilig der Trage, meine Hand fest um die von Jye gelegt. Erst am Operationssaal wurde ich aufgehalten.

  Ich wusste, dass Angehörige oft bei ihren Liebsten bleiben wollten, wenn es ernst wurde. Aber erst jetzt verstand ich, warum. Wenn ich nicht bei Jye blieb, hatte ich keine Kontrolle darüber, ob er lebte oder starb. Also bat und bettelte ich, drängte mit in den Raum und wollte seine Hand nicht loslassen. Erst als Lucien mich sanft packte und in den Flur schob, gab ich auf. Die Türen schlossen sich und es wurde still.

  »Wird er sterben?«, fragte ich kaum hörbar.

  »Ich weiß es nicht«, gab er zu.

  Dann breitete er seine Arme aus und ich flüchtete mich hinein, auch wenn ich wusste, dass ich das nicht durfte. Ich wollte einfach für einen Moment das Gefühl haben, dass alles gut werden würde.

  Der Moment war schneller vorbei als erhofft.

  »Was hast du dir dabei gedacht?!«, schallte eine Stimme durch den Gang.

  Lucien ließ mich los, aber er tat es langsam, war auf der Hut. Als er Phoenix gegenübertrat, sah ich, wie er seine Schultern straffte und sich vor mich schob.

  »Ich habe mir gedacht, lass uns ein Leben retten«, erwiderte er hart.

  Phoenix’ Blick fiel auf mich und in seinen hellblauen Augen sah ich grenzenlose Verachtung. Er sagte jedoch nichts, sondern wandte sich wieder an Lucien.

  »Dein Bruder möchte dich sehen. Sofort.« Ganz offensichtlich wollte Phoenix diesen Streit hinter geschlossenen und sehr viel privateren Türen austragen.

  »Dann soll er herkommen«, entgegnete Lucien.

  »Wie bitte?« Phoenix starrte ihn an.

  »Er soll herkommen, wenn er mit mir reden will. Ich werde hierbleiben, bis klar ist, dass Jye Eadon die beste medizinische Versorgung bekommt und außer Gefahr ist. Leo­pold kann also warten, bis es so weit ist – oder er kann herkommen.«

  Der Chef der Schakale lachte trocken. »Du spielst Leibwache für einen Verräter? So gehen wir also jetzt mit unseren Feinden um, ja?«

  »Nein.« Lucien schüttelte den Kopf. »So gehen wir mit unse­ren Verbündeten um.«

  Phoenix’ Verachtung schwoll an, bis sie jedes seiner Worte durchtränkte. »Ich glaube, dass du längst das Gespür dafür verloren hast, wer Feind und wer Verbündeter ist.« Ein Laserstrahlblick in meine Richtung. »Aber darüber werden wir noch reden. Ich gehe jetzt und spreche mit deinem Bruder.« Er wandte sich ab, doch hielt dann inne. »Ach und, Ophelia? Genieß es, solange es dauert. Denn das hier wird bald vorbei sein.«

  Er ging und verschwand hinter der Ecke des nächsten Ganges. Ich stieß die Luft aus. So viel zu dem Plan, die Sache zwischen Lucien und mir vor Phoenix verheimlichen zu wollen.

  »Du hättest das nicht für mich tun müssen«, sagte ich zu ­Lucien.

  »Ich habe das nicht für dich getan. Sondern für mich.« Er lehnte sich gegen die Wand und sah plötzlich sehr müde aus. Mit dem üblichen Blinzeln deaktivierte er seine Links.

  »Du solltest nicht –«, begann ich.

  »Er ist noch mindestens zwanzig Minuten unterwegs und wird nicht merken, dass wir offline sind.« Lucien sah nach links und rechts, dann küsste er mich schnell.

  Ich konnte es nicht genießen. Nicht mit Jye in Lebensgefahr eine Tür weiter und Phoenix als Erzfeind. Gegen ihn war Troy ein nerviger Rotzlöffel, der die Mädchen an den Haaren zog.

  »Sie werden sagen, ich hätte dich gegen sie aufgebracht«, sagte ich leise.

