Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)

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Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 18

by Engel, Kathinka


  Jaspers Bewegungen sind zärtlicher als die von Link. Weniger ausladend. Beinahe rücksichtsvoll. Er bewegt uns sanft hin und her und beschreitet einen sehr langsamen Kreis dabei. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich von ihm führen zu lassen, zu einem Song, der klingt wie purer Sex. Ich würde laut losprusten, wäre meine Lage nicht so verzwickt.

  »Hi«, sagt Jasper leise und sieht mich mit seinen schönen Augen an.

  »Hi«, erwidere ich, doch aus meinem Mund kommt nur ein Flüstern.

  »Hoffe, du hast gut geschlafen letzte Nacht«, sagt er und weckt damit in mir das Bedürfnis, ihn wegzuschubsen und gleichzeitig fest an mich zu ziehen. Währenddessen singt Marvin Gaye darüber, wie er lange Zeit versucht hat, seine Gefühle zurückzuhalten. Wieder überkommt mich der Drang, zu lachen. Das hier ist die absurdeste Situation meines Lebens.

  Jaspers Hände ruhen nach wie vor auf meinen Hüften. Der leichte Druck, den er ausübt, scheint Löcher in meine Klamotten zu brennen. Ich will ihn näher bei mir haben. Und zugleich muss ich von hier weg, wenn ich nicht verglühen will.

  »Ja«, bringe ich unter großer Anstrengung hervor.

  Jasper lacht leise und jagt mir damit einen Schauder über den Rücken. Sein Gesicht ist so nah, dass ich seinen Atem spüren kann.

  »Sehr gut«, sagt Jasper. »Ich habe auch gut geschlafen.«

  Er löst seine Hände kurz von mir, nur um mich einmal langsam im Kreis zu drehen. Im nächsten Augenblick stehe ich wieder vor ihm, diesmal noch enger. Ich spüre Jaspers Hüften an meinen. Die leichte Reibung, während er sich zur Musik bewegt. Als mir klar wird, welche Stelle es genau ist, die mich hier berührt, bleibt mir kurz der Atem weg.

  »Du siehst toll aus in deinem Anzug«, sagt er nun, und beinahe bin ich dankbar, meine Aufmerksamkeit wieder auf seine Lippen lenken zu können. Lippen, die zu einem Lächeln verzogen sind. Er sieht mich an, als wüsste er alles und doch nichts. Als würde ihn meine Situation amüsieren und rühren gleichermaßen.

  Ich beschließe, für einen Moment die Führung zu übernehmen, drehe mich erneut von ihm weg, damit ich dann wieder etwas Abstand zwischen uns bringen kann. Aber Jasper lässt es nicht zu. Im Gegenteil: Er hält mich nun noch enger an sich gedrückt.

  Gleich wird mein Herz explodieren. Ich sehe es vor mir. Die Sauerei, das Geschrei. Einen anderen Ausweg gibt es nicht.

  »Ich hoffe«, raunt er, »du hast dich nicht bedrängt gefühlt.«

  Ich merke, wie mir Hitze ins Gesicht schießt. Er war wach. Er hat mich absichtlich im Arm gehalten. Er hat … O Gott. Wieder werden meine Knie weich, und ich muss mich an Jasper festklammern, um den Halt nicht zu verlieren.

  »Okay, dann bin ich ja beruhigt«, sagt er, weil er den Druck meiner Hände selbstverständlich anders interpretieren muss.

  Wo wir schon einmal hier sind, lass uns leben, singt Marvin Gaye, und ich spüre, wie ich von meinen Emotionen übermannt zu werden drohe. Hinter meinen Augen brennen Tränen der Überforderung, in meiner Kehle steckt ein Glucksen, so groß, dass es mir die Luft abschnürt. Ich will rennen und bleiben, weinen und lachen, leben und sterben – alles gleichzeitig.

  Jasper beugt sich zu mir hinunter, seine Lippen sind nun dicht an meinem Ohr. Gerade so kann ich ein Seufzen unterdrücken, während ich mir wünsche, er würde mir einen Kuss hinter mein Ohrläppchen hauchen. An meinem Hals knabbern. Mir unanständige Dinge zuflüstern. Zugleich stelle ich mir vor, wie ich meinen Kopf gegen die Wand schlage, vor Wut über mich selbst.

