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Faded Duet 2 - Faded - Wenn alles stillsteht

Page 13

by Julie Johnson


  Zumindest bis die Tür zu unserem Backstagebereich aufschwingt und er Carly entdeckt, die auf der Couchgarnitur sitzt und ein Wasser schlürft.

  »Ich kann mich nicht erinnern, auf meiner Liste mit Forderungen eine heiße Blondine verlangt zu haben!«, bemerkt er mit breitem Grinsen.

  »Träum weiter, Travers«, erwidert sie und verdreht die Augen. Als sie zu Aiden hinsieht, verrutscht ihr Lächeln, und ihre Wangen laufen rot an. »Hi, Aiden.«

  »Carly.« Er nickt und gibt sich so undurchschaubar wie immer. Für einen kurzen Moment herrscht Stille, während sie einander in die Augen sehen, bis Aiden kehrtmacht und mit steifen Schritten ins Bad marschiert.

  Hm.

  »Wie ist es gelaufen?«, fragt Carly aufgekratzt und schaut ihre beste Freundin an, als wäre gerade nichts Merkwürdiges geschehen.

  »Toll«, murmelt Felicity und lässt sich auf die Couch fallen. Sie klingt jedoch alles andere als froh.

  Ich rede mir ein, dass mich das nichts angeht und ich einfach wegschauen sollte, aber ich kann den Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden. Ich betrachte die kleine Vertiefung zwischen ihren Augenbrauen, die mir verrät, dass sie tief in Gedanken versunken ist. Und die Art und Weise, wie sie auf ihrer Unterlippe herumkaut, teilt mir mit, dass ihre Nerven blank liegen. Ich will mit dem Daumen über diese Vertiefung streichen und einen warmen Kuss auf ihre zerbissene Lippe hauchen.

  Aber das kannst du nicht bringen. Es ist nicht länger deine Aufgabe, ihr als Schulter zum Anlehnen zu dienen.

  Ich beiße die Zähne zusammen, reiße den Blick von ihr los und zwinge mich, zum Tisch mit den Erfrischungen zu gehen. Carly mag nicht auf Lincs Liste mit Forderungen gestanden haben, aber dafür stand dort jede Menge anderes Zeug drauf. Es gibt eine umfangreiche Auswahl an Snacks, Obst und Erfrischungen, einschließlich einer Platte mit Riesengarnelen. Ein gläserner Minikühlschrank präsentiert eine Auswahl an kalten Limonaden, Bier, Wasser und Wein.

  »Ist das alles für uns?«, frage ich und schaue zu Linc hinüber.

  Er öffnet eine gekühlte Bierflasche und grinst. »Darauf kannst du deinen Hintern verwetten.«

  »Wir sind vier Leute, nicht vierzig. Wir brauchen nicht mal die Hälfte von diesem Zeug hier.«

  »Alter, jeder, der in einer Arena wie dieser spielt, hat seine Liste mit Forderungen. Die Veranstalter wissen das. Das gehört alles zu unserem neuen Lebensstil.«

  Ich schnaube belustigt.

  »Wozu sonst soll es denn gut sein, es bis ganz nach oben zu schaffen, wenn man dann dort nicht den Ausblick genießt?« Er zuckt mit den Schultern. »Es ist ja schließlich nicht so, als hätte ich frischen Kaviar und Dom Pérignon verlangt.«

  »Fischeier und Champagnerkopfschmerzen – das klingt eher nach Bestrafung als nach dem Lebensstil der Reichen und Berühmten.« Ich hole mir ein Wasser aus dem Kühlschrank und schraube den Deckel ab. »Bist du nervös?«

  »Ich? Ach was.« Sein lässiges Grinsen kann die Angst in seinen Augen nicht ganz übertünchen. »Einen Schlagzeuger kann nichts erschüttern.«

  »Weil dein Gehirn vom vielen Trommeln bereits zu Brei geworden ist?«

  Er versetzt mir einen freundschaftlichen Klaps. »Warum fragst du? Bist du nervös?«

  »Verdammt noch mal, ja«, sage ich und trinke einen Schluck. »Denn mein Gehirn ist noch intakt.«

  »Bist du dir da sicher?«, mischt sich Aiden ein, der das Ende unserer Unterhaltung mitbekommt, als er das Bad verlässt. Er lässt die dunklen Augen durch den Raum wandern und verweilt ein bisschen zu lange bei der Couch, wo Carly und Felicity in ein gedämpftes Gespräch vertieft sind. Er senkt die Stimme. »Wann zum Teufel ist sie hier angekommen?«