  »Sollen sie doch. Dann werde ich ihnen sagen, dass sie sich ihr Gerede dahin schieben können, wo keine Sonne scheint.«

  »Luc …«

  »Nein, Stunt-Girl.« Er ließ mich los. »Ich habe mir das viel zu lange gefallen lassen. Die Einsätze, die Befehle, das pausenlose Gehorchen. Seit ich sechzehn bin, macht er mit mir, was er will. Ich war ein Teenager, verflucht noch mal! Ich hätte zur Schule gehen, Freunde treffen und ab und zu mit einem Mädchen ausgehen sollen – nicht im Nahen Osten irgendwelche Feinde meines Bruders erschießen. Ich habe keine Lust mehr, nach Phoenix’ Pfeife zu tanzen.«

  Ich lächelte. »Ich liebe dich, weißt du das?«

  »Weil ich rebellisch bin?« Er lehnte seine Stirn an meine.

  »Nein, weil du einfach du bist. Aber die Rebellion steht dir.« Ich nahm widerwillig etwas Abstand. »Trotzdem solltest du zu Leo­pold gehen. Es hilft niemandem von uns, wenn er sauer auf dich ist.«

  »Ich bin nicht sicher, ob das nur ein Vorwand von Phoenix war, um mich hier wegzuholen«, meinte Lucien.

  »Dann finde es heraus.« Es fiel mir sehr schwer, ihn wegzuschicken. Aber es war besser, Leo­pold nicht gegen uns aufzubringen. Lucien konnte allen Einfluss geltend machen, den er hatte – doch gegen den König kam auch er nicht an.

  »Was, wenn die Jye nicht mehr helfen, sobald ich weg bin? Oder wenn sie dich einsperren? Ich kann hier jetzt nicht weg.«

  »Du musst. Wir brauchen deinen Bruder, wenn wir …« Ich brach ab, weil eine Frau in medizinischer Kluft an uns vorbeiging. Dann senkte ich meine Stimme. »Wir brauchen ihn, wenn wir eine Chance haben wollen. Du kannst doch meine EyeLinks mit deinen verbinden. Dann siehst du alles und kannst zurückkommen, wenn es nötig ist.«

  In Luciens Augen las ich, dass er die Risiken abwog. Schließlich nickte er.

  »Ich liebe dich«, murmelte er in einen eiligen Kuss hinein und ließ mich nur widerwillig los. »Und ich komme so schnell wie möglich wieder.«

  Er ging und ließ mich mit meiner Angst zurück. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn er nicht da war, um Jye und mich zu schützen. Ich wollte allerdings hoffen, dass die Ärzte sich an ihren Eid hielten und jedes Leben retteten – auch wenn es einem Widerstandskämpfer gehörte.

  Müde ließ ich mich auf einen der Stühle vor dem OP-Raum sinken und wartete, eine halbe Stunde, dann eine ganze. Innerlich erhoffte und fürchtete ich neue Nachrichten, aber es kam niemand und irgendwann schloss ich die Augen. Zwar wollte ich nicht einnicken und schreckte immer wieder hoch. Aber irgendwann gab mein Körper nach. Als mein Hinterkopf eine halbwegs bequeme Position an der Wand fand, fiel ich in einen unruhigen Schlaf.

  »Hey, du. Aufwachen.«

  Ein Finger pikste mich in die Seite. Benommen öffnete ich die Augen.

  »Was …?«, murmelte ich und sah nach unten, um von dem Finger auf den Rest der Störung zu schließen. Es war ein Junge, vielleicht acht oder neun Jahre alt. Seine blonden Locken standen wild vom Kopf ab und erleuchteten zusammen mit seinem knallorangefarbenen Kapuzenpullover den Flur. Auf dem Ärmel stand Ich war’s nicht. Es sah aus, als wäre es mit Filzstift geschrieben.

  »Warum schläfst du hier? Ist das nicht total unbequem?« Der Junge musterte mich neugierig aus hellbraunen Augen.

  »Ist es«, gab ich zu. Der Gang war bis auf uns beide leer, die Tür zum OP noch immer geschlossen. Ob der Junge zu jemandem gehörte, der hier behandelt wurde? Ein Kind hatte normalerweise nichts in diesem Bereich zu suchen.

  »Warum machst du das dann?«

  Es gab keinen Grund, nicht ehrlich zu dem Kleinen zu sein. »Ein Freund von mir wird gerade operiert. Ich wollte nicht weggehen, solange es dauert.«

  »Ist er schlimm krank?«

  »Ja, sehr.« Ich nickte.