  »Ich fand es schön«, flüstert er, und ich kann nicht anders, als scharf die Luft einzusaugen. »Dich bei mir zu haben.«

  Gleich werde ich ohnmächtig. Die starke Bonnie Bailey. Und nun entfährt mir tatsächlich ein Kichern. Ein ungläubiges, beinahe verzweifeltes Kichern, während Marvin Gaye versucht, mir einzusagen, dass es niemals falsch sein kann, mich ihm hinzugeben.

  »Es … war …«, stammle ich, »… schön.« Das Bild eines aus dem Himmel herabfallenden Ambosses, der mich mit einem Rums in die Erde befördert, erwächst vor meinem inneren Auge. Aber es war schön. Es war das Schönste!

  »Okay, gut.« Jasper klingt erleichtert und dreht damit das Messer, das in meinem Herzen steckt, noch ein bisschen herum. Es muss Widerhaken haben, so sehr, wie es schmerzt.

  Weißt du nicht, wie süß und wunderbar das Leben sein kann? … Ich werde dicht nicht drängen, verspricht Marvin Gaye, doch im gleichen Moment merke ich, dass es auch Jaspers Stimme ist, die diese Worte singt.

  »Fuck «, höre ich auf einmal Link irgendwo hinter mir.

  Jasper lässt mich los und dreht sich um. Ich will laut aufschreien. Vor Sehnsucht und Erleichterung gleichermaßen. Mein Blick folgt dem Jaspers, und sofort sehe ich, was das Problem ist. Curtis bewegt sich langsam torkelnd auf Amory und Richard zu.

  Jasper und Link rennen los. Sie sind schneller als Curtis, sodass sie ihn innerhalb weniger Sekunden eingefangen haben. Ich sehe, wie sie auf ihn einreden. Jasper hat seinen Arm um Curtis’ Schultern gelegt, eine freundschaftliche Geste, die gleichzeitig bewirkt, dass dieser sich nicht mehr befreien kann.

  Curtis gestikuliert, doch Jasper und Link weichen keinen Millimeter zurück. Über die Musik kann ich nicht hören, was gesprochen wird, aber ich nutze den Moment, um mich von der Tanzfläche zu entfernen und mich auf einen Stuhl fallen zu lassen. Ich bin k. o., vollkommen fertig. Körperlich, nervlich. Am liebsten würde ich mich unter einem der Tische in Embryonalstellung zusammenkauern. Oder mir alternativ in Gestalt eines Orgasmus selbst Erleichterung verschaffen. Beides kommt nicht infrage, also sitze ich einfach nur hier und lausche den letzten Takten von Let’s Get It On, schließe die Augen und versuche zu verstehen, was mit mir passiert.

  28 – Jasper

  Heute

  »Es geht doch nichts über ein freches Bierchen am Nachmittag«, sagt Hugo und prostet mir zu.

  Wir sitzen auf meiner Veranda, Weston und Maya gießen ihre Beete und wässern den Rasen, der langsam wirklich aussieht wie eine noch etwas kahle Wiese.

  Ich hebe mein Wasserglas. »Schön, dass du da bist.«

  »Also, erzähl mal. Wie war die Hochzeit?« Hugo wackelt unter seinem löchrigen Strohhut mit den Augenbrauen.

  »War ein schönes Fest«, sage ich. »Edel, aber gleichzeitig ausgelassen.«

  »Und die Band?«

  »Die Band war ein voller Erfolg.«

  »Das wundert mich nicht. Mein Enkel spielt dort Klavier.«

  Ich muss lachen. »Du solltest mal wieder bei einem Auftritt vorbeischauen. Bring Faye mit. Ich würde mich freuen, sie auch mal kennenzulernen.«

  »Tatsächlich?« Er kriegt ganz große Augen.

  »Warum denn nicht?«

  »Schau mal, Dad, hier kommen Knospen«, ruft Weston und lenkt uns einen Moment ab.

  »Das ist ganz allein euer Verdienst«, antworte ich. »Weil ihr euch so gut kümmert.«

  Maya lächelt breit, und Westons Brust ist stolzgeschwellt.

  »Na ja, ich dachte …«, nimmt Hugo den Faden wieder auf. »Weil sie mit Victor …«

  Kurz habe ich das Gefühl, der Name meines Vaters sollte etwas in mir auslösen. Traurigkeit oder Wut. Aber da ist nichts.

  »Das ist so lange her«, sage ich deswegen.

