by Kira Mohn
«Doch … sicher.» Es dauert ein paar Sekunden, bevor mir klarwird, dass nach meiner Meinung nicht explizit gefragt wird. Egal, ich muss trotzdem etwas sagen. Haven trägt eine enge graue Jeans und dazu helle Sneakers, und das Shirt, dessen Ausschnitt ihr in diesem Moment über eine Schulter rutscht und sofort wieder in Position gezupft wird, ist … es ist sexy. Und sogar, dass Haven es im nächsten Moment schon wieder auf der anderen Seite zurechtzieht, ist sexy.
«Ich habe Rae gesagt, dass das Ding zu groß ist», erklärt sie, und der frustrierte Blick, den sie mir zuwirft, lässt mich beinahe auflachen. Ach, Haven. Wenn du wüsstest.
«Es steht dir gut», sage ich und untertreibe damit maßlos. Sie sieht heiß aus. Wir sollten uns über Jon unterhalten. Und wer ist eigentlich Rae?
«Wer ist Rae?»
«Ich habe sie in der Shopping Mall kennengelernt. Sie hat mir beim Aussuchen geholfen.»
Rae ist weiblich. Gut.
Scheiße, so ist es also, wenn man wirklich und wahrhaftig eifersüchtig ist. Das war ich noch nie. Nicht so. Das ist doch verrückt, ich meine – wir sind zusammen, oder? Welchen Grund habe ich also, eifersüchtig zu sein?
Im Auto erzählt Haven mir von einer arroganten Verkäuferin und weshalb sie durch sie Rae kennengelernt hat. «Rae hat mir nicht nur dieses andere Geschäft gezeigt, sondern mir sogar noch einige Sachen empfohlen. Und es war wirklich überhaupt nichts dabei, das mir nicht gefallen hätte, so als wüsste sie, nach was ich suche. Na ja, abgesehen von dem Ausschnitt hier. Der ist doch zu weit, oder? Rae meinte, man trage das einfach über einem Trägertop und dann müsste das so sein, aber es nervt mich jetzt schon.»
«Es sieht wirklich sehr gut aus.»
Ich werfe ihr einen schnellen Blick zu. Ich könnte noch hinzufügen, dass sie immer sehr gut aussieht, ganz egal, was sie trägt, und als Haven weiterspricht, wünschte ich, ich hätte das tatsächlich ausgesprochen und nicht nur gedacht.
«Warum hast du mir nicht gesagt, dass man sich hier über meine Sachen lustig machen würde?»
«Wie bitte?»
«Erzähl mir nicht, du hättest das nicht gewusst – sogar Caroline ist es aufgefallen. Sie hat auch nichts gesagt.»
Der verletzte Unterton in ihrer Stimme ist nicht zu überhören.
«Ich fand … es einfach nicht so schlimm.»
«Nicht? Lucy meinte, meine Kleider würden aussehen, als hätte ich sie aus einer Mülltonne herausgeholt.»
«Das ist Blödsinn. Ehrlich, Haven, das habe ich zu keiner Sekunde gedacht … deine Cousine spinnt.»
«Aber dir ist aufgefallen, dass ich nicht unbedingt so herumlaufe wie alle anderen, oder? Und du hättest dir auch denken können, dass es Leute geben würde, die darüber lachen? Oder mich angucken, als könnte jemand, der so rumläuft wie ich, nur zum Klauen in den Laden kommen?»
«Nein», erwidere ich. «Okay, ich bin davon ausgegangen, dass Leute wie Cayden deine Klamotten nicht mögen würden, aber Cayden ist ein elitärer Snob. Der meckert auch an meinen Sachen herum. Ich hätte nicht gedacht, dass zum Beispiel deine Cousine deine Klamotten so schrecklich finden würde.»
Haven mustert mich eine Weile. «Könntest du mir in Zukunft sagen, wenn dir irgendetwas auffällt?»
«Wie soll das gehen?», erwidere ich vorsichtig. «Und was versprichst du dir davon? Soll ich jedes Mal, wenn ich denke, dass du durch irgendetwas negativ auffallen könntest, Bescheid sagen? Und dann?»
«Dann hab ich die Möglichkeit, das zu ändern. Wenn ich es für richtig halte», fügt sie hinzu.
«Aber warum ist dir das überhaupt wichtig?» Ich bremse vor einer roten Ampel und drehe mich zu ihr um. «Willst du dich die ganze Zeit nach anderen Leuten ausrichten?»
