Never Too Close

Home > Other > Never Too Close > Page 28
Never Too Close Page 28

by Moncomble, Morgane


  Ich lache leise und reibe ihr liebevoll den Nacken.

  »Okay, Redebedarf«, beharrt Jason sichtlich gegen mich aufgebracht. »Warum hast du es diesem Weichei Ethan gesagt, aber nicht mir, deinem besten Kumpel?«

  »Fragst du das wirklich?«

  »Vielleicht, weil ich verschwiegener bin«, mischt Ethan sich ein.

  Violettes Gesicht ist immer noch nicht aus ihren Händen aufgetaucht, obwohl Jason Witze macht, um sie zu beruhigen, und ihr sagt, dass niemand sie verurteilt.

  »Ich meine es ernst, Vio, wir alle haben unsere Macken. Vor allem wir! Schau dir Zoé an: Sie war eine echte Schlampe, ehe sie sich in mich verliebt hat.«

  Statt einer Antwort gibt Zoé ihm eine schallende Ohrfeige. Bei dem Geräusch hebt Violette den Kopf. Ethan stößt einen bewundernden Pfiff aus, während mich Zoés Kühnheit verblüfft. Jason zuckt nicht einmal; er hat es offensichtlich kommen sehen. Ohne den Blick von Violette zu wenden grinst er schließlich:

  »Hast du das getan, weil ich gesagt habe, dass du eine Schlampe warst oder dass du in mich verliebt bist?«

  »Idiot.«

  »Das war doch nur ein Witz, meine Schöne«, entschuldigt er sich und legt einen Arm um ihre Schultern, aber sie schüttelt ihn ab.

  Zu seinem Glück ist Zoé nicht nachtragend. Sie weiß, dass Jason verrückt nach ihr ist, aber dass er eben einen sehr fragwürdigen Sinn für Humor hat. Weil sie so tut, als würde sie ihn ignorieren, fährt er fort:

  »Also, wie ich gerade sagte …«

  »Lass es lieber, ich glaube, das wäre besser«, rate ich ihm.

  Endlich wechselt Ethan das Thema, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Unsere Gerichte kommen, und während des Essens vergessen wir die ganze Geschichte. Als Zoé und Ethan noch einen Kaffee bestellen, winkt mir Jason, ihm nach draußen zu folgen.

  »Wir gehen nur schnell eine rauchen und sind gleich zurück«, sagt er zu den anderen.

  Ich stehe auf und folge ihm.

  »Dir ist hoffentlich klar, dass wir beide nicht rauchen und dass deine Entschuldigung ziemlich blöd ist?«

  »Ist doch egal.«

  Jason lehnt sich an die Wand und zieht wegen der Kälte die Schultern hoch. Dabei betrachtet er mich ohne ein Wort. Es ist fast beunruhigend. Als ich ihn frage, was los ist, lässt er sich viel Zeit, ehe er antwortet.

  »Ich kann einfach nicht glauben, dass du mit Violette geschlafen hast, obwohl sie mit Clément zusammen ist. Das ist überhaupt nicht deine Art.«

  Schon kapiert. Ich nicke und suche nach einer Antwort. Schließlich kommt er mir zuvor und fragt mich, ob wir ein Paar wären. Ich seufze. Die Antwort fällt mir schwer:

  »Sie ist mit Clément zusammen. Aber wie stehst du dazu? Glaubst du, es wäre eine gute Idee?«

  »Warum nicht? Du bist der ideale Typ für eine Beziehung. Unser Loan taugt nicht für One-Night-Stands, absolut nicht. Nein, Loan steht mehr auf Glücksbärchis und Rosenblätter auf dem Bett. Oh Mist …« Plötzlich scheint ihm etwas einzufallen. »Gnade – bitte sag mir, dass du für ihr erstes Mal keine Rosenblätter auf ihr Bett gestreut hast!«

  »Keine Sorge. Und hör auf, in der dritten Person von mir zu reden.«

  »Mit anderen Worten, du bist nicht bereit für eine Beziehung mit Violette. Ist es das?«

  »Ich bin für überhaupt keine Beziehung bereit.«

  »Aber das stimmt doch nicht.«

  »Wie meinst du das?«

  »Oh bitte! Du und Violette … Loan, wach endlich auf … Ihr sagt ›zu Hause‹, wenn ihr über die Wohnung redet, ihr schlaft in einem Bett, sie leiht sich deine Zahnbürste – was ich ehrlich gesagt ziemlich eklig finde – und du fährst sie zur Uni, bevor du zur Arbeit gehst. Ernsthaft, hat es bei dir wirklich noch nicht geklingelt? Ihr habt sogar ein Baby namens Mistinguette.«

  Wie versteinert höre ich ihm zu. Verdammt.

