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Never Too Close

Page 27

by Moncomble, Morgane


  Trotz allem erkenne ich aber auch, dass die Begegnung sie nicht gleichgültig lässt, denn sie zittert am ganzen Körper und weicht Violettes Blick aus. Sie will sich gerade umdrehen, als Violettes klare und beherrschte Stimme uns beide überrascht:

  »Eigentlich wollte ich dir sagen, dass ich dir nicht mehr böse bin.«

  Die Frau dreht sich langsam um. Sie sieht beschämt und … traurig aus.

  »Violette, bitte …«

  »Ich dachte, ich wäre dazu bereit.«

  Stille verschlingt uns, während sich die Welt um uns herum weiterdreht. Mutter und Tochter schauen sich an. Endlich wird mir klar, dass es wirklich eine schlechte Idee war und wahrscheinlich übel enden wird. Auf keinen Fall darf Violette erneut in dieses Entsetzen abtauchen. Ich will sie gerade mit mir fortziehen, als sie endlich den Kopf schüttelt.

  »Aber ich kann nicht. Ich kann es nicht, es ist stärker als ich. In Wirklichkeit …«, sinniert sie und runzelt die Stirn, »in Wirklichkeit hasse ich dich.«

  Ihre Mutter bleibt eine ganze Weile wie versteinert stehen, aber ich nehme an, dass der Satz sie getroffen hat. Violette hat meine Hand losgelassen – ein Zeichen, dass sie sich stark genug fühlt, um allein weiterzumachen. In diesem Augenblick bin ich richtig stolz auf sie.

  Endlich öffnet die Frau den Mund. Sie sieht müde aus.

  »Dir auch einen guten Tag, Violette. Ich habe gehört, dass du zum Studium nach Paris gekommen bist und bin stolz auf dich …«

  Lieber Himmel, macht sie das mit Absicht? Für den Bruchteil einer Sekunde verdüstert ein Schleier unendlicher Schuld ihr Gesicht. Es schmerzt mich zutiefst.

  »Ich finde es sehr traurig, dass du mich hasst. Das wollte ich nicht …«

  »So wirkst du aber ganz und gar nicht«, antwortet Violette mit einem Hauch Verbitterung.

  »Vielleicht verstehst du es, wenn du älter bist, mein Schatz. Jetzt magst du mich vielleicht hassen, aber du wirst bald erkennen, dass eine Frau manchmal nicht das Leben führt, das sie gerne leben würde. Das Leben, das ich mit dir und deinem Vater geführt habe, war nicht meins, verstehst du? Ich muss zugeben, dass ich vieles hätte anders machen sollen. Aber … es gibt keinen Weg zurück.«

  Ich bin sprachlos. Mag sein, dass sie unglücklich war. Aber ist das ein Grund, die eigene Tochter zu verlassen und sie dafür büßen zu lassen?

  »Ich bin sicher, dass dein Vater darüber hinweg ist, Violette. Und auch du wirst dich davon erholen, das verspreche ich dir.«

  »Nein«, schreit Violette so plötzlich, dass ihre Mutter zusammenfährt.

  Meine beste Freundin scheint unter Schock zu stehen. Mit halb geöffnetem Mund und unter Tränen, die ihr über die rosigen Wangen laufen, explodiert sie förmlich:

  »Nein, nein und nochmals nein! Scheiße! Du kannst mir doch nicht meine Kindheit ruinieren und mich im Stich lassen, um mir dann zu sagen, dass ich darüber hinwegkomme! Ich kann nicht darüber hinwegkommen. Eines Tages wird es vielleicht ein bisschen besser werden, aber das, was du mir angetan hast, bleibt für immer in meinem Herzen, verstehst du, Mama? Denn das warst du mal – du warst meine Mama und du hättest mir helfen müssen, erwachsen zu werden. Aber du hast mich auf egoistische Weise benutzt und mich dann weggeworfen, als ob ich nichts bedeute. Du kannst sagen, was du willst: dass du nicht glücklich warst, dass du Papa nicht geliebt hast, dass ich dich in Verlegenheit gebracht habe – es ist mir egal! Weil du vor allem eine Mutter warst. Du hattest tausend und eine Möglichkeit, deinem Alltag zu entfliehen, aber du hast die gemeinste davon gewählt.«

  »Violette …«, flüstere ich und greife nach ihrem Handgelenk.