Haven beißt sich auf die Unterlippe. «Es wäre ja nur für den Anfang. Bis ich mich hier eingefunden habe, verstehst du? Ich will hier auch … na ja, Freunde finden, und wenn ich mir dafür eine neue Hose kaufen muss, ist das doch ein kleiner Preis, oder?»
«Keiner mag dich mehr oder weniger, nur weil du eine neue Jeans trägst.»
«Das vielleicht nicht, aber es hilft, nicht von Anfang an als seltsam abgestempelt zu werden.»
Ein langgezogenes Hupen ertönt, und hastig fahre ich los.
«Ich finde dich nicht seltsam», sage ich und grinse sie an.
Haven lacht. «Gut. Dann sag mir gefälligst das nächste Mal, wenn du findest, ich laufe herum wie ein wandelnder Müllsack.»
«Das fand ich aber nicht.»
«Ich weiß.» Endlich klingt ihre Stimme wieder so, wie ich sie kenne. Warm. Weich. Vielleicht ein bisschen belustigt. «Warn mich trotzdem, ja?»
21
HAVEN
D as Haus, in dem Jackson zusammen mit Cayden wohnt, liegt auf einer leichten Anhöhe, ein Gebäude, das aus zwei ineinander versetzten weißen Kästen zu bestehen scheint. Sehr viel Glas und eine riesige Dachterrasse lassen es bereits von außen hell und luftig wirken.
Jackson schließt auf und streift sich achtlos die Schuhe von den Füßen. Ich tue es ihm nach und laufe dann in meinen neuen weißen Söckchen hinter ihm her zu der Wendeltreppe am Ende des Flurs. Meine Socken sind so kurz – es sind wirklich nur Söckchen.
«Ihr habt ein eigenes Fitnessstudio?» Im Vorbeilaufen habe ich einen Blick durch eine offenstehende Tür geworfen.
«Fitnessstudio? Na ja, das ist vielleicht etwas übertrieben – Cayden hat da drin seine Trainingsgeräte.» Er zwinkert mir zu, während wir das Ende der Treppe erreichen. «Er kauft diese Dinger aber lieber, statt sie zu benutzen.»
«Erzählt keinen Scheiß über mich.»
Ich zucke zusammen. Damit, dass Cayden ebenfalls da sein würde, habe ich nicht gerechnet. Er sitzt auf einem riesigen Sofa, hat die Füße auf den Polstern abgestellt und balanciert einen Laptop auf den Knien. Nachlässig streicht er sich die glatten blonden Haare aus dem Gesicht. «Hi. Wir kennen uns schon.» Er grinst, und ich entspanne mich wieder ein wenig.
«Hi. Wie geht es deinem Fuß?»
«Meinem Fuß? Ach, der ist wieder okay.» Er sieht zu Jackson. «Kommt ihr nachher mit?»
Jackson schüttelt den Kopf. «Eher nicht.»
«Wieso nicht? Das … Haven könnte gleich alle kennenlernen.»
«Ein andermal.»
Mein Blick wandert zwischen Jackson und Cayden hin und her. Wovon reden die beiden?
«Haven!» Cayden stellt den Laptop auf dem Glastisch vor dem Sofa ab und steht auf. «Rede mit deinem Langweiler-Freund – hast du nicht Lust, nachher mit zu einer Party zu kommen?»
«Eine Party? Also …»
Jackson runzelt die Stirn, es scheint ihm nicht zu gefallen, dass Cayden sich direkt an mich gewandt hat.
«Eine Semester-Eröffnungsparty. Die hat Tradition.»
«Also … warum nicht? Oder hast du etwas anderes geplant?», frage ich und suche Jacksons Blick.
«Ja.»
«Was denn?»
«Wir wollten uns das Fotoalbum weiter ansehen, oder?»
Das Fotoalbum. Natürlich. Vorhin habe ich noch daran gedacht und es in meinen Rucksack gepackt. Allerdings finde ich die Vorstellung, zum ersten Mal eine richtige Party zu besuchen, auch ziemlich reizvoll.
«Ein Fotoalbum?», wirft Cayden ein. «Echt jetzt? Das könnt ihr euch doch auch danach noch ansehen. Oder morgen. Kommt schon, das wird lustig. Warst du schon mal auf einer Party, Haven?»
«Nein, bisher nicht.»
«Na ja, dann müsst ihr mitkommen. Jax’ Freunde sind alle da. Und seine Freundinnen.»