  »Ich glaube, sie würde sich freuen.«

  Bislang habe ich nur Gutes über Faye gehört. Sie war anscheinend sehr jung, als sie meinen Vater heiratete. Und bald werden sie geschieden sein. Sie ist nicht die Erste, die auf ihn hereingefallen ist, und wird vermutlich auch nicht die Letzte sein. Wenn überhaupt, sollte uns das zusammenschweißen.

  »Und jetzt zu dir«, sagt Hugo. Inzwischen kenne ich diesen Blick. Dieses verschmitzte Grinsen, die Lachfältchen um seine blitzenden Augen. »Du siehst anders aus.«

  »Was?« Nun redet er Unsinn.

  »Winde dich ruhig, Junge. Am Ende erzählst du mir ja doch alles.«

  Ich verschlucke mich fast an meinem Wasser. »Was willst du wissen?«

  »Wo die Falte zwischen deinen Augenbrauen hin ist. Ich bin jetzt schon fast eine halbe Stunde hier, und bislang habe ich sie noch nicht gesehen. Das ist neu.« Er zuckt mit den Schultern. »Erzä
hl mir nicht, du hast dir Botox spritzen lassen.« Er nimmt noch einen Schluck von seinem Bier.

  »Sicher nicht«, lache ich.

  »Also entweder hast du Beruhigungspillen genommen, oder etwas ist passiert. Gönn einem alten Mann das bisschen Spaß.«

  »Du bist unmöglich.« Aber ich weiß genau, warum die Sorgenfalte weg ist. Warum sich die Anspannung in meinen Schultern gelöst hat. Und vielleicht könnte es unsere Beziehung festigen, wenn ich mich ihm anvertraute? »Ich habe mir ein Bett mit Bonnie geteilt«, sage ich.

  »Das ist der heiße Feger am Kontrabass, oder?«

  Ich nicke.

  »Uuuuuuuh«, macht Hugo.

  »Und es könnte sein, dass … also …«

  »Dass du in sie verknallt bist?«

  »Ich weiß es nicht. Es war nur diese eine Nacht, und weiter ist nichts passiert.«

  »Aber?«

  Tatsächlich gibt es ein Aber. Doch statt sofort zu antworten, lenke ich den Blick auf meine beiden Kinder. Maya ist inzwischen bis auf die Unterhose durchnässt und von oben bis unten mit Erde beschmiert. Allerdings ist es so warm, dass ich sie beinahe beneide.

  »Ich sehe sie mit anderen Augen«, sage ich. Und es stimmt. Ich lasse es zu, sie anders wahrzunehmen. Sie macht mir Mut.

  »Potz Blitz!« Hugo schlägt sich mit der flachen Hand aufs Bein. »Das sind mal Neuigkeiten. Ich kenne eine gute Hochzeitsband. Mein Enkel …«

  »Hugo«, ermahne ich ihn.

  »Das war doch nur ein Scherz. Kein Grund, die Sorgenfalte gleich wieder auszupacken.« Er zeigt mit dem Finger auf meine Stirn. Und tatsächlich, ich spüre, dass sie zurück ist.

  »Das ist es nicht«, sage ich.

  »Ich bin bis oben hin vollgefüllt mit Weisheit, Jasper. Vielleicht wäre es nicht dumm, darauf zuzugreifen.«

  »Weißt du, was ich an dir besonders schätze?«, frage ich. »Deine Bescheidenheit.«

  »Bescheiden und demütig kann ich auf dem Sterbebett immer noch sein. Pluspunkte sammeln und so. Dafür ist jetzt keine Zeit.«

  »Also gut«, beginne ich und will gerade ansetzen, ihm von meinen Bedenken zu erzählen, da ertönt ein lautes Kreischen.

  Maya hat den Gartenschlauch auf ihren Bruder gerichtet und spritzt ihn von oben bis unten nass. Er keucht und lacht und versucht, ihr den Schlauch abzunehmen. Da er eindeutig der Stärkere ist, gelingt es ihm schnell. Die Rache folgt auf dem Fuß. Weston richtet den Schlauch auf Maya. Aber weil sie ohnehin schon vollkommen durchnässt ist, macht es ihr nichts aus. Wenn überhaupt, wird sie dadurch wieder etwas sauberer. Hugo lacht laut.

