Never Too Close

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Never Too Close Page 18

by Moncomble, Morgane

»Okay. Ich bin wahrscheinlich schon auf der Feuerwache, wenn du zurückkommst, aber wir sehen uns heute Abend.«

  Jason hat darauf gedrängt, einen weiteren Abend in demselben Club wie letztes Mal zu verbringen.

  »Äh … Ich weiß noch nicht«, antwortet sie und wendet den Blick ab. »Nach der Uni gehe ich mit Clément Sushi essen. Ich sage euch noch Bescheid.«

  Ich runzle die Stirn. Violette öffnet mit einem Kopfhörerstöpsel in jedem Ohr die Wohnungstür.

  »Du hasst Sushi«, wende ich dümmlich ein.

  Sie setzt ein geheimnisvolles kleines Lächeln auf.

  »Nur ein Dummkopf ändert nie seine Meinung.«

  Mit diesen netten Worten geht sie in den Flur hinaus, schließt die Tür hinter sich und lässt mich mit meinen Gedanken allein. Ich weiß nicht, ob sie sich inzwischen wirklich für Sushi erwärmen kann oder ob sie sich dazu zwingt, um Clément zu gefallen, doch genau diese Vorstellung bringt mich innerlich zum Kochen. Ich schließe die Augen, stütze einen Moment lang das Gesicht in die Hände und versuche, meine Gedanken neu zu fokussieren.

  Ehe Violette oder Zoé zurückkommen, dusche ich hastig, ziehe mich an und mache mich auf den Weg zur Arbeit. Unterwegs habe ich einen dicken Kloß im Hals und beiße die Zähne zusammen. Ich hoffe nur, dass Violette alles gut wegsteckt. Ich jedenfalls war gestern sehr ehrlich. Würde ich irgendwie herausfinden, dass ich ihr erstes Mal ruiniert habe, würde ich mir die schlimmsten Vorwürfe machen.

  Kurz vor sieben erreiche ich die Feuerwache, gleichzeitig mit Ethan, der gerade sein Auto parkt.

  »Du siehst beschissen aus«, sagt er statt einer Begrüßung. »Miese Nacht gehabt?«

  Ich beobachte ihn von der Seite. Man könnte fast glauben, er hätte etwas erraten und würde sich über mich lustig machen. Aber nein, er schaut geradeaus und hat wegen der Kälte die Schultern hochgezogen. Plötzlich kommt mir Violettes schönes Gesicht in den Sinn. Wie sie unter mir lag. Es ist fast so, als könne ich ihre weiche Haut spüren und ihr Apfelshampoo riechen.

  »Nein. Du vielleicht?«

  »Kann man wohl sagen. Die Nachbarn haben ein Baby, das jede Stunde aufwacht. Da wäre mir fast schon Bereitschaftsdienst lieber.«

  »Rede es nicht herbei«, rate ich ihm, als wir die Wache betreten.

  Bereit für einen neuen Tag begrüßen wir ein paar Kollegen. Die frühe Uhrzeit stört uns nicht, wir sind es gewohnt. Als Feuerwehrmann muss man damit leben. Entweder stehen wir früh auf, oder wir schieben die ganze Nacht Dienst. In jedem Fall muss man lernen, jederzeit hellwach zu sein. Ich habe meine Sporttasche noch nicht abgestellt, als eine Lautsprecherdurchsage ertönt: »Versammlung in fünf Minuten«. Glücklicherweise trage ich bereits meine Arbeitskleidung. Wir machen uns auf den Weg zu Lieutenant Martinez. Wie jeden Tag werden die Aufgaben vergeben. Ich werde zur Disposition eingeteilt. Ethan macht sich über mich lustig, aber ich nehme es stoisch hin und seufze nur innerlich. Wenn es keinen Notfall gibt, wird der Tag nämlich stinklangweilig.

  Eine halbe Stunde später fahren wir für ein Fußballspiel mit den Autos zum Trainingsgelände. Während der nächsten zwei Stunden verfolge ich abgelenkt den Ball und schwitze ein bisschen vor mich hin. Mir gelingen ein paar gute Spielzüge, aber Ethan beobachtet mich und das nervt mich. Ich verhalte mich möglichst undurchschaubar. Violettes Gesicht ist auf meiner Netzhaut eingebrannt.

  »Alles in Ordnung?«, erkundigt sich mein Freund in der Umkleide.

