Never Too Close

Home > Other > Never Too Close > Page 29
Never Too Close Page 29

by Moncomble, Morgane


  »Ich verstehe nicht, warum du sauer auf mich bist, Loan«, seufzt sie. »Das wollte ich nicht.«

  »Wie bitte?«

  Das ist jetzt wirklich die Höhe. Trotzdem denke ich, dass es nicht die schlechteste Idee wäre, sie zu treffen. Ich will der Sache endlich auf den Grund gehen, will verstehen, warum es so gekommen ist und der ganzen Angelegenheit ein Ende setzen.

  »Okay, gehen wir essen. Wir treffen uns beim Chinesen.«

  »Dem, wo wir früher immer waren?«

  »Ja.«

  »Einverstanden. Ich bin froh, dass du dazu bereit bist«, sagt sie. »Wir brauchen das.«

  Ich nicke und lege auf. Nach all der Zeit sehen wir uns also wieder. Sieben Monate lang habe ich wegen dieser unvollendeten Geschichte ständig an sie denken müssen, und jetzt kommt sie einfach zurück, als wäre nichts geschehen. Ich muss mit ihr reden, ich will den Grund dafür wissen.

  Vielleicht, um das Kapitel endlich abschließen zu können.

  Ich hoffe es.

  Lucie hat sich nicht verändert. Ich bleibe noch ein paar Sekunden im Auto sitzen, um sie zu beobachten. Sie fixiert ihren Handybildschirm, während sie auf mich wartet. Sie ist sehr schön. Eine klassische dunkelhaarige Schönheit, die man lieben muss – eine dieser zeitlos schönen Frauen wie Natalie Portman.

  Ihr schwarzes Haar liegt glatt auf ihren schmalen Schultern, sie trägt eine weiße Bluse unter einem Dufflecoat und Jeans, die ihren Kurven schmeicheln. Diese Kurven, die ich so lange gekannt habe. Ich höre auf, mich mit der Erinnerung zu quälen, steige aus und gehe zu ihr. Als sie mich sieht, röten sich ihre Wangen.

  »Hey.«

  »Hallo Loan«, sagte sie und beugt sich vor, um mir einen Begrüßungskuss auf die Wange zu hauchen.

  Etwas überrascht lasse ich es zu und küsse sie dann ebenfalls auf beide Wangen. Sie benutzt noch immer das gleiche Parfüm, einen Hauch von Eau des Merveilles. Tatsächlich gibt es nichts Eigenartigeres, als eine Frau, mit der man vier Jahre lang zusammen war, mit Wangenküsschen zu begrüßen. Ich stecke die Hände in die Jackentaschen und gehe ihr voraus. Der Kellner weist uns einen Tisch am Erkerfenster an, was Lucie zum Lachen bringt. Es ist unser Lieblingstisch, oder zumindest war er es.

  »Ich freue mich, mit dir hier zu sein … nach all der Zeit«, flüstert sie lächelnd.

  Auf dem Tisch legt sie ihre Hand auf meine. Ich ziehe sie sanft zurück, was sie zu verletzen scheint. Das hält mich jedoch nicht davon ab, interessiert zu fragen:

  »Woher dieser Sinneswandel?«

  Lucies Lächeln schwindet und sie weicht meinem Blick aus. Auch sie scheint nervös zu sein.

  »Du bist ziemlich direkt.«

  »Ist das nicht besser so??«

  »Finde ich nicht. Es ist kein Sinneswandel«, antwortet sie ohne zu blinzeln. »Du fehlst mir. Du fehlst mir schon lange, aber ich habe mich nicht getraut, dich anzurufen. Außerdem muss ich zugeben, dass ich sauer auf dich war.«

  Ich runzle die Stirn, während sich mein Magen verkrampft. Sauer auf mich? Das hört sich ziemlich merkwürdig an von einer Frau, die mir das Herz gebrochen hat. Bereits mit siebzehn war Lucie extrem eifersüchtig. Als ich aber anfing, mich ab und zu mit Violette zu treffen, wurde es die reinste Hölle. Damals habe ich es nicht verstanden, heute jedoch weiß ich, dass sie durchaus Grund hatte, misstrauisch zu sein. Aber obwohl Violette mich anzog, wäre ich Lucie nie untreu geworden.

