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Never Too Close

Page 7

by Moncomble, Morgane


  Während meine beste Freundin sofort laut »Nein!« ruft, nickt Alexandra lebhaft und antwortet dreist: »Ganz sicher.« Meine Unterlippe zittert. Ich spüre, wie mir die Tränen kommen. Zoé knurrt und wendet sich an unseren dritten Musketier.

  »Halt bloß die Klappe, Heidi Fleiss.«

  Alexandra runzelt die Stirn.

  »Wie kommst du auf dieses Bauernmädchen Heidi?«

  Zoé verdreht die Augen. Heute Abend bleibe ich also noch Jungfrau und weiß, dass ich es auch morgen noch sein werde, aber zu hören, wie meine beste Freundin die gute Alexandra mit einer der bekanntesten Prostituierten der Welt auf eine Stufe stellt, ohne dass sie es überhaupt kapiert … tja, das rettet mir den Abend.

  Ich lächle Zoé komplizenhaft zu, und sie grinst zurück. Ich glaube, an diesem Abend war ich so dicht wie noch nie.

  »… ehrlich, ich rate dir, es lieber zu lassen«, sagt Jason auf der anderen Seite der Bank.

  Chloé steht auf, um auf die Toilette zu gehen. Ich setze mich auf ihren Platz neben Ethan. Er diskutiert angeregt mit den Jungs. Ethan ist nicht nur Feuerwehrmann (ja, für mich ist das ein unbestreitbarer Vorteil), sondern auch der netteste Mann, den ich kenne.

  »Du hast jemanden kennengelernt?«, erkundige ich mich begeistert. »Das ist ja großartig!«

  »Es ist nichts Ernstes«, dämpft er mich ein wenig zurückhaltend. »Wir lernen uns gerade erst richtig kennen. Aber sie ist Feministin, und Jason meint, das ist ein Hindernis.«

  Bei seiner Antwort runzle ich unwillkürlich die Stirn und suche auf dem niedrigen Tisch nach meinem Glas.

  »Wo ist mein Drink?«

  Mein Blick fällt auf das Glas, das Alexandra in den Händen hält. Sie schaut mich entschuldigend an.

  »Tut mir leid.«

  Ich lächle heuchlerisch. Als sie jedoch den Blick abwendet, mache ich eine Geste, als wolle ich ihr die Kehle durchschneiden. Ich sehe, wie Loan sich das Lachen verkneift, ehe er mir sein Glas reicht.

  »Danke. Entschuldige, Ethan, was hast du gerade gesagt? Ach ja, die Frau ist also Feministin. Feministisch wie ›Femen ruft mit nackten Titten Slogans vor dem Justizministerium‹, oder wie ›Sie erklärt dir rund um die Uhr, dass du nur ein höheres Gehalt bekommst, weil du was zwischen den Beinen hast‹?«

  Ich warte auf seine Antwort, während ich einen Schluck aus Loans Glas nehme. Offenbar ist da kein Alkohol drin – was nicht schlecht ist, wenn man weiß, wie es mir nach vier Drinks geht.

  »Ich weiß es nicht wirklich. Aber ich glaube nicht, dass sie eine Extremistin ist.«

  »Dann verstehe ich nicht, warum das ein Hindernis sein soll. Im Gegenteil, du kannst stolz darauf sein, dass sie für etwas kämpft, was ihr wichtig ist; das ist eine Form von Intelligenz. Weißt du, ich bin auch Feministin, und das macht mich trotzdem nicht zur Nervensäge. Im Ernst, warum denken die Leute immer, wir wären Spaßbremsen?«

  »Sorry, aber wer hat behauptet, dass du keine Nervensäge bist?«, meldet sich Loan zu Wort.

  Ich zeige ihm den Stinkefinger. Auch Jason muss natürlich seinen Kommentar dazu abgeben:

  »Hör nicht auf sie, Kumpel, sie ist die Stimme des Teufels. Die Frau wird dir Probleme machen.«

  Er verdreht die Augen, ohne zu merken, dass er mir gerade eine Steilvorlage geliefert hat.

  »Kannst du das genauer ausführen, Casanova?«

  »Diesen Ton kenne ich und möchte jetzt nicht in deiner Haut stecken«, sagt Loan und klopft ihm auf die Schulter.

  Jason schüttelt den Kopf, als wäre das alles Blödsinn, und drückt die Brust raus. Wie er sich aufplustert.