  »Carly?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Heute, glaube ich.«

  »Lass mich das noch mal anders formulieren. Warum zum Teufel ist sie hier?«

  »Ich gehe davon aus, dass Felicity sie dazu eingeladen hat, sie auf der Tournee zu begleiten, zumindest für eine Weile.«

  »Das ist eine Tournee, keine Pyjamaparty.« Sein Flüstern ist barsch, aber leise genug, um zu verhindern, dass die Frauen es mitbekommen. »Der Bus wird auch so schon voll genug sein, da muss sie nicht auch noch eine Koje belegen. Sie ist totes Gewicht, das wir nicht gebrauchen können.«

  Ich blinzle, da mich die unterdrückte Wut in seinem Tonfall überrascht. Aiden ist einer der ausgeglichensten Typen, die ich kenne. Er lässt sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. Und doch hat ihn die Anwesenheit dieser zierlichen Blondine eindeutig aus dem Konzept gebracht.

  Lincoln schnaubt. »Ich habe jedenfalls nichts dagegen, dass sie sich uns anschließt. Ich bin schon scharf auf sie, seit wir das erste Mal im Nightingale gespielt haben.«

  Aidens Blick ist so finster, dass ich für einen Moment befürchte, er könnte etwas Unbedachtes tun, wie zum Beispiel, ihm eine reinzuhauen. Während Linc und ich im Laufe der Jahre immer mal wieder aneinandergeraten sind, kann ich mich nicht erinnern, dass Aiden je auch nur einen Finger gegen einen von uns erhoben hätte.

  Zum Glück gelingt es ihm, sich zusammenzureißen. Er macht auf dem Absatz kehrt, stapft aus dem Raum und murmelt etwas darüber, dass er vor dem Auftritt noch Francesca finden muss.

  Lincoln will sich gerade eine Garnele in den Mund schieben, hält jedoch mitten in der Bewegung inne. »Was hat der denn für ein Problem?«

  »Keine Ahnung«, murmle ich und schaue zwischen der Tür und der Couch hin und her.

  »Mal ehrlich …« Lincoln stopft sich eine weitere Garnele in den Mund und schluckt sie hinunter. »Die beengten räumlichen Verhältnisse sind nichts gegen das emotionale Gepäck, das wir in unserem Tourbus verstauen müssen.«

  Ich seufze. »Ich gehe mich umziehen. Sieh zu, dass du nicht an den Garnelen erstickst, während ich weg bin.«

  Sein Gelächter verfolgt mich, als ich in die angrenzende Garderobe verschwinde.

  13. KAPITEL

  Felicity

  Ich stehe im Dunkeln und lausche ihren Stimmen, die wie Donner in der Ferne grollen. Die Jubelrufe gingen los, sobald das Licht ausging, und sie werden von Minute zu Minute lauter. Lincoln und Aiden sind bereits auf der Bühne und warten unsichtbar in der Dunkelheit darauf, dass Ryder und ich aus den Seiteneingängen treten.

  Worauf wartest du noch?, frage ich mich. Los! Geh da raus.

  Doch meine Füße weigern sich, sich von der Stelle zu bewegen.

  Ich hole tief Luft und streiche das Outfit glatt, das ich erst vor wenigen Augenblicken angezogen habe. Es ist ein unfassbar teures Kleid, das irgendein angesagter Designer aus L. A. entworfen hat, den Francesca kennt. Nachdem ich den Preis auf dem Etikett gesehen hatte, wollte ich aus Prinzip eine Abneigung dagegen entwickeln … Doch ich beging den fatalen Fehler, es zunächst einmal anzuprobieren. Sobald ich mir das Kleidungsstück über den Kopf gezogen hatte und im Spiegel begutachtete, wie es an mir aussah, verflog meine rechtschaffene Empörung schlagartig.

  Glitzernde Perlenstickerei auf einem luxuriösen schwarzen Stoff – wie ein Stern, den man direkt vom Nachthimmel gepflückt hat.

