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Never Too Close

Page 37

by Moncomble, Morgane


  Ich merke erst, dass ich weine, als seine Lippen eine Träne auffangen. Ich fühle mich einer Ohnmacht nahe bei diesen Worten, die zu hören ich mir tagelang – ach, was sage ich? – monatelang erträumt habe.

  Auch seine Hände zögern. Ich versuche, meine Atmung zu kontrollieren, während sie langsam an meinem Körper entlang nach unten wandern. Ich erinnere mich, wie weich und besitzergreifend sie sind … wie genau sie wissen, wo und wie sie mich berühren können … und es ist so schwer, still zu bleiben! Ich halte meine Augen auf sein T-Shirt gerichtet, während ich mir seines durchdringenden Blickes bewusst bin. Meine Brust hebt sich im hektischen Tempo meines Herzens, das nicht mehr lang durchhalten wird, und streift seine Brust. Die Spannung ist auf ihrem Höhepunkt. Ich habe ihn vermisst, und das wird mir jetzt quälend klar.

  Verdammt, es ist Loan.

  Seine Hände setzen ihren Weg fort und halten an der Naht meines Tanktops, während seine Lippen mein Kinn liebkosen.

  »Ich will nicht mehr dein bester Freund sein. Auch ich will mehr. Auch ich will alles.«

  Die Schmetterlinge in meinem Bauch kommen wieder zum Vorschein, aber ich verjage sie sofort. Ich höre, was er zu mir sagt; er ist nicht mehr in Lucie verliebt und ich bin nicht mehr bei Clément. Nichts hält uns mehr davon ab, zusammen zu sein. Das war es, was ich vor drei Tagen wollte und auch immer noch will. Aber …

  »Also, Violette-Veilchenduft«, flüstert er an meinen halb geöffneten Lippen. »Was sagst du dazu? Du, ich und Mistinguette … nur wir drei.«

  Ich schlucke, mein Körper brennt. Ich spüre buchstäblich, wie mein Herz unter meiner Haut brutzelt, an all den sensiblen Stellen meines Körpers und ganz besonders dort. Ich möchte ihm sagen, dass ich bereit bin, nach Paris zurückzukehren, dass ich bereit bin, alles zu tun, was er will, aber ich habe Angst, dass er sich zurückzieht, wenn ich zu schnell nachgebe. Ich will ihn dort, lange, immer, und nirgendwo sonst.

  Es ist meine verräterische Zunge, die sich spaltet und an meiner Stelle reagiert:

  »Es wäre ein Traum. Aber … nach allem, was wir gerade durchgemacht haben, fühle ich mich wie abgehetzt. Ich weiß nicht, ob ich mich sofort darauf einlassen möchte. Zwischen Ethan, der nicht mehr da ist, und meinem ins Schwanken geratenen Traum glaube ich, dass ich mich erst wieder selbst finden muss.«

  Ein langes Schweigen antwortet mir. Ich höre nur den Rhythmus seines Atems.

  »Ich verstehe«, seufzt er endlich und seine Nase streichelt meine Wange. »Ich will dir keinen Druck machen. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin, wie ich es immer war. Und dass ich mich nicht für Lucie entschieden habe. Ich brauchte keine Entscheidung zu treffen.«

  Seine Finger verlassen die Wärme meiner Hände. Er zieht sich zurück und gibt mir damit die Fähigkeit zum vernünftigen Nachdenken wieder. Er macht einen Schritt rückwärts und fährt sich mit der Hand durch das Haar. Ich ahne, dass es ihm schwerfällt, sich von mir fernzuhalten, und ich verstehe ihn. Und zwar nur zu gut.

  »Wenn du eine Weile allein sein willst, respektiere ich deine Entscheidung.«

  Zum ersten Mal, seit er mein Zimmer betreten hat, wendet Loan den Blick ab. Ich erröte. Wenn ich gewusst hätte, dass er kommt, hätte ich nicht in meinem Teenagerzimmer auf ihn gewartet. Ich sehe, wie er leicht lächelt, als er alte Fotos von mir entdeckt.

  »Ich habe einen schlimmen Reinfall erlebt, Loan. Ich habe monatelang gearbeitet, aber meine Chance wurde mir absichtlich versaut.«

  Sein Gesicht wird weicher, sein Kopf neigt sich zur Seite. Er hat Mitleid. Ich seufze, während ich erneut die Ereignisse Revue passieren lasse. Wieder erlebe ich die tiefe Scham und die Lächerlichkeit, der ich preisgegeben war.