  »Bevor du dich in unsere Männergespräche eingemischt hast, habe ich zu Ethan nur gesagt, dass ich eines mit Sicherheit weiß: Eine Feministin zu vögeln, extrem oder nicht, nimmt nie ein gutes Ende.«

  Schockiert sperre ich den Mund auf. Über so viel Dummheit kann ich einfach nur lachen. Auch Loan lächelt mit gesenktem Blick. Er weiß, dass ich nicht lockerlassen werde. Er kennt mich.

  »Warum sagst du das?«, will Ethan wissen.

  Ich verschränke die Arme und warte auf Jasons Antwort, als Beyoncés »Run The World« aus den Boxen ertönt. Verrückt, nicht wahr?

  »Sie sind Feministinnen, du Trottel«, ruft Jason. Er ist überzeugt, dass seine Meinung die richtige ist. »FE-MI-NIS-TINNEN. Das bedeutet, dass sie sich auf jeden Fall weigern, sich von hinten nehmen zu lassen. Dadurch wollen sie die männliche Überlegenheit widerlegen oder so.«

  Ich wechsle einen empörten Blick mit Loan, der sich fast totlacht. Ich kenne Jason schon lang, zumindest lang genug, dass ich einige ziemlich dämliche Ansichten von ihm mitbekommen habe. Eigentlich dachte ich, ich hätte das Schlimmste inzwischen gehört. Aber das hier … das ist wirklich die Krönung.

  Ich beuge mich vor, stütze die Ellenbogen auf die Knie und stelle die Frage, die mich beschäftigt:

  »Hast du je mit einer Feministin geschlafen, Jason?«

  Vier Augenpaare sind jetzt auf mich gerichtet. Wie leicht es doch ist, die Aufmerksamkeit von Männern zu erregen.

  »Nein.«

  »Na dann! Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, nicht über Dinge zu reden, von denen du keine Ahnung hast?«

  Jason runzelt die Stirn und kratzt sich am Kopf.

  »Schon, aber ich glaube nicht, dass sie damit den Hintern einer hübschen Frau gemeint haben. Oder vielleicht habe ich sie auch missverstanden … Verdammte Kacke. Meine ganze Kindheit war eine Lüge!«, ruft er.

  Ich lache und versetze ihm einen Tritt. Dann nippe ich noch einmal an Loans Cocktail, ehe ich ihm seinen Drink zurückgebe. Er trinkt aus dem gleichen Glas, ohne sich in unsere Diskussion einzumischen. Ich beschließe, das Thema so gut wie möglich abzuschließen. Vielleicht denkt Jason dann in Zukunft zweimal nach, ehe er ein Mädchen ablehnt, weil sie Feministin ist; immerhin könnte er die Frau seines Lebens übersehen!

  »Geistig oder sozial dominiert zu werden hat mit der Hündchenstellung absolut nichts zu tun, du Trottel. Dabei geht es nämlich um gemeinsames Vergnügen. Wenn ein Mädchen sich von hinten nehmen lässt, bedeutet das noch lang nicht, dass du in einem ganz anderen Kontext eine bestimmte Autorität ausüben darfst …«

  »Okay, okay, ich hab’s kapiert!«, fällt Jason mir ins Wort und reibt sich die Schläfen. »Ich hab doch nur Spaß gemacht! Scheiße, es ist verdammt anstrengend, mit dir zu reden.«

  Mein Blick richtet sich auf Loan, der mir gegenüber sitzt, mich anschaut und seinen Cocktail trinkt. Unwillkürlich erröte ich, denn ich weiß, dass er es weiß. Dass er weiß, dass ich von Sex rede, obwohl ich Jungfrau bin und im Grunde nicht viel Ahnung habe.

  Ich weiche seinem Blick aus, klammere mich an Ethans Hals und flüstere ihm zu:

  »Mach dir nicht allzu viele Gedanken und geh ran. Danach weißt du mehr, okay?«

  Ich ziehe mich rechtzeitig zurück, um ihn lächeln zu sehen.

  »Mach dir keine Sorgen um mich, Vio. Ich werde es nicht an der Hündchenstellung scheitern lassen. Auch wenn es eine Schande wäre«, fügt er augenzwinkernd hinzu.

  Ich lächle ihm zu und gebe ihm einen Kuss auf die Wange, als ich eine warme Hand auf meinem Rücken spüre. Reflexartig beuge ich mich nach vorn.