«Cayden», sagt Jackson langsam, und ich an Caydens Stelle würde spätestens jetzt kapieren, dass Jackson absolut keine Lust auf diese Party hat, und aufhören, ihn weiter zu bedrängen.
«Was? Was spricht denn dagegen?»
«Wir haben einfach etwas anderes vor, okay? Grüß alle schön.»
Er legt mir eine Hand in den Rücken und schiebt mich vorwärts, einmal quer durch das weitläufige Wohnzimmer hindurch und in einen Gang hinein, von dem mehrere Türen abgehen. Im nächsten Moment hat er eine davon geöffnet und mich hineindirigiert. Das Geräusch, als sie ins Schloss fällt, ist ziemlich laut.
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br /> «Okay, warum also willst du nicht zu der Party gehen?», frage ich.
Jackson atmet tief ein. «Glaub mir, wir verpassen da gar nichts. Willst du echt hin?»
«Na ja … warum nicht?» Ich sehe mich in Jacksons Zimmer um. «Es wäre doch schön, deine ganzen Freunde kennenzulernen.»
Ein dunkelgrauer Teppich, zwei schwarze Ledersessel und ein riesiges graues Bett beherrschen das Zimmer. Trotz des Fensters, das fast die gesamte Länge der Wand einnimmt, wirkt alles ein wenig düster, und das liegt nicht daran, dass der Ausblick durch die fensterlose Wand des Nachbarhauses gebremst wird. Ich hatte mir Jacksons Zimmer völlig anders vorgestellt. Das Einzige, was mir hier drin wirklich gefällt, ist das große Bild, das über dem Bett hängt. Es ist in Sepiatönen gehalten, und ein liegender Elefant ist darauf zu sehen. Man könnte meinen, er höre aufmerksam dem kleinen Jungen zu, der mit einem aufgeschlagenen Buch im Schoß vor ihm sitzt.
«Die lernst du schon noch kennen.» Jackson betätigt einen Schalter an einem mattweißen Gerät, und Musik erfüllt den Raum. «Alle auf einmal sind außerdem manchmal schwer zu ertragen.»
«Aber es sind deine Freunde, oder? Wieso sind sie dann schwer zu ertragen?»
«Weil … glaub mir einfach», wiederholt er schließlich. «Ist eben so. Willst du was trinken? Ein Wasser?»
Auf mein Nicken hin geht Jackson durchs Zimmer und öffnet die Tür eines kleinen silberfarbenen Kühlschranks. Praktisch.
«Hast du das Album eigentlich dabei?», fragt er, während er mir ein gefülltes Glas in die Hand drückt.
«Ja.» Ich habe meinen Rucksack neben einen der Sessel gelegt, und dorthin gehe ich jetzt, stelle das Glas auf dem Tisch ab, der hier steht, und hole das Fotoalbum hervor. In dem Moment, in dem ich es ansehe, ist mir die Party plötzlich egal.
Jackson hat sich im Schneidersitz auf dem Bett niedergelassen, und ich klettere zu ihm auf die Matratze, lege das Album zwischen uns und blättere die ersten Seiten auf.
Die Baby-Bilder. Das Bild von mir in der Wanne. Und dort bin ich mit dem Hasen-Puzzle.
Die nächste Seite ist neu, ein längst vergangenes Weihnachtsfest ist dort verewigt, und ich sitze auf Mums Schoß zwischen Bergen an zerrupftem Geschenkpapier vor einem geschmückten Tannenbaum. Meine Mutter sieht ernst aus, ich dagegen strahle wie ein Honigkuchenpferd. Darunter ist ein Bild von mir und meiner neuen Barbie. Die hatte ich mir gewünscht – wo ist sie wohl heute? Im Hintergrund noch einmal meine Mutter, diesmal lächelt sie.
‹Dezember 2005›, steht da in Mums runder Schrift, ganz klein am Rand. Nur noch zwei Jahre. Dann würde ein schlingernder Kleinlaster alles verändern, doch zu diesem Zeitpunkt hat das noch niemand gewusst.
«Haven?»
«Alles okay», murmele ich und blättere eine Seite weiter.
Jackson lacht auf, und auch ich muss grinsen. Es ist nicht das Bild von mir neben einem Schneemann und auch nicht das Foto, auf dem ich eine grau getigerte Katze streichle. Sie gehörte unserer Nachbarin, ich glaube, ihr Name war Lilly.