  »Es war dein erstes Hindernis«, sagt Loan mit warmer Stimme. »Du wirst noch andere überwinden müssen. Das Wichtigste ist nicht der Sturz, sondern dass du wieder aufstehst. Millesia hat dich nicht genommen, na und? Du wirst etwas anderes finden. Ein Arschloch wie Clément wird dich doch nicht etwa davon abhalten, Designerin zu werden, oder?«

  Ich blinzle, überrascht, mit wie viel Abscheu er den Namen meines Exfreundes ausspuckt. Mit Sicherheit kennt er die Geschichte. Und ich muss zugeben, dass er sehr sexy wirkt, wenn er wütend ist. Natürlich hatte ich bereits Gelegenheit, das zu bemerken – an dem Tag, an dem er mir vorwarf, mich in seine Angelegenheiten einzumischen. Vielleicht sollte ich es anders ausdrücken: Er ist ganz besonders sexy, wenn sich sein Ärger nicht gegen mich richtet.

  »Komm zurück nach Paris«, fleht er mich an. »Das ist alles, worum ich dich bitte.«

  Ich nicke schweigend. Er lächelt mich ein letztes Mal an. Als er aber hinausgehen will, kann ich nicht anders, als ihn zu fragen:

  »Bist du dir ganz sicher, Loan? Was uns betrifft, meine ich.«

  Er betrachtet mich ein paar endlose Sekunden und scheint überrascht, dass ich immer noch Zweifel habe. Aber ich will bloß ganz sicher sein. Nicht, dass er mich irgendwann völlig vernichtet, weil er sich vielleicht zufällig über die Art seiner Gefühle irrt.

  »Ich war mir in meinem ganzen Leben noch nie so sicher.«

  Damit schließt er die Tür hinter sich und lässt mich allein. Ziemlich aus der Fassung gebracht bleibe ich noch einige Sekunden vor meinem Bett stehen. Was ist da gerade passiert? Mit zitternden Knien gehe ich zur Tür und öffne sie einen Spalt. Immer noch schlägt mein Herz wie eine wilde Jagd, aber ich lege mir eine Hand auf die Brust, um es zu beruhigen. Unten an der Treppe höre ich, wie mein Vater sich bei Loan erkundigt, ob es mir gut geht. Noch ziemlich durcheinander spitze ich die Ohren.

  Leider pocht mein Herz so laut, dass ich die Antwort meines besten Freundes nicht hören kann. Den Rest des Gesprächs bekomme ich aber mit:

  »Mir ist klar, dass ich nicht unbedingt erfahren muss, was genau passiert ist«, höre ich meinen Vater leise. »Aber ich muss wissen, ob es richtig war, dir die Tür meines Hauses zu öffnen, Loan.«

  Ich nehme an, dass Loan nickt, ich kann es mir zumindest gut vorstellen.

  »Da bin ich mir ganz sicher. Die Wahrheit ist, dass ich mich in Ihre Tochter verliebt habe«, gesteht Loan und raubt mir damit fast den Atem. »Leider habe ich mich ziemlich dumm verhalten. Deshalb lasse ich ihr die Zeit, die sie braucht, um erst einmal richtig durchzuatmen. Und danach … liegt es an ihr, eine Entscheidung zu treffen. Ich werde sie nicht unter Druck setzen.«

  Unten wird es still. Ich stehe wie betäubt hinter meiner Tür und warte auf die Antwort meines Vaters. Du liebe Zeit. Es ist das erste Mal, dass ein Mann ihm mitteilt, dass er in mich verliebt ist.

  »Gut. Freut mich, das zu hören.«

  »Auf Wiedersehen, Monsieur. Und entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.«

  Leise schließe ich die Tür und lehne mich dagegen. Scheiße noch mal … Mir entfährt ein lauter Seufzer, wahrscheinlich der, den ich zurückgehalten habe, seit ich Loan auf der Schwelle meines Zimmers entdeckt habe. Er ist extra meinetwegen hergekommen, um mir zu sagen, dass er mich liebt und dass ich stark sein soll.

  Ja, ich hatte Schwierigkeiten, wie alle anderen auch. Und es wird sicher noch öfter passieren. Ich muss einfach nur darüber hinwegkommen.