  »Geht schon. Ich bin nur ein bisschen müde.«

  Ich trinke einen großen Schluck Wasser. In der Dusche muss ich automatisch an meinen Rücken denken. Ich kann kaum glauben, dass es Violette gelungen ist, mich zu überreden … Es war das erste Mal, dass ich Sex mit nacktem Oberkörper hatte, und es erschien mir sehr natürlich. Sogar befreiend. Ich würde es vermutlich nie zugeben, aber ich bin froh, dass Violette darauf bestanden hat.

  Ich verbringe den Tag damit, die simpelsten Aufgaben zu erledigen, und putze Mannschaftsräume und Küche, bis es Zeit für die Übung ist. Ein Brand. Jeder weiß, was er zu tun hat und befolgt die einschlägigen Vorschriften. Nach einer kurzen Nachbesprechung setzen Ethan und ich uns in den Fernsehraum. Mit unseren Pagern am Gürtel bleiben wir zwar immer wachsam, aber wir können uns entspannen. Ohne besonderes Interesse schauen wir uns ein Basketballspiel an, als mich das Bedürfnis überkommt, mich jemandem anzuvertrauen.

  »Komm schon«, seufzt Ethan leise. »Sag mir einfach, was dich bedrückt, schöner Freund.«

  »Hör auf.«

  »Ich mache keine Witze. Du hast den ganzen Tag irgendwie neben dir gestanden«, sagt er und verdreht die Augen. »Zwar bist du auch sonst nicht gerade eine Stimmungskanone, aber wenigstens schaust du nicht so grimmig. Spuck’s aus.«

  Ich verschränke die Arme und starre auf den Fernseher. Schließlich beiße ich die Zähne zusammen. Warum eigentlich nicht? Mit Ethan zu reden könnte guttun. Ich muss jemanden um Rat fragen, aber dieser Jemand sollte lieber nicht Jason sein. Ethan ist ein verantwortungsvoller und kluger Mensch. Er kann mir vielleicht helfen.

  Ich seufze, drehe mich zu ihm um und lege die Hände zwischen die Knie. Ethan tut dasselbe. Er ist bereit, mir zuzuhören. Nach einem tiefen Atemzug lasse ich meine Bombe platzen:

  »Ich habe mit Violette geschlafen.«

  Nicht, dass ich eine Explosion erwartet hätte, aber doch wenigstens eine erhobene Augenbraue. Stattdessen nickt Ethan nur und fixiert mich weiter. Ich glaube, er wartet auf mehr. Aber Details will ich nicht preisgeben. Der Kompromiss zwischen Violette und mir wird ein Geheimnis bleiben.

  »Und?«, drängt Ethan, als er erkennt, dass nichts weiter kommt.

  »Ich habe mit Violette geschlafen«, wiederhole ich. »Das ist doch schon Dummheit genug, findest du nicht?«

  Ethan runzelt die Stirn. Hat er dazu gar nichts zu sagen? Ich hätte gedacht, er würde mich aufziehen und mir vorhalten, wie viel Ärger mir das einbringen könnte, oder zumindest tadelnd die Lippen zusammenkneifen. Wie auch immer, ich hätte alles Mögliche erwartet, aber nicht sein Schweigen.

  »Ich verstehe nicht ganz«, sagt Ethan und schüttelt den Kopf.

  »Echt jetzt, Ethan! Ich brauche dir doch wohl keine Zeichnung zu machen …«

  »Das ist es doch nicht, was ich nicht verstehe, du Vollpfosten.«

  »Ich erzähle dir, dass ich mit Vio geschlafen habe, und du nimmst es einfach so hin?«

  Jetzt lacht Ethan laut auf, was mich überrascht. Wir ziehen einige Blicke auf uns. Ich hätte wirklich lieber den Mund halten sollen.

  »Aber das wissen wir doch längst!«, meint Ethan und wischt sich die Augen. »Also, jedenfalls Jason und ich.«

  »Warte mal, was war das?«, frage ich. »Das ist unmöglich. Wie meinst du das, ihr wisst es?«

  Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, und überlege fieberhaft, ob ich irgendwie versehentlich einen Hinweis auf meine Entscheidung gegeben habe. Aber ich glaube es nicht.

  »Also bitte. Es ist doch derart offensichtlich!«

  »Aber es ist erst letzte Nacht passiert! Du kannst es nicht schon wissen!«

  Ethan schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Plötzlich fühle ich mich, als hätte ich Mist gebaut. Ethan sieht mir lange in die Augen und öffnet schließlich den Mund. Dieses Mal lächelt er nicht.