  »Dann freut er sich bestimmt, dass du hier bist«, sagte er.

  »Und warum bist du hier, besuchst du jemanden?«, fragte ich zurück.

  »Nee, ich warte auf meine Mum.« Er zog die Nase kraus. Es erinnerte mich an jemanden, aber ich kam nicht drauf. »Sie hat hier zu tun.«

  »Ist sie Är
ztin?«

  »Nein, sie ist wichtig.« Er betonte das Wort, als wäre das etwas Ekliges. Ich musste lachen. Der Kleine war wirklich eine gute Ablenkung von der Sorge um Jye.

  »Wie heißt du?«

  »Lynx«, antwortete er. »Ist komisch, ich weiß. Mum findet’s schön.« Er zuckte mit den Achseln und verdrehte ein bisschen die Augen.

  »Das Problem kenne ich.«

  »Warum, wie heißt du denn?«

  »Ophelia.«

  Lynx’ Augen wurden weit und sein Mund klappte auf. »Bist du die Ophelia?«

  Oh verdammt. Erzählte man jetzt schon Kindern davon, dass ich auf den König geschossen hatte? Was war das, eine Gutenachtgeschichte aus der Kategorie Dinge, die du niemals tun darfst? Wahrscheinlich kam ich noch vor dem ja nicht das Messer ablecken und nie mit der Schere in der Hand rennen.

  »Das kommt darauf an«, sagte ich vage. »Was hast du denn gehört?«

  »Du wolltest den König umbringen, hast es aber nicht geschafft.« Lynx’ Augen leuchteten eher fasziniert als erschrocken. »Weil du ein böser Mensch bist, der gegen ihn ist und die Abkehr nicht will.«

  »Ja, das ist richtig.« Er war gut informiert, das musste man ihm lassen. »Wobei, nicht ganz. Ich bin nicht mehr gegen ihn.«

  »Warum nicht?«

  »Weil der König mit der Abkehr recht hatte. Leider habe ich das zu spät bemerkt.«

  »Tut’s dir jetzt leid?«

  »Ja. Nichts tut mir mehr leid als das.« Dieses Thema war eigentlich nichts für einen kleinen Jungen. Aber ich wollte Lynx auch nicht mit einem Das verstehst du noch nicht abwimmeln. Als ich in seinem Alter gewesen war, hatte ich das gehasst.

  »Wieso fandest du die Abkehr doof?« Offenbar stellte er sehr gerne Fragen.

  Ich hob die Schultern. »Ich mochte die Welt vorher lieber. Zumindest dachte ich das bis vor einer Weile noch.«

  »Wie war die Welt denn vorher?« Lynx legte den Kopf schief.

  Wer in seinem Alter war, wusste nichts von all den technischen Finessen, die uns vor der Abkehr zur Verfügung gestanden hatten. Ich musste nachdenken, um die richtigen Worte zu finden. »Es gab mehr Möglichkeiten. Man konnte jederzeit mit jedem kommunizieren. Virtuelle Spiele, Filme und Musik waren überall verfügbar …«

  »Das klingt super.« Seine braunen Augen strahlten.

  »Ja, das war es auch. Aber es hatte auch seine Kehrseiten.« Das war hoffentlich vage genug formuliert.

  »Wegen der ganzen unechten Intelligenz.« Lynx nickte.

  Überrascht sah ich ihn an. »Du weißt ziemlich gut Bescheid.«

  »Jaaah.« Er zog wieder die Nase kraus. »Ich bin gut im Lauschen.«

  »Dann pass nur auf, dass man dich nicht erwischt.«

  »Nee«, sagte er mit dem Selbstbewusstsein, das nur Jungs in diesem Alter hatten. »Ich bin gaaanz vorsichtig. Und wenn ich groß bin, werd ich ein Schakal.«

  Überrascht sah ich ihn an. »Ein Schakal, wirklich? Warum?«

  »Weil es so cool ist.« Schwärmerisch hob Lynx die schmalen Schultern und ließ sie wieder fallen.

  »Es ist aber auch ziemlich anstrengend. Und man muss auf andere Leute hören. Machst du das gern, auf andere Leute hören?« Ich hatte eine Ahnung von der Antwort auf diese Frage.

