»Wofür genau brauchst du denn drei Stunden?«, fragt Weston, als wir endlich zu Hause ankommen.
Um meinen Atem zu beruhigen. Um mich mental auf mein erstes Date seit Jahren vorzubereiten. Um etwas zum Anziehen zu finden, das gut genug aussieht und dennoch nicht zu steif. Um einen Umgang mit meiner Nervosität zu finden, die vermutlich unbegründet ist. Aber Nervosität ist nichts Rationales. Nichts, was man auf Knopfdruck abstellen könnte.
»Da seid ihr ja!« Link kommt in den Flur. »Ich habe mir schon mal die Freiheit genommen, es draußen ein bisschen hübscher zu machen.« Er zwinkert mir zu. »Und es ist mir gelungen, auch die letzten Reste eurer Schokoladenorgie von den Gartenmöbeln zu wischen.«
Ich hatte die Möbel schon notdürftig mit dem Gartenschlauch abgespritzt – nicht, ohne vorher ein Foto von unserem Kunstwerk zu schießen –, aber komplett sauber waren sie noch nicht.
»Danke, Link«, sage ich und klopfe ihm auf die Schulter. Es fühlt sich steif an. Ich fühle mich steif an. Das muss besser werden!
Die Kinder ziehen sich in ihr Zimmer zurück, und ich beginne, die wenigen Klamotten, die ich habe, auf meinem Bett auszubreiten.
»Brauchst du Hilfe?«, fragt Link, der mit verschränkten Armen amüsiert in der Tür lehnt.
»Ich weiß nicht. Ich glaube schon …«
Link grinst breit und lässt sich auf mein Bett fallen. »Was ist die Botschaft, die dein Outfit übermitteln soll? Ich will dich? Dann würde ich mich für den kurzen Rock und das bauchfreie Glitzertop entscheiden. Ich bin classy, aber nicht abgeneigt, es schon beim ersten Date zu tun? Dann tut es das kurze schwarze. Die Haare würde ich hochstecken.«
»Sehr witzig«, sage ich, muss aber trotzdem lachen. »Das hier ist nicht unbedingt meine Stärke.« Seufzend blicke ich auf die Hemden auf meinem Bett.
»Leger oder förmlich?«
»Was würdest du sagen?«, frage ich hilflos.
»Kommt ganz darauf an«, sagt Link.
»Okay, pass auf. Ich will ihr auf den ersten Blick zeigen, dass sie mir wichtig ist. Dass ich mir Mühe gegeben habe. Und dass ich mir Mühe geben werde. Für sie.«
»Das klingt gut«, sagt er und lächelt mir anerkennend zu. »Mach sie glücklich.«
Das habe ich vor, sobald wir die Liste in meinem Kopf durchgegangen sind. Sobald alle Karten auf dem Tisch liegen. Ich werde sie so glücklich machen, wie nur irgend möglich. Und ich werde nicht aufhören damit.
»Ist ein Anzug zu viel?«, frage ich unsicher, denn mein Blick ist soeben an dem dunkelblauen Stoff hängen geblieben.
»Wenn du dich darin wohlfühlst …«, erwidert Link. »Ein Anzug sagt auf jeden Fall, dass du dir Mühe gegeben hast.« Er lacht.
»Denkst du, sie findet das blöd?«
»Jasper, es ist Bonnie«, sagt er nun. »Du kennst Bonnie. Schon vergessen?«
»Ich nehme den Anzug«, sage ich, denn obwohl Link recht hat, ich Bonnie kenne und wir eigentlich locker miteinander sein können, will ich mich für sie schick machen. Sie soll wissen, wie ernst ich es meine. Auf den allerersten Blick.
Unter der Dusche wasche ich mir den Musikschulgeruch ab. Ich stehe unter dem lauwarmen Strahl – eine heiße Dusche ist bei den Temperaturen, die draußen herrschen, nicht zu empfehlen – und werde mir plötzlich meiner körperlichen Unzulänglichkeiten bewusst. Ich war nie besonders sportlich, bin nicht trainiert oder so etwas. Ich bin schlank, aber wenn ich in meinen Bauch pikse, stoße ich auf wenig Widerstand. Meine Arme sind nicht muskulös wie die von Curtis oder Sal. Es sind einfach Arme. Mit dunkler Behaarung.
Fast muss ich laut lachen über meine Gedanken. Ich bin ein erwachsener Mann, habe zwei kleine Kinder. Ich bin kein Superlover, kein Sexgott. Ich bin einfach nur ein normaler Typ, der es irgendwie geschafft hat, ein Date mit der bezaubernden Bonnie klarzumachen.