  »Soll das heißen, dass es gestern Nacht … zum ersten Mal passiert ist?«

  »Ja klar«, antworte ich, als ob das völlig logisch wäre.

  Ethan kratzt sich am Hals und verzieht das Gesicht, allerdings keineswegs spöttisch.

  »Ach. Jason und ich waren überzeugt, dass ihr schon seit einiger Zeit miteinander schlaft.«

  Schockiert runzle ich die Stirn. Sie dachten also die ganze Zeit, dass Violette und ich Sex hätten, und haben sich nicht dazu geäußert – nicht einmal die winzigste Anspielung gemacht. Vor allem bei Jason wundert mich das. Aber in gewisser Weise bin ich doch nicht so überrascht. Ich schätze, es ist normal, dass sie davon ausgingen.

  »Wie kamt ihr dazu?«

 
Ich stelle diese Frage natürlich rein rhetorisch.

  »Ihr steht euch so nah, dass uns das Gegenteil eigentlich gar nicht in den Sinn kam«, antwortet Ethan.

  »Sie ist meine beste Freundin. Wir hätten es besser nicht …«

  Müde fahre ich mir mit der Hand durch die Haare. Ich erkenne in Ethans Augen, dass er es nicht hundertprozentig gutheißt, was für mich noch schlimmer ist. Obwohl ich seine Zustimmung nicht brauche, ist er ein ähnlicher Typ wie ich. Er hätte so etwas sicher nicht getan.

  »Reue nützt dir nichts«, rät er mir und klopft mir mit einer männlichen, aber tröstenden Geste auf die Schulter. »Sag dir, dass es erledigt ist, dass es schön war – hoffe ich zumindest – und dass ihr weiterleben könnt wie bisher. Nimm es dir nicht zu Herzen.«

  Aber wenn es nun nicht mehr so wäre wie früher?

  »Außerdem hat sie doch einen Freund, oder?«

  Ich wende den Blick ab und atme mit einem Kloß in der Kehle heftig aus. Violette hatte schon einmal einen Freund. Émilien. Und doch ist es das erste Mal, dass ich die Fäuste balle, wenn ich die beiden zusammen sehe. Vielleicht, weil es dieses Mal ernst ist. Vielleicht … weil ich dieses Mal spüre, dass sie ihn sehr gern hat. Viel zu gern.

  Verdammt nochmal. Ich habe Angst, dass er mir meinen Platz streitig macht.

  »Ja … Clément.«

  »Dann wird es sicher nicht mehr vorkommen.«

  Ja. Nur, dass ich es unbedingt wieder tun will. Meine Gedanken wandern zurück in Violettes Zimmer, wo ich sie im Dunkeln geküsst habe … ihre nackten, weichen Beine lagen um meine Taille … ich hielt ihre kleinen Brüste in meinen Händen …

  »Hoffentlich«, flüstere ich abwesend.

  Ethan schaut mich mit strengem Blick aufmerksam an.

  »Du denkst doch hoffentlich nicht daran, es noch mal zu tun, oder?«

  Ich würde gern Nein sagen, aber ich kann nicht. Ethan seufzt und blickt sich um. Mit stoischer Miene warte ich darauf, dass er mir Vorhaltungen macht.

  Mir ist egal, was er sagt, ich vertraue immer auf meinen Instinkt. Aber ich muss zugeben, dass Violette leider dazu neigt, mich völlig durcheinanderzubringen. Eine zweite Meinung wäre nicht schlecht.

  »Loan … Ich kenne dich. Du bist ein guter Kerl. Du verrennst dich nicht blind in irgendwelche Dinge, du denkst nach, und das bewundere ich an dir. Aber in diesem Fall«, fährt er fort und tippt mit dem Finger auf seinen Oberschenkel, »wissen wir beide, dass es eine blöde Idee wäre. Einmal – das kann passieren. Aber zweimal wäre ein Fehler.«

  Dabei wäre ich nur allzu gern bereit, jeden Tag solche Fehler zu machen …

  »Violette ist vergeben«, fährt er fort. »Und sie ist sichtlich glücklich. Sie unbewusst zu benutzen, weil du dich allein fühlst, ist gar nicht gut.«

  Er redet mit mir wie ein Psychiater mit einem Patienten. Ich murmle ein hastiges »Ja« und nicke, während ich mich wieder auf das Basketballspiel konzentriere. Vielleicht ist sein Gedanke ja gar nicht so abwegig. Benutze ich Violette und ihre Naivität, um mich sexuell zu befriedigen? Gott, ich hoffe nicht.