  In Kombination mit dem dunklen Lidschatten und dem knallroten Lippenstift sehe ich eine Fremde, die mich aus dem Spiegel anblickt. Eine heiße Fremde, aber trotzdem eine Fremde. Aiden und Linc stießen beide laute Pfiffe aus, als sie mich aus meiner Garderobe kommen sahen, die zu unserem Backstagebereich gehört. Doch ich ignorierte sie, denn mein Blick fiel sofort auf Ryder. Ich bin nicht sicher, was für eine Reaktion ich von ihm erwartete, aber die, die er zeigte, fiel deutlich hinter meinen Erwartungen zurück.

  Mit anderen Worten, er reagierte nicht im Geringsten.

  Sein Gesichtsausdruck war frei von jeglicher Emotion, während er mich von Kopf bis Fuß musterte. Er nickte lediglich knapp und sagte: »Wir müssen gleich auf die Bühne. Wir sollten Francesca suchen gehen.«

  Ich hob mein Herz vom Boden auf, wo es nach dieser herben Enttäuschung lag, und eilte hinter den Jungs her den Flur hinunter. Dabei stieg ich über Stromkabel und zwängte mich an Ausrüstungsgegenständen vorbei. Ich w
ich Teammitgliedern aus, die in Headsets plapperten, und Roadies, die damit beschäftigt waren, der Bühne den letzten Schliff zu verpassen. Als ich mich durch dieses Chaos wühlte, wünschte ich mir plötzlich, dass ich es Carly gestattet hätte, an meiner Seite zu bleiben, anstatt darauf zu bestehen, dass sie sich einen guten Platz im VIP-Bereich sucht, um sich das Konzert anzusehen.

  Die Rufe der Menge werden noch ein wenig lauter und reißen mich in die Gegenwart zurück.

  Alle warten auf dich, Felicity.

  Auf wen wartest du noch?

  Da sind zwei talentierte Musiker, die im Schatten der dunklen Bühne verharren. Da ist eine Managerin mit rotbraunem Haar, die mir hektische Zeichen gibt, während ihr Gesicht vom dumpfen Schein ihres Handys erhellt wird. Da sind vier hünenhafte Sicherheitsleute, die wachsam die Abgrenzungen im Auge behalten. Da ist ein Roadie an meinem Ellbogen, der mir unverständliche Anweisungen ins Ohr brüllt. Da sind neunzigtausend Menschen auf Plastiksitzen, die mir zujubeln, damit ich diese Bühne betrete und den Auftritt meines Lebens hinlege.

  All diese Menschen zerren an mir … und kein einziger von ihnen bedeutet mir auch nur das Geringste. Mir ist egal, was sie wollen, mir ist egal, was sie denken. Ihre Ungeduld und ihre Erwartungen kümmern mich nicht. In diesem Moment ist mir nur der Mann wichtig, der in der Dunkelheit neben mir steht. Der Mann, der kürzlichen Reaktionen zufolge die einzige Person in dieser gewaltigen Arena ist, die sich keinen Deut dafür interessiert, was ich als Nächstes tue.

  Zwei Wochen voller leerer Blicke. Zwei Wochen voller angespannter Kiefermuskeln. Zwei Wochen, in denen er mich eher wie eine Fremde als wie seine Gesangspartnerin behandelt hat. Jede Gleichgültigkeit seinerseits hat ein wenig tiefer geschnitten, meine Seele verletzt und mein Herz angekratzt, bis ich mich schließlich hier wiedergefunden habe, am Abgrund des größten Moments meines Lebens, wo ich ausblute.

  Ich drehe mich zu ihm und bin in der Dunkelheit halb blind. Irgendwie finden meine Augen ihn trotzdem in weniger als einer Sekunde.

  Ich könnte ihn in den tiefsten Schatten finden und ihn sogar in einer sternlosen Nacht sehen.

  »Ryder.«

  Ist das meine Stimme? Sie klingt so hohl und gebrochen.

  »Ich bin hier.«

  Er klingt, wie er seit Wochen klingt: als wäre der Funken hinter seinen Augen erloschen. Als würde er das Feuer vor mir zurückhalten – nicht damit ich nicht verbrenne, sondern weil er mich in der Kälte erfrieren lassen will.

  »Nein, das bist nicht du«, flüstere ich und bin nicht in der Lage, die Worte noch länger zurückzuhalten. »Du bist nicht hier. Du bist in letzter Zeit ständig woanders und …«

  »Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment, Felicity«, sagt er kühl.

  »Das ist genau der richtige Moment«, widerspreche ich keuchend.