  Ich muss einfach nur nach Hause gehen. Und mich wieder aufrappeln.

  39

  Heute

  Loan

  Es ist verrückt, wie langsam die Tage vergehen. Man könnte fast glauben, dass wir dem Universum völlig egal sind. Wenn man glücklich ist, rennt einem die Zeit viel zu schnell davon. Ist man deprimiert, erscheint einem jede Sekunde wie eine Ewigkeit. Ich bin zwar nicht deprimiert, aber ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass mein Leben derzeit einfach ist.

  Nach dem Besuch bei Violette fuhr ich wieder nach Hause, um mein eigenes Leben auf die Reihe zu bringen, und betete, dass ich überzeugend genug gewesen war. Ich sehe immer noch ihre aufgerissenen Augen vor mir, als sie mich auf ihrer Türschwelle entdeckte, und es bringt mich jedes Mal wieder zum Lächeln. Mein kleines Mädchen vom Land.

  Zunächst einmal zog ich vorübergehend zu Jason
. Wir vermeiden es, über Violette oder Lucie zu sprechen, was mir eigentlich ganz recht ist. Zumindest wenn ich nicht gerade versuche, Informationen aus ihm herauszubekommen. Einmal musste ich ihm sogar das Klopapier vorenthalten, um ihn zum Reden zu bringen; so erfuhr ich, dass Violette tatsächlich nach Paris zurückgekehrt war.

  Mehr wollte ich gar nicht wissen. Also ja, es ist schon schwierig. Aber ich habe ihr versprochen, ihr Zeit zu lassen, und das werde ich auch durchhalten. Die letzten beiden Monate waren ein intensives Gefühlschaos und außerdem macht sie sich Sorgen um ihre Zukunft. Es ist nur legitim.

  Deshalb lasse ich ihr schon seit einer Woche die versprochene Luft zum Atmen. Es kommt mir vor wie ein ganzes Leben.

  Ich würde sie so gern sehen, einfach nur sehen und den süßen Apfelduft ihrer Haare riechen. Ich vermisse sie. Nicht nur körperlich – sondern in allen Lebenslagen. Ich will nicht lügen: Unter der Dusche an sie zu denken ist nicht übel, aber natürlich nichts im Vergleich dazu, sich ganz real an sie zu schmiegen. Ich vermisse sie und ihre endlosen Monologe, ihre auf dem Boden herumliegenden Kleider, ihre doofen Witze und ihre leeren Nutella-Gläser.

  Um zu vergessen, wie sehr sie mir fehlt, schiebe ich Überstunden auf der Feuerwache. Wenn mein Chef mich schließlich rauskickt, gehe ich joggen. Violettes Playlist fordert mich jedes Mal heraus, aber ich kann damit umgehen. Aber auch wenn ich bereit bin, ihr Zeit zu lassen, versuche ich natürlich, nicht in Vergessenheit zu geraten. Zum Beispiel schicke ich ihr jeden, wirklich jeden Abend vor dem Schlafengehen eine Nachricht. Immer die gleiche: »Gute Nacht, Violette-Veilchenduft.«

  Und jedes Mal, wenn sie mir mit einem Herzchen antwortet, weiß ich wieder, warum ich das alles mache.

  Nach zwei Wochen erfahre ich, dass Violette bei einer völlig unbekannten Wäschemarke zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Ich rufe sie an, um ihr zu gratulieren, aber sie scheint so verunsichert zu sein, dass ich mich kurz fasse. Ich verspreche ihr, dass es bestimmt gut gehen wird. Sobald ich aufgelegt habe, versuche ich, mich ganz darauf zu konzentrieren, wie ich sie zurückgewinnen will.

  Gestern hat sie mir geschrieben, dass sie mich vermisst. Heute hat sie diesen Termin ergattert. Mit etwas Glück muss ich ihr nur die Aufrichtigkeit meiner Gefühle beweisen, damit sie sich entscheidet, das Wagnis einzugehen.

  Klar, ich bin ein Mann und habe deshalb keine Ahnung von solchen Dingen. Daher verbringe ich mehrere Tage damit, mir eine Überraschung zu überlegen. Ich möchte etwas ganz Besonderes für sie tun. Nicht zu sentimental, denn das passt nicht zu mir, aber auch nicht zu durchschnittlich. Ich wünsche mir, dass sie sich sagt: »Gut, er hat sich richtig angestrengt. Der Typ scheint mich tatsächlich zu lieben.«

  Nach vier verzweifelten Tagen weiß ich nicht mehr weiter und bitte Jason um Hilfe.