  »Du hast recht«, unterbreche ich ihn, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. »Es wird nicht wieder vorkommen.«

  Schließlich war das auch der Deal.

  Gegen acht Uhr abends mache ich nachdenklich Feierabend. Ethan hat recht, es ist nicht meine Art, mich blind in etwas zu verrennen. Ich neige eher dazu, alles zu kontrollieren, einfach weil es das ist, was ich schon immer kenne. Als ich klein war, bestand mein gesamter Alltag aus nichts anderem als Unvorhersehbarkeit und Überraschungen. Heute bin ich froh, einigermaßen vorhersagen zu können, was mit mir passieren wird, und genau aus diesem Grund macht Violette mir Angst. Sie ist nämlich das absolute Gegenteil.

  An einer roten Ampel hole ich mein Handy heraus und wähle die Nummer, vor der mir immer graut. Mein Herz rast, ohne dass ich sagen könnte, warum. Ich wollte schon mittags anrufen, aber ich fand keine Gelegenheit dazu, da ich nie allein war. Die Männerstimme, die ich erwartet habe, meldet sich nach viermaligem Klingeln:

  »Hallo.«

  »Ich bin’s.«

  »Ah. Warum rufst du so spät an?«

  Ich atme tief durch. Die Ampel springt auf Grün um. Diese Freundlichkeit! Welch angenehmes Vater-Sohn-Gespräch! Warum rufe ich wohl nicht häufiger an?

  »Es ging nicht früher. Schließlich arbeite ich.«

  »Wir wollten gerade essen. Geht es dir gut?«

  Ich bin überrascht, dass er danach fragt. Aber es freut mich auch. Ein bisschen zumindest.

  »So weit okay«, antworte ich lakonisch. »Und wie geht es … Mama?«

  Die Stille am anderen Ende der Leitung spricht für sich. Gereizt schließe ich kurz die Augen. Ich kenne die Antwort.

  »Nicht so gut. Es wird immer schwieriger, damit umzugehen.«

  Das ist deine eigene Schuld, du Idiot! Du solltest etwas unternehmen, anstatt einfach nur abzuwarten. Aber natürlich will er nichts davon hören, ganz egal was ich sage. Er »liebt sie zu sehr, um ihr so etwas anzutun«. Auch wenn ich ihm erkläre, dass ich sie auch liebe und genau deshalb will, dass er etwas unternimmt, versteht er es nicht. Zu Hause geht es ihr einfach nicht gut.

  »Ich wollte morgen vorbeikommen. Ich habe Nachtschicht.«

  »Ich glaube, das ist keine gute Idee. So wie sie heute Abend drauf ist, wird morgen vermutlich keiner ihrer guten Tage.«

  Es macht mir Angst. Seit einem Monat hat sie fast nie mehr gute Tage. Ich besuche sie immer seltener. Natürlich könnte ich trotzdem kurz vorbeischauen … aber ich schaffe es nicht. Diese schlechten Tage, von denen mein Vater spricht, habe ich als Kind viel zu oft erlebt.

  »Okay. Sag mir Bescheid, wenn sich etwas ändert.«

  »Mach ich. Bis dann, Loan.«

  Ich beiße die Zähne zusammen. So ist mein Vater. Er hat sich schon immer mehr um die Frau gekümmert, die er liebt, als eine Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen. Aber ich mache ihm keinen Vorwurf. Ich war nur ein Betriebsunfall, also … Logischerweise hat er nie Nähe zu mir aufgebaut. Unsere Beziehung ist weder warm noch kalt. Sie ist nicht unfreundlich, und das reicht.

  Meine Mutter war die Einzige, die mich bedingungslos geliebt hat. Was irgendwie ironisch ist, wenn man darüber nachdenkt.

  »Alles klar. Gib ihr einen Kuss von mir …«

  »Wird gemacht. Schönen Abend«, wünscht er mir, ehe er auflegt.