  Diese Frau verdient nichts von dem, was Violette sich antut. Ich denke darüber nach, meine beste Freundin einfach hochzuheben und ins Auto zu verfrachten, während sie fortfährt:

  »Jedenfalls bin ich wirklich froh, dass ich heute gekommen bin und eine Antwort auf die Frage erhalten habe, die ich mir seit vier Jahren stelle. Ich dachte immer, es hätte daran gelegen, dass ich nicht so war, wie es sich gehört, ich dachte, es hätte einen Grund gegeben, einen wirklich triftigen Grund … Aber nein. Du bist einfach nur schrecklich egoistisch. Und unter diesen Umständen bin ich eigentlich doch froh, dass du abgehauen bist. Ich hoffe nur, dass du es eines Tages bitter bereust und dass dieses kleine Mädchen«, sie zeigt weinend auf Léna, »die Kindheit haben wird, die du mir nicht gegeben hast.«

  Ihre Stimme bricht in einem herzzerreißenden Schluchzen. Ich lege ihr einen Arm um die Taille und wische ihre Tränen mit meinen Daumen ab.

  »Komm, Liebes, lass uns gehen.«

  Ihre Mutter, deren Augen gegen ihren Willen in Tränen schwimmen, mustert mich, als sie diese Worte hört.

  »Hör auf deinen Freund, Violette … Du bist meine Tochter und ich liebe dich, aber mein Leben war woanders.«

  »Aber so behandelt man niemanden, den man liebt.«

  Ich kann nicht anders, als einzugreifen. Es ist zu viel. Wie kann diese Frau nur so platt auf alles reagieren, was ihre Tochter zu ihr gesagt hat! Violette wendet sich ab, um in die Sicherheit des Autos zurückzukehren. Dabei wirft sie einen letzten Blick auf Léna, die ein Stück entfernt friedlich spielt.

  Kaum sitzt Violette auf dem Beifahrersitz, als ich mich mit zusammengebissenen Zähnen erneut ihrer Mutter stelle.

  »Vermutlich hältst du mich für ein Monster«, sagt sie und verzieht das Gesicht. »Aber ich liebe Violette. Ich habe ihr das Haar gestreichelt, ehe sie einschlief, ich habe für sie gesungen …«

  »Sie hätten sie mehr lieben müssen.«

  Und ich bin noch nicht fertig. Ich trete einen Schritt auf sie zu und schaue ihr direkt in die Augen:

  »Sie verdienen nicht, was Gott Ihnen geschenkt hat. Und Sie sollten sich schämen, dass Sie Ihrer Tochter ein so schändliches Geheimnis aufgezwungen haben, als sie kaum sechs Jahre alt war. Ich hoffe, Sie sind glücklich mit Ihrer perfekten kleinen Familie, denn so leid es mir tut – das wird nicht lange anhalten. Gott ist sehr nachtragend. Ich vertraue darauf, dass er Sie irgendwann bitter dafür bestraft, dass Sie dieses schöne Mädchen, das dort im Auto auf mich wartet, so mies behandelt haben.«

  Ich bin wütend. Und »wütend« ist noch ein schwacher Ausdruck dafür, wie ich mich fühle. Es ist eher ein immenses und sehr starkes Gefühl großer Ungerechtigkeit, das in meinen Adern kocht. Ich kann nicht verstehen, warum jemand nicht alles Erdenkliche für ein Mädchen wie Violette getan hat, und dass sich Menschen wie diese Frau einfach nur ein schönes Leben machen. Aber sich selbst zu rächen ist sinnlos. Um so was kümmert sich Gott, und das immer sehr gut. Man muss nur Geduld haben.

  Ich wende ihr den Rücken zu und gehe zum Auto.

  »Du hast doch nicht die geringste Ahnung!«, ruft sie plötzlich und zwingt mich, stehen zu bleiben. »Du kennst mich nicht, junger Mann. Du bist doch selbst noch ein Kind und weißt nichts über das Leben.«

  Ich lächle ironisch und bin froh, dass ich offenbar einen Schwachpunkt gefunden habe.