  »So ein Garten ist eine feine Sache«, sagt er. »Und so ein Gartenschlauch erst! Aber jetzt erzähl.«

  »Erstens bin ich Witwer. Das bedeutet, ich habe schon eine Frau.«

  »Witwer«, wiederholt Hugo. »Das bedeutet, du hattest eine Frau. Als deine Großmutter starb …«

  Auf einmal sehe ich Hugo mit ganz anderen Augen. Ich habe nie darüber nachgedacht, was mit meiner Großmutter passiert ist. Bei uns zu Hause wurde nie über sie gesprochen. Und seit Hugo richtig in meinem Leben ist, habe ich genug damit zu tun, das zu begreifen.

  »… Autounfall«, fährt er fort. »Traurige Sache. Sehr traurig. Ich habe jahrelang gebraucht, bis ich wieder jemanden in mein Leben gelassen habe.«

  »Was hatte sich geändert?«, frage ich.

  »Ich habe verstanden, dass es darum geht, bereit zu sein. Nicht um eine Schuld. Das hat mir geholfen. Und vielen anderen Damen.« Er grinst.

  Es ist genau das, was ich bei mir selbst beobachte. Dieses Gefühl, bereit zu sein. Es ergibt Sinn. Es fühlt sich richtig an. Und ich weiß, Blythe hätte es gewollt. Sie war diejenige, die mir das Versprechen abnahm, wieder glücklich zu werden.

  »Was ist zweitens?«, fragt Hugo, für den der erste Punkt offenbar abgehandelt ist.

  »Zweitens habe ich keine Ahnung, wie Bonnie das alles sieht. Sie wirkt meistens nicht unbedingt, als würde sie sich viel aus Nähe machen. Nähe zu mir, meine ich.«

  »Bullshit«, sagt Hugo und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Die ganze Welt liebt dich. Weiter.«

  Ich schüttle amüsiert den Kopf. »Drittens: Selbst wenn sie sich etwas aus mir machen würde, kann ich sie mit meinem Scheiß nicht belasten. Die Schulden. Die Kinder.«

  »Findest du es nicht ein bisschen gemein, deine Kinder und die Schulden in einen Topf zu werfen?«, fragt Hugo glucksend, und ich verdrehe die Augen. Er weiß genau, was ich meine. »Ansonsten könntest du sie vielleicht verscherbeln. Einen Teil der Schulden damit decken. Ich würde sie nehmen. Akzeptierst du Schecks?« Er sieht aus, als würde er nachdenken. »Ungedeckte Schecks?«

  »Lass mal, ich glaube, ich behalte sie«, sage ich mit einem Blick auf die beiden. Weston zeigt Maya gerade etwas, das er in der Erde gefunden hat. Einen Regenwurm vielleicht.

  »Aber jetzt mal im Ernst, Junge. Ich glaube, du denkst zu weit. Wenn die Frage nach Hochzeitsbands noch nicht im Raum steht – und noch mal: Wenn es so weit ist, dann empfehle ich euch After Hours –, reicht es doch erst mal, wenn man sich zusammen wohlfühlt.«

  »Es kommt mir zu kurz gedacht vor. Leichtsinnig. Verantwortungslos.«

  »Glaub mir, Verantwortung trägst du genug«, sagt Hugo und wird auf einmal ganz ernst. »Du trägst die ganze Last des Lebens auf deinen Schultern. Lass das mal besser.«

  »Ist das die Weisheit, von der du gesprochen hast? Lass das mal besser? « Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.

  »Denk drüber nach. Klingt simpel, ist es aber gar nicht.«

  Ich schüttle den Kopf.

  »Magst du sie?«, fragt er nun.

  »Ja.«

  »Magst du sie genug, um es zu versuchen?«

  »Ich glaube schon.«

  »Siehst du das Gras?«

  »Äh … ja?«

  »Okay. Dann mach dich auf eine Weisheit gefasst, die dir die Ohren schlackern lassen wird. Du bist das Gras.«

  Ich pruste los. »Jetzt bin ich platt.«

  »Warte, ich bin noch nicht fertig. Du bist das Gras. Du bist inzwischen über das Stadium des Sprießens hinaus. Hast die ersten Sonnenstrahlen gespürt. Okay, das war ein bisschen kitschig. Das nehme ich zurück. Aber du weißt, was ich meine. Du hast dich daran gewöhnt, ein aktiver Bestandteil des Gartens zu sein. Du bist bereit für wuseliges Insektenleben.«

  »Erzählst du mir als Nächstes was von den Blumen und Bienen?«, frage ich.