  Eines Abends, als ich wie so oft meine beste Freundin von ESMOD abholte und nach Hause brachte, flippte Lucie völlig aus. Sie beschuldigte mich, sie zu betrügen, was ich vehement verneinte. Ich schwor ihr, dass ich sie liebte, sie und keine andere, was sie mir schließlich auch glaubte … bis sie den Küchenschrank öffnete und die fehlenden Mehlpäckchen bemerkte.

  Als ich ihr sagte, dass ich sie Violette gegeben hatte, rastete sie vollends aus. Sie weinte, schrie, und dann war sie plötzlich von einem Tag auf den anderen verschwunden. Ohne ein Wort, ohne Lebenszeichen.

  »Könntest du mir bitte genauer erklären, warum du sauer auf mich warst? Ich habe es dir damals gesagt, und ich sage es dir gern noch einmal: Zwischen Violette und mir war nie etwas vorgefallen.«

  Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das mein Herz mit einer süßen Liebkosung umhüllt. Genau wie damals. Gerade will sie mir antworten, als der Kellner unser Essen bringt. Nachdem er wieder fort ist, schweigen wir uns an, während ich meine Lachsspieße probiere. Lucie verzehrt einige Bissen ihrer chinesischen Nudeln, ehe sie mit ernster Miene ihre Gabel hinlegt.

  »Ich glaube dir, Loan. Du bist nicht der Typ, der lügt und betrügt, und das hätte ich wissen müssen. Aber … ich hatte diese ständige Angst. Überall habe ich ›Violette‹ gesehen, es war stärker als ich. Ich glaube, ich hatte Angst, du würdest mich ihretwegen verlassen. Also bin ich gegangen, bevor du mir das Herz brechen konntest.«

  Ich nicke, denn ich verstehe ihre Beweggründe. Heute weiß ich, dass meine Beziehung zu Violette keineswegs platonisch ist. Ich mache Lucie keinen Vorwurf mehr, obwohl ich mir wünsche, sie hätte damals einen sauberen Schnitt gemacht. Ich versuche ihr das zu erklären und hoffe auf eine plausible Entschuldigung ihrerseits:

  »Mag sein. Ich verstehe dich, auch wenn du kein einziges Mal angerufen hast, damit wir uns aussprechen konnten. Ich finde, das ist kein sehr erwachsenes Verhalten …«

  Nach und nach schwindet ihr Lächeln. Sie schaut mir tief in die Augen und behauptet dann, dass ich ungerecht bin.

  »Ungerecht?«, wiederhole ich lachend. »Du bist doch diejenige, die mich verlassen hat, Lucie, erinnerst du dich?«

  Ich bin sprachlos. Mit welchem Recht macht sie mir solche Vorwürfe? Meine Argumente scheinen sie nicht zu erreichen, sie antwortet im Gegenteil ganz ruhig:

  »Ja, aber dann habe ich es bereut. Erinnerst du dich?«

  »Nein, tut mir leid, da klingelt nichts.«

  Kopfschüttelnd lehne ich mich auf dem Stuhl zurück. Wie oft wollte ich ihr schon ihre Feigheit vorwerfen! Endlich habe ich Gelegenheit dazu, aber leider scheint sie ihr Verhalten nicht zu bereuen. Schlimmer noch, ich habe das seltsame Gefühl, dass sie mich für alles verantwortlich macht.

  »Also ich erinnere mich daran. Ich habe mich zwei Wochen bei meiner Tante vergraben, Trübsal geblasen und meinen Entschluss bedauert. Schließlich habe ich dich angerufen. Du warst bei Violette.«

  Etwas verloren runzle ich die Stirn. Aber mir bleibt keine Zeit, sie um eine Erklärung zu bitten, denn sie fährt bereits fort:

  »Ich weiß es noch ganz genau, denn es war St. Patrick’s Day. Mir war klar geworden, dass ich einen Fehler gemacht hatte, und ich habe dich angerufen, um mich zu entschuldigen …«

  »Du hast mich bestimmt nicht angerufen«, widerspreche ich ihr absolut sicher.

  »Doch.«

  »Nein, bestimmt nicht.«

  Wenn sie angerufen hätte, wüsste ich es. Mit Sicherheit hätte ich mich auf das Telefon gestürzt und sie angefleht, wieder nach Hause zu kommen. Und das ist ganz gewiss nicht passiert.