  »Ich fürchte, Zoé zerrt dich an den Ohren hinter sich her, wenn du nicht sofort auf die Tanzfläche kommst«, schreit Loan, damit ich ihn höre.

  Ich nicke und folge meinem besten Freund auf die überfüllte Tanzfläche. Ich glaube, Zoés stahlblaues Kleid inmitten der Menge zu erkennen, aber ich bin zu klein, um mich zwischen den wild zuckenden Leibern hindurchzuschlängeln.

  Loan spricht mit mir, doch ich verstehe kein Wort. Die Stimme von Britney Spears übertönt ihn.

  »Lass nur, hier ist es okay«, schreie ich und halte ihn zurück.

  Verwirrt runzelt er die Stirn, dann beugt er sich zu mir.

  »Aber ich tanze nicht.«

  »Warum nicht?«

  »Ich tanze nie«, sagte er und zuckt die Schultern.

  Ich wei�
�, dass du nie tanzt, du Spinner. Ich will doch nur wissen, warum du es nicht tust. Aber offenbar muss ich mich damit abfinden. Loan Millet ist eben nicht der Typ, der in Clubs tanzt, das ist nun mal so. Ich will ihn gerade gehen lassen und mich zu meiner besten Freundin durchkämpfen, als mein Blick auf den letzten Menschen fällt, den ich heute Abend hier erwartet habe.

  »Oh Gott«, hauche ich und halte Loan gewaltsam am Hemd zurück.

  Ich ziehe ihn mit kaum für möglich gehaltener Kraft zu mir, stelle mich hinter ihn und bete, dass er mich ausreichend verdeckt.

  »Was hast du plötzlich?«, will er wissen.

  Ich kann nicht glauben, dass er hier ist … Obwohl, eigentlich überrascht es mich doch nicht so sehr. Sagen wir einfach, dass ich diese Begegnung gern vermieden hätte. Ich verberge mich hinter Loans muskulösem Körper, lächle ihn engelsgleich an und lege ihm die Arme um den Hals. Seine Gesichtszüge werden weicher.

  »Nur einen Tanz«, flehe ich ihn an.

  Ich sehe, wie er zögert. Er tanzt nie, völlig klar, aber ich habe ihn mit meinem Hundeblick gefragt und weiß, dass es ihm schwerfällt, dem zu widerstehen. Wie allen anderen Leuten auch.

  »Na gut, okay.«

  Loan kreuzt die Handgelenke an meinem unteren Rücken und folgt der Bewegung. So diskret wie möglich – zumindest glaube ich das – wende ich den Kopf, um sicherzustellen, dass ich nicht erkannt werde. Aber natürlich, genau in dem Moment, als ich ihn zwischen all den Menschen wieder entdecke, treffen sich unsere Blicke.

  Scheiße! Mit brennenden Wangen kehre ich in meine Ausgangsposition zurück. Émilien hat mich gesehen, so viel ist sicher. Und zwar in Loans Armen. Keine Panik, Violette. Du bist über ihn hinweg, weißt du noch? Und er ist ein Riesenarsch. Ja, ich habe es nicht vergessen. Andererseits ist es nie schön, einem Ex zu begegnen. Besonders, wenn dieser einen aus einem mehr als haarsträubenden Grund abserviert hat.

  Plötzlich überkommt mich der wilde Wunsch, mich zu rächen und ich habe eine Idee …

  »Violette?«

  »Mmmh?«

  Loan ist stehen geblieben und blickt mir in die Augen. Ich verstehe nicht sofort. Ungerührt betrachtet er mich mit einer hochgezogenen Augenbraue.

  »Erklärst du es mir bitte?«

  »Was denn?«

  »Deine Hände sind etwas zu nah an meinem Hintern.«

  Mir wird klar, dass meine Hände ganz von allein da hingewandert sind. Rot wie eine Tomate ziehe ich sie zurück. Ich stehe wirklich neben mir.

  »Mist, tut mir echt leid. Hat es dich gestört?«

  Einer seiner Mundwinkel verzieht sich und verrät seine Belustigung.

  »Normalerweise würde ich Nein sagen, aber bei dir finde ich es etwas unheimlich. Was ist los?«

  Ich seufze. Ich weiß nicht recht, ob ich es ihm sagen soll … Die Sache mit Émilien endete ziemlich unschön, und Loan war dabei. Ich will nicht, dass dieser Abend eskaliert. Andererseits merkt er sofort, wenn ich lüge. Also gebe ich beschämt nach.