  »Jedenfalls weiß ich, dass Violette eine bessere Mutter werden wird als Sie, mehr muss ich nicht wissen. Und wenn Sie nicht bereit sind, wiedergutzumachen, was Sie zerbrochen haben … Nun, darum kümmere ich mich.«

  Ich warte nicht auf ihre Antwort, sondern lasse sie mitten auf dem Gehweg stehen und kehre zu meinem Auto zurück. Meine Hände zittern, es kribbelt in meinen Adern und mir blutet das Herz. Schweigend setze ich mich hinters Lenkrad. Violette tastet nach meiner Hand. Sie beobachtet Léna. Einige Minuten vergehen.

  »Glaubst du, die Kleine wird glücklich?«, haucht Violette.

  »Ja, ich glaube schon … ich hoffe es.«

  »Ich auch.«

  Ich blicke dieses Mädchen an, das ich seit einem Jahr kenne, aber das meine Seele schon seit Jahrzehnten zu lieben scheint, dieses Mädchen, das ich von der ersten Minute an so akzeptiert habe, wie es ist. Immer noch rollen Tränen über ihr Gesicht, schöne Perlen, die ihr den Hals hinuntertropfen. Ich wische sie nicht ab. Ich lasse sie weinen, weil sie es braucht, weil sie schön ist, wenn sie we
int, aber vor allem, weil ich mich an diesen Moment erinnern will.

  An diesen Moment, als ich verstehe, dass ich sie niemals gehen lassen will.

  Dritter Teil

  Der Absturz

  24

  Heute

  Violette

  »Alles okay?«, erkundigt sich Loan schon zum zweiten Mal, seit wir wieder losgefahren sind.

  Ich zucke die Schultern. Nein. Ich würde ihm gern sagen, nein, es ist nicht okay. Aber ich fürchte, ich breche in Tränen aus, wenn ich das tue. Seit ich Loan alles über meine Mutter erzählt habe, ist mir die Idee, sie zu besuchen, nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Als er irgendwann den Mut fand, mir seine Mutter vorzustellen, dachte ich, warum nicht? Ich wollte geheilt werden – jetzt bin ich es.

  Es ist nicht nur falsch, mich an meine Mutter zu klammern, sondern Loan hatte auf der ganzen Linie recht. Ich bin mit Clément zusammen, weil ich ein Ideal suche. Ein Ideal, das nach diesem Wiedersehen in tausend Stücke zersplittert ist. Eigentlich wusste ich es schon, aber jetzt ist es mir wirklich klar. Clément ist nicht der Richtige für mich.

  Er weiß nicht mal, wer ich bin.

  Als ich nicht antworte, wendet Loan sich mir zu. Seine Gesichtszüge entgleisen, und ich begreife, dass ich weine.

  »Oh, Violette …«

  An einer roten Ampel bleibt er stehen und nimmt mich in die Arme, in die ich mich flüchte und hemmungslos schluchze.

  »Es macht mich wahnsinnig«, schluchze ich in seine Halsbeuge. »Nach allem, was ich heute gesehen und gehört habe, sollte sie mir nicht mehr wichtig sein. Und trotzdem bin ich ihr immer noch böse! Das ist doch Blödsinn. Und das Schlimmste ist, dass ich sie trotz meiner Abscheu immer noch irgendwie liebe. Aber ich will sie nicht lieben! Ich will nur … dass sie mir egal ist.«

  Ich rücke ein Stück zur Seite, um das Taschentuch zu nehmen, das er mir reicht, und putze mir die Nase. Seine Finger schieben mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Dann nimmt er mein Gesicht in seine großen Hände und küsst mich auf die Nase. Ich halte den Atem an und betrachte ihn durch den Tränenschleier, der meine Sicht trübt.

  »Du darfst ruhig wütend sein, das ist völlig legitim«, sagt er schließlich. »Du solltest dich nicht schuldig fühlen, dass du ihr wegen etwas böse bist, das sie dir als Kind angetan hat. Aber du solltest dich auch nicht schuldig fühlen, dass du sie immer noch liebst, schließlich ist sie deine Mutter. Immerhin hast du schöne Erinnerungen, und das bedeutet, sie war eine gute Mutter, bevor alles schiefging. Sie hat sich um dich gekümmert.«

  Ich höre aufmerksam zu. Es ist verrückt, aber er sagt mir genau das, was ich hören will. Loan hebt eine Schulter und nimmt meine Hand. Ich beruhige mich sofort.

