Never Too Close

Home > Other > Never Too Close > Page 19
Never Too Close Page 19

by Moncomble, Morgane


  »Vio«, ruft meine bereits angeheiterte beste Freundin, ehe sie mich in die Arme nimmt.

  Ich begrüße einen nach dem anderen mit Küsschen. Mein Herz klopft heftiger, als ich Loan gegenüberstehe, der mich geduldig unter seinen langen Wimpern hervor betrachtet. Guter Gott. Er ist zum Niederknien … Schwarze Jeans, schwarzer Pullover, Dreitagebart, sinnliche Lippen. Und die Militärmarke, die ich unter seiner Kleidung erahne. Ich hasse mich für meine Empfindungen.

  Ich nehme seinen berauschenden Duft wahr, als ich mich hinunterbeuge, um ihm Hallo zu sagen, und zittere, als seine Finger sanft nach meinen greifen, die sich wie gewohnt einfach um seine legen und ihre Wärme stibitzen. Ich weiß, was die Geste bedeuten soll: »Es ist nicht so, wie du denkst. Ich hoffe, du hattest einen guten Tag. Sag mir, dass zwischen uns alles in Ordnung ist.« Statt einer Antwort biete ich ihm ein kleines Lächeln an – etwas Besseres bringe ich im Moment nicht zustande –, setze meinen Weg fort und entschuldige mich für die Verspätung.

  »Ach was! Wenn deine Verspätung deinem Outfit geschuldet ist, habe ich echt nichts dagegen«, neckt Jason mich mit verführerischem Blick.

  Errötend schaue ich an mir hinunter. Ich trage Hosen, die bis zu den Fersen meiner High Heels reichen, und eine Korsage mit V-Ausschnitt.

  »Allerdings sieht das Teil nicht gerade praktisch zum Ausziehen aus. Du solltest es nicht zu eilig haben«, meint Zoé.

  Ich schlüpfe aus meinem Mantel und versuche, Loan nicht anzusehen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Alexandra alles daran setzt, auf seinem Schoß zu landen! Pff. Erbärmlich. Ich schnappe mir das Glas, das nur auf mich gewartet hat, und trinke so große Schlucke, dass Zoé anerkennend pfeift.

  »Oh, da hatte aber jemand einen schlechten Tag. Bei deinem Vergewaltigungswitz hätte ich schon was merken müssen.«

  Cléments Gesicht kommt mir plötzlich in den Sinn. Stimmt, dieser Tag war eine echte Katastrophe. Und doch ist das Einzige, was mir wirklich wichtig ist, meine Freundschaft mit Loan. Ich würde alles dafür geben, wenn es zwischen uns nicht mehr so komisch wäre wie heute Morgen. Ich wünsche mir, in seinen beruhigenden Armen zu liegen, während er mir das Haar streichelt und wir uns vor Outlander mit Schokolade vollstopfen. So wie immer.

  Ich hätte wissen müssen, dass sich alles ändern würde.

  »Trotzdem scheinst du eine wunderbare Nacht verbracht zu haben«, murmelt Zoé geheimnisvoll.

  Ich pruste in meinen Virgin Mojito – eine ziemlich ironische Getränkewahl angesichts der Situation. Was passiert hier gerade? Weiß sie …? Nein, das kann nicht sein. Niemand weiß davon. Zoé lacht und kommt näher, damit uns niemand hört.

  »Ich weiß es.«

  »Was soll das heißen, du weißt es?«

  »Du und Loan. Ihr habt Mama und Papa gespielt.«

  Mit offenem Mund starre ich sie an und bringe kein Wort heraus. Das hat mir an diesen chaotischen Tag gerade noch gefehlt. Gott will mich bestrafen, ganz sicher, und das ist nur gerecht!

  »Ich habe euch gestern gehört«, erzählt sie. Am liebsten würde ich im Boden versinken. »Ich habe zwar die Wohnung verlassen, aber mein Auto ist nicht angesprungen. Nach … sagen wir fünfzehn Minuten bin ich wieder hochgekommen. Ich wollte Loan bitten, mir seinen Wagen zu leihen. Aber im Wohnzimmer habe ich das Stöhnen aus deinem Zimmer gehört.«

  »Oh … mein Gott …«, hauche ich mit brennenden Wangen.