Ich steige aus der Dusche und betrachte mein Gesicht im Spiegel. Es ist einfach nur mein Gesicht. Nichts Spektakuläres. Nicht wie Links Gesicht, das jeder Frau auf dieser Welt ein Seufzen entringt. Die feine Sorgenfalte zwischen meinen dunklen Augenbrauen gehört inzwischen zum Gesamtbild dazu. Ich ziehe sie mit den Fingern glatt, doch im nächsten Moment ist sie wieder da.
Der elektrische Rasierer fühlt sich kühl in meiner Hand an, und sein surrendes Geräusch lenkt mich immerhin gerade von all meinen Makeln ab. Es wird gut werden, sage ich mir. Sie kennt mich. Sie weiß, was sie kriegt. Ich lasse den Rasierer über meine Wangen fahren, über mein Kinn, meine Oberlippe. Dann schalte ich ihn aus und betrachte mich erneut. Mein Blick fällt auf meine leicht behaarte Brust. Mögen Frauen das? Als ich mit Blythe zusammenkam, war meine Brust noch ganz nackt. Jetzt … Ich schalte den Rasierer wieder ein, will ihn gerade auf meine Brust setzen, doch da halte ich inne. Ich mache mich lächerlich. So sehe ich nun mal aus. Wenn Bonnie etwas anders haben will, muss sie es sagen. Auch dieser Punkt wandert sofort auf meine mentale Liste. So langsam wird sie etwas lang, und ich überlege, ob ich vielleicht eine tatsächliche Liste daraus machen sollte. Einfach nur, um sicherzugehen, dass ich nichts vergesse.
Ich bügle akribisch mein gutes weißes Hemd. Bügeln ist nicht unbedingt meine liebste Haushaltstätigkeit, aber heute hat es beinahe einen meditativen Charakter. Es ist schön, etwas mit den Händen zu tun und in ruhigen Bewegungen über den Stoff zu fahren. Vielleicht sollte ich noch ein bisschen Klavier spielen, um mich abzulenken, doch dafür habe ich vermutlich keine Zeit. Denn Weston erinnert mich daran, dass Bonnie in einer Stunde kommt.
»Sagt ihr Gute Nacht?«, fragt Maya leise. Sie isst mit Weston, Link und Hugo zu Abend. Dies ist eine Premiere. Nicht nur habe ich heute mein erstes Date seit einer gefühlten Ewigkeit, es ist auch das erste Mal, dass Hugo die Kinder ins Bett bringt. Wenn es gut geht, möchte er gerne regelmäßig babysitten.
»Sobald Hugo dir vorgelesen hat, sagen wir Gute Nacht«, verspreche ich und stelle die Blumen, die er mitgebracht hat, in Ermangelung einer Vase in einen großen Krug.
»Apropos!« Link springt auf. »Ich würde dir gern noch etwas vorschlagen.«
Er legt mir den Arm um die Schultern und bugsiert mich in die Küche.
»Ich weiß nicht, ob du das willst, aber ich habe den Wohnwagen hergerichtet. Das Bett ist frisch bezogen, und ich bin heute Nacht bei Franzi, damit ihr eure Ruhe habt.« Er grinst mich anzüglich an.
»Link!«, sage ich tadelnd. Aber gleichzeitig macht sich eine neue Form der Aufregung in mir breit.
»Was denn? Ihr habt es schließlich schon mal gemacht. Worauf also warten?« Er zuckt mit den Schultern. »Und so heiß, wie du aussiehst, wird sie dir sicher nicht widerstehen können.« Er wackelt mit den Augenbrauen.
»Das ist sehr nett von dir, aber …«
»Hör zu, Jasper. Wir machen es so. Wenn ihr nicht wollt, gehst du einfach ins Bett. Aber falls euch die Lust überkommt« – hier wird sein Grinsen noch breiter –, »ist der Wohnwagen da.«
»Danke«, sage ich und meine es verdammt ernst. Denn in diesem Moment fällt mir erst auf, dass ein mögliches zweites Mal mit Bonnie vielleicht nicht unbedingt in Hörweite meiner Kinder passieren sollte.
Zwanzig Minuten, bevor es so weit ist, klopft es an der Tür. Es ist Amory, die sich nicht davon abhalten ließ, Essen für uns vorzubereiten. Sie packt diverse Tuppergefäße aus und sucht in meinen Küchenschränken nach passenden Serviertellern.