  »Euch hat nur noch der Sex gefehlt, um wirklich ein Paar zu werden. Das ist jetzt auch erledigt. Ihr seid ein Paar, herzlichen Glückwunsch!«, ruft Jason mit breitem Lächeln, ehe er so schnell wieder ernst wird, dass es mir Angst macht. »So, und jetzt lass uns über das Wesentliche reden: Ich gebe dir einen Zehner – okay, einen Zwanziger –, und du wirfst dafür Zoé aus der Wohnung. Sie kommt dann weinend zu mir, so nach dem Motto: ›Ich hasse diesen Loan und jetzt weiß ich nicht, wo ich schlafen soll‹, und dann PAFF! biete ich ihr Unterschlupf und wir machen eine Menge …«

  »Bitte, halt die Klappe.«

  »… Blaubeer-Muffins!«, beendet er kopfschüttelnd seinen Satz und blickt zutiefst schockiert. »Mann, du bist ja echt besessen. Sie liebt Blaubeer-Muffins, du Spinner. Hör endlich auf, ständig an Sex zu denken. Du hast ja nichts anderes mehr im Kopf, es ist wie verhext …«

  Ich achte schon längst nicht mehr auf das, was er sagt, denn in meinem Kopf kreist nur noch ein Gedanke: Was, wenn er recht hat?

  26

  Heute

  Violette

  Heute ist der Tag, an dem ich mit Clément Schluss mache.

  Nicht etwa aus einer Laune heraus, sondern weil ich gründlich darüber nachgedacht habe. Schon als wir uns das erste Mal trafen wusste ich, dass ich Gefühle für Loan hegte, und doch habe ich ihnen nicht nachgegeben. Weil ich Angst hatte.

  Aber das ist jetzt vorbei. Ich will mit ihm zusammen sein, nur mit ihm.

  Und eines ist ganz sicher: Die Sushi mit den unaussprechlichen Namen werde ich nicht vermissen.

  Heute ist Samstag. Ich hatte Clément angerufen, um ein Treffen auszumachen. Er sagte, er wäre bei Freunden, aber ich ließ nicht locker und deshalb stehe ich jetzt nervös vor der Tür einer Pariser Wohnung. Natürlich kam es nicht infrage, am Telefon Schluss zu machen, ich bin schließlich kein Arsch – hast du gehört, Joe Jonas?!

  Ich klingle. Die Blondine vom letzten Mal öffnet mir mit einem Gesichtsausdruck, den sie vermutlich für herablassend hält.

  »Clément ist im Wohnzimmer«, sagt sie statt einer Begrüßung.

  Ich folge ihr in besagtes Wohnzimmer und entdecke ein Grüppchen von fünf Leuten, die rauchen und Karten spielen. Die meisten reagieren nicht, als ich hereinkomme.

  Was für eine Bombenstimmung. Schön, euch wiederzusehen …

  »Vio!«, begrüßt Clément mich mit einem breiten Lächeln. »Wie geht’s dir, Süße?«

  Er küsst mich auf den Mund. Ich lächle geduldig und frage, ob wir vielleicht woanders reden können. Er nickt und verkündet den anderen, dass wir ein bisschen Privatsphäre brauchen. Hm. Das klingt etwas nach einer offiziellen Ankündigung.

  Clément nimmt meine Hand und zieht mich einen hell erleuchteten Flur entlang. Schließlich öffnet er eine Tür. Wir stehen in einem Mädchenzimmer. Das Bett ist nicht gemacht. Ich räuspere mich und habe ein mieses Gefühl. Meine Vorahnung erweist sich als berechtigt, als Clément seine Lippen auf meinen Mund drückt und meine Hüften an sich zieht. Überrascht bleibe ich einen Moment in seinen Armen. Bis er mich aufs Bett legen will.

  »Clément!«

  Er weicht ein Stück zurück und küsst mich sanft, um sich zu entschuldigen. Ein spöttisches Lächeln liegt auf seinem Gesicht.