Es ist der Eisbecher, der größte, riesigste, geradezu gigantischste Eisbecher der Welt – zumindest scheine ich das damals gedacht zu haben. Mit kugelrunden Augen und aufgerissenem Mund klebt mein Blick an dem Eisbecher fest. Ich halte einen Löffel in den Händen, und ich wette, ich habe nicht einmal mitbekommen, dass ich fotografiert worden bin. ‹Paradies im Strawberry Kiss›, hat Mum daruntergeschrieben.
«Scheint so, als würdest du Eis mögen», bemerkt Jackson trocken, und jetzt lache ich wirklich. «Ich weiß, wo das ist», redet er weiter. «Dieses Eiscafé gibt es noch. Wir könnten irgendwann mal vorbeifahren, wenn du willst.»
Sofort bin ich Feuer und Flamme. «Wie wär’s jetzt gleich?»
«Um diese Uhrzeit haben die nicht mehr geöffnet», erwidert er. «Aber lass es uns doch morgen probieren.»
«Okay.» Noch kenne ich meinen Stundenplan für das Rutherford nicht auswendig, aber ich weiß, dass das einzige Seminar, das erst am Abend endet, am Mittwoch ist. «Ich werde mir genau diesen Eisbecher bestellen!», rufe ich. «Falls es ihn noch gibt.»
«Nimm einfach das Foto mit und sag, du willst so etwas wie das da.»
«Das werde ich tun. Und dann – musst du ein Bild davon machen, ja?»
«Von dir und dem Eisbecher?»
«Genau. Ich werde es Dad schicken und …» Meine Stimme erstirbt. Nein, lieber nicht. Gerade fand ich den Gedanken noch lustig, Dad ein nachgestelltes Kinderfoto zu schicken, doch jetzt frage ich mich, ob er es vielleicht als Vorwurf auffassen würde. Denn eigentlich wäre es genau das: ein Vorwurf.
«Mach es für dich», sagt Jackson. «Vielleicht kannst du es deinem Dad später zeigen.»
Ich liebe dieses Gefühl, das sich in mir ausbreitet, wenn Jackson zu wissen scheint, was ich denke, ohne dass ich es ihm erzählen muss. Und wenn er dann Sätze sagt, die dazu führen, dass sich meine verknoteten Gedanken lösen. Ich werde das Foto nachstellen. Für mich.
Jackson tippt eine Ecke des Albums an. «Darf ich?», fragt er. «Vielleicht gibt es ja noch mehr Bilder, die wir nachmachen könnten.»
Jackson. Du liest meine Gedanken. Und für dieses ‹wir›…
Ganz kurz weiten sich seine Augen vor Überraschung, als ich ihn jetzt küsse. Ich kann den goldenen Rand um seine Iris herum noch erkennen, bevor er die Augen schließt. Langsam lässt er sich zurückfallen, und ich folge ihm, setze mich auf seinen Bauch und fahre ihm mit den Fingern durch die Haare, ohne unseren Kuss zu unterbrechen. Seine Hände gleiten über meine Hüften, finden mit Leichtigkeit einen Weg unter das weite Oberteil und hinterlassen ein Kribbeln auf meiner Haut, obwohl da noch immer das enge Top ist.
Ich richte mich auf, um mir das Shirt über den Kopf zu ziehen, und dann … schiebe ich Jacksons Shirt nach oben, erst nur ein wenig, und weil es so leicht geht und darunter nur glatte Haut zu spüren ist, weiter und immer weiter, bis Jackson den Oberkörper anhebt und sich davon befreit.
Er duftet nach Frühlingsblättern, nach warmem Moos und nach etwas Frischem, das vermutlich Duschgel ist oder Deo … würde sein Zimmer so aussehen, wie er riecht – es wäre ein traumhaft schönes Zimmer.
Der Gedanke, dass es sich unglaublich anfühlen muss, meine nackte Haut gegen seine zu pressen, ist kaum durch meinen Kopf gehuscht, da habe ich das Top auch schon aus der engen Jeans gezogen und mich über ihn gebeugt, so weit, dass ich die Hitze seines Körpers spüren kann.
Jackson seufzt gegen meine Lippen, und dieses Geräusch ist der Funke, der mein Denken vorübergehend ausschaltet.
JACKSON
I ch habe so etwas noch nie gespürt, noch nie so empfunden. Eigentlich ist ja Haven diejenige, für die das alles neu ist, doch die Intensität meiner eigenen Gefühle überrascht mich. Haven anzusehen ist das eine – allein das löst eine Sehnsucht in mir aus, wie ich sie zuvor nicht kannte.