»Es sind alles kalte Speisen«, erklärt sie, während sie verschiedene Dips und Salate hübsch auf Tellern anrichtet. Du musst nichts weiter tun, als alles auf den Tisch zu stellen.« Dann umarmt sie mich. »Ich wünsch euch ganz viel Spaß.«
Noch zehn Minuten, und ich gehe in mein Schlafzimmer, um mir mein Jackett überzuziehen. Ich betrachte mich im Spiegel und bin nun doch einigermaßen zufrieden. Dann entscheide ich mich tatsächlich für Parfüm, jedoch für eine dezente Menge. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, es auch in meiner Hose zu verwenden. Doch ich ermahne mich selbst, mich nicht lächerlich zu machen.
Dann gehe ich noch mal nach draußen und kontrolliere alles. Die Blumen, die Beleuchtung. Ich sehe auf den dichten grünen Rasen, der im Sonnenuntergang warm strahlt. Betrachte Hugos Büsche, sie seit heute ihre
ersten Blüten geöffnet haben. Perfektes Timing. Aus dem Krug ziehe ich die schönste von Hugos Blumen heraus. Es ist vielleicht kitschig, aber Bonnie soll das ganze Paket bekommen. Ein perfektes erstes Date.
In diesem Moment klopft es an der Tür.
47 – Bonnie
Heute
Meine Handflächen sind schweißnass. Immer wieder wische ich sie an meiner Jeans ab – mit mäßigem Erfolg. Schon den ganzen Tag sage ich mir: Es ist nur Jasper. Es ist nur Jasper. Und dann schreit mein Herz: Es ist Jasper!, sodass ich wieder eine Runde durchdrehe.
Wir sind Freunde. Freunde, aus denen mehr geworden ist. Aber immer noch Freunde. Also eigentlich gibt es keinen Grund, so vollkommen aufgelöst zu sein. Trotzdem war ich es seit dem Aufstehen heute Morgen und bin es noch, da ich nun vor seiner Tür stehe.
Mein dreifaches Klopfen hallt noch in meinen Ohren wider. Von drinnen vernehme ich Schritte. Lange Schritte. Jaspers Schritte, die ich blind erkenne. Ich atme einmal tief ein, straffe meine Schultern. Stelle auf einmal mein Jimi-Hendrix-T-Shirt infrage. Dann geht die Tür auf.
Vor mir steht Jasper. Mein Jasper. Und – ich traue meinen Augen kaum – er trägt einen Anzug. Einen Moment lang bin ich wie erstarrt, kann ihn einfach nur ansehen, während mein Herz Purzelbäume schlägt und mein Kopf von Glück umwabert wird.
»Ich bin underdressed «, ist das Erste, was ich sage. Ich blicke an mir herab, auf meine ausgelatschten Sneakers, meine weite Boyfriendjeans mit dem Riss im Knie, mein T-Shirt. Wenigstens habe ich meine Box Braids zu einem Knoten nach oben geschlungen. Was habe ich mir dabei gedacht? Vermutlich war es etwas wie Es ist nur Jasper, dicht gefolgt von Wir schauen Millionaire Matchmaker und halten Händchen. Es ist, als hätte mein dreizehnjähriges Ich ein Date mit ihm, nicht eine erwachsene Frau, die sehr wohl in der Lage ist, sich etwas Adäquates zu einem ersten Date – noch dazu mit ihrer großen Liebe – anzuziehen. Denn jetzt schreit alles in mir: Es ist Jasper, du dumme Nuss! Aber woher sollte ich auch wissen, dass er sich so in Schale wirft?
»Ich finde, du siehst perfekt aus«, sagt er und schenkt mir ein Lächeln, das bewirkt, dass ich in seinen Arm springen will.
»Na ja …« Ich zupfe ein bisschen unsicher an meinem T-Shirt. »Du siehst perfekt aus.« Und das tut er wirklich. Seine schlanke, groß gewachsene Gestalt wirkt in diesem Anzug ungeheuer elegant. So fein, so edel.
»Die hier ist für dich«, sagt er und zieht hinter seinem Rücken eine Rose hervor. Sie ist rosafarben am Rand, aber zur Mitte hin wird sie orange.
Mir hat noch nie jemand Blumen geschenkt. Joe hätte es bestimmt gemacht, aber bei ihm war ich so abweisend, stand so sehr über allem, was mit öffentlicher Zurschaustellung von Gefühlen zusammenhing, dass er sich solche Gesten schnell abgewöhnt hat. Nun bin ich fast bewegt.