  Alles, nur nicht das! Abgesehen von meiner Untreue bin ich jetzt auch noch eine Exhibitionistin! So viel Glück habe wirklich nur ich. Ich würde gern zu Loan hinübersehen, aber ich spüre seinen auf mich gerichteten Blick und fürchte, er könnte jeden meiner Gedanken erraten, wenn ich dem Wunsch nachgäbe.

  »Du sagst es«, kichert Zoé. »Erst dachte ich, du und dein Süßer wären endlich zur Sache gekommen, doch dann fiel mir ein, dass er nicht da war und auch nicht innerhalb einer Viertelstunde hergekommen sein konnte, ohne dass ich ihm begegnet wäre.«

  Ich kneife die Augen zusammen und beiße mir auf die Lippen, zu beschämt, um auf den »Süßen« einzugehen. Bitte mach, dass das alles nur ein Traum ist, ich flehe dich an … Aber nein, es ist Wirklichkeit. Ich habe mit Loan geschlafen und Zoé weiß Bescheid. Schlimmer noch, sie hat uns gehört! Und der Himmel weiß, wie lange sie dabei Voyeurin war. Plötzlich kommt mir der Moment in den Sinn, als Loan meine Nippel geküsst hat, während ich vor Lust aufstöhnte. Ein Augenblick innigster Intimität, den meine beste Freundin mit uns geteilt hat.

  Sie, der es nichts ausmacht, bei meinem ersten Mal dabei gewesen zu sein, und die Schlampe, die Loan ständig ins Ohr schnurrt, geben mir den Rest. Und die Tatsache, dass ich mich aufrege, ärgert mich noch mehr, denn ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe.

  »Ich bin sofort wieder gegangen, Ehrenwort«, lacht Zoé, als sie meinen entsetzten Ausdruck sieht.

  »Noch nie im Leben habe ich mich so geschämt«, knurre ich sie an und kippe – ganz schön früh am Abend – den Rest meines Drinks hinunter.

  »Ach, komm schon! Jetzt, wo du den Sprung gewagt hast, können wir endlich darüber reden, ohne dass es peinlich wird.«

  Ich werfe ihr einen kühlen Blick zu, woraufhin sie mit Unschuldsmiene die Augenbrauen hebt.

  »Aber es IST peinlich.«

  »Kein bisschen!«, beruhigt sie mich und legt mir einen Arm um die Schultern. Ihr Atem riecht nach Alkohol. »Aber sag mir wenigstens, was passiert ist, unser Hübscher sieht nämlich aus, als würde er sich am liebsten in der nächsten Badewanne die Pulsadern aufschneiden. Seid ihr jetzt so was wie Fickfreunde? Und was ist mit Clément? Oh Gott«, schreit Zoé plötzlich, schlägt sich die Hand vor den Mund und erregt damit ein paar Sekunden lang Jasons Aufmerksamkeit. »Sag nicht, dass er bei euren Sexspielchen mitmacht? Du hast offenbar wirklich deinen Spaß …«

  Ungläubig stottere ich unverständliche Worte. Ihr Blick verliert sich ins Ungewisse. Als ich begreife, dass sie sich gerade den erwähnten flotten Dreier vorstellt, kneife ich ihr in den Arm, sodass sie schmerzlich aufstöhnt.

  »Gnade, Zoé! Natürlich nicht! Ich schlafe nicht mit beiden, schon gar nicht zur gleichen Zeit!«

  »Wie schade. Und weiter?«

  »Nichts weiter. Ich habe Loan bloß gebeten, mir diesen Gefallen zu tun«, flüstere ich ihr ins Ohr und überschlage die Beine. »In aller Freundschaft, wie du mir geraten hast.«

  Sie betrachtet mich einen Moment mit argwöhnischer Miene.

  »Ich hätte nicht geglaubt, dass du es machst. War es wenigstens gut?«

  Sie klingt wirklich ernst. Ich bin so überrascht, dass ich instinktiv nicke. Was für eine Frage.

  »Ja«, antworte ich und schaue zu Loan hinüber, der mich intensiv fixiert. »Ja, es war gut.«

  Ich erwidere kurz seinen Blick und frage mich, wann das Unbehagen vergeht. Zu wissen, dass ich die Einzige bin, die diesen göttergleich schönen Mann völlig nackt gesehen hat, ist schrecklich und erregend zugleich. Loan mag ruhig und diskret sein, aber es besteht kein Zweifel daran, dass er weiß, wie es geht.

  Zoé zappelt neben mir herum, aber ich habe nichts von dem gehört, was sie gesagt hat.