  »Da draußen warten neunzigtausend Leute auf uns.«

  »Lass sie warten!« Meine Stimme kracht wie ein Blitzeinschlag. »Sie sind hergekommen, um Wildwood zu sehen. Und weißt du was? Ich kann gerade nicht Wildwood sein – nicht, wenn du dich so verhältst.«

  »Wie genau verhalte ich mich denn?«

  »Als … als wäre ich eine Ausgestoßene, die du nicht ausstehen kannst. Als könntest du dich nicht dazu überwinden, mich anzuschauen oder mit mir zu reden, ganz zu schweigen davon, Liebeslieder mit mir zu singen!«

  Er schnaubt. »Willst du das jetzt wirklich ausdiskutieren?«

  »Ja«, schnauze ich. »Weil ich keinen Fuß auf diese Bühne setzen kann, ohne den Grund dafür zu kennen.«

  »Den Grund wofür, Felicity?«

  »Dafür dass du mich ignorierst, mich ausschließt und … und …« Ich hole tief Luft. »Ryder … du verhältst dich mir gegenüber so kalt. So kalt, dass ich in deiner Nähe kaum atmen kann, von singen ganz zu schweigen, und …«

  Sein Lachen ist frei von jeglichem Humor. »Willst du mich verdammt noch mal verarschen?«

  Sämtliches Blut weicht aus meinem Gesicht. »Nein, ich will dich nicht ver… äppeln.«

  »Du bist echt anstrengend, weißt du das?«

  Ich versteife mich. »Wie bitte?«

  Die Menge ist zu einem ungeduldigen zweisilbigen Sprechgesang übergegangen – Wild-wood, Wild-wood –, und die Roadies neben uns scharren in der Dunkelheit mit den Hufen und fragen sich, wie zum Teufel sie uns auf diese Bühne kriegen sollen, bevor ein Aufstand ausbricht.

  Wir ignorieren sie und starren einander in der pechschwarzen Finsternis in die Augen.

  »Du bist wütend auf mich«, keuche ich ungläubig und verstehe endlich, dass seine kalte Schulter kein Zeichen von Gleichgültigkeit ist. Stattdessen verbirgt sie seinen eisigen Zorn.

  »Damit hast du verdammt recht, ja, ich bin wütend.«

  »Aus was für einem Grund könntest du denn bitte wütend auf mich sein?«

  Die Welt hat sich einmal um die eigene Achse gedreht.

  »Um Himmels willen, Felicity«, knurrt er. »Wie kannst du mir diese Frage stellen?«

  »Wieso nicht?«

  Er beißt die Zähne zusammen.

  »Ryder.«

  »Du willst wissen, warum ich wütend bin? Wie wäre es mit folgendem Grund: Du hast mich verlassen. Du hast mich verlassen, Felicity.«

  »Aber …«

  »Ich hatte keine Ahnung, ob du lebst oder tot bist. Du hast mir das Herz aus der Brust gerissen und mich allein zurückgelassen, während ich mich die ganze Zeit über fragen musste, ob du überhaupt noch da bist. Zwei verdammte Jahre lang wusste ich nicht, wo du warst. Ich wusste nicht einmal, ob du überhaupt noch atmest.« Seine Stimme wird leiser, und er macht einen Schritt auf mich zu, bis wir Brust an Brust stehen und uns so nah sind, wie wir es nicht mehr waren, seit unsere Beziehung den Bach runterging. »Ich dachte nicht, dass ich dich je wiedersehen würde. Und das Schlimmste daran ist, dass ich nun mit absoluter Sicherheit weiß, dass ich dich tatsächlich nie wiedergesehen hätte, wenn Francesca nicht eingegriffen hätte. Du hättest mich für den Rest meines Lebens im Dunkeln tappen lassen.«

  Meine Erwiderung ist so kurz wie trotzig. »Ich hatte keine Wahl.«

  »DU HATTEST JEDE WAHL!« Er brüllt so laut, dass sogar die Roadies zurückzucken. »Du hättest mir genug vertrauen können, um zu bleiben und mich anzuhören, anstatt dich in Luft aufzulösen wie ein gottverdammter Geist.«

  »Dir vertrauen?« Ich ringe mit den Tränen. »Erklär mir mal genau, wie ich dir zu diesem Zeitpunkt hätte vertrauen sollen. Du warst wochenlang high. Monatelang. Und du hast es vor mir geheim gehalten.«