  »Ich muss … ich muss mit dir reden.«

  »Ich habe dich eine ganze Woche nicht gesehen und du hast mir gefehlt. Können wir nicht später reden?«

  Ich muss mich zurückhalten, um ihn nicht darauf hinzuweisen, dass er mich zwar eine Woche nicht gesehen hat, ich jedoch diejenige war, die um ein Treffen gebeten hat. Aber das ist jetzt ohnehin egal. Ich schiebe ihn sanft beiseite und setze mich auf die Matratze.

  »Nein, es muss es jetzt sein.«

  »Okay«, seufzt er und setzt sich mit ernstem Gesicht neben mich. »Ich höre.«

  Jetzt ist es so weit, Violette. Du bist in keinem Film und es klingelt auch kein Telefon, um dich zu unterbrechen. Klar, denn diese Verräter klingeln natürlich nur, wenn es gerade am schönsten ist! Sonst ist es schließlich nicht lustig.

  Ich atme tief durch und wage den Sprung ins kalte Wasser:


  »Clément, du bist wirklich ein toller Mensch. Du siehst gut aus, bist süß, freundlich und klug, und ich sage das nicht nur so, sondern ich schwöre, ich meine es ernst. Ich lüge nie, frag Loan! Kurz und gut, du bist all das und noch viel mehr, und ich habe es wirklich genossen, Zeit mit dir zu verbringen – außer vielleicht, wenn wir Sushi gegessen haben, da muss ich zugeben, dass ich manchmal am liebsten gekotzt hätte –, aber die Sache ist die, dass du und ich nicht füreinander bestimmt sind. Also …«, fahre ich fort, ohne zu wissen, wie ich enden soll. »Tja, es ist vorbei. Die Sache mit uns beiden. Also das mit dir und mir, meine ich. Es tut mir leid.«

  Himmel, das ist ein Bereich, in dem ich mich nicht gerade auskenne.

  Clément sitzt mir stumm und wie betäubt gegenüber. Er scheint die Bedeutung meiner Worte nicht zu verstehen … Seine Sprachlosigkeit geht mir nahe. Der Ärmste. Und ich habe ihn mit Loan betrogen! Das hat er nicht verdient.

  »Warte … Ist das dein Ernst?«

  Ich öffne den Mund, um zu antworten, aber es kommt nichts heraus. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Clément klingt schroff und überheblich. Diesen Ton kenne ich nicht aus seinem Mund, schon gar nicht mir gegenüber. Etwas verunsichert über seine veränderte Haltung fange ich an zu stammeln:

  »Nun … ich … also ja. Es tut mir leid. Alles.«

  Ich mache einen Schmollmund, was ihn nicht im Geringsten zu erweichen scheint, sondern ihm offenbar im Gegenteil bewusst macht, was hier gerade geschieht. Er fährt sich mit der Hand durch die Haare und steht mit einem kalten Lachen auf.

  »Scheiße, ich träume wohl. Willst du mich echt abservieren?«

  »Clément …«

  »Ja oder nein? Ich warne dich, Violette: Wenn du gehst, brauchst du nicht zurückkommen.«

  Verwirrt hebe ich eine Augenbraue. Für wen hält der Kerl sich? Ich bin so schockiert, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll. Wenn ich dich verlasse, dann bestimmt nicht, um zurückzukommen, du Idiot! Ich räuspere mich und wiederhole mit fester Stimme und wild entschlossen, es hinter mich zu bringen:

  »Es tut mir wirklich leid, dass es so gekommen ist … Ich mag dich sehr, aber ich bin nicht in dich verliebt.«

  »Du hast mir von Anfang an etwas vorgemacht«, meint er mit einem gezwungenen Lachen.

  »Absolut nicht!«

  »Oh doch«, beharrt er und schüttelt angewidert den Kopf. »Du hast zwar geflirtet, aber du hast dich immer geziert, wenn es ernst wurde. Scheiße, ich mochte dich wirklich! Und jetzt beendest du es einfach? Ja, ja, erst heiß machen, aber dann kneifen.«

  Ich bin wie versteinert und spüre Wut über diese Ungerechtigkeit in mir aufsteigen. Und irgendwie schäme ich mich auch. Denn so was hat auch Émilien zu mir gesagt, als er mit mir Schluss gemacht hat: Erst heiß machen, aber dann kneifen.