  »Aufgeklärt bist du, hoffe ich. Ansonsten muss es dir ganz famos merkwürdig vorkommen, dass du diese beiden bezaubernden Kinder hast.«

  »Ja, das können wir überspringen. Auch wenn es trotzdem relativ unglaublich ist, sie zu haben.«

  »Also, du bist bereit für die Insekten, okay? Und dein einziger Gedanke ist, dass du nicht genug Blüten produzierst, um die Bienen zu ernähren. Dabei brauchen die einfach einen Ort, an dem sie sein können. Um ihr Essen kümmern sie sich selbst.« Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme vor der Brust, als wäre damit alles gesagt.

  »Du meinst, es reicht also, dass ich Gras bin und wenig zu bieten habe?«

  »Ich meine, das, was du zu bieten hast, kann vollkommen genug sein. Die Hochzeitsband vertagen wir. Ich würde dir die Nummer von meinem Enkel zur Sicherheit mal dalassen, aber buchen musst du noch nichts.« Er grinst. »Fakt ist, man kann zusammen sein, ohne einander alles aufzubürden, was das Leben schwer macht, wenn du verstehst, was ich meine.«

  Ich glaube, ich begreife, was er mir damit sagen will, ganz überzeugt bin ich dennoch nicht. »Ist das nicht egoistisch?«

  »Und wenn schon?«

  »Na ja …«

  »Sei doch mal egoistisch. Ich bitte darum. Ich würde gerne wissen, wie das aussehen soll. Kaufst du dir dann ein neues Paar Schuhe? Im Secondhandladen? Bleibst du dann an einem Sonntagmorgen fünf Minuten länger im Bett liegen?«

  »So ungefähr.«

  »Ich fordere dich heraus, Jasper. Sei einmal egoistisch. Nur ein bisschen. Nicht auf Kosten anderer, aber zu deinen Gunsten. Glaub mir, das macht Spaß.«

  »Da ist sie also, die Weisheit.«

  »Du wurdest soeben ge-hugo-t. Wie fühlt es sic
h an?«

  »Als hätte ich verbotenerweise einen ganzen Becher Eiscreme gegessen.«

  »Perfekt. Damit fangen wir an. Was für eine Sorte hast du da?«

  Hugo steht auf und marschiert entschlossen nach drinnen. Einen Augenblick später kommt er mit einer Packung Schokoladeneis zurück. Unsere Lieblingssorte. Er hat nur einen Löffel dabei.

  »Bitte sehr«, sagt er und stellt beides vor mir ab.

  »Sobald die Kinder das sehen, habe ich keine Chance mehr. Wirst schon sehen.«

  »Hey, Kinder«, ruft er sofort. Weston und Maya drehen sich um. »Wäre es für euch okay, wenn euer Dad das Schokoladeneis allein isst? Ich kaufe euch dafür neues.«

  Maya sieht im ersten Moment enttäuscht aus. Doch Weston zuckt mit den Schultern und sagt: »Okay, aber wenn ihm schlecht wird, will ich kein Gejammer hören.« Das überzeugt auch Maya, und sie nickt.

  »Gern geschehen«, sagt Hugo. »Und jetzt hau rein.«

  Ich schüttle den Kopf, nehme aber tatsächlich einen Löffel Eis. Und noch einen.

  Mit vollem Mund setze ich unser Gespräch fort. »Dann lass mich dich auch herausfordern. Dich und deine verqueren Weisheiten.«

  »Verquer!« Mit gespieltem Entsetzen sieht er mich an.

  »Über die Kinder haben wir ja schon gesprochen. Aber nur in die eine Richtung. Wie werden sie reagieren, wenn ich anfange zu daten?«

  »Du willst also daten …«, sagt Hugo mit einem anzüglichen Grinsen.

  »Ich dachte, das hätten wir bereits festgestellt.«

  »Aber noch nicht so deutlich ausgesprochen. Red weiter.«

  »Weston erinnert sich noch an seine Mom. Ich will nicht, dass er denkt, ich würde sie ersetzen. Und Maya – ich meine, sie spricht nicht mal mit mir. Wie soll das werden, wenn ich plötzlich eine neue Person in ihr Leben schleppe?«

  »Das sind zwei verschiedene Dinge«, sagt Hugo. »Es hilft, wenn man eins nach dem anderen ansieht. Dann ist alles machbar.« Er denkt kurz nach. »Mit Weston kann man sprechen. Er ist so klug, ich denke, du kannst ihm ganz genau erklären, was passiert. Wie er reagiert, weißt du erst hinterher. Aber eine Freundin haben ist etwas anderes, als eine Mutter zu ersetzen. Das ist ja wohl klar.«

 

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