  »Gut … Sagen wir, es wäre gut möglich … Émilien könnte hier sein.«

  Ich spüre, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannt. Sein Lächeln verschwindet so schnell, dass ich mich frage, ob ich es mir eingebildet habe.

  »Dieser Arsch? Wo?«

  Als er anfängt, sich suchend umzublicken, greife ich nach seinem Kinn und zwinge ihn, mich anzusehen.

  »Nicht hinschauen! Sorry, ich weiß, es ist kindisch, aber angesichts der Tatsache, wie er mit mir Schluss gemacht hat … Ich wollte ihm klarmachen, dass er was verpasst. Wie auch immer, vergiss es.«

  An seinem wilden Blick erkenne ich, dass er sich an meine Trennung von Émilien erinnert. Er beißt fest die Zähne zusammen.

  »Ich wollte, ich könnte hin und …«

  »Ich weiß. Aber sich in der Öffentlichkeit zu prügeln kommt nicht infrage. Du bist bei der Feuerwehr und deine Akte muss sauber bleiben. Du könntest ihm natürlich eine reinhauen und schnell weglaufen. Ich würde mit Vergnügen die Verantwortung dafür übernehmen. Glaub mir, eine Nacht auf der Wache macht mir keine Angst. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass sie diese kleinen Hände nicht für fähig halten, das Gleiche anzurichten wie diese hier«, sage ich und greife nach seinen Fingern. Obwohl … in der fünften Klasse hat mich mal ein Mädchen geschlagen. Daraufhin bin ich ausgerastet und habe ihr eine gescheuert, obwohl ich Gewalt ablehne – ich tat es trotzdem. Danach wollte sie sich revanchieren, aber ich bin weggerannt. Ich bin bestimmt nicht feige, aber ich war nie eine große Kämpferin.

  Ich hole tief Luft und suche nach Worten. Wo war ich stehen geblieben? Ich blicke zu Loan auf, der mich anstarrt.

  »Warum rede ich eigentlich mit dir darüber?«

  »Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung.«

  Ich verziehe das Gesicht und senke den Kopf. Ich bin mir absolut sicher, dass Émilien mich durch die Menge beobachtet. Kaum zu glauben, dass er mir die Schuld für etwas so … Belangloses gegeben hat!

  Plötzlich seufzt Loan und nimmt mich fest in die Arme. Sein Atem kitzelt mein Ohrläppchen, als er mir zuflüstert:

  »Es liegt daran, dass ich diesen Kerl hasse und du heute Abend wunderschön aussiehst.«

  Mir bleibt keine Zeit, die volle Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Er dreht mich sanft um und lehnt die Brust an meinen nackten Rücken. Das Intro zu »Partition« ertönt aus den Lautsprechern. Verwundert, dass er das Spiel mitspielt, ohne heftiger zu protestieren, stehe ich reglos da. Ich spüre, wie seine vertrauten Finger die zarte, empfindliche Haut meiner Handgelenke berühren und dann langsam an meinen Armen hinaufgleiten; sie hinterlassen eine Gänsehaut.

  Mein Körper bewegt sich automatisch in seiner Nähe – immer intensiver, während eine seiner Hände auf meiner Hüfte innehält und mein Becken zwingt, sich an ihn zu pressen.

  »Loan …«

  Ich will ihm sagen, dass es lächerlich ist, ich muss ihm sagen, dass es nicht nötig ist, aber mein Gehirn teilt meine Meinung nicht und zwingt mich zu schweigen. Loan ist offenbar ebenfalls anderer Ansicht.

  »Pst«, flüstern seine Lippen in mein Ohr.

  Ich schließe die Augen und überlasse mich der Bewegung. Bei dem Gedanken, ihn zu berühren, beben meine Wimpern im gleichen Rhythmus wie das Herz in meiner Brust galoppiert. Diese Arme, ich kenne sie so gut mit ihrer Wärme, die mich jedes Mal umgibt, wenn ich bei ihm schlafe … und doch scheint sich in diesem Moment alles zu verändern. Meine Sinne sind aufs Äußerste geschärft. Das hier ist alles andere als platonisch.