  »Ich habe dich angerufen, Loan.«

  Ich betrachte Lucie und kehre in die Realität zurück. Ganz gleich, wie oft ich die Wochen nach unserer Trennung noch einmal Revue passieren lasse, ich erinnere mich nicht, einen Anruf von Lucie verpasst zu haben. Denn sonst wäre alles anders gekommen. Plötzlich scheint meine Exfreundin die Quelle des Missverständnisses ausfindig gemacht zu haben. Sie lacht freudlos.

  »Ich glaube, ich hab’s begriffen. Wir brauchen nicht länger zu überlegen.«

  »Nämlich?«

  »Violette«, faucht sie. »Mit ihr habe ich telefoniert. Ich habe ihr gesagt, dass ich mit dir reden und mich entschuldigen will. Aber sie hat behauptet … du wolltest mich nicht mehr sehen. Dass ich dich schon unglücklich genug gemacht hätte. Dass ich meine Entscheidung schließlich getroffen hätte und dass es zu spät wäre, wieder mit dir zusammen zu kommen.«

  Mein erster Impuls ist zu sagen, dass sie lügt. Denn das tut sie, oder? Ich meine – das kann einfach nicht wahr sein. V
iolette hätte so etwas nie getan. Das würde sie mir nicht antun. Nicht mir.

  Ich fühle mich wie gelähmt, weiß nicht, was ich denken soll. Ich kann, ich will es nicht glauben.

  »Daraus schloss ich, dass ich recht gehabt hatte … und dass du inzwischen mit ihr zusammen warst.«

  Ich höre ihr nicht mehr zu. Ich denke an Violette, an ihre schönen, haselnussbraunen Augen und an ihre Hände, die meinen Körper streicheln, wenn wir uns lieben. Lucie lügt, ich weiß es, ich kenne meine beste Freundin. Würde das, was Lucie behauptet, stimmen, hieße das, dass die gesamten sieben Monate, in denen ich mich für diese Trennung verantwortlich gemacht habe … völlig bedeutungslos waren. In Wirklichkeit wollte Lucie mich von Anfang an zurück und hat mich nur deshalb nicht angerufen, weil sie dachte, ich hätte mich Violette zugewandt.

  Scheiße.

  »Loan?«

  Fassungslos blicke ich Lucie an. Nicht nur, dass sie mich wegen Violette sitzen lassen hat, sondern Violette ist es auch zu verdanken, dass ich monatelang auf ihre Rückkehr gewartet habe. Und die ganze Zeit hat sie nichts gesagt. Nichts. Ich hätte nicht übel Lust, etwas gegen die Wand zu schleudern. Das Wort »Verrat« trifft mich brutal mitten ins Herz.

  »Du hast von diesem Anruf nie erfahren, oder?«

  Das stimmt.

  »Nein.«

  »Verstehe.«

  Sie hebt eine Augenbraue, steckt ihre Gabel in die Nudeln und lässt ihr Schweigen für sich sprechen. Ich muss kein Hellseher sein, um zu wissen, was sie denkt, und das ärgert mich mehr als alles andere.

  »Was wirst du tun?«, fragt sie mich.

  Unter ihren überraschten Blicken ziehe ich meine Jacke an und lege einen Fünfzig-Euro-Schein auf den Tisch, ehe ich aufstehe.

  »Nichts.«

  Ich habe keine Lust, ihr mehr sagen; erstens geht es sie nichts an, und zweitens weiß ich es selbst nicht. Sie runzelt die Stirn und greift als letzten Ausweg nach meinem Handgelenk. Ich bleibe stehen und schaue sie an.

  »Und was ist mit uns?«

  »Wir wissen doch, warum es zwischen uns nicht geklappt hat.«

  »Aber das alles war doch nur ein großes Missverständnis!«, wehrt sie ab. »Wir könnten uns eine zweite Chance geben. Ich habe mich verändert, Loan.«

  »Hör zu«, seufze ich, »ich muss ein wenig über all das hier nachdenken.«

  Sie nickt, lässt meine Hand los, lächelt und sagt schüchtern:

  »Ich liebe dich, Loan. Ich habe dich immer geliebt.«

  Es sind die Worte, von denen ich geträumt, die ich mir so gewünscht und auf die ich monatelang hingelebt habe. Als ich sie höre, erbebt mein Herz. Ich nicke stumm, küsse sie auf die Wange und verlasse das Restaurant. Ich gehe zu meinem Auto und will zurück zur Feuerwache fahren. Ehe ich jedoch den Motor starte, atme ich tief durch und schicke eine Nachricht an Violette:

  Ich: Ich habe gerade mit Lucie zu Mittag gegessen. Ich glaube, wir müssen reden.