»Danke«, sage ich und stecke meine Nase in die volle Blüte. Sie duftet nach Sommer.
»Willst du reinkommen?«, fragt er und lächelt leicht amüsiert.
Erst jetzt fällt mir auf, dass ich immer noch auf der Veranda stehe. Wieso ist das hier so steif? Warum fühle ich mich auf einmal so ungelenk in Bezug auf – eigentlich alles?
Ich trete über die Türschwelle und spüre plötzlich Jaspers Arm auf meiner Schulter. »Ich … ähm … bin etwas eingerostet«, sagt er und sucht meinen Blick. »Es ist lange her, dass ich …«
Dankbar sehe ich ihn an. »Mir geht’s nicht anders«, erwidere ich. Dann merke ich, wie er mich mit einem sanften Druck in seinen Arm ziehen will. Und ich lasse es geschehen. Werfe mich beinahe in seine Umarmung. Ich umfasse seine Mitte, lege meinen Kopf an seine Brust und lausche seinem Herzschlag. Bubumm. Bubumm. Es ist der schönste Klang, den ich je vernommen habe. Langsam streicht er mit seinen großen Händen meinen Rücken auf und ab.
»Ich … ähm«, sagt er und klingt erneut, als hätte er keine Ahnung, was wir hier eigentlich tun, »dachte mir, wir könnten uns in den Garten setzen.«
Ich nicke. Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr hinten. Jasper greift nach meiner Hand. Na, geht doch. Die dreizehnjährige Bonnie in mir kann ihr Glück kaum fassen. Er führt mich den Flur entlang an seinem Schlafzimmer vorbei in den hinteren Teil des Hauses. Die Tür zu Westons und Mayas Zimmer ist nur angelehnt. Ein sanfter Lichtschein fällt durch die Tür, und ich höre das leise Murmeln von Stimmen.
Doch wir biegen in die Küche ab. Ohne meine Hand loszulassen, öffnet Jasper die Hintertür und wartet, bis ich an ihm vorbei als Erste nach draußen getreten bin. Er folgt sofort, und während ich noch die Szenerie auf mich wirken lasse, spüre ich, wie er von hinten seine Arme um mich schlingt. Es fühlt sich ganz vertraut an. Ganz normal. Und gleichzeitig so frisch und wunderbar, dass ich jubeln könnte vor Glück. Sein Körper an meinem, seine Wärme, die sich mit meiner mischt. Sein Kinn auf meinem Kopf, der sanfte Druck seiner Arme. Sein Duft. Ich bin so umnebelt von seiner Anwesenheit, dass es mir schwerfällt, die Kontrolle über meine Triebe zu behalten. Ich weiß nicht, wohin mit diesem riesigen Glücksballon, der in meinem Innern anschwillt, immer größer wird.
Weil ich schlecht darin bin, meine Gefühle zu zeigen, entscheide ich mich für etwas Sicheres in diesem seligen Chaos. »Wann ist das hier passiert?«, frage ich und mache eine alles umfassende Geste. »Der Garten, das …« Ich zeige auf die Lampions, den schön gedeckten Tisch, die Blumen … Die Szenerie scheint einem Teenie-Film entsprungen zu sein. Date 101.
»Hugo und die Kinder haben die Bepflanzung übernommen. Das war ihr Projekt. Heute Morgen sind die ersten Blüten aufgegangen.« Ich höre das Lächeln in Jaspers Stimme, obwohl ich sein Gesicht nicht sehen kann. »Und der Rest … das waren Link und ich.«
Auf einmal spüre ich, wie er sein Gesicht neben meines schiebt. Seine frisch rasierte Wange kratzt ganz leicht auf meiner Haut. Dann presst er mir mit seinen warmen Lippen den sanftesten, liebevollsten Kuss, den ich je gespürt habe, auf die Schläfe.
»Willst du etwas trinken?«, fragt er.
Er wirkt so souverän. Er duftet souverän. Sieht souverän aus. Jede seiner Handlungen passt perfekt in den Moment. Während ich das Gefühl habe, einfach nur ein Spielball meiner überforderten Sinne zu sein.
»Ja bitte«, sage ich.
»Ich war mir nicht sicher, was du bei Dates so trinkst.« Er grinst, als er einen Weinkühler unter dem Tisch hervorzieht. »Von Phoenix geliehen«, schiebt er hinterher, als bräuchte er eine Entschuldigung, um einen Weinkühler zu besitzen.