  Loans Finger berühren meinen Hals, schieben zärtlich störende Haare beiseite und legen sie auf meine andere Schulter. Ich versuche, mich auf meine Atmung zu konzentrieren, doch er macht alle Bemühungen zunichte, als ich spüre, wie sich sein brennender Mund sanft auf meinem Nacken legt.

  Zitternd ringe ich nach Luft. Ich weiß nicht genau, was in meinem Kopf vorgeht, aber wie ferngesteuert hebe ich die Arme und kreuze sie in seinem verschwitzten Nacken. Als er den Griff um meine Hüften strafft und langsam sein Becken bewegt, entsteht in meinem Unterleib ein sehnsüchtiger Schmerz. Es ist zu viel. Mehr als ich zu ertragen bereit bin. Unsere Körper folgen der Musik in dem Rhythmus, den der andere ihm aufzwingt, ohne die Außenwelt wahrzunehmen.

  I just wanna be the girl you like … the kind of girl you like, singt Beyoncé.

  Mir ist heiß, schrecklich heiß, aber ich will nicht, dass er sich von mir löst. Eine unerklärliche Alchemie entweicht unseren umschlungenen Körpern. Ich bin völlig außer mir. Ich weiß nicht mehr, was stimmt und was nicht. Seine Hände wandern gleichzeitig sanft und fest über jede meiner Kurven und ziehen mich immer dichter an ihn, obwohl ich ihm gar nicht noch näher kommen kann.

  Ich muss mich irgendwo festhalten, damit meine Knie nicht nachgeben, und greife in seinen Haaransatz. Ich bin den Bewegungen seines Beckens nicht mehr gewachsen. Auch wenn er mein bester Freund ist, ist Loan vor allem ein Mann. Ein Mann, der Testosteron atmet. Ein Mann, dessen Schritt sich an meinen Hintern drückt. Wie sollte man da nicht die Fa
ssung verlieren?

  »Glaubst du, das reicht?«, haucht er. Ich nicke, aber trotz meiner Antwort lässt Loan kein bisschen locker. Ohne die Augen zu öffnen, lasse ich die Arme sinken und drehe mich zu ihm um. Seine Hände sind überall.

  Mein

  Herz

  will

  explodieren.

  Meine Lider flattern, bis ich sie schließlich öffne. Unsere Nasen berühren sich. Seine Lippen streifen meine, ohne auf ihnen zu verharren, und ich spüre, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle habe. Leider – oder zum Glück, ich weiß es nicht – wählt Émilien genau diesen Moment, um Loan anzurempeln und die Blase, in der ich für ein paar Minuten geschwebt bin, zum Platzen zu bringen. Ich kehre plötzlich in die Realität zurück, aber meine Sinne sind noch immer verwirrt.

  »Das also hast du hinter meinem Rücken gemacht, während du behauptet hast, du wärst noch Jungfrau, du Schlampe?«, ruft mein Ex. Er mustert mich mit mörderischem Blick und deutet mit dem Finger auf Loan.

  Auch Loan scheint zu sich zu kommen, denn er schüttelt den Kopf und packt mich am Handgelenk, um mich hinter sich zu schieben. Trotz der Wut in seinem Gesicht bleibt er ruhig und geht auf Émilien zu.

  »Du solltest besser gehen. Und zwar sofort.«

  Jetzt bewundere ich ihn wirklich. Ich kenne ihn gut genug, um zu verstehen, dass dieser Satz eine Morddrohung ist. Trotzdem spricht er, ohne die Stimme zu erheben. Es ist zum Gänsehaut-Bekommen.

  »Ach ja? Und was willst du tun?«, fordert Émilien ihn mit einem bösen Grinsen heraus.

  Ich beobachte Loan, der ihn anstarrt, ohne zu blinzeln. Er ist ein gutes Stück größer als Émilien und ihm körperlich überlegen.

  »Ich weiß, was du vorhast. Aber ich gehe nicht auf dich los«, sagt Loan.

  Ich werfe einen Blick auf die Leute um uns herum. Einige verziehen sich lieber, als sie die bedrohliche Atmosphäre spüren. Ich zupfe meinen besten Freund am Ärmel, damit er aufgibt. Doch Émilien lacht und spuckt auf den Boden, ehe er sich umdreht und sagt: »Feigling«.

  Jetzt lässt Loan mein Handgelenk los, packt Émilien im Nacken und zieht ihn so heftig zu sich, dass er gegen seine Brust kracht. Ich bin nah genug dran um zu hören, wie er ihm etwas zuflüstert.

 

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