  28

  Heute

  Violette

  Nachdem ich darüber nachgedacht habe, den Rest der Woche bei Jason zu verbringen und Loan vorzumachen, dass ich meinen Vater besuche, ergebe ich mich doch in mein Schicksal. Ich muss mich der Sache stellen. Es kann einfach nicht so katastrophal sein, wie ich denke. Schließlich sind wir erwachsene Menschen.

  Nach dieser weisen Entscheidung verbringe ich den Nachmittag damit, mich vor dem schicksalhaften Moment zu fürchten, wenn Loan heimkommt. Ich antworte nicht auf seine Nachricht, denn ich schätze, dazu gibt es nicht viel zu sagen. Sie ist klar genug. Ich habe verstanden. Ich weiß zwar nicht, warum und wieso er mit Lucie zu Mittag gegessen hat, aber es ist auf jeden Fall etwas, womit ich hätte rechnen müssen.

  Gegen sieben kommt Zoé endlich nach Hause. Sie erschrickt, als ich verängstigt auf sie zustürze.

  »Zoé!«

  »Was ist los?«, erkundigt sie sich besorgt. »Ist jemand gestorben?«

  »Noch nicht, aber ich räume mir keine große Chance mehr ein. Loan hat mir heute Mittag eine schreckliche Nachricht geschickt. ›Wir müssen reden‹, hat er geschrieben. Jeder weiß, was das bedeutet, besonders bei Paaren, und auch wenn wir kein Paar sind – schau nicht so, wir haben nur miteinander geschlafen! –, sagt es so gut wie alles. Du kannst dir sicher vorstellen, wie es mir schon den ganzen Nachmittag geht. Gut, dass du endlich da bist, er kommt bestimmt gleich, und ich weiß immer noch nicht, wie ich da lebend rauskomme; er hat geschrieben, dass er mit Lucie mittagessen war, und ich fürchte, sie hat ihm was über mich erzählt, irgendwas richtig, richtig Blödes. Verstehst du?«

  Ich bekomme fast Herzrasen und hole Luft. Zoé schaut mich mit erhobenen Augenbrauen an. Erst Sekunden später sagt sie:

  »Ich habe absolut nichts verstanden.«

  Ich stöhne auf und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich habe Angst, denn ich weiß, wie einschüchternd Loan sein kann. Er und ich haben uns noch nie gestritten. Wirklich noch nie. Die einzigen Spannungen, die es jemals zwischen uns gab, waren die in den letzten Wochen.

  »Loan hat mir eine Nachricht geschickt«, fasse ich ruhiger zusammen. »Er hat mit Lucie gegessen und will jetzt mit mir reden.«

  »Oh Scheiße«, reagiert Zoé endlich.

  »Genau.«

  Wir mustern uns stumm und komplizenhaft. Zoé weiß ebenso gut wie ich, was das bedeutet. Nur sie weiß, was ich getan habe. Um ehrlich zu sein war es Zoés Idee, denn so was ist eigentlich nicht mein Stil. Sie war diejenige, die das Gespräch angenommen hat. Sie war diejenige, die mir das Telefon weitergereicht und mir gesagt hat, dass Lucie dran wäre und dass ich dafür sorgen sollte, dass sie endgültig verschwindet. Und der Himmel möge mir verzeihen – ich habe nicht lange gezögert.

  In meine Erinnerungen versunken überhöre ich fast den Schlüssel im Schloss. Mir bleibt das Herz stehen. Zoé schaut zur Tür und zwinkert mir aufmunternd zu. Mit der Tasche über der Schulter erscheint Loan. Er sieht schlecht gelaunt aus.

  »Hey du«, säuselt Zoé fröhlich.

  Ich ahne, dass sie die Begeisterung nur vortäuscht, um Spannung abzubauen. Leider lässt Loan seine Sporttasche auf den Boden fallen, ohne die Wohnungstür zu schließen. Er hat mich noch keines Blickes gewürdigt, als er zu meiner besten Freundin sagt:

  »Zoé, könntest du uns heute Abend allein lassen? Danke.«

  Ich schlucke. Zoé sucht in meinem Blick nach Zustimmung. Ich schätze, sie wäre bereit, ihren Teil der Verantwortung an dieser Geschichte zu übernehmen. Ich nicke flüchtig. Es ist sinnlos. Ich hätte mich nie einmischen dürfen.