  »Was?«

  »Ich habe gesagt …«

  Aber wieder höre ich nicht hin. Alexandras Hand ist gerade erneut ein Stück an Loans Oberschenkel hinaufgerückt. Er spielt mit seinem Handy, und ich sehe, wie er sich verspannt. Sie beugt sich zu seinem Ohr, schiebt ihm ihre Brüste direkt vor die Nase und flüstert ihm etwas zu, das ich wegen der Entfernung nicht verstehen kann. Allerdings konzentriere ich mich so intensiv auf diese Nervensäge, dass ich ihr die Worte von den Lippen ablesen kann: »Wollen wir tanzen?«. Eine Welle völlig ungerechtfertigter Wut erfasst mich.

  Nein, er tanzt nicht. Natürlich nicht! Loan tanzt nie. Bevor ich auch nur weiß, was ich tue, stehe ich mit einem kalten Lächeln auf den Lippen und einer zärtlichen Hand in Loans Nacken vor ihnen. Er erbebt unter meinen Fingern, während er überrascht den Kopf hebt.

  »Monsieur tanzt nie«, antworte ich an seiner Stelle. »Außer mit der, die ihm don
nerstags seine Makkaroni macht. Dafür ist er seltsamerweise zu allem bereit.«

  Mit meinem Daumen zeichne ich Kreise auf seinen Hals, was ihn unfehlbar sofort entspannt. Er reagiert auf meine Worte mit einem dezenten Augenzwinkern. Mein verwüstetes Herz erglüht. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich mich davon erholt habe – genau die Zeit, die Alexandra braucht, um die Botschaft zu verstehen. Über Loans Schulter wirft sie mir einen vernichtenden Blick zu. Ich lächle freundlich.

  »Aber Monsieur besitzt eine Zunge, Vio. Ich denke, er kann selbst antworten.«

  Also eine Zunge, die hat er wirklich …, antwortet mein Gewissen mürrisch. Und du kennst sie nicht einmal ansatzweise, meine Große!

  Okay, ich habe kein Recht, mich in Loans Liebesleben einzumischen. Wenn Alexandra ihm gefällt und sie ihn anmacht, dürfte es mich kein bisschen kümmern. Aber ich weiß, dass er sie nicht leiden kann. Außerdem mag ich es nicht, dass er kaum vierundzwanzig Stunden, nachdem er mich entjungfert hat, mit einem anderen Mädchen flirtet. Ist das so falsch?

  Ich bin drauf und dran, meine Denkweise zu erklären, als Loan meine Hand aus seinem Nacken nimmt, sie freundlich drückt und auf sein Bein legt.

  »Entschuldige, Alexandra, aber Violette hat recht. Ich vermeide es, zu tanzen … Glaub mir«, fährt er pragmatisch fort und verzieht das Gesicht, »ich erspare dir eine unvermeidliche Blamage.«

  Ich kann dem nicht zustimmen. Ich finde, dass er im Gegenteil sehr genau weiß, was er auf einer Tanzfläche mit seinem Körper zu tun hat. Doch ich halte natürlich den Mund. Alexandra errötet bis zu den Haarwurzeln, lächelt aber verständnisvoll.

  »Okay, schade. Dann frage ich eben Jason.«

  Tu das. Ungerührt von ihrem bösen Blick trete ich ein Stück zur Seite, um sie vorbeizulassen, und setze mich auf ihren Platz. Mein Oberschenkel berührt den von Loan. Zoé beobachtet uns vergnügt aus einiger Entfernung. Ich werfe ihr einen abweisenden Blick zu, ehe ich mich auf Loans Hand in meiner konzentriere, die immer noch auf seinem Oberschenkel ruht. Er zeichnet kleine, zärtliche Kreise auf meinen Daumenballen.

  »Danke«, sagt er.

  Ich zucke mit einer Schulter, ohne ihm in die Augen zu sehen. Wir sind uns auch so schon nah genug.

  »Ich habe erkannt, dass du Hilfe brauchtest und mich für dich geopfert.«

  »Zu großzügig«, kommentiert er mit einem spöttischen Grinsen, ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen.

  Ich sehe ihm paar Sekunden dabei zu, ehe ich mich daran erinnere, dass es unangebracht ist. Das scheint er zu bemerken, denn sein Lächeln wird breiter und spöttischer.