Doch so wie sie jetzt auf mir liegt … da ist nur noch ihre warme Haut und ihre wilde Mähne, die über uns beide fällt, und mein ganzes Ich scheint nicht auszureichen für das, was in mir aufsteigt. Es ist zu mächtig, um auch nur daran zu denken, es unter Kontrolle halten zu können.
Ich habe mich in Haven verliebt, richtig verliebt. Alles, was ich zuvor für Verliebtheit gehalten habe, verblasst dagegen.
Der Vorhang ihrer Haare blendet die Außenwelt aus, ich wünschte, es gäbe wirklich nur noch uns, sie und mich, und wir müssten nichts anderes tun, als uns zu küssen und noch mal zu küssen und nie wieder damit aufzuhören.
Sie richtet sich ein Stück auf und sieht mich an mit diesen klaren, grauen Augen. Manchmal strahlt ihr Blick eine Ruhe und eine Stärke aus, bei der ich den Atem anhalte, und manchmal liegt eine Verletzlichkeit darin, die sie jünger wirken lässt. Jetzt lese ich nur Zuneigung und Vertrauen heraus, und ich schwöre mir, dass ich alles richtig machen werde. Ich will das nicht kaputt machen, denn so unbedingt, wie ich mit ihr zusammen sein, sie glücklich sehen will, habe ich noch nie etwas gewollt.
Meine Finger gleiten über den Verschluss ihres BH s, ganz kurz zögere ich, bevor ich mich dagegen entscheide. Auch den Zeitpunkt dafür muss Haven wählen, und als ich ihr jetzt eine Ha
nd in den Nacken lege und sie wieder näher ziehe, denke ich, dass Haven nicht den Hauch einer Ahnung hat, wie viel Zurückhaltung mich das hier kostet. Was bin ich doch für ein Held.
«Was ist?» Haven stemmt sich wieder hoch. «Worüber lachst du?»
«Tu ich gar nicht.»
«Doch, du grinst ja immer noch.»
Haven lächelt ebenfalls, doch ihre Verunsicherung ist nicht zu übersehen. So viel zu meinem Vorsatz, absolut alles richtig zu machen. Wenn ich ihr jetzt auch noch erzähle, dass ich mich gerade in unendlicher Selbstgerechtigkeit dafür gelobt habe, weil ich mich so großartig zurückhalten kann, wird das die Situation garantiert nicht verbessern – sie würde darüber nachdenken, ob sie mir nicht entgegenkommen müsste, und genau das will ich unbedingt vermeiden. Meine Antwort kommt der Wahrheit daher nur ziemlich nahe.
«Ich bin einfach glücklich.»
Ach was, kommt nur nahe. Das ist die Wahrheit.
«Ich auch», flüstert Haven, und die Zweifel in ihrem Blick verschwinden, bevor sie die Augen schließt und sich wieder zu mir beugt.
«Okay, letzte Chance!» Die Zimmertür fliegt auf, und Cayden platzt herein. «Guckt euch eure Fotos später an, ihr … oh, shit.»
Er hat die Tür bereits wieder zugeworfen, bevor ich die Gelegenheit habe, ihn umzubringen, aber das werde ich gleich nachholen. So ein verfluchter Idiot.
Haven ist so heftig zusammengezuckt, dass unsere Schädel gegeneinandergekracht sind – sehr romantisch –, und sie reibt sich die Stirn, als sie sich jetzt aufrichtet und fassungslos zur Tür starrt.
«Wieso kommt der hier so einfach rein?»
Das frage ich mich auch ungefähr zweimal am Tag. «Weil er ein Arsch ist», erwidere ich und versuche erst gar nicht, Haven daran zu hindern, vom Bett zu klettern. Während ich mich aufsetze, zieht sie sich ihr Top wieder über den Kopf. In diesem Moment bin ich heilfroh, ihren BH nicht geöffnet zu haben, und Havens Haare verbargen ohnehin das meiste. Unangenehm genug ist das Ganze trotzdem.
Bisher bin ich noch nie auf die Idee gekommen abzuschließen, weil mich Caydens unerwartete Besuche zwar genervt, jedoch noch nie so massiv gestört haben wie gerade eben. Das wird sich jetzt ändern. Zukünftig werde ich abschließen, und zwar nachdem ich Cayden zusammengefaltet habe.