  »Sie hat Fehler gemacht«, sagt er. »Große Fehler. Aber du solltest dir vor Augen halten, dass es sinnlos ist, sie zu hassen oder dich selbst zu verabscheuen, denn das würde dich nur innerlich zerfressen. Du musst nach vorne schauen – nicht vergessen, sondern weitermachen, ohne dich selbst zu quälen. Verstehst du?«

  Er lässt seine Worte sanft wirken, ehe er gefasst weiterspricht:

  »Weißt du, deine Familie kannst du dir nicht aussuchen. Deine Freunde schon. Und wir – Zoé, Jason, Ethan … und ich – wir sind deine Familie. Wir werden immer für dich da sein, Violette. Weil wir dich lieben.«

  Bei diesen Worten schlägt mein Herz schneller. »Weil wir dich lieben.« Es ist kein »Weil ich dich liebe«, aber es genügt mir, und ich nehme es gern an. Loan hat genau das ausgesprochen, was ich unbedingt hören wollte. Ich schenke ihm ein Lächeln, lege ihm die Arme um den Hals und drücke das Gesicht gegen seine Schulter. Seine Arme umschlingen mich fest und sein Parfüm kitzelt meine Nase.

  Dort, in seinen Armen, bin ich zu Hause.

  An meinem Platz.

  25

  Heute

  Loan

  An diesem Abend beschließe ich in der Hoffnung, dass Violette sich darüber freut, die ganze Bande zum Essen einzuladen.

  Als wir das Restaurant betreten, blicke ich sie kurz an. Unsere Finger sind noch immer miteinander verflochten. Verglichen mit meiner Körpertemperatur sind ihre Hände sehr kalt, als würden wir uns ergänzen. Man kann sehen, dass sie geweint hat, denn ihre Augen sind gerötet, aber ich habe die anderen schon vorgewarnt: Niemand hat Fragen zu stellen und alle sind fröhlich.

  »Hi Violan!«, ruft Zoé und ich werfe ihr einen finsteren Blick zu.

  Jason streitet sich mit einem rothaarigen Kellner. Wenn ich richtig verstanden habe, will mein Freund an den Tisch am Fenster, den der Mann ihm jedoch verweigert.

  »Wenn ich Ihnen doch sage, dass er reserviert ist!«, sagt der Kellner gereizt.

  Überrascht und verärgert runzelt Jason die Stirn.

  »Hey, immer mit der Ruhe, Ron Weasley.«

  »Wir nehmen, was Sie uns anbieten können«, mische ich mich ein.

  Jason knurrt etwas in seinen Bart, folgt aber wie alle anderen dem Kellner und setzt sich schließlich neben Zoé. Als er Violette und mich endlich anschaut, lautet sein erster Kommentar:

  »Mann, ihr guckt ja wie sieben Tage Regenwetter.«

  Mist, das macht er doch mit Absicht, dieser Idiot. Welches Wort in dem Satz: »Keiner redet über den heutigen Tag!« hat er nicht verstanden? Zoé wirft mir einen entmutigten Blick zu und kneift Jason in den Arm.

  »Was gibt’s Neues, Ethan?«, erkundige ich mich bei meinem Freund, um das Thema zu wechseln.

  Ethan versteht sofort und ergreift die Gelegenheit beim Schopf. Er spricht über seine Eltern, die er bald besuchen will, und erzählt, dass er sie aus Zeitmangel schon fast ein Jahr nicht gesehen hat.

  »Sie wohnen in Poitiers«, erklärt er, während Zoé und Violette ein kleines Zweiergespräch führen.

  Der Abend fängt gut an. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und freuen uns über einen Abend ohne Kopfzerbrechen. Violette entspannt sich immer mehr und bringt hier und da sogar ein Lächeln zustande. Es ist fast schon ein Sieg.

  Sie schwankt so lange zwischen Nudeln mit Trüffelöl und einer Ofenkartoffel, dass ich ihr vorschlage, ich könnte doch das eine und sie das andere Gericht bestellen und anschließend würden wir teilen. Als ich von der Speisekarte aufblicke, sehe ich, dass sie mich interessiert mustert. Ich hebe eine Augenbraue und frage, ob alles in Ordnung ist. Sie lächelt aufrichtig.