  »Was willst du … So bin ich nun mal.«

  Dazu schweigt er. Unsere Hände sind wie zusammengeschweißt und lassen einander nicht los, aber unsere Blicke kreuzen sich nie.

  »Darf ich dich was fragen?«

  Loan blickt mich misstrauisch an.

  »Ich erinnere mich noch sehr gut, wohin es uns geführt hat, als du mich das letzte Mal etwas fragen wolltest.«

  Errötend verdrehe ich die Augen. Ja, daran erinnere ich mich auch.

  »Diesmal ist es nichts Unanständiges, versprochen.«

  »Schade.«

  »Halt die Klappe.«

  »Na gut.«

  Auch ich schweige ein paar Sekunden und bin froh, nach und nach unsere Komplizenschaft wiederzufinden.

  »Ist mit uns beiden noch alles okay?«

  Das hat er offenbar nicht erwartet.

  »Diese Frage musst du mir beantworten«, gibt er mit neutraler Miene zurück.

  Ich zögere, wende aber den Blick nicht ab. Wenn ich ihm gestehe, dass ich Probleme damit habe, muss ich ihm von meiner Mutter erzählen. Dazu bin ich noch nicht bereit.

  »Für mich ist alles in Ordnung«, erkläre ich mit Nachdruck.

  Er rührt sich zunächst nicht, aber schließlich nickt er sanft.

  »Dann ist für mich auch alles in Ordnung.«

  Ich lächle und lege den Kopf auf seine Schulter. Ich bin froh, dass wir uns Klarheit verschafft haben.

  Auch wenn wir beide lügen. Und das wissen wir genau.

  Ich bin überglücklich. Nach einigen Tagen, in denen mich Schuldgefühle geplagt haben, erhalte ich eine Nachricht von Clément, dass sein Vater tatsächlich jemanden bei Millesia kennt und es geschafft hat, mir ein Vorstellungsgespräch zu verschaffen. Als ich die gute Nachricht erhalte, laufe ich natürlich sofort ins Wohnzimmer und werfe mich Loan in die Arme, der gerade sein Krafttraining macht. Er fängt mich auf, und ich schlinge die Beine um seine Taille.

  »Muss ich mich über etwas freuen?«

  Als er auf dem Laufenden ist, umarmt er mich fester und gratuliert mir. Sein Gesicht strahlt vor Stolz.

  »Du wirst sie umhauen, Violette-Veilchenduft.«

  Ich verbringe einige Minuten damit, ihm zu erzählen, was ich bei dem Gespräch präsentieren will, als es an der Tür klingelt.

  Loan in seinen weiten Shorts und einem grauen, ärmellosen Sporthemd setzt seine Liegestütze fort, während ich öffne. Überrascht sehe ich Clément vor der Tür. Er hat einen Strauß Veilchen in der Hand und ein bezauberndes Lächeln auf seinem attraktiven Gesicht.

  »Hallo Süße.«

  »Clément! Was machst du hier?«, frage ich und nehme ihm die Blumen aus der Hand. »Sie sind wunderschön, danke.«

  Er kommt näher und zieht mich an sich, um mich zu küssen. Ich bitte ihn herein und mache mich auf die Suche nach einer Vase, die ich mit Wasser fülle. Hastig blicke ich zu Loan hinüber, der Clément keines Blickes würdigt. Er macht schwitzend weiter seine Liegestütze, aber ich erkenne sofort, dass er sich nicht mehr auf das konzentriert, was er tut.

  »Clément, sicher erinnerst du dich an Loan«, sage ich mit zugeschnürter Kehle.

  Es macht mich krank, die beiden im selben Raum zu sehen. Clément geht mit einem verkniffenen Lächeln auf Loan zu und streckt ihm die Hand entgegen. Mein bester Freund steht auf und wischt sich die Stirn mit einem Handtuch ab, ehe er sie mit unergründlicher Miene ergreift.

  »Hi.«

  »Hi.«

  Na toll. Ich stelle die Vase auf den Wohnzimmertisch und bin mir der männlichen Blicke hinter meinem Rücken sehr bewusst. Ich versuche Zeit zu gewinnen, aber es bringt nichts. Glücklicherweise kommt mir meine Freundin Mistinguette zu Hilfe. Sie hoppelt zu Loan und lässt sich von ihm hochnehmen. Er drückt ihr einen Kuss auf den Pelz, was mich zum Lächeln bringt.

  »Eigentlich mag ich keine Tiere, aber dieses Kaninchen ist ganz süß«, sagt Clément und versucht sie zu streicheln.