  »Nein«, murrte er prompt. »Aber ich werde Schakal-Chef. Dann muss ich auf niemanden hören, oder?«

  Ich lachte wieder.

  »Da hast du allerdings recht. Aber man wird leider nicht sofo-«

  »Lynx!« Imogen Lawson kam auf uns zu. »Ich habe dir doch gesagt, dass du vor dem Besprechungsraum auf mich warten sollst! Kannst du nicht einmal hören?!« Ihr Blick auf mich war panisch, als hätte sie Angst, dass ich dem Jungen etwas antun könnte.

  »Hallo, Mum.« Lynx grinste. »Es war voll langweilig da unten.«

  »Wir haben uns nur unterhalten«, sprang ich ihm bei.

  »Ja, das habe ich gesehen!« Imogen funkelte mich an und deutete auf meine und ihre Augen. Offenbar hatte sie sich in meine Links eingeloggt. »Wir gehen, Lynx. Sofort.«

  »Immer, wenn es Spaß macht.« Der Kleine maulte und stand auf. »Ophelia ist gar nicht böse«, sagte er zu seiner Mutter. »Die ist cool.«

  »Danke«, erwiderte ich lächelnd. »Immerhin einer, der das denkt.«

  »Schluss jetzt.« Imogen trat zwischen ihn und mich. »Du wirst nie wieder mit meinem Sohn reden, verstanden?«

  Ich zog die Schultern hoch. »Tut mir leid, ich wollte nicht –«

  »Ja, im Ich-wollte-nicht-Behaupten bist du gut«, schnaubte sie. Dann legte sie eine Hand an Lynx’ Schulter. »Abmarsch nach Hause, ohne Umwege. Wir unterhalten uns später darüber, warum du nicht immer überall herumstreunen sollst.«

  Die beiden entfernten sich, während Lynx murrte und ­Imogen schimpfte. An der Ecke drehte sich der Kleine jedoch noch mal zu mir um und grinste – ein sehr vertrautes Grinsen. Und während ich ihm zuwinkte, setzten sich die Teilchen in meinem Kopf plötzlich zu einem vollständigen Bild zusammen.

  Lynx ist etwa acht Jahre alt.

  Er ist Imogens Sohn.

  Vor acht Jahren hatte sie nur ein Kind – das mit Leo­pold.

  Also muss Leo­pold der Vater von Lynx sein.

  Plötzlich konnte ich Imogens Angst verstehen. Niemand wusste, dass Leo­pold einen Sohn hatte, wahrscheinlich aus guten Gründen.

  Lucien hatte gesagt, dass sein Bruder sich von Imogen getrennt hatte, um sie zu schützen, bevor er in den Fokus der Öffentlichkeit getreten war. Aber dabei war es nicht nur um sie gegangen, sondern auch um ihr gemeinsames Kind. Vermutlich war sie danach als alleinerziehende Mutter aufgetreten, damit niemand die Verbindung herstellte.

  Meine Gedanken überschlugen sich. Lynx musste der Spitzname des in den Logs aufgetauchten Lenois sein oder sie hatten ihn umbenannt, nachdem er gerettet worden war. Ob Lynx wusste, wer sein Vater war? Hatte er schon bemerkt, dass er Leo­pold und Lucien ähnlich sah? Oder glaubte er, der König wäre nur irgendein Freund seiner Mutter?

  Ich war so in meine Überlegungen vertieft, dass ich die Männer erst bemerkte, als sie mich fast erreicht hatten. Erschrocken sprang ich auf. Sie waren zu sechst, alle trugen Militärkluft, Phoenix schritt an ihrer Spitze. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.

  »Nehmt sie mit«, befahl er. Zwei der Soldaten packten mich und zogen mich hoch.

  Ich war so überrumpelt, dass ich mich erst wehrte, als wir schon um die Ecke waren.

  »Was soll das?«, rief ich. »Wo bringen Sie mich hin?«

  »Dahin, wo du hingehörst.« Phoenix ging gelassen neben uns her.

  »Ins Gefängnis? Lucien wird –«

  »Lucien wird gar nichts!«, unterbrach er mich barsch. »Wir haben deine EyeLinks deaktiviert. Und selbst wenn er das bemerkt, wird er niemals schnell genug hier sein, um es zu verhindern.«

  Galle und Angst sammelten sich in meinem Mund. »Um was zu verhindern?«

  Phoenix sah mich mit unbewegter Miene und ohne einen Funken Menschlichkeit an.