  »Ich verbiete dir, so mit mir zu reden. Ich dachte, wir wären erwachsen und du würdest wie ein Erwachsener reagieren! Du bist doch nur sauer, weil ich nicht mit dir schlafen wollte … Das ist lächerlich, Clément. Und offen gesagt ziemlich erbärmlich.«

  Ich greife nach der Klinke und will gehen, da packt er mich am Handgelenk und zwingt mich, ihn anzusehen.

  »Glaubst du allen Ernstes, ich hätte auf dich gewartet?«

  Er lacht freudlos auf. Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert … Er hat also die ganze Zeit andere Mädchen gevögelt. Ich sehe ihn lange an und verstehe, dass ich einen Typen wie ihn nicht verdient habe. Okay, ich habe ihn auch betrogen. Aber ich bin verliebt. Ich denke, das macht einen Unterschied. Und zwar einen großen.

  »Weißt du was, Clément? Belassen wir es dabei. Ich denke, es ist richtig, dass wir uns trennen.«

  Erneut packt er mich am Arm und zieht mich an sich. Er tut mir weh.

  »Bitte warte! Vio, es tut mir leid …«

  »Lass mich los, Clément.«

  »Nein, unser Gespräch ist noch nicht beendet. Sag mir wenigstens, warum du Schluss machst«, verlangt er misstrauisch. »Den wahren Grund.«

  »Warum? Habe ich etwa dein übergroßes Ego verletzt?«, spotte ich und versuche mich zu befreien.

  Ich weiß, dass er mir nichts tun würde, ein solches Arschloch ist er nicht. Trotzdem.

  »Mein Ego? Ja logisch, verdammt! Immerhin wirfst du mich weg wie ein Stück Scheiße!«

  Er versucht, mich zu schütteln, damit ich aufhöre, mich zu wehren, und fleht mich an, ihm zuzuhören, aber ich habe das Gefühl zu ersticken. Ich muss hier raus, und zwar schnell.

  »Lass mich los oder ich schreie!«

  »Du hast mich tatsächlich die ganze Zeit verarscht und die Unschuld vom Lande gespielt …«, murmelt er kopfschüttelnd. »Und ich habe dich respektiert.«

  Ich spüre die Vorboten einer Panikattacke, und das macht mir Angst. Ich bin ganz allein mit einem Mann, der mich für eine Schlampe hält. In meiner Verzweiflung tue ich das Erste, was mir in den Sinn kommt – und das Einzige, was ich laut meinem Vater nie vergessen darf.

  Ich versetze ihm einen Tritt zwischen die Beine. Clément stöhnt vor Schmerz auf, sinkt zu Boden und lässt mich endlich los. Mit geschlossenen Augen hält er sich die Kronjuwelen.

  »Scheiße, meine Eier …«

  Ich finde mein Gleichgewicht wieder und atme langsam aus, um mich zu beruhigen. Atmen, atmen, atmen. Während ich meiner inneren Stimme gehorche, schaue ich angewidert auf Clément hinunter. Wie habe ich mich nur so täuschen können?

  »Was glaubst du, wer du bist?«, jammert Clément. »Du hast keine Ahnung, was du verpasst, das kannst du mir glauben.«

  Mit erhobenen Augenbrauen bleibe ich an der Tür stehen. Ernsthaft? Ich drehe mich um und beobachte ihn, den kleinen verletzlichen Clément, der sich mit schmerzverzerrter Grimasse den Schritt hält.

  »Soll ich dir mal was sagen, Clément?«

  Er wartet mit gequältem Blick. Ich spreche in einem neutralen und völlig ruhigen Ton.

  »Erinnerst du dich an Loan?«

  Mein Exfreund runzelt die Stirn und versteht nicht, worauf ich hinauswill. Ich lächle und halte meine beiden Zeigefinger in einem nicht zu verachtenden Abstand auseinander. Plötzlich begreift er, auf welche Art von Länge ich mich beziehe, denn seine Augen weiten sich vor Überraschung. Stolz auf meinen Einfall rühre ich mich nicht.

  Das Schlimmste ist, dass ich nicht mal übertreibe.

  »Dreckige Nutte!«, schreit er. »Ich wusste es!«

  »Du solltest mit ein paar Eiswürfeln kühlen«, rate ich ihm, ehe ich die Tür öffne und ihn allein lasse.

  Ich gehe den Flur entlang, durch den wir gekommen sind, und durchquere das Wohnzimmer.

  »Hallo Leute«, sage ich zu dem Grüppchen, das mich erstaunt anblickt. »Clément braucht jemanden, der ihm mit seinem Penis hilft. Er jammert, und ich glaube, sein Vorhautbändchen ist gerissen, weil er es besonders gut machen wollte.«

  Auf allen Gesichtern zeichnet sich Bestürzung ab, und das lässt mich diesen kleinen Sieg genießen. Ich verdrehe sarkastisch die Augen und zucke die Schultern.

  »Ich weiß, das ist übel.«

  Ohne auf eine Antwort zu warten, verlasse ich die Wohnung. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich eile die Treppe hinunter, öffne die Haustür und atme tief die frische Luft ein. Draußen kann ich nicht länger an mich halten und fange an zu flennen. Ich weiß, ich sollte Freudensprünge machen, aber sobald die Anspannung von mir abfällt, kommt alles wieder hoch.

  Ich wische mir die Tränen weg und versuche, mich zu beruhigen. Ich fühle mich frei und ruhig, als ob ich wüsste, dass von nun an alles gut gehen wird. Ich möchte es mit Loan versuchen. Unsere Freundschaft wird dabei natürlich auf eine harte Probe gestellt, aber ist es nicht immer so im Leben? Ich will das Risiko eingehen, wenigstens dieses eine Mal. Ich würde mir nie verzeihen, es nicht zumindest versucht zu haben.

  Auf dem Heimweg beginnt mein Telefon wie ein Wink des Schicksals zu vibrieren. Es ist Loan. Ein dämliches Lächeln huscht über mein Gesicht … ein Lächeln, das sofort schwindet, als ich seine Nachricht lese.

>   Loan: Ich habe gerade mit Lucie zu Mittag gegessen. Ich glaube, wir müssen reden.

  Er weiß es.

  27

  Heute

  Loan

  Also damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Alles war in bester Ordnung. Die Situation mit Violette hatte sich wieder eingerenkt, und bevor sie heute Morgen ging, hat sie mich sogar mit einem warmen Lächeln auf ihren schönen Lippen umarmt.

  Ich fahre also zur Arbeit und fühle mich glücklich und entspannt. Bis zu dem Moment in der Umkleide, als mein Telefon klingelt. Ich gehe dran, ohne zu schauen, wer anruft.

  »Hallo?«

  »Hallo Loan … Hier ist Lucie. Schon wieder.«

  Ich runzle die Stirn. Natürlich ist es Lucie. Ich habe ihre Stimme schon beim ersten Wort erkannt. Und natürlich freue ich mich, von ihr zu hören. Das wird wohl immer so sein. Aber zwei Anrufe in weniger als einer Woche sind eher ein Wunder.

  »Hi. Wie geht es dir seit neulich?«

  »Ganz gut«, sagt sie und räuspert sich. »Arbeitest du heute?«

  »Ja, ich bin schon auf der Wache. Wolltest du etwas Bestimmtes?«, hake ich nach und binde mir dabei die Schuhe.

  Sie schweigt lange, ehe sie endlich zögernd antwortet:

  »Eigentlich wollte ich vorschlagen, dass wir uns heute zum Mittagessen treffen.«

  Verblüfft halte ich inne. Zusammen essen? Sie redet sieben Monate nicht mit mir, und auf einmal fällt ihr ein, dass sie mit mir zu Mittag essen möchte? Das nehme ich ihr übel. Weil ich nämlich den Eindruck nicht loswerde, dass sie mich für dumm verkauft. Aber vor allem: weil ich keine Lust mehr darauf habe.

  »Zusammen essen? Aus welchem Anlass?«

  Ich spüre, dass meine Frage sie verwirrt. Offenbar hat sie so etwas nicht erwartet.

  »Ich … Ich meine, ich weiß nicht. Ich möchte dich sehen.«

  »Ich wollte dich sieben Monate lang sehen. Also …«

  Ich beiße mir auf die Lippen und bedaure bereits, dass ich es ausgesprochen habe. Lucie schweigt ins Telefon. Ich habe sie verletzt und mache mir Vorwürfe. Normalerweise ist es nicht mein Stil, die Schwächen anderer Leute auszunutzen.

 

‹ Prev