  »Ja, was weiß ich … Du kannst ja mal im Internet nachschauen.«

  Das war seine Antwort. Und das ist noch nicht das Jämmerlichste. Nein, viel erbärmlicher ist, dass ich am nächsten Tag tatsächlich im Internet nachgeschaut habe, weil mir beim besten Willen nichts einfallen wollte. Kein Kommentar. Ich schaute mir online sämtliche Frauenzeitschriften an und war sogar auf Wie-bekomme-ich-meine-ex-zurück.com, ohne etwas Interessantes zu finden.

  Eines Abends, als ich schon längst nicht mehr auf eine Eingebung warte, habe ich plötzlich eine Idee. Voller Hoffnung setze ich mich auf der Couch auf.

  »Wann genau ist Violettes Vorstellungsgespräch?«, erkundige ich mich.

  Jason, der meinen Stimmungsumschwung nicht bemerkt hat, zuckt die Schultern. Er zieht seine Schuhe aus, ohne dazu seine Hände zu benutzen, und legt die Füße auf den Couchtisch.

  »Übermorgen.«

  Ich denke einen Moment nach. Es ist machbar. Ich hätte ausreichend Zeit, alles vorzubereiten, bevor sie von ihrem Gespräch zurückkommt. Ich werde sie überraschen, wenn sie zurückkommt und es am wenigsten erwartet.

  Jason starrt mich mit einem spöttischen Lächeln auf den schmalen Lippen an. Verlegen werfe ich ihm einen finsteren Blick zu. Mich ärgert, dass er ganz genau weiß, was in mir vorgeht.

  »Liebst du sie?«

  »Du kennst die Antwort, Blödmann.«

  Jason wirft mit ausgestreckten Armen den Kopf zurück.

  »Masel tov!«

  Ich schüttle verbittert den Kopf. Trotzdem muss ich ihm recht geben. Es muss nervtötend gewesen sein, uns dabei zuzuschauen, wie wir umeinander herumschlichen, obwohl wir längst wussten, dass wir füreinander geschaffen waren. Jason richtet sich auf und scheint sich an etwas zu erinnern.

  »Igitt … Und demnächst macht ihr lauter Mini-Violans, die durch die ganze Wohnung laufen und nach Veilchen riechen.«

  Ich runzle die Stirn. Ehe ich es überhaupt realisiere, grinse ich übers ganze Gesicht. Die Idee gefällt mir. Kleine blonde Köpfchen mit nutellaverschmierten Mündern. Ganz die Mutter.

  »Um wieviel Uhr hat sie das Gespräch, Jason?«

  Er blickt mich argwöhnisch an. Er scheint zu begreifen, was mein Blick bedeutet, denn er verzieht das Gesicht.

  »Oh nein, sag jetzt bloß nicht, dass du diesen Typen spielen willst.«

  »Welchen Typen?«

  »Den, der zum Flughafen rennt und über die Sicherheitsabsperrungen springt, um dem Mädchen, nach dem er so verrückt ist, zuzurufen, dass er etwas Dummes gemacht hat, aber den Rest seines Lebens mit ihr verbringen will.«

  Amüsiert ziehe ich die Stirn kraus.

  »Ist Vio denn am Flughafen?«

  »Nein …«

  »Dann werde ich auch nicht dieser Typ sein.«

  Jason seufzt und steht auf, um mir zu entfliehen. Ich weiß, dass er mir keine Auskunft geben will, weil er findet, dass Violette noch Freiraum braucht. Aber sie braucht keinen Freiraum, sie braucht mich. Mich. Ebenso wie ich sie brauche.

  »Lass ihr noch ein bisschen Zeit«, meint er und geht sich eine Dose Cola holen. »Du kannst nicht einfach so zurückkommen und eine Schuld einfordern. Warte ab, und wenn sie dir eines Tages so sehr fehlt, dass es dir schon genügen würde, nur die gleiche Luft zu atmen wie sie … Dann helfe ich dir.«

  Angesichts seiner kleinen Tirade hebe ich die Augenbrauen. Wo ist der alte Jason geblieben? Der Typ, der verkündet hat, er würde nicht mit einer Feministin schlafen, weil sie sich nicht von hinten nehmen lassen würde?