  Seufzend werfe ich mein Handy auf den Beifahrersitz. Ich habe mich immer gefragt, ob er mir vielleicht die Schuld daran gibt, dass sich der Zustand meiner Mutter so verschlechtert hat. Aber ich sollte lieber aufhören, seinen Befindlichkeiten Bedeutung beizumessen. Warum sollte es mir etwas ausmachen, dass er sich nicht um mich kümmert? Weiß er überhaupt, was aus mir geworden ist? Dass ich es nicht schaffe, mich öffentlich mit nacktem Oberkörper zu zeigen, dass ich keine Kinder haben will, dass ich Schwierigkeiten habe, Leuten in die Augen zu schauen und dass ich fast aus Überlebensinstinkt immer sehr leise spreche?

  Alles nur seinetwegen.

  Ich komme vor unserem Haus an und runzle die Stirn, als ich Zoé in einem figurbetonten schwarzen Kleid auf dem Bürgersteig stehen sehe. Mist, ich hatte ganz vergessen, dass wir heute weggehen. Als ob ich Grund zum Feiern hätte!

  »Scheiße, es ist arschkalt«, beschwert sich Zoé, als sie neben mir einsteigt.

  »Was machst du denn hier?«

  »Ich setze mich mit meinem Bilderbuch-Hintern auf den Beifahrersitz deines Autos und drehe jetzt dein Uralt-Radio auf …«

  »Hast du etwa auf mich gewartet?«

  »Bravo, Sherlock. Mein Auto hat den Geist aufgegeben.«

  »Wo ist Violette?«

  »Mit Clément unterwegs.«

  Wie benommen beiße ich die Zähne zusammen, lasse den Wagen wieder an und mache mich auf den Weg zum Club. Dieser Tag war in jeder Hinsicht beschissen … und er ist noch nicht vorbei.

  16

  Heute

  Violette

  Ich habe Bauchweh. E
rnsthaft. Schon den ganzen Tag habe ich Bauchweh. Vielleicht sollte ich nach Hause gehen und Zoé sagen, dass ich krank bin …

  Aber ich habe Angst davor, was Loan dann denkt. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht, geschweige denn sich schuldig fühlt. Ich kenne ihn zu gut! Er ist der Typ, der sich für etwas Vorwürfe macht, das er eigentlich nicht bereut – nur weil ich es vielleicht bereue. Schlimm ist nur, dass ich beim besten Willen nicht sagen kann, dass das der Fall ist. Und genau deshalb habe ich Bauchschmerzen.

  Was, wenn Loan mir mehr bedeutet, als mir bewusst war?

  Zoé: Wo bist du?! Jason klebt so an mir, dass ich Angst habe, er könnte mich versehentlich vergewaltigen.

  Ich: Bin unterwegs! Und wenn schon, dann versuch wenigstens, dabei Spaß zu haben.

  Zoé: Wow, ein Witz über Vergewaltigung … Zum Glück kann ich über so was lachen! :P

  Ich: Schwarzer Humor klappt am besten mit Sarkasmus und sexuellen Anspielungen.

  Ich habe mich von Clément verabschiedet, nachdem wir Sushi gegessen hatten – igitt, ich werde nie verstehen, wie man ein Vermögen für einen Löffel mit Seetang umwickeltem Reis ausgeben kann, der einen zum Kotzen bringt –, aber eigentlich hätte er mich auch fahren können.

  Allerdings weiß ich nicht, ob ich seine Gegenwart noch eine Minute länger ertragen hätte. Nach dem, was letzte Nacht vorgefallen ist, habe ich nicht die geringste Lust, ihm in die Augen zu sehen und romantisch zu sein. In den unpassendsten Momenten kommt mir Loans Gesicht in den Sinn, und ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte. Ich fühle mich so elend, dass ich fast geneigt bin, alles zu gestehen.

  Nach meiner Panikattacke heute Morgen im Bad habe ich beschlossen, dazu zu stehen. Ich bin nicht wie meine Mutter, das muss ich endlich in meinen Kopf bekommen. Allerdings weiß ich im Moment nicht wirklich, worin ich mich von ihr unterscheide.

  Ich inspiziere den Club, während ich mich an eiligen Leuten vorbeidränge, bis ich Loan entdecke. Er ist wie ein Magnet. Auch er sieht mich schon an. Ich bekomme eine Gänsehaut auf den Beinen, als ich mir ins Gedächtnis zurückrufe, wie sein Geschlecht sich in mir angefühlt hat … und dann bemerke ich fast automatisch Alexandras Hand auf seinem Knie. Mit Beklemmung in der Brust wende ich den Blick ab.

 

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