  Loan rührt sich nicht, im Gegensatz zu meinem Kaninchen. Es zappelt und versucht, meinen Freund in die Finger zu beißen. Verärgert zieht Clément seine Hand zurück. Ich sehe, wie Loan ein Lächeln andeutet, und räuspere mich.

  »Keine Sorge«, beruhige ich Clément. »Sie liebt nur Loan, da ist nichts zu machen.«

  »Das sehe ich.«

  Stille macht sich breit. Loan fährt fort, Mistinguette zu streicheln, die seine Zuwendung in vollen Zügen genießt. Plötzlich stelle ich fest, dass Clément mich beobachtet. Voller Angst sage ich das Erstbeste, was mir in den Sinn kommt, um fliehen zu können:

  »Also, wir gehen jetzt in mein Zimmer«, informiere ich Loan. »Das heißt nicht, dass wir uns langweilen oder dich allein lassen wollen, obwohl ich mir sicher bin, dass du jetzt lieber allein wärst, um zu trainieren! Wie auch immer, ich wollte nur sagen, dass wir dich in Ruhe lassen, um dich nicht zu nerven, und natürlich auch unseretwegen, um unseren Kram zu machen, also, wenn ich sage, unser Kram, dann meine ich natürlich Gespräche, nicht wahr, es war keine Metapher, die was anderes bedeutet, und mit ›was anderes‹ meine ich Dinge, die wir noch nie …«

  »Stopp, Violette.«

  Ich verstumme, hole tief Luft und schäme mich fast zu Tode. Ich habe es wieder getan. Die beiden Männer in meinem Leben schauen mich an, jeder mit einem anderen Ausdruck.

  »Macht, was ihr wollt, Violette-Veilchenduft. Ich halte niemanden zurück.«
<
br />   Ich nicke mit verschlossenen Lippen, wie ein Roboter. Clément verabschiedet sich von meinem besten Freund, doch dieser konzentriert sich nur auf mich. Ich wende mich ab, um nicht schwach zu werden, und folge meinem Freund in mein Zimmer.

  Mit unruhigem Blick lehne ich mich an die Tür, als mir bewusst wird, dass Clément mit mir spricht.

  »… verkorkst.«

  Ich hebe das Kinn und starre Clément an, als wäre es das erste Mal. Plötzlich finde ich es komisch, ihn auf demselben Bett sitzen zu sehen, auf dem ich mit Loan geschlafen habe.

  »Tut mir leid, ich habe gerade nicht zugehört. Was hast du gesagt?«, frage ich und lege mich hin.

  »Ich sagte, dass mir die Decke nicht besonders gefällt. Okay, er ist dein bester Freund, trotzdem ist es nicht gerade toll, oder?«

  Ich öffne die Augen und mein Blick fällt auf ein Foto von Loan und mir Rücken an Rücken. Fröhlich halten wir uns an den Händen. Ich muss unwillkürlich lächeln. Er ist so selten wirklich entspannt, dass es ansteckend ist, wenn er lacht.

  »Ich habe damit kein Problem.«

  »Ich schon.«

  Ich sehe Clément an, der sich rechts von mir ausstreckt und den Kopf auf den Ellbogen stützt. Er ist so süß … Verlegen schaue ich ihm in die Augen. Vielleicht hat er recht. Loans und meine Beziehung ist schön, wenn wir beide solo sind. Andernfalls wird sie toxisch. Ich stelle mir die Decke von Cléments Zimmer vor und füge dann massenhaft Bilder von ihm und einem anderen Mädchen hinzu. Stimmt, das gefällt mir auch nicht besonders.

  »Soll ich sie wegmachen?«

  Lust dazu habe ich nicht, sie wecken viele schöne Erinnerungen. Außerdem waren sie ein Geburtstagsgeschenk – wie sollte ich Loan erklären, dass ich sie nicht mehr will? Trotzdem biete ich es an. Weil ich es verstehe.

  »Du würdest mich hassen, wenn ich Ja sagen würde.«

  Ich verstehe seine Befürchtungen, schließlich sind sie berechtigt. Ich wechsle das Thema, damit er nicht tatsächlich darauf besteht.

  »Nächste Woche kommt mein Vater zu Besuch.«

  Dieses Mal schaue ich ihn an. Er sieht ein bisschen sauer aus, fügt aber nichts hinzu.

 

‹ Prev