»Ich bin nicht wählerisch«, erwidere ich, wünsche mir, wenn ich ehrlich bin, jedoch nichts mehr als ein kühles Bier. Eine kleine grüne Flasche, deren Etikett ich abknibbeln kann.
»Du darfst wählerisch sein«, sagt er und sieht mich ernst an. »Bitte, sei wählerisch.«
»Wein ist völlig in Ordnung.«
Doch Jasper zieht zwei Bierflaschen aus dem silbernen Eimer.
Das Grinsen in meinem Gesicht wird immer breiter. »Das ist perfekt«, sage ich.
»Wenn du lieber Wein trinkst …«
»Nein, nein«, beeile ich mich zu sagen. »Ich wollte nur keine Umstände …«
»Ich will deine Umstände«, sagt er und zieht mir einen der beiden Stühle zurück. Dann hängt er sein Sakko über die andere Stuhllehne und setzt sich mir gegenüber. »Ich will deine Umstände«, sagt er noch mal und greift über den Tisch nach meiner Hand.
Eine derart zuvorkommende Behandlung bin ich nicht gewöhnt. Ich mache nie Umstände. Ich greife meiner Mutter unter die Arme, trete Link in den Arsch, wenn er es braucht, halte Curtis’ Hand. Ich nehme auf andere Rücksicht, gehe Milch kaufen, wenn keine mehr im Haus ist. Umstände sind mir wirklich fremd.
»Ich weiß nicht mal, wie das geht«, sage ich und merke, wie mir Hitze ins Gesicht schießt. »Umstände machen, meine ich.«
»Dann finden wir es zusammen raus.«
Er schraubt erst die eine, dann die andere Flasche mit einem Zischen auf und reicht mir eine.
»Auf dich, Bonnie«, sagt er, und wir stoßen an.
»Auf dich«, erwidere ich.
Ich merke, wie ich mich mit dem Bier in der Hand entspanne. Das hier sind Jasper und ich. Freunde. Freunde, die Gefühle füreinander ha
ben.
»Ich … ähm …« Auf einmal scheint Jaspers Souveränität wieder zu schwinden. »Bevor wir anfangen …«
»Anfangen?«, frage ich, denn eigentlich hatte ich das Gefühl, wir wären schon mittendrin.
»Bevor wir zu zweit anfangen, meine ich«, sagt er und räuspert sich.
In meinem Innern macht sich ein nervöses Kribbeln breit. Zu zweit anfangen, sagt er. Wir beide.
»Ich, also … es gibt ein paar Dinge, die ich vorher mit dir klären möchte. Das hört sich jetzt sehr unromantisch an, aber ich will nichts, was du nicht willst. Ich will dich, aber nicht um jeden Preis, weißt du?«
Das klingt auf einmal gar nicht mehr gut. Ich runzle die Stirn. Meine Kehle wird enger, und ich nehme schnell einen Schluck Bier.
»Okay, das war unglücklich formuliert. Ich will dich um jeden Preis, aber wenn der Preis eine zu große Belastung für dich ist …«
»Jasper«, sage ich sanft, atme einmal tief durch und warte darauf, dass sich mein Herzschlag wieder beruhigt. Ich merke, wie ich auf einmal diejenige bin, die souverän wirkt. »Was redest du da?«
»Pass auf, ich habe eine Liste.«
»Eine was?« Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken.
»Mach dich nur lustig«, sagt er und zieht tatsächlich ein gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche. »Zuerst war es eine Liste in meinem Kopf, aber es ist zu wichtig, um irgendwas zu vergessen. Also.« Wieder räuspert er sich. »Die Sache mit uns. Du und ich. Das darf kein Leichtsinn sein. Ich meine es ernst. Ich habe schon lange nichts mehr so ernst gemeint. Wenn wir zusammen sein wollen – und das will ich«, er fasst wieder nach meiner Hand und drückt sie, »dann ist das nichts für ein paar Wochen. Oder auch Monate. Für mich ist es das. Das oder gar nichts. Es steht zu viel auf dem Spiel. Nicht nur die Band. Mein ganzes Leben. Und nicht nur meins. Deswegen …« Er lässt meine Hand wieder los und reibt sich über den Nacken. Der tiefe Atem, den er ausstößt, klingt wie ein Seufzen. Ein besorgtes Seufzen. »Gerade denke ich, dass man das vor heute Abend hätte klären sollen.« Er lacht etwas verunsichert.
Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 31