  »Dein Clearing.«

  32

  Phoenix und seine Leute brachten mich einige Stockwerke nach unten, dann weiter durch einen Gang ohne Fenster. Ich schrie, kratzte und schlug um mich, aber der Griff der Soldaten war so fest, dass ich keine Chance hatte. Sie schleiften mich über den Boden, an unzähligen Türen vorbei, bis sie an einer offenen stehen blieben. Dahinter lag ein Raum mit grellen, kalten Lampen, komplett gefliest. Ein medizinisches Team wartete dort, versteckt hinter Masken. In ihrer Mitte stand ein Tisch.

  Die Eskorte zerrte mich in den Raum zum Tisch, packte mich und hob mich hoch. Jemand zog meine Schuhe aus, riss die Jacke von meinem Körper. Ich spürte kaltes Metall durch das Shirt an meinem Rücken und an den Handgelenken. Kurz konnte ich mich freimachen und schlug dem nächsten Soldaten mit der Faust gegen das Kinn. Er taumelte zurück und fluchte, ich sah meine Chance, spannte meinen Körper an – da traf mich eine Hand mitten ins Gesicht.

  Der andere Soldat hatte nicht mit
voller Wucht zugeschlagen, aber es reichte. Der Schmerz jagte durch meinen Kopf und machte mich für einen Moment wehrlos. Sofort packte man meine Hände und fixierte sie am Tisch.

  »Sind Sie bereit?«, fragte Phoenix die Ärzte.

  »Es ist alles für das Clearing auf null vorbereitet, Sir.«

  »Das können Sie nicht machen!«, keuchte ich und riss an den Fesseln. Meine Angst wollte mich lähmen, aber ich musste kämpfen. »Wir haben einen Deal!«

  »Oh, richtig.« Phoenix musterte mich kühl. »Der Deal.«

  »Zehn Jahre gegen die OmnI.« Meine Stimme zitterte. »Ich bringe sie zurück.«

  »Ja, weißt du«, sagte Phoenix gedehnt, »dieser Deal galt nur, sofern du machst, was man von dir erwartet, und keinen weiteren Schaden anrichtest. Aber das hast du. Schon wieder.«

  »Ich bin wichtig für den Kampf gegen die OmnI!«, spielte ich meinen einzigen Trumpf aus. »Sie sagt, sie kann ohne mich nicht gewinnen. Also kann ich ihr schaden. Ich kann sie besiegen!«

  »Niemand kann die OmnI besiegen.« Ein unnatürlicher Glanz trat in Phoenix’ Augen. »Aber das ist eine sehr interessante Information. Wenn sie dich braucht und du ihr keine Hilfe bist, weil du dich nicht mal an sie erinnern kannst, dann sind wir vor ihr sicher.«

  »Das dürfen Sie nicht!« Ich strampelte wieder. Phoenix zog eine Augenbraue hoch.

  »Ich darf und ich werde das tun. Glaubst du, ich sehe mir noch länger an, wie du meinen besten Agenten zerstörst und Lucien weiter von den Pflichten gegenüber seinem Land ablenkst?«

  »Zerstören? Ich? Sie haben einen Teenager gezwungen, Agent zu werden!« Meine Angst mischte sich mit Wut. »Wissen Sie, wie unglücklich er ist? Wissen Sie, dass er nur auf Sie hört, weil er keine Wahl hat?« Ich spuckte ihm die Worte förmlich entgegen.

  Aber an Phoenix eiskalter Überzeugung, im Recht zu sein, prallten sie einfach ab.

  »Ich hatte von Anfang an meine Zweifel, ob du das Zeug zur Agentin hast, und dein Verhalten in den letzten Monaten hat das nur bestätigt. Du denkst, deine Gefühle seien das Maß der Dinge und deine Wünsche stünden über dem Wohl aller. So denkt keine gute Agentin.« Er sah mich an. »Und du hast versucht, Lucien mit diesem Unsinn zu infizieren, dass emotionale Verbindungen etwas wären, wofür man alles andere über den Haufen werfen muss. Aber das werde ich nicht zulassen. Er ist der beste Agent, den wir je hatten, und im Kampf gegen unsere Feinde eine unersetzliche Waffe.«

 

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