  »Du hast ja eine poetische Ader.«

  Er verdreht die Augen. Ich ahne, dass ich mich glücklich schätzen kann, nicht an seiner Stelle zu sein:

  »Zoé zwingt mich, solchen Schwachsinn wie ›Wie ein einziger Tag‹ und ›Kein Ort ohne dich‹ anzuschauen.«

  »Immerhin scheinst du die Titel behalten zu haben«, ärgere ich ihn.

  Ich erwarte, dass er mich in die Schranken weist, aber so überraschend es auch erscheinen mag, er seufzt nur resigniert.

  »Soll wohl sein. Sie macht manchmal gleich im Anschluss ein kleines Quiz, um sicherzugehen, dass ich wirklich zugeschaut habe.«

  Über dieses Geständnis muss ich sehr lachen. Ein paar Sekunden lang stelle ich mir die Szene vor. Dieser Augenblick genügt mir, um mich glücklich zu schätzen, mich in ein Mädchen wie Violette verliebt zu haben. Ich werde wieder ernst und hake nach:

  »Komm schon, sag mir, wann das Gespräch stattfindet.«

  Er wirft mir einen undurchdringlichen Blick zu, aber ich gebe nicht klein bei. Ich weiß, dass er gleich schwach wird. Ich kenne ihn. Gleich gibt er nach. So bleiben wir für einige Sekunden, bis ich eine Augenbraue hebe. Jason seufzt und verzieht das Gesicht.

  Und schon hat er verloren.

  »Scheiße, du nervst!«

  40

  Heute

  Violette

  Today is the day.

  Der Tag, an dem ich erneut mein Glück versuche. Bei Millesia ließ es mich zwar im Stich, aber niemand kann behaupten, dass damit alles vorbei ist. Ich muss zurück in den Sattel, und zwar schnell! Und nachdem ich alle Dessous-Hersteller in Paris angerufen hatte, erhielt ich eine positive Rückmeldung von Jolies Môm
es, einer jungen, zu hundert Prozent französischen Marke. Ich glaubte zu träumen und hüpfte auf sämtlichen Matratzen in der Wohnung herum.

  Zudem muss ich mich der Tatsache stellen, dass die zwei Wochen, die Loan und ich nun voneinander getrennt sind, mir unendlich gutgetan haben – auch wenn ich ihn wie verrückt vermisse. Nach Clément habe ich diese Zeit nur mit mir allein gebraucht.

  Zoé: Wenn mindestens zwei Kerle dabei sind, hast du alle Chancen. Lass einfach einen Knopf mehr offen.

  Bei dieser Nachricht meiner besten Freundin runzle ich die Stirn. Sie scheint ja ziemlich viel Vertrauen in mein Talent zu haben …

  Und nun sitze ich in einem Besprechungsraum und warte, ganz allein mit dem wild hämmernden Herzen in meiner Brust. Der Rollständer mit meinen Probearbeiten steht direkt neben mir und mein Skizzenbuch liegt vorbereitet auf dem riesigen Tisch.

  Ich räuspere mich und wiederhole im Geiste meine kleine Rede. So seltsam es klingt, ich fühle mich nicht allzu gestresst. Schlimmer als beim letzten Mal kann es nicht werden.

  Ich werde es schaffen. Ich habe den richtigen Biss! Zitternde Hände zwar auch, aber egal.

  Als ich gerade auf Zoés Nachricht antworten will, geht die Tür auf. Zwei Frauen und ein Mann treten lächelnd ein. Ich richte mich sofort auf und gebe mich professionell.

  »Guten Tag. Sie sind also Violette?«

  Das wird super laufen!

  Ich war fantastisch! Einfach nur großartig. Im Ernst, das Gespräch war ein voller Erfolg. Ich musste nicht mal einen zusätzlichen Knopf öffnen.

  Manchmal kommt es mir vor, als wäre es Schicksal gewesen, dass das Vorstellungsgespräch bei Millesia so danebenging. Vielleicht war es vorherbestimmt, dass ich bei Jolies Mômes lande, wer weiß? Eigentlich bin ich Clément schon fast nicht mehr böse, dass er mir damals alles versaut hat.

 

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