  Er kommt noch näher. »Rede dir ruhig ein, dass das alles meine Schuld ist, wenn du dadurch nachts besser schlafen kannst. Aber wenn es um Vertrauen geht, lautet die Wahrheit, dass du mir deins nie entgegengebracht hast, also konnte ich es auch nicht verlieren. Nie und nimmer. Nicht für einen verdammten Moment. Weil du niemandem vertraust, Felicity.«

  »Das ist nicht …«

  »Nein. Jetzt rede ich. Ich habe wochenlang geschwiegen. Ich habe meine Rolle gespielt. Ich habe mich auf Abstand gehalten und dir Zeit gegeben. Verdammt, ich war sogar bereit, dich gehen zu lassen, auch wenn es mich umgebracht hätte, weil ich dachte, dass du es so wolltest! Darum hast du doch gebeten, oder? Und jetzt stehst du hier und bist sauer auf mich, weil ich mich von dir ferngehalten habe. Weil ich mich dir gegenüber kalt verhalten habe. Weil ich nicht alles in meiner Macht Stehende getan habe, um mich um deine Gefühle zu kümmern, wie es ein guter Freund tun sollte.« Sein Lachen klingt vor Trauer und Wut ganz hohl. Der Schmerz, der darin liegt, ist so groß, dass er mich förmlich lähmt. »Nur dass ich nicht mehr dein Freund bin, Baby. Das mit uns ist vorbei. Ist es nicht so? Erzählst du das nicht so gerne vor laufender Kamera, während ich neben dir stehe?«

  Ich schlucke schwer und bringe kein Wort heraus.

  Der Lärm der Menge hinter uns ist jetzt ohrenbetäubend.

  Wild-wood. Wild-wood. Wild-wood.

  »Also wofür entscheidest du dich, Felicity?«, flüstert er in emotionslosem Tonfall. »Den
n du kannst nicht beides haben. Willst du, dass ich gehe und dich in Ruhe lasse? Oder willst du, dass ich bleibe? Willst du, dass ich mich um dich kümmere? Oder willst du, dass ich verschwinde? Entscheide dich und erlöse uns beide aus diesem gottverdammten Dilemma!«

  Wir starren einander an. Unsere angestrengten Atemzüge vermischen sich, und mir wird klar, wie nah wir uns sind. Wir sind nur eine Haaresbreite von einer Katastrophe entfernt und haben doch nur Augen füreinander. Nur ein winziger Millimeter trennt uns von der vollkommenen Zerstörung, während die ganze Welt auf uns wartet.

  Wild-wood. Wild-wood. Wild-wood.

  »Vielen Dank, dass du das klargestellt hast«, sage ich mit kühler Gefasstheit. »Ich werde nicht den Fehler begehen, noch mal nachzufragen.«

  »Perfekt«, zischt er zurück. Das Wort ist wie ein Schlag ins Gesicht.

  Ich reiße den Blick von seinem los, schlucke schwer, straffe die Schultern und wende mich endlich an den Roadie, der ungeduldig ein paar Schritte entfernt von uns wartet.

  »Wir sind jetzt bereit.«

  Ich höre ein tiefes, bitteres Lachen aus Ryders Kehle, während wir zusammen die Bühne betreten und zu unseren Mikrofonen gehen. Die Lichter in der Halle gehen an und beleuchten uns mit zwei Scheinwerfern. Sofort explodiert das Publikum wie eine Bombe aus Applaus und Begeisterung. Das breite Lächeln, das wir uns aufs Gesicht gekleistert haben, wankt nicht.

  It’s Showtime.

  Der Auftritt vergeht in einem Rausch aus Farben und Sinneseindrücken. Rückblickend erinnere ich mich nur in einzeln aufblitzenden Bildern daran, wie es bei einem Verkehrsunfall oder einem Treppensturz oder einer Rede als Pflichtübung vor dem kompletten Englischkurs der Highschool der Fall wäre.

  Die Bühnenscheinwerfer, die wie ferne Sonnen brennen. Die wabernde Menge, die auf ihren Sitzen hin und her wogt wie ein gewaltiger lebender Organismus. Lincolns Trommelstöcke, die sich so schnell bewegen, dass sie nur ein verschwommener Fleck am Rand meines Sichtfelds sind. Aidens düsteres Grinsen, als die Frauen in der ersten Reihe seinen Namen schreien.

 

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