  »Schon. Mir ist nur gerade eingefallen, dass ich enttäuscht bin, dass ich deine Eltern nun doch nicht kennengelernt habe.«

  Nachdenklich verstumme ich für ein paar Sekunden. Sie hat recht. Ganz gleich, was mein Vater sagt und ob es ein guter Tag ist oder nicht, ich werde mit Violette meine Mutter besuchen. Ich war schon viel zu lange nicht mehr bei ihr und sollte mich wirklich schämen. Aber manchmal ist es zu schwierig.

  »Bald gehen wir hin«, flüstere ich.

  Wir zucken beide zusammen, als Jasons Stimme uns abrupt unterbricht:

  »Hört ihr jetzt endlich mal auf zu tuscheln? Man könnte wirklich meinen, ihr hättet jemanden umgebracht. Das geht jetzt schon so seit Wochen so. Ihr seid echt peinlich.«

  Mir bleibt keine Zeit, auf seinen Spott zu reagieren, als Zoé bereits herausplatzt:

  »Das machen sie, seit sie miteinander geschlafen haben.«

  Ich erstarre. Es ist, als würden wir alle gleichzeitig den Atem anhalten. Verdammte Kacke. Violette wird blass und reißt die Augen auf. Der ganze Tisch ist plötzlich verstummt. Alle Blicke sind auf uns gerichtet. Zoé presst die Lippen zusammen, weil ihr klar wird, dass sie einen Fehler gemacht hat.

  »Mist …«

  Niemand wagt etwas zu sagen. Als wäre eine Bombe explodiert. Schließlich bricht Ethan eher überrascht als unangenehm berührt das allgemeine Schweigen:

  »Du hast es gewusst?«

  Ich möchte im Erdboden versinken. Schockiert blickt Zoé zu Ethan. Ich wage keinen Mucks, um nicht unbeabsichtigt irgendwas loszutreten.

  »Ja! Du auch?«

  »Ja«, antwortet Ethan lässig, »ich habe es gleich am nächsten Morgen erfah
ren.«

  Verärgert öffnet Zoé den Mund, ehe sie sich an ihre beste Freundin wendet. Ich verfolge die Reaktion, die die Neuigkeit bei unseren Freunden hervorruft, und warte ängstlich auf den Moment, in dem alles auf mich zurückfällt.

  »Ihr habt es Ethan vor mir gesagt?!«

  Violette weiß nicht, was sie antworten soll. Dann schaut sie mich halb entnervt, halb benommen an.

  »Du hast es Ethan erzählt?«, meint sie vorwurfsvoll.

  »Und du Zoé!«

  »Nein, ich habe es Zoé nicht gesagt! Sie hat uns gehört. Das ist ein Unterschied.«

  »Was?!«

  Bestürzt und etwas verlegen muss ich die Nachricht erst mal verdauen, während sich Ethan zu meiner Rechten offenbar köstlich amüsiert. Eigentlich ist es zum Totlachen, fast wie eine verrückte Szene aus Friends. Nur für mich nicht, weil ich erfahren muss, dass unser erstes Mal nicht mehr ausschließlich uns gehört. Ich schaue Zoé an, die den Vorfall mit einer flapsigen Handbewegung beiseitewischt.

  »Keine Sorge, gesehen habe ich nichts.«

  Mein Blick wandert zurück zu Violette, die sich offensichtlich am liebsten ins nächste Mauseloch verkrümeln würde. Es ist ein Albtraum.

  »Sie hat uns gehört und du hast mir nichts gesagt?«

  Ethan prustet los. Meine beste Freundin, die sich zu Tode schämt, will mir gerade antworten, als Jason völlig verloren ausruft:

  »Und keiner hat daran gedacht, mich auch einzuweihen? Warum nicht?«

  Alle Köpfe wenden sich überrascht in seine Richtung. Mit beleidigtem Gesicht breitet er die Arme aus und scheint zutiefst verletzt darüber, dass wir ihn außen vor gelassen haben. Die Situation ist so urkomisch, dass wir alle loslachen – alle bis auf Jason, der uns vernichtende Blicke zuwirft.

  »Was soll das denn heißen? Seit wann übt ihr beide euch darin, Babys zu machen?«

  »Hör auf mit dem Quatsch. Ethan hat mir gesagt, dass ihr beide längst dachtet, dass wir miteinander schlafen.«

  »Echt jetzt …«, stöhnt Violette und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.

 

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