  »Okay … Ruf mich an.«

  Sie steht auf, gibt mir einen Kuss und rafft ihre Sachen zusammen, ehe sie die Tür hinter sich zuzieht. Ich stehe stocksteif und fast geduckt neben der Couch. Loan greift zur Fernbedienung, schaltet den Fernseher aus und taucht uns in absolute Stille. Plötzlich habe ich keine Lust mehr zu lachen. Auch nicht, irgendetwas zu relativieren. Ich erkenne an seinem verschlossenen Gesicht, dass es ernst ist. Dass er wütend auf mich ist. Um Himmels willen, das bin ich nicht gewohnt.

  »Hallo«, sage ich sehr leise.

  Endlich blickt er mich an. Ich zittere am ganzen Körper, als ich das wütende Funkeln in seinen Augen erkenne. Das Schlimmste ist, dass er dabei so unglaublich sexy aussieht. Sein Haar ist zerzauster als sonst, sein kantiger Kiefer wirkt angespannt und seine nachtblauen Augen sind so dunkel wie Gewitterwolken. Das verheißt nichts Gutes.

  »Hallo.«

  Er zieht seine Jacke nicht aus. Er steht vor mir, starrt mich verständnislos an und scheint sich zu fragen, wie er an das Thema herangehen und womit er anfangen soll. Ich beschließe, den ersten Schritt zu machen. Mir geht es in jedem Fall an den Kragen, also …

  »Wie war dein Mittagessen?«

  Nur das Ticken der großen Wohnzimmeruhr antwortet mir. Noch nie im Leben habe ich mich so unbehaglich gefühlt. Endlich beschließt Loan zu antworten.

  »Mies.«

  Ich warte darauf, dass er ins Detail geht. Doch stattdessen sagt er:


  »Darf ich dir eine Frage stellen?«

  »Was du willst«, hauche ich sofort.

  Zumindest das schulde ich ihm. Loan schluckt mit bebendem Adamsapfel. Ich kann nicht sagen, ob ich es mir nur einbilde oder ob sich seine Wut wirklich steigert.

  Seine Frage klingt wie Donner inmitten eines grauen Himmels:

  »Hast du Lucie vor sieben Monaten gesagt, dass ich sie nicht mehr sehen will?«

  Es ist so weit. Ich wusste, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde. Manchmal hatte ich es zwischendurch vergessen und fühlte mich weniger schuldig. Jetzt ist alles aus. Loan weiß es und Lucie weiß es. Bestimmt hasst er mich. Wie soll ich ihm erklären, dass es stimmt? Und dass ich wirklich gelogen habe. Lieber soll mich auf der Stelle der Blitz treffen, als dass ich zusehen muss, wie das bisherige blinde Vertrauen in seinen Augen zerbricht.

  Leider ist mein zu langes Schweigen Antwort genug. Loan schließt die Augen mit einer schmerzlichen Grimasse, die mir schier das Herz abdrückt. Mit zitternder Stimme antworte ich hastig:

  »Bitte, lass es mich erklären.«

  »Scheiße …«

  »Es ist komplizierter, als es sich anhört.«

  »Sei still«, unterbricht er mich kalt.

  Er öffnet die Augen. Sein Gesicht ist hart und anschuldigend. Ich fühle mich wie verurteilt und kann fast den Rauch unserer Freundschaft sehen, der düster und bedrohlich seine Miene erfüllt.

  Alles kommt irgendwann raus. Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es ihm gleich sagen sollen.

  »Und ich habe Lucie für eine Lügnerin gehalten …«

  Er wirft den Kopf zurück, greift sich in die Haare und läuft zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her. Ich sehe ihm mit halb geöffnetem Mund dabei zu, ohne zu wissen, was ich tun oder sagen soll. Plötzlich holt er aus und fegt den Mixer von der Küchenzeile. Das Gerät kracht ein paar Meter von mir entfernt auf den Boden. Ich zucke zusammen, als ich höre, wie es in mehrere Teile zersplittert.

  »Wie konntest du das nur tun?«, schreit er wütender denn